Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 31.05.2006, Az.: 2 A 398/04

Abstand; Baulinie; Bodennähe; einfügen; Garage; gebietstypisch; Grenzabstand; Grenze; Grenzwert; Gutachten; Intensität; Lärm; Maßnahme; Nachbar; Nachbarrecht; Nachbarschutz; Rücksichtnahme; Rücksichtnahmegebot; Stellplatz; TA-Lärm; Tiefgarage; Umstand; Zufahrt

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
31.05.2006
Aktenzeichen
2 A 398/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53206
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine den Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung für ein Wohnhaus mit Tiefgarage sowie gegen die in einem Bauvorbescheid aufgenommene Verpflichtung der Beigeladenen zu 1.), zusätzliche Kfz-Einstellplätze auf deren Baugrundstück nachzuweisen.

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Die Klägerin ist Eigentümer einer ca. 195 m² großen Eigentumswohnung im 3. (obersten) Stockwerk des Mehrfamilienhauses C. weg xx (Flurstücke T., U. und V. der Flur xx der Gemarkung D.). Die Wohnung befindet sich an der südöstlichen Ecke des Hauses. Unmittelbar südlich daran grenzt das Grundstück W. x/x (Flurstücke X. und Y.), das im Eigentum der Beigeladenen zu 1.) steht. Auf diesem Grundstück - dem Baugrundstück - stehen zur Zeit drei aneinandergebaute Garagen; auf ihm ist zugunsten des ebenfalls der Beigeladenen zu 1.) gehörenden Grundstücks C. weg xx eine Baulast eingetragen, die den Grundstückseigentümer verpflichtet, eine Fläche von 276 m², die in einem Lageplan besonders gekennzeichnet ist, für sieben Kfz-Stellplätze einschließlich Zu- und Abfahrt dauernd frei und benutzbar zu halten. Südlich des Baugrundstücks befindet sich das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Wohnhaus W. x. Diese beiden Grundstücke werden über die recht schmale, nicht mit Bürgersteigen versehene Straße „W.“ erschlossen, die im Norden in den C. weg einmündet und im Süden (zur Z. straße hin) abgesperrt ist, so dass Durchgangsverkehr nicht möglich ist. Das Haus C. weg xx verfügt über eine vom C. weg anfahrbare Tiefgarage und einige Carports, die über den W. erreichbar sind.

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Alle vorgenannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 15.04.1997 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 160 „W.“ der Beklagten (im Folgenden: B-Plan), in dem für das Grundstück der Beigeladenen zu 1.) „Garagenbebauung“ und für die umliegenden Grundstücke „Wohnbebauung“ festgesetzt worden ist. Die erkennende Kammer hat mit Urteil vom 15.12.1999 (2 A 2331/97, bestätigt durch Beschluss des OVG Lüneburg vom 03.04.2001, 1 L 888/00) entschieden, dass der B-Plan hinsichtlich der Festsetzung für das Baugrundstück teilnichtig ist, soweit er für den damals geplanten Aufstellungsort des Hauses - u. a. zur Erhaltung innerstädtischer Grünflächen - eine nichtüberbaubare Fläche festgesetzt hatte und deshalb der Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus nicht entgegen stehe. Das Gericht hat in diesem Urteil Hinweise darauf gegeben, unter welchen Voraussetzungen sich ein Wohnhaus auf diesem Grundstück in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Beklagte zur Neubescheidung der Bauvoranfrage der Beigeladenen zu 1.) betreffend die Einrichtung eines dreigeschossigen Mehrfamilienhauses an selber Stelle. Die Beklagte beabsichtigt, den Bebauungsplan zu ändern und auch für das Baugrundstück rechtmäßige Festsetzungen zu treffen, hat diese Absicht aber noch nicht in die Tat umgesetzt. Den beantragten Bauvorbescheid erteilte die Beklagte unter dem 21.05.2001. Er enthält die Nebenbestimmung Nr. 4: „Zusätzlich zu den durch das geplante Vorhaben notwendig werdenden Kfz-Einstellplätzen müssen die bereits auf dem Grundstück liegenden und mit Baulast gesicherten Kfz-Einstellplätze auf dem Grundstück nachgewiesen werden.“ Sodann erteilte die Beklagte den Beigeladenen unter dem 22.05.2003 im vereinfachten Verfahren nach § 75 NBauO i.V.m. der PrüfeVO die inzwischen beantragte Baugenehmigung für den Neubau eines Wohnhauses (5 Wohneinheiten) mit Tiefgarage.

