Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.11.2006, Az.: 16 K 9/06
Ermäßigter Steuersatz; Rassehunde-Zuchtverein; Vermögensbindung; Vereinszweck
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.11.2006
- Aktenzeichen
- 16 K 9/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 40295
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:1123.16K9.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 23.07.2009 - AZ: V R 20/08
Rechtsgrundlagen
- UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8
- AO § 55
- AO § 61 Abs. 1
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG bezieht sich auf Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.
- 2.
Aufgrund des Verweises der Norm auf §§ 51 bis 68 AO setzt der ermäßigte Steuersatz voraus, dass bei Auflösung/Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks das Vermögen der Körperschaft nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf (Grundsatz der Vermögensbindung).
- 3.
Die Vermögensbindung ist nach § 61 Abs. 1 AO nur gegeben, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres begünstigten Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist.
- 4.
Auf die satzungsmäßige Regelung der Vermögensbindung kann nicht verzichtet werden.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Nach seiner Satzung versteht sich der Kläger als Rassehunde-Zuchtverein. Zweck ist die Reinzucht der Rasse Rhodesian Ridgeback nach einem bestimmten Standart. Demgemäß fördert der Verein alle Bestrebungen, die der Erfüllung dieses Zwecks dienen. Dabei ist Grundlage die Erhaltung und Festigung dieses Rassehundes in seiner Rassereinheit, seinem Wesen, seiner Konstitution und seinem formvollendeten Erscheinungsbild.
Der Kläger gab zunächst keine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab. Der Beklagte schätzte die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Umsatzsteuerbescheid vom 16. Dezember 2004 die Umsatzsteuer für das Streitjahr fest. Im sich anschließenden Einspruchsverfahren gab der Kläger eine Umsatzsteuererklärung ab, in der er ausschließlich Leistungen zum begünstigten Steuersatz mit einer Bemessungsgrundlage von 51. 650 DM erklärte. Der Beklagte änderte mit dem Einspruchsbescheid die bisherige Steuerfestsetzung. Er unterwarf die vom Kläger erklärten Leistungen jedoch dem Regelsteuersatz, weil er die Auffassung vertrat, dass auf den Kläger der begünstigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG nicht anwendbar sei. Die Satzung genüge nicht den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen an die Form der Satzungsmäßigkeit. Es liege ein Verstoß gegen § 61 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vor, weil keine Vermögensbindung bei Änderung oder Wegfall des Vereinszwecks geregelt sei.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger trägt vor: Zwar erfülle § 63 der Satzung nicht ausdrücklich die Vorgabe des § 61 Nr. 1 AO. Die Anforderungen an Formvorschriften dürften aber nicht überspannt werden. Diese Auffassung vertrete auch das FG Hamburg im Urteil vom 12. November 2002 zu Az.: VII-122/01. Im Streitfall sei zu beachten, dass nach der Satzung des Klägers die Änderung des Vereinszwecks nach § 25 der Satzung der Zustimmung aller Mitglieder bedürfe. Deshalb sei praktisch auf Dauer ausgeschlossen, dass ein Zweck gewählt werde, der nicht dem Gemeinnützigkeitsrecht entspreche. Auch der Anwendungserlass zu § 60 AO führe aus, dass es ausreichend sei, wenn sich die satzungsgemäßen Voraussetzungen aufgrund einer Auslegung aller Satzungsbestimmungen ergeben würden. Der Beklagte besteuere den Kläger im Übermaß, wenn er im Ergebnis von ihm für die Jahre 1997 - 2003 eine Steuerlast von 40. 000 € fordere, die bei Vorliegen der formalen Anforderungen an die Gemeinnützigkeit nicht anfallen würden.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer auf ./. 1.509,98 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest. Danach sei die Gesetzesvorgabe des § 61 Abs. 1 AO eindeutig und erfordere eine satzungsgemäße Vermögensbindung in allen drei Varianten der Auflösung, Aufhebung oder bei Wegfall des bisherigen Zwecks. Dieser Vorgabe entspreche die Satzung des Klägers nicht. Fragen des Vertrauensschutzes stellten sich im Streitfall nicht, weil der Kläger bis zur Erteilung des angefochtenen Steuerbescheides der Finanzbehörde seine Satzung nicht zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit vorgelegt habe.
Die beim Beklagten für den Kläger geführten Steuerakten haben dem Gericht vorgelegen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Der vom Kläger angestrebte ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG kann für das Streitjahr nicht zur Anwendung kommen. Nach der genannten Vorschrift sind mit dem ermäßigten Steuersatz die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, zu besteuern. Dabei verweist die begünstigende Umsatzsteuernorm auf §§ 51 - 68 der Abgabenordnung. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Selbstlosigkeit ist in § 55 AO definiert. Sie hat u. a. nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO zur Voraussetzung, dass bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks das Vermögen der Körperschaft nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden darf (Grundsatz der Vermögensbindung). Diese Vermögensbindung ist nach § 61 Abs. 1 AO dann gegeben, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres begünstigten Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Letzteres erfüllt der Kläger nicht. Denn in seiner Satzung, die für das Streitjahr galt, ist die satzungsgemäße Vermögensbindung nur für den Fall der Auflösung des Vereins geregelt, nämlich in § 63 der Satzung. Nicht geregelt hingegen ist die Vermögensbindung bei Wegfall des bisherigen Zweckes. Somit ist festzuhalten, dass § 61 Abs. 1 AO vom Kläger nicht erfüllt wird. Denn auf der Grundlage seiner Satzung kann gerade nicht geprüft werden, was mit seinem Vereinsvermögen bei Wegfall des bisherigen Zwecks geschehen wird.
Da die gesetzliche Vorgabe des § 61 Abs. 1 AO absolut eindeutig ist und keiner besonderen Interpretation bedarf, kann nicht angenommen werden, dass auch die satzungsmäßige Regelung der Vermögensbindung verzichtet werden könnte. Von da aus greift auch nicht das Argument des Klägers, dass die Anforderungen an Formvorschriften nicht überspannt werden dürften. Denn § 61 Abs. 1 AO verlangt gerade für die sich als Folge ergebenden Steuervergünstigungen die Einhaltung von Formalien.
Auf die Frage, ob der Kläger die Besteuerung durch rechtzeitige Korrektur seiner Satzung hätte vermeiden können, hat der Senat nicht zu befinden. Eine Übermaßbesteuerung durch den Beklagten liegt jedenfalls nicht vor. Der Beklagte besteuert nach den allgemeinen Besteuerungsregeln des Umsatzsteuerrechts. Seine Steuerfestsetzung erweist sich als zutreffend.
Die Klage war mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO demzufolge abzuweisen.