Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 08.09.2011, Az.: 12 A 3286/09

Äquivalenzprinzip; Gebühr; Gestattung; Mittelstandsentlastungsgesetz; Reisegaststätte; Reisegewerbekarte; Verwaltungsaufwand; Weihnachtsmarkt

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
08.09.2011
Aktenzeichen
12 A 3286/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45278
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Auch nach dem Wegfall des § 13 GastG a.F. ist eine Gestattung nach § 12 GastG für den Betreiber einer Reisegaststätte in Niedersachsen, der beabsichtigt, auf einem Weihnachtsmarkt Alkohol auszuschenken, weiterhin erforderlich.
2. Die diesbezügliche Erlaubnispflicht ist auch nicht durch die Einführung der Regelung in § 56 Abs. 1 Nr. 3 b GewO entfallen.
3. Bei der Festsetzung der Höhe der Rahmengebühr war für den Weihnachtsmarkt im Jahr 2009 das Äquivalenzprinzip zu berücksichtigen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung einer Gebühr durch die Beklagte für die Erteilung einer Gestattung zur Abgabe alkoholischer Getränke auf dem Weihnachtsmarkt.

Am 11. Mai 2009 bewarb sich der Kläger mit seinem Ausschank "A." bei der Beklagten für den …Markt im Jahr 2009 in O.

Mit Bescheid vom 19. November 2009 erteilte die Beklagte dem Kläger anlässlich des …Marktes in der Zeit vom 24. November 2009 bis 22. Dezember 2009 gem. § 12 Gaststättengesetz die jederzeit widerrufliche Erlaubnis zur Abgabe von alkoholischen Getränken. Zugleich erhob sie für die Gestattung eine Gebühr i.H.v. 250,- €.

Der Kläger hat am 18. Dezember 2009 Klage erhoben. Zur Begründung führte er aus: Die Erteilung einer Gestattung zum Ausschank von Alkohol sei für das Reisegaststättengewerbe mit der Aufhebung des § 13 Gaststättengesetz (GastG) im Rahmen des Zweiten Mittelstandsentlastungsgesetzes (MEG) nicht mehr erforderlich. Reisegaststätten könnten ihren Betrieb mit der Erteilung der reisegewerblichen Erlaubnis ohne eine weitere Erlaubnis ausüben. Der Ausschank von Alkohol sei von der reisegewerblichen Erlaubnis umfasst. Des Weiteren sei durch das Zweite MEG § 56 Abs. 1 Nr. 3 b GewO eingeführt worden. Aufgrund dieser Regelung werde der Ausschank von alkoholischen Getränken, die im Rahmen und für die Dauer einer Veranstaltung von einer ortsfesten Betriebsstätte zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht würden, zugelassen, ohne dass es dafür im Einzelfall einer Erlaubnis oder Gestattung bedürfe. Von dem Begriff der Veranstaltung i.S.d. § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO würden auch Volksfeste und Weihnachtsmärkte i.S.d. § 60 b GewO erfasst. Da auf Volksfesten und Weihnachtsmärkten regelmäßig u.a. auch alkoholische Getränke angeboten würden, müsste im Rahmen der Prüfung der Festsetzungsvoraussetzungen ggf. ein entsprechender Ausschluss eines solchen Ausschankes aufgenommen werden. Sei dies nicht der Fall, ergebe sich im Umkehrschluss daraus, dass der betreffende Raum ordnungs- und gesundheitsrechtlich für den Ausschank solcher Getränke geeignet sei und somit auch die gaststättenrechtlichen Voraussetzungen gegeben seien. Da die Erteilung einer Gestattung für den Ausschank alkoholischer Getränke auf dem Lambertimarkt in Oldenburg nicht erforderlich sei, dürften für die Erteilung einer nicht erforderlichen Gestattung auch keine Gebühren durch die Beklagten erhoben werden. Die Konkurrenz zwischen § 55 ff. GewO und §§ 2, 12 GastG sei durch Auslegung zu lösen. Im Wege der teleologischen Auslegung der beiden konkurrierenden Normen ergebe sich, dass die §§ 1, 12 GastG auf den Fall des Ausschanks alkoholischer Getränke unter den Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Ziff. 3b der GewO keine Anwendung fänden. Des Weiteren sei die Höhe der Gebühr zu beanstanden.