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Die Beigeladenen planen nunmehr die Errichtung eines in Ost-West-Richtung langgestreckten Baukörpers, der aus zwei Haushälften (mit zwei Eingängen) besteht. Der nach Osten - also zum W. - ausgerichtete Hausteil soll vier Geschosse erhalten, dort sollen vier Wohnungen untergebracht werden. Der nach Westen ausgerichtete Hausteil - insofern ist der Beigeladene zu 2.) Bauherr - soll aus einem Vollgeschoss und einem Dachgeschoss bestehen. In dem Dachgeschoss sollen drei nach Norden zeigende Gauben entstehen, hinter denen ein Bad, ein Spielflur und ein Schlafzimmer geplant sind. Unter diesem Hausteil soll eine Tiefgarage mit 11 Stellplätzen gebaut werden, die vom W. über eine im Süden des Hauses verlaufende Rampe erreicht werden soll. Ebenerdig ist die Errichtung eines weiteren Stellplatzes geplant.

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Vor Erteilung der Baugenehmigung ließen die Beigeladenen ein schalltechnisches Gutachten zum Betrieb einer Tiefgarage durch das Akustikbüro D. erstellen. In dem Gutachten wird u. a. ausgeführt, dass in der Nachtzeit der Immissionsrichtwert von 35 dB(A) (der Grenzwert nach der TA-Lärm für ein reines Wohngebiet beträgt 45 dB(A)) an einer Vielzahl von Immissionsorten um mehr als 20 dB(A) überschritten werde und das - sofern eine Nachtnutzung der Tiefgarage überhaupt ermöglicht werden solle - absorbierende Decken und Wände sowie eine Schallschleuse im Eingangsbereich errichtet werden müssten. Daraufhin nahm die Beklagte folgende Nebenbestimmungen in die Baugenehmigung auf:

...

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5. Das schalltechnische Gutachten Nr. 02304 des Akustikbüros D. vom 05.03.2005 ist Bestandteil der Baugenehmigung.

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6. Die Tiefgarage ist mit einer absorbierenden Decke und teilweise absorbierenden Wänden derart herzurichten, dass eine Nachhallzeit von T 60 = 0,5 Sek. erreicht wird.

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7. Zusätzlich ist die Tiefgarageneinfahrt als Schallschleuse zu errichten, d. h. es müssen zwei Sektionaltore oder Falttore (für das Öffnen und Schließen gilt als maximaler Schallleistungspegel 70 dB(A)) hintereinander geschaltet werden und es muss sichergestellt werden, dass ein Pkw bei der Einfahrt und der Ausfahrt von beiden Toren gleichzeitig (kurzfristig) eingeschlossen ist.

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Bereits im Vorfeld hatte die Klägerin zusammen mit 14 weiteren Eigentümern - Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben. Sie trug vor, das Vorhaben halte an seiner nordwestlichen Ecke die vordere Baulinie zwischen den Gebäuden C. weg xx und W. x, so wie sie die Kammer im Urteil vom 15.12.1999 vorgegeben habe, nicht ein. Darüber hinaus seien auch die Geschossflächenzahl, die Gebäudehöhe und die Zahl der Vollgeschosse nicht so geplant, wie sie das Verwaltungsgericht für zulässig erachtete habe. Dass das Hausgrundstück auf zwei Flurstücken gebaut werden sollte, sei mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vereinbar. Eine Vereinigungsbaulast für beide Flurstücke sei aus den Akten nicht ersichtlich. Bauordnungsrechtlich sei zu beanstanden, dass die geplanten Gauben den Mindestabstand von 1 H nicht einhielten. Sie seien auch keine untergeordneten Gebäudeteile, da sie den hinter ihnen liegenden Räumen erst die ausreichende Stehhöhe vermittelten. Die geplanten Kfz-Einstellplätze in der Tiefgarage verstießen gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Denn zwischen den Häusern C. weg xx und W. x, also dort, wo die Beigeladenen ihr Bauvorhaben verwirklichen wollen, liege eine schützenswerte Ruhe- und Erholungszone ohne Vorbelastungen durch Kfz-Lärm.

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Gegen die Baugenehmigung und die Nebenbestimmung Nr. 4 in dem Bauvorbescheid vom 21.05.2001 legten die Klägerin und 14 Miteigentümer am 27.06.2003 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren wurde zusätzlich geltend gemacht, das von den Beigeladenen vorgelegte schalltechnische Gutachten sei mangels Prüfung der Situation am Haus der Klägerin nicht geeignet, die Einhaltung der baugebietsbezogenen Immissionsrichtwerte zu garantieren. Auf jeden Fall würde der Schallgrenzwert der zumutbaren Belastung von 45 Dezibel überschritten werden. Das Gutachten gehe zudem fehlerhaft nicht von einem Stellplatzbedarf von 12, sondern nur von 11 Einstellplätzen aus und nehme zu Unrecht eine Vorbelastungssituation für das Grundstück C. weg xx an.

