Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 14.09.2004, Az.: 3 A 209/03

Feststellung einer Eigentumsposition; Eigentumsrechtliche Postion des Landes und des Bundes in Bezug auf eine Überschwemmungsfläche; Aufgaben der Grenzsicherung; Überschwemmungsflächen zu Gunsten des Hochwasserschutzes; Unterscheidung von Verwaltungsvermögen und Bundesvermögen; Eigentumserlangung an Grundstücken zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
14.09.2004
Aktenzeichen
3 A 209/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 32035
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2004:0914.3A209.03.0A

Verfahrensgegenstand

Vermögenszuordnung

Das Verwaltungsgericht Lüneburg - 3. Kammer - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2004
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Siebert,
die Richterin am Verwaltungsgericht Sandgaard,
den Richter am Verwaltungsgericht Schütte sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen Milde und Nitsch
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 3., der Wasser- und Schifffahrtsdirektion, sind erstattungsfähig. Außergerichtliche Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein streitbefangenes Grundstück zwischen dem Flusslauf der Elbe und dem Deich in dem Gebiet der ehemaligen DDR Eigentum des Landes Niedersachsen ist und nicht Eigentum der Bundesrepublik Deutschland (Bundeswasserstraßenverwaltung).

2

Das Grundstück liegt direkt an der Elbe am Fuß des Deiches. Der Kläger bezeichnet es als teilweise Grünland, teilweise Unland. Ein Buhnenfuß - die Buhne bildet ein eigenes Flurstück - ragt in das Grundstück hinein. Westlich finden sich weitere Buhnen.

3

Das Grundstück war zu Zeiten der DDR Volkseigentum und stand in der Rechtsträgerschaft der LPG Neuhaus.

4

Die Bundeswasserstraßenverwaltung der Bundesrepublik Deutschland beantragte die Übertragung des Grundstückes auf sich. Dem Antrag wurde mit Bescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Rostock - Vermögenszuordnungsstelle Schwerin - vom 25. September 2003 entsprochen.

5

Der Kläger hat am 21. Oktober 2003 Klage erhoben mit dem Ziel, selbst Eigentümer des Grundstückes zu werden. Er trägt - wie im Parallelverfahren 3 A 211703 - vor: Die Fläche sei dem Land zuzuordnen, da es für den Hochwasserschutz zuständig sei. Dies sei eine Nutzung für Verwaltungsaufgaben, die sein Eigentumsrecht begründe. Das Gelände müsse von jeglicher anderer störenden Nutzung freigehalten werden. Vordeichgrundstücke dienten im Wesentlichen als Überschwemmungsgebiet. Erosionsfördernde Eingriffe wie die Nutzung als Ackerland müssten vermieden werden. Die Nutzung könne auch in einer "Negativnutzung" bestehen, dem Freihalten des Geländes von jeder anderen Nutzung, soweit sie störend sei. Die Nutzung des Vordeichgeländes als Hochwasserschutzfläche bestehe schon seit dem Preußischen Wassergesetz von 1905, werde aber auch durch spätere Vorschriften belegt. In der Lüneburger Landeszeitung etwa werde ausgeführt, dass die Verbuschung im Eibvorlanddeich zurückgeschnitten werden müsse, um zugunsten des Hochwasserschutzes Überschwemmungsflächen vorzuhalten. Dies belege die Verwaltungsaufgabe des Landes in Sachen Hochwasserschutz, die sich auch aus den Regelungen des Nieders. Wassergesetzes ergebe.

6

Zusätzlich führt der Kläger aus, es sei jedenfalls fehlerhaft, das gesamte Flurstück der Bundeswasserstraßenverwaltung zuzuordnen, da auch eine Teilzuordnung möglich gewesen wäre. Das Grundstück liege weit hinter den Buhnen und habe keinen Bezug zur Elbe selbst. Die Entscheidung sei aufgrund veralteter Kartenlage getroffen worden. Dies müsse richtig gestellt werden.

7

Der Kläger beantragt,

den Vermögenszuordnungsbescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Rostock - Vermögenszuordnungsstelle Schwerin - vom 25. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Eigentum des Klägers an dem im Bescheid aufgeführten Grundstück festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie erwidert: Bei dem Grundstück handele es sich nicht um Verwaltungsvermögen des Landes, weil es nicht unmittelbar hoheitlichen Zwecken des Landes diene. Auch wenn der Kläger die Aufgabe des Hochwasserschutzes habe, beschränke sich seine Zuständigkeit darauf, Nutzungsbeschränkungen zu verfügen, denen sich jeder Eigentümer der dem Hochwasserschutz unterliegenden Flächen beugen müsse. Die Einordnung als Hochwasserschutzfläche sei keine irgendwie geartete "Nutzung". Eine vollständige oder teilweise "Nichtnutzung" sei weder Nutzungszweck noch anspruchsbegründendes Zuordnungskriterium. 1921 seien verschiedene Binnenwasserstraßen, darunter auch die Elbe, in das Eigentum des Deutschen Reiches übergegangen. Vom Eigentumsübergang seien auch bauliche Anlagen wie das Buhnenfeld erfasst, die zur Unterhaltung des Fahrwassers dienten. Das Eigentum erstrecke sich auch auf Anlandungen, die seitdem entstanden seien.