Der Kläger beantragt,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 19. November 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt zur Begründung vor: Der Gesetzgeber habe durch die Aufhebung des § 13 GastG nicht bestimmt, dass auf Reisegaststätten allein die Vorschriften des Titels III der Gewo Anwendung fänden bzw. dass durch die Erteilung einer Reisegewerbekarte eine Erlaubnis/Gestattung nach §§ 2, 12 GastG ersetzt werde. Mangels anderweitiger Regelungen bleibe es bei der Bestimmung des § 1 Abs. 2 GastG, wonach Reisegastwirte eine erlaubnispflichtige Gaststätte betrieben mit der Folge, dass für diese eine Erlaubnis gem. § 2 GastG bzw. eine Gestattung gem. § 12 GastG erforderlich sei. Für diese Annahme spreche auch die Regelung des § 31 GastG. Mit dem Dritten MEG sei zwar § 56 Abs. 1 Nr. 3b GewO dahingehend geändert worden, dass nunmehr im Reisegewerbe alkoholische Getränke zugelassen seien, die im Rahmen und für die Dauer einer Veranstaltung von einer ortsfesten Betriebsstätte zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht würden. Diese Bestimmung solle jedoch einen bundeseinheitlichen Rechtszustand nach Inkrafttreten der Landesgaststättengesetze sicherstellen. Da die am 19. November 2009 erteilte Gestattung inzwischen bestandskräftig sei, könne die Kostengrundentscheidung nicht mehr mit der Behauptung sachlich unrichtiger Entscheidung angegriffen werden. Die festgesetzte Gebühr i.H.v. 250,- € halte sich im vorgesehenen Gebührenrahmen von 44,- € bis 770,- € nach § 3 des Nds. Verwaltungskostengesetzes i.V.m. Ziffer 40.4.8 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO). Der zuständige Fachdienst setze pro Stand/Zelt für den ersten Tag 60,- € und für jeden weiteren Tag 30,- € fest. Da die Betreiber jedoch bereits Standgelder entrichteten, käme die Beklagte ihnen seit Jahren entgegen und erhebe lediglich eine Gebühr i.H.v. 250,- € für die gaststättenrechtliche Erlaubnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

Der Zulässigkeit der Anfechtung des Kostenbescheides steht nicht entgegen, dass - nach der Auffassung der Beklagten - der Kläger nicht zugleich die Verfügung vom 19. November 2009 bezüglich der ihm erteilten Gestattung im Klagewege angegriffen habe und diese inzwischen bestandskräftig geworden sei. Die Kostenfestsetzung ist in dem Bescheid der Beklagten vom 19. November 2009 erfolgt, der auch die Entscheidung über die Erteilung der Gestattung enthält. Der Kläger formulierte zwar seinen Klageantrag dahingehend, dass er die Aufhebung des Gebührenbescheides begehre. In der Begründung seines Antrages verwies er jedoch darauf, dass die Beklagte mangels Erforderlichkeit der ihm erteilten Gestattung auch keine Gebühren für diese erheben dürfe. Mithin hat sich der Kläger mit der vorliegenden Klage auch gegen die Heranziehung der Gestattung als Grundlage für die Kostenfestsetzung gewendet.

Der angefochtenen Verfügung der Beklagten, gegenüber dem Kläger eine Gebühr für die erteilte Gestattung in Höhe von 250,-- € festzusetzen, liegen die Regelungen der §§ 1, 3, 5 und 9 des Nds. Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) vom 25.04.2007 (Nds. GVBl. S. 172) i.V.m. § 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO -) vom 05. Juni 1997 (Nds. GVBl. 1997, 171 und der Nr. 40.4.8 der dazu ergangenen Anlage zugrunde.