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Nachdem die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2004 den Widerspruch der Eigentümergemeinschaft gegen die Baugenehmigung - der Widerspruch gegen den Bauvorbescheid blieb unbeschieden - zurückgewiesen hatte, weil nachbarschützende Rechtsvorschriften nicht verletzt würden, hat die Klägerin am 03.12.2004 Klage erhoben. Sie nimmt Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, auch wenn grundsätzlich das festgesetzte Maß der baulichen Nutzung eines Grundstücks nicht nachbarschützend sei, sei hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz zuzulassen, da es um einen ausgesprochen sensiblen Innenbereich gehe. Auch halte das Bauvorhaben die erforderlichen Grenzabstände nicht ein. Die drei an der Nordseite geplanten Gauben seien keine untergeordneten Gebäudeteile und ermöglichten den hinter ihnen liegenden Wohnbereichen „Spielflur“ und „Schlafen“ erst den notwendigen Wohnraum. Letztlich sei die geplante Tiefgaragenzufahrt Quelle unzumutbaren Lärms, wobei es nicht nur auf deren Standort auf dem Baugrundstück ankomme; es müsse vielmehr berücksichtigt werden, dass Lärm bereits durch die am Hausgrundstück C. weg xx zum Grundstück der Beigeladenen zu 1.) vorbei fahrenden Fahrzeuge entstehen werde.

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Die Klägerin beantragt,

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die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 22.05.2003 und die Regelung zu Nr. 4 des Bauvorbescheides vom 21.05.2001 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 29.10.2004 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verweist auf ihre Stellungnahme im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, das Maß der geplanten Bebauung halte sich strikt an die von der Kammer im Urteil vom 15.12.1999 aufgestellten Vorgaben. Hinsichtlich Geschossflächenzahl, Grundflächenzahl, Gebäudehöhe und Anzahl der Vollgeschosse orientiere es sich an den Nachbargrundstücken C. weg xx und W. x. Im Übrigen kämen den diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin keine nachbarschützende Wirkung zu. Ein Ausnahmefall, wie ihn die Klägerin für sich reklamiere, liege nicht vor, da hier der Bebauungsplan Nr. 160 keine Festsetzungen aufgenommen habe, die nachbarschützende Wirkung hätten. Die Klägerin könne nicht geltend machen, dass es sich bei dem streitbefangenen Grundstück der Beigeladenen zu 1.) um eine zum inneren Grünraum gehörende und deshalb schützenswerte Fläche handele. Vielmehr habe das Verwaltungsgericht das Grundstück als Baulücke angesehen und mit einigen Maßgaben seine Bebaubarkeit festgestellt. Soweit die Klägerin behaupte, das geplante Gebäude halte den Mindestgrenzabstand nicht ein, insbesondere weil die Gauben nicht als untergeordnet im Sinne von § 7 b Abs. 1 NBauO anzusehen seien, sei dies unrichtig. Der Schlafraum habe auch ohne die Gauben die erforderliche Mindestfläche für Aufenthaltsräume von 6 m² und der Spielraum sei kein Aufenthaltsraum im Sinne von § 43 NBauO. Im Hinblick auf die geplante Tiefgarage werde es nicht zu unzumutbarem Lärm und Abgasbelästigungen für die Wohnung der Klägerin kommen, ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei deshalb nicht festzustellen. Die geplanten Schallschutzmaßnahmen seien ausreichend, es werde zu keiner höheren Belastung der Nachbarschaft kommen. Die Einwendungen der Klägerin gegen die Richtigkeit des Schallschutzgutachtens griffen nicht. Die Vorbelastung des Hauses C. weg xx gründe sich darauf, dass der W. dem öffentlichen Verkehr gewidmet sei und sich auf dem Baugrundstück bereits drei Garagen und vier offene Stellplätze befänden. Schließlich habe das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15.12.1999 ausdrücklich angesprochen, dass sich der Bau einer Tiefgarage auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1.) anbiete, zumal eine solche Garage bereits auf dem Grundstück C. weg xx existiere. Mit einer Breite von ca. 4,30 m sei auf dem C. weg Begegnungsverkehr zwischen zwei Pkw´s möglich. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass mit der geplanten 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 160 Tiefgaragen innerhalb der Baugrenzen und auf den mit Tiefgaragen ausgewiesenen Flächen zulässig würden. Die Zuwegung erfolge jeweils über die das Grundstück erschließende Straße.

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Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. In der Sache treten sie den Ausführungen der Beklagten bei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, auf die Gerichtsakte 2 A 2331/97 des erkennenden Gerichts und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten A - F) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Soweit sich die Klägerin ohne Vorverfahren direkt gegen den Bauvorbescheid vom 21.05.2001 wendet, ermöglicht dies § 75 VwGO, da die Beklagte den - zulässigen - Widerspruch der Klägerin insoweit nicht beschieden hat.

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Die Klage ist allerdings unbegründet.

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Einen Abwehranspruch auf Aufhebung einer angefochtenen Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheides hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn der erteilte Bescheid rechtswidrig ist. Vielmehr setzt der Erfolg eines derartigen Abwehranspruchs voraus, dass der Nachbar durch die erteilte Baugenehmigung zugleich in seinen eigenen geschützten Rechten verletzt ist; dementsprechend ist die Prüfungskompetenz des Gerichts eingeschränkt. Eine Nachbarklage kann daher nur dann Erfolg haben, wenn durch die Baugenehmigung (oder den Bauvorbescheid) eine Rechtsnorm verletzt wird, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn, also der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen und deren Ausgleich untereinander dient (sog. drittschützende Wirkung). Wenn für ein Bauvorhaben - was auch für den hier zu entscheidenden Fall zutrifft - aufgrund der Vorschrift des § 75 NBauO i.V.m. der PrüfeVO lediglich ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchgeführt worden ist, verletzt eine Baugenehmigung allerdings keine Nachbarrechte, soweit das Vorhaben gegen Vorschriften verstößt, die nicht von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen waren, weil sich der Regelungsinhalt der Baugenehmigung nicht auf deren Einhaltung erstreckt. Diese Rechtsauffassung entspricht der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (vgl. Beschluss vom 17.12.1996 - 1 M 5481/96 -, BRS 58, Nr. 183).

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Hinzu kommt das, dass ein Wohnungseigentümer im Regelfall nur berechtigt ist, eine Beeinträchtigung seines Sondereigentums zu rügen, während die Eigentümergemeinschaft als solche tätig werden muss, wenn eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums befürchtet wird (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 28.02.1991 - 11 B 2967/90 -, NVwZ-RR 1992, S. 11; VGH München, Beschluss vom 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 - NVwZ-RR 2006, S. 34). Nur ausnahmsweise kann er als Notgeschäftsführer gem. § 21 Abs. 2 WEG ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer die Maßnahmen treffen, die zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig sind. Die zuletzt genannten Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor, weil die übrigen Wohnungseigentümer, die noch am Widerspruchsverfahren beteiligt waren, weder selbst den weiteren Rechtsweg beschritten noch die Klägerin damit beauftragt haben, obwohl sie nicht gehindert waren, dieses oder jenes zu tun.

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Die Regelung in Nr. 4 des Bauvorbescheides vom 21.05.2001 verletzt Nachbarrechte der Klägerin nicht. Die Beklagte sichert damit lediglich die durch Baulast bereits (unanfechtbar) festgelegte Verpflichtung der Beigeladenen zu 1.), sieben Stellplätze, die für das Grundstück C. weg xx nachzuweisen waren, auch nach Durchführung der nunmehr geplanten Baumaßnahme vorzuhalten. Darin und in dem Umstand, dass diese Stellplätze nunmehr an anderer Stelle - nämlich in der Tiefgarage - errichtet werden dürfen und müssen, kann eine Beeinträchtigung von Nachbarrechten nicht gesehen werden, da damit keine Beschwer für die Nachbarschaft verbunden ist, die nicht schon vorhanden war. Für diese Betrachtung ist unerheblich, ob es für die Errichtung der sieben Stellplätze eine Baugenehmigung gab. Das durch das An- und Abfahren zu und von der Tiefgarage unter Umständen mehr Lärm hervorrufen wird, als die Klägerin bisher erdulden muss, wird an anderer Stelle gewürdigt.

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Soweit die Klägerin gegen die Baugenehmigung vorbringt, das Bauvorhaben halte die vordere Baulinie, wie sie das Gericht in seinem Urteil vom 15.12.1999 zwischen den Gebäuden C. weg xx und W. x in Anwendung von § 34 Abs. 1 BauGB gezogen hatte, nicht ein, rügt die Klägerin die Nichteinhaltung einer nicht nachbarschützenden Norm. Selbst Festsetzungen in Bebauungsplänen über das Maß der baulichen Nutzung haben in der Regel keine nachbarschützende Wirkung (nichts anderes gilt für den hier zu entscheidenden Fall). Die Kammer hat hierzu in ihrem Urteil vom 15.12.1999 auf Seite 10