Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 22.09.2004, Az.: 5 A 98/03

Festsetzung eines Kammerbeitrags; Doppelte Mitgliedschaft einer Steuerberatungsgesellschaft und ihres Geschäftsführers in der Steuerberaterkammer; Verpflichtung zur Zahlung des Kammerbeitrags

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
22.09.2004
Aktenzeichen
5 A 98/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 32272
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2004:0922.5A98.03.0A

Fundstellen

  • DStR 2005, 443-444 (Volltext mit amtl. LS)
  • DStRE 2005, 424 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Kammerbeitrag 2003

Das Verwaltungsgericht Lüneburg - 5. Kammer -
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts von Alten,
den Richter am Verwaltungsgericht Schütte,
die Richterin am Verwaltungsgericht Sandgaard sowie
die ehrenamtlichen Richter Studtmann und Tomm
hat ohne mündliche Verhandlung am 22. September 2004
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der durch die Verweisung des Rechtsstreits an das erkennende Gericht entstandenen Kosten, die die Beklagte zu tragen hat.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft. Sie wird ebenso wie ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer von der Beklagten zu Kammerbeiträgen herangezogen.

2

Mit Bescheid vom 14. Januar 2003 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für das Geschäftsjahr 2003 einen Beitrag von 372,00 EUR fest und wies die Klägerin darauf hin, dass der Beitrag sich um 12,00 EUR ermäßige für die Mitglieder, die ihr eine Einzugsermächtigung erteilt hätten.

3

Die Klägerin legte gegen die Veranlagung Widerspruch ein und machte geltend, dass sie nicht mehr aktiv steuerberatend tätig sei. Ihr Geschäftsumfang sei auf die Verwertung und Verwaltung der Reserven zur Pensionszahlung an ihren Alleingesellschafter und Geschäftsführer beschränkt. Sie habe deshalb keinen oder nur einen ermäßigten Beitrag zu leisten. Darüber hinaus sei die Strafgebühr von 12,00 EUR rechtswidrig, die sich gegen Mitglieder wende, die nicht bereit seien der Kammer eine Einzugsermächtigung zu erteilen.

4

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2003 zurück und führte zur Begründung aus, dass die Klägerin gemäß ihrer Beitragsordnung beitragspflichtiges Mitglied der Kammer sei, solange die Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt sei. Der Klägerin sei es aber möglich, auf ihre Anerkennung zu verzichten. Bei der Ermäßigung des Beitrags für den Fall einer erteilten Einzugsermächtigung handele es sich nicht um eine Strafgebühr. Die Erteilung von Einzugsermächtigen führe zu Vereinfachungen in der Buchhaltung. Mitglieder, die davon Gebrauch machten, kämen in den Genuss einer Beitragsreduzierung.

5

Die Klägerin hat am 23. Mai 2003 beim Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht Hannover hat sich mit Beschluss vom 3. Juli 2003 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das erkennende Gericht verwiesen. Die Klägerin hat einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. August 2003 (5 B 35/03) abgelehnt hat (vgl. dazu Beschluss des Nds. OVG vom 07.10.2003 - 8 ME 153/03).

6

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere ihren Einwand, dass ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer und auch sie selbst keine steuerberatende Tätigkeit mehr ausübten.

7

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2003 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie hält die streitige Beitragserhebung für rechtmäßig.

10

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf Gerichtsakten 5 A 98/03, 5 A 99/03, 5 B 35/03, 5 B 36/03 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Über die Klage kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs.2 VwGO).

12

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.

13

Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Kammerbeitrags sind §§ 74 Abs. 1, 79 Abs. 1 StBerG i.V.m. der Beitragsordnung der Beklagten vom 22. Februar 1996 - BO -. Danach sind die Mitglieder der Beklagten verpflichtet, Beiträge an die Beklagte zu entrichten. Wer beitragspflichtiges Mitglied ist, ist in § 74 Abs. 1 StBerG i.V.m. § 1 Abs. 2 BO geregelt. Die Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz im Oberfinanzbezirk Hannover gehört danach ebenso wie ihr Geschäftsführer zu den beitragspflichtigen Mitgliedern.

14

Gegen die doppelte Mitgliedschaft sowohl der Klägerin als auch ihres Geschäftsführers bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Sie ergibt sich nicht nur aus der Beitragsordnung, sondern unmittelbar aus § 74 Abs. 1 Satz 1 StBerG, wonach außer den Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten auch die Steuerberatungsgesellschaften, die ihren Sitz im Oberfinanzbezirk haben, Mitglieder der Steuerberaterkammern sind. Wird wie hier die Steuerberatungsgesellschaft von einem Steuerberater geführt, lässt die Regelung nicht den Schluss zu, dass eine Mitgliedschaft des Steuerberaters einerseits oder der Steuerberatungsgesellschaft andererseits nur alternativ bestehen soll. Die beiderseitige Mitgliedschaft von Steuerberatungsgesellschaft und der sie führenden Personen ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen.

15

Die Heranziehung der Klägerin zum vollen Jahresbeitrag für das streitige Geschäftsjahr ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 4 Abs. 1 BO wird der Beitrag von jedem Mitglied in gleicher Höhe erhoben, eine Reduzierung auf Vi des Beitrags findet auf Antrag unter den in Abs. 2 genannten, hier nicht einschlägigen Voraussetzungen statt. Dagegen ist rechtlich nichts einzuwenden. Für die Frage, nach welchen Gesichtspunkten die Beiträge der Kammerangehörigen zu bemessen sind, enthält § 79 StBerG keine Vorgaben. Der Satzungsgeber unterliegt allerdings dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebot willkürfreier Regelung. Mithin müssen die zur Deckung ihrer Kosten erforderlichen Beiträge möglichst gleichmäßig und gerecht auf die Kammerangehörigen verteilt werden. Ferner ist das aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgende Äquivalenzprinzip zu beachten. Danach darf die Höhe eines Beitrages nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll, und einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden (BVerwG, Urteil v. 26.06.1990, GewArch 1990, 388). Regelungen, die von allen Pflichtigen grundsätzlich einen gleich hohen Beitrag erfordern, sind dadurch nicht ausgeschlossen. Denn zu berücksichtigen ist, dass abgabenrechtliche Regelungen im Interesse einer einfachen Handhabung in gewissem Grade typisieren und pauschalieren müssen (OVG Münster, Urteil v. 17.11.1989, NwVBI. 1990, 202).

16

Die volle Beitragspflicht der Klägerin genügt vorliegend (noch) den Anforderungen des Äquivalenzprinzips. Durch ihre Mitgliedschaft in der Beklagten werden ihr Vorteilsmöglichkeiten eingeräumt, denen gegenüber der streitige Kammerbeitrag von 372,00 EUR in keinem Missverhältnis steht Nach § 76 Abs. 1 StBerG hat die Steuerberaterkammer die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit der Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist die Aufgabenwahrnehmung umfassend zu verstehen. Sie ist nicht auf Mitglieder beschränkt, die im Wirtschaftsleben aktiv steuerberatend tätig sind, sondern umfasst die Wahrnehmung der Belange der Gesamtheit der Mitglieder einschließlich der nicht mehr aktiv steuerberatend Tätigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Vorteil, den ein Steuerberater bzw. eine Steuerberatungsgesellschaft aus der Tätigkeit der körperschaftlichen Selbstorganisation zieht oder ziehen kann, weder in immaterieller noch in materieller Hinsicht exakt messbar ist (vgl. OVG Münster, a.a.O.). Solange die Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft bestellt ist, kann sie aus der Aufgabenwahrnehmung durch die Beklagte wie jedes andere Mitglied auch Vorteile ziehen. Das von der Klägerin geltend gemachte faktische Ruhen der steuerberatenden Tätigkeit ändert daran nichts. Die Vorteile aus der Mitgliedschaft in der Beklagten werden ihr dadurch nicht genommen, auch wenn sie für die Klägerin für gering erachtet werden. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Klägerin in irgendeiner Weise gehindert wäre, steuerberatende Tätigkeiten wieder aufzunehmen. Soweit ersichtlich, hat sie weder den Gesellschaftsvertrag geändert noch auf andere Weise ihren Geschäftsumfang dahin rechtlich beschränkt, dass ihr die Ausübung der Steuerberatung nunmehr verwehrt wäre. Die volle Beitragspflicht der Klägerin ist danach durch das weite Gestaltungsermessen, das der Beklagten im Rahmen der Beitragserhebung zusteht, noch gedeckt.

17

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es der Klägerin in zumutbarer Weise möglich ist, ihre Beitragspflicht zu beenden. Nach § 2 Abs. 3 BO knüpft die Beitragspflicht an den Tatbestand der Anerkennung gemäß §§ 49 ff StBerG an, die hier weiterhin besteht, sowie an den Sitz der Gesellschaft. Die Klägerin könnte durch einen Verzicht auf ihre Anerkennung nach § 54 Abs.1 Nr. 2 StBerG ihre Beitragspflicht beenden. Dass dadurch die Pensionsansprüche ihres Geschäftsführers gefährdet sein könnten, ist nicht ersichtlich. Die Beitragsordnung der Beklagten ermöglicht danach neben der - für die Klägerin allerdings nicht relevanten - Regelung in § 4 Abs.2 und der Härtefallregelung in § 5 in hinreichendem Maße eine Reduzierung des Beitrags bzw. eine Beendigung der Beitragspflicht.

18

Soweit die Beklagte den Mitgliedern, die bei der Beitragszahlung vom Bankeinzugsverfahren Gebrauch machen, eine Ermäßigung des Beitrags von 12,00 EUR einräumt, ist dies nicht als eine rechtswidrige Vergünstigung im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedern anzusehen, die von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Es handelt sich um einen finanziellen Anreiz zur Mitwirkung an einer Verwaltungsvereinfachung, dessen Höhe sowohl absolut gesehen als auch im Verhältnis zum erstrebten Zweck nicht unangemessen erscheint. Im Übrigen könnte die Klägerin aus der Rechtswidrigkeit der Beitragsermäßigung nichts für sich herleiten. Die Rechtswidrigkeit der Ermäßigung hätte zur Folge, dass sie entfiele, nicht aber umgekehrt, dass sich alle Mitglieder auf sie berufen könnten. Der Vorwurf, den Mitgliedern, die sich dem Einzugsverfahren nicht unterwerfen, werde eine Strafgebühr in Höhe von 12,00 EUR auferlegt, geht in diesem Zusammenhang fehl.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, §§ 83 Satz 1 VwGO, 17 b Abs. 2 GVG i.V.m. § 155 Abs. 5 VwGO. Der Beklagten sind die durch die Verweisung des Rechtsstreits entstandenen Kosten aufzuerlegen, weil die Rechtsmittelbelehrung in dem Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2003 auf das örtlich unzuständige Verwaltungsgericht Hannover hingewiesen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

20

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 372,00 EUR festgesetzt.

von Alten
Schütte
Sandgaard