Die erteilte Gestattung stellt eine Amtshandlung dar. Für eine solche erhebt die zuständige Behörde gem. § 1 NVwKostG Gebühren, wenn der Beteiligte zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat sich mit seinem Ausschank "A." für den …Markt 2009 beworben und damit der Aussage der Beklagten zufolge, der der Kläger nicht entgegengetreten ist, wie in den Jahren zuvor zugleich konkludent die Erteilung der dafür erforderlichen Erlaubnisse beantragt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die nach § 12 GastG erteilte Gestattung für den von ihm beabsichtigten Ausschank alkoholischer Getränke auch weiterhin erforderlich.

Dem Landesgesetzgeber steht es frei, die Erlaubnispflicht für das Gaststättengewerbe aufzuheben (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung - "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft" vom 21. März 2007,BT-Drs. 16/476, S. 5 unter Verweis die Seiten 4 bis 42 der BT-Drs. 16/4391 - dort S. 38). Mangels einer solchen Regelung in Niedersachsen zum derzeitigen Zeitpunkt bleibt es jedoch bei der Erlaubnispflicht nach dem GastG für den Ausschank alkoholischer Getränke im Rahmen einer sog. Reisegaststätte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch die Aufhebung des § 13 GastG durch den Bundesgesetzgeber (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 16. Februar 2011 - 1 A 6/10 -, <juris>). In § 13 Abs. 1 GastG war bis zur Aufhebung durch das "Zweite Gesetz zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft" vom 7. September 2007 (BGBl. I, S. 2246) geregelt, dass auf die in § 1 Abs. 2 genannten Tätigkeiten Titel III der Gewerbeordnung keine Anwendung findet, auch soweit es sich um Personen handelt, die das Reisegewerbe nicht selbständig betreiben. Damit sollte bislang in diesem Bereich ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem der Erlaubnispflicht nach § 55 Abs. 2 GewO und nach dem GastG verhindert werden (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung - "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft" vom 21. März 2007, a.a.O., S. 38 der BT-Drs. 16/4391). Aufgrund des Wegfalls des § 13 GastG sind die Regelungen des Titel III. (§§ 55 bis 61) der GewO auch auf die Betreiber von Reisegaststätten anwendbar. Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch das Entstehen der Erforderlichkeit einer Reisegewerbekarte das Erfordernis einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis entfällt. Dass der Bundesgesetzgeber den Wegfall der Erforderlichkeit der gaststättenrechtlichen Erlaubnis mit der Aufhebung des § 13 GastG in diesen Konstellationen nicht beabsichtigte, ergibt sich bereits aus der Neuregelung des § 55 a Abs. 1 Nr. 7 GewO. Danach bedarf einer Reisegewerbekarte nicht, wer ein nach Bundes- oder Landesrecht erlaubnispflichtiges Gewerbe ausübt, für dessen Ausübung die Zuverlässigkeit erforderlich ist, und über die erforderliche Erlaubnis verfügt. Mit der Regelung des § 55 a Abs. 1 Nr. 7 GewO hat der Bundesgesetzgeber einer möglichen Doppelbelastung des Betreibers einer Reisegaststätte i.S.d. § 1 Abs. 2 GastG entgegengewirkt. Die fehlende Regelung des umgekehrten Falles - Entbehrlichkeit einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis beim Vorliegen einer Reisegewerbekarte - im Bundesgaststättengesetz spricht gegen einen entsprechenden Regelungswillen des Bundesgesetzgebers. Die gewerberechtlichen Regelungen für Reisegaststätten sind auch kein lex specialis gegenüber den Regelungen im GastG. In § 31 Halbsatz 1 GastG ist vielmehr geregelt, dass auf die den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegende Gewerbebetriebe die Vorschriften der Gewerbeordnung soweit Anwendung finden, als nicht in diesem Gesetz besondere Bestimmungen getroffen worden sind.