10

Im Übrigen liege das Grundstück im ehemaligen Grenzstreifen. Die Aufgabe der Grenzsicherung stehe nicht den Ländern zu, sondern dem Bund. Auch diese Nutzung überlagere den landesrechtlichen Hochwasserschutz.

11

Die Beigeiadenen stellen keinen Antrag.

12

Die begünstigte Wasser- und Schiffahrtsdirektion weist jedoch darauf hin, dass sie das Grundstück für Verwaltungszwecke nicht in Anspruch genommen habe.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte verpflichtet wird, das Eigentum des Klägers an dem streitbefangenen Grundstück festzustellen. Der Bescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Rostock vom 25. September 2003 über die Zuordnung der Flächen an die Bundesrepublik Deutschland - Bundeswasserstraßenverwaltung - ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Zuordnung stützt sich auf Art. 21 Abs. 1 des Einigungsvertrages - EV - i.V.m. den dazu gehörigen Vorschriften des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG -.

15

Nach Art. 21 Abs. 1 EV wird das Vermögen der Deutschen Demokratischen Republik, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient (Verwaltungsvermögen) Bundesvermögen, sofern es nicht nach seiner Zweckbestimmung überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach dem Grundgesetz von Ländern, Gemeinden oder sonstigen Trägern öffentlicher Verwaltung wahrzunehmen sind. - Die Vorschrift regelt die Aufteilung des volkseigenen Vermögens auf Bund, Länder und Gemeinden. Wem das Eigentum an Gegenständen des Verwaltungsvermögens zusteht, richtet sich danach, wer nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Träger der Verwaltungsaufgabe ist.

16

Die Annahme des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Rostock im angefochtenen Bescheid, bei den Grundstücken handele es sich um Verwaltungsvermögen, das der Bundesrepublik Deutschland zusteht, lässt sich nicht beanstanden.

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Dass das Grundstück zum Verwaltungsvermögen gehört, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Vom Vorliegen eines Verwaltungsvermögensgegenstandes gehen sowohl der Oberfinanzpräsident der Oberfinanzdirektion Rostock im angefochtenen Bescheid als auch der Kläger selbst in seiner Klagebegründung aus. Allein streitig ist die Frage, ob das Grundstück überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, die nach dem Grundgesetz vom Land wahrzunehmen ist. Dies ist indes nicht der Fall. Das Grundstück steht dem Kläger nicht zu, weil es kein Verwaltungsvermögen gem. Art. 21 Abs. 1 EV ist, das überwiegend für Verwaltungsaufgaben des Landes bestimmt ist.

18

Der Umstand, dass das Land Niedersachsen für Hochwasserschutz zuständig ist, macht das streitbefangene Grundstück nicht zu einem Gegenstand des Verwaltungsvermögens, welches dem Land zustünde.

19

Zum Hochwasserschutz sind in § 32 WHG und in §§ 92-94 NWG Regelungen getroffen. Danach sind Gebiete, die bei Hochwasser überschwemmt werden, in ihrer Funktion als natürliche Rückhalteflächen zu erhalten. Eine Vielzahl von Maßnahmen sind genehmigungspflichtig, u.a. der Umbruch von Grünland in Ackerland, Erhöhungen, Vertiefungen und die Errichtung von baulichen Anlagen (§ 93 Abs. 2 NWG), und durch Verwaltungsakt kann angeordnet werden, einerseits dass Gegenstände zu beseitigen sind, die den Wasserfluss hindern können, andererseits, dass Grundstücke so zu bewirtschaften sind, wie es zum schadlosen Abfluss des Hochwassers erforderlich ist (§ 94 Abs. 1 NWG).

20

Auch wenn eine Behörde die Nutzungsart von Grundstücken durch Ge- und Verbote sowie durch bestimmte Erlaubnisse (hier: nach den wasserrechtlichen Vorschriften) steuert, ist dies keine Nutzung der Grundstücke für eine öffentliche Aufgabe (Vermögen in der ehemaligen DDR, § 11 VZOG Rdnr. 12). So ist etwa der Naturschutz beispielsweise eine Aufgabe der Länder, setzt aber nicht voraus, dass jedes Naturschutzgelände auch Eigentum der Körperschaft ist, die für die Einhaltung der Naturschutzzwecke verantwortlich ist (Kimme, offene Vermögensfragen, § 11 VZOG Rdnr. 95; zum Naturschutz sh. auch VG Magdeburg, Urt. v. 06.05.1997 - A 7 K 165/97 -). Für die Aufgabe des Denkmalschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht wörtlich ausgeführt (Beschl. v. 18.09.1998 - 3 B 25.98 - Buchholz 111 Art. 21 EV Nr. 29):

"Die einem Eigentümer eines Denkmals nach Denkmalschutzvorschriften obliegenden Erhaltungs- oder Verbesserungspflichten sowie deren Erfüllung gründen ausschließlich in diesem Recht und gewinnen ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Charakter von hoheitlichen Aufgaben, deren Wahrnehmung die Sache zu einer solchen im Verwaltungsgebrauch machte".

21

Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, in dem um die öffentliche Aufgabe des Hochwasserschutzes geht, in vollem Umfang zu übertragen. Auch der Hochwasserschutz ist wie der Denkmalschutz und der Naturschutz eine Aufgabe von öffentlichem Interesse und besonderer Wichtigkeit. Die in den angeführten wasserrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck gekommenen Nutzungsbeschränkungen belegen dies deutlich. Jedoch wird der Hochwasserschutz nicht mit Hilfe der betreffenden Vermögensgegenstände - der verschiedenen Grundstücke - unmittelbar verwirklicht. Der Hochwasserschutz kann unabhängig vom Eigentum an den Flächen erreicht und verfolgt werden. Die Grundstücke müssen zur Verwirklichung des Hochwasserschutzes, vom Land Niedersachsen nicht unmittelbar selbst genutzt oder benutzt werden. Vielmehr bietet das Nds. Wassergesetz - ebenso wie es die Wassergesetze der übrigen Länder tun - ein genügendes Instrumentarium in Form von Ge- und Verboten sowie Erlaubnisvorbehalten, um die Nutzung der Grundstücke - auch wenn sie im Eigentum Dritter stehen - in einer Weise zu lenken, dass der öffentliche Zweck des Hochwasserschutzes effektiv und wirkungsvoll erreicht werden kann. Die Verwaltungsaufgabe des Hochwasserschutzes kann also "mittelbar" durch bloßen Gesetzesvollzug erfüllt werden. Dem hat sich jeder Eigentümer zu unterwerfen, gleich ob es sich um eine Privatperson oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft handelt. Die Zuständigkeit des Landes Niedersachsen - genauer: die Zuständigkeit der nach Landesrecht zuständigen Wasserbehörden - beschränkt sich demzufolge darauf, gewisse Nutzungsbeschränkungen im Hinblick auf die Überschwemmungsgebiete zu verfügen, denen sich jeder Eigentümer der dem Hochwasserschutz unterliegenden Flächen unterwerfen muss. Das Land muss die Grundstücke nicht zu Eigentum haben, um die öffentliche Aufgabe effektiv zu erfüllen. Weder das Niedersächsische Wassergesetz noch bundesrechtliche Vorschriften sehen vor, dass das Land Eigentümer der Flächen sein muss, um den Hochwasserschutz zu sichern. Eine Eigentumsverschaffung ist zur Erfüllung der Aufgabe Hochwasserschutz deshalb nicht erforderlich. Selbst wenn die Bundesrepublik Deutschland (Bundeswasserstraßenverwaltung) Eigentümerin der Grundstücke ist, ist die öffentliche Aufgabe des Hochwasserschutzes nicht ansatzweise gefährdet. Auch sonst sind weitere Umstände nicht gegeben, die zur Annahme eines unmittelbaren Verwaltungsgebrauches durch das Land im Hinblick auf das konkrete Grundstück im Hochwasserschutzgebiet führen würden.

22

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, das Grundstück gehörte zum ehemaligen Grenzstreifen, wäre nichts für das Begehren des Klägers gewonnen: Von der ehemaligen DDR für Sperranlagen und Grenzkontrollen genutzte Grundstücke an der seinerzeitigen innerdeutschen Grenze sind Verwaltungsvermögen des Bundes (BVerwG Urt. v. 16.12.2003 - 3 C 50.02 - Juris), so dass sich die Zuordnung des Grundstücks an die Bundesrepublik Deutschland nicht ändern würde. Ein Anspruch des Landes Niedersachsen auf Zuordnung an sich selbst würde sich unter Berücksichtigung der Lage im Grenzstreifen nicht ergeben.

23

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3., der Wasser- und Schifffahrtsdirektion, sind für erstattungsfähig zu erklären, da ihr durch das Erscheinen im Termin Kosten entstanden sind - zumindest Reisekosten von Magdeburg und zurück - und es sich um eine notwendige Beiladung gehandelt hat, der sich die Wasser- und Schifffahrtsdirektion nicht entziehen konnte; außergerichtliche Kosten der übrigen Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, besteht hingegen kein Anlass, da sie sich zur Sache nicht geäußert haben und besondere Kosten erkennbar nicht entstanden sind (§ 162 Abs. 3 VwGO). Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG werden Gerichtskosten nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Die Berufung ist ausgeschlossen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VZOG).

24

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, die Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht (§ 6 Abs. 1 Satz 3 VZOG i.V.m. §§ 135 und 132 VwGO).

25

Die Berufung gegen dieses Urteil ist ausgeschlossen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird gem. § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VZOG).

Siebert
Schütte
Sandgaard