Die weiterhin erforderliche gaststättenrechtliche Erlaubnis in der vorliegenden Konstellation entfällt auch nicht durch die durch das Dritte MEG vom 17. März 2009 (BGBl. I, S. 550) erweiterte Möglichkeit, im Reisegewerbe Alkohol auszuschenken (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 16. Februar 2011, a.a.O.). Gem. § 56 Abs. 1 Nr. 3 b GewO ist im Reisegewerbe das Feilbieten von alkoholischen Getränken verboten; zugelassen sind Bier und Wein in fest verschlossenen Behältnissen, alkoholische Getränke im Sinne von § 67 Abs. 1 Nr. 1 zweiter und dritter Halbsatz und alkoholische Getränke, die im Rahmen und für die Dauer einer Veranstaltung von einer ortsfesten Betriebsstätte zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden. Diese Neuregelung sollte jedoch lediglich sicherstellen, dass der frühere Rechtszustand auch nach Inkrafttreten der Landesgaststättengesetze bundeseinheitlich beibehalten wird (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung - Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft - vom 19. Januar 2009, BT-Drs. 16/11622, S. 7).

Die von der Beklagten angenommene Höhe der Gebühr von 250,-- Euro ist ebenfalls rechtmäßig. Gem. § 1 der Allgemeinen Gebührenordnung und des dazu erlassenen Kostentarifs Nr. 40.4.8 der Anlage ist für die vorübergehende Gestattung eines Gaststättenbetriebs nach § 12 GastG eine Gebühr in Höhe 44,-- bis 770,-- Euro zu erheben. Ist für den Ansatz einer Gebühr durch die Gebührenordnung ein Rahmen bestimmt, so hat die Behörde gem. § 9 Abs. 1 NVwKostG, soweit die Gebührenordnung nichts anderes vorschreibt, bei Festsetzung der Gebühr das Maß des Verwaltungsaufwandes für die einzelne Amtshandlung sowie den Wert des Gegenstandes der Amtshandlung zu berücksichtigen. Beide Faktoren sind nicht als jeweilige Teilbeträge zu addieren, sie stehen vielmehr in Wechselwirkung zueinander und sind im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip zu korrigieren. Das bedeutet, dass bei sehr geringem Aufwand für die Behörde und enormer Bedeutung für den Gebührenschuldner diese Bedeutung als Orientierungsrahmen genommen werden darf. Die Grenze legt der jeweilige Gebührenrahmen fest. Diesen Anforderungen kommt die Beklagte mit der von ihr festgesetzten Gebühr nach. Sie hat dazu im Klageverfahren ausgeführt, dass der zuständige Fachdienst bei derartigen Gestattungen für den ersten Tag pro Stand/Zelt 60,-- Euro und für jeden weiteren Tag 30,-- Euro berechnet. Bei der Dauer des …Marktes von 29 Tagen ergibt sich bei dieser Berechnung eine über der Obergrenze der Rahmengebühr liegende Summe von 900,-- Euro (60,-- Euro <1.Tag> und 840,-- Euro <28 Tage>). Damit orientiert die Beklagte sich in erster Linie an der Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner und nur nachrangig an dem Verwaltungsaufwand. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte deshalb für den ersten Tag der Gestattung einen geringfügig über dem Mindestbetrag liegenden Wert annimmt und diesen für die Folgetage halbiert. Dass die Beklagte diese typisierende Regelung auch im vorliegenden Verfahren anwendet, ist ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn auch ihr Verwaltungsaufwand für die Erteilung der Gestattung in Anbetracht des hier vorgelegten, nicht besonders umfangreichen Verwaltungsvorgangs als gering einzustufen ist. Dies gilt umso mehr, als sie die Gebühr wegen der bereits von den Betreibern an die Beklagte zu zahlenden Standgelder seit Jahren auf 250,-- Euro reduziert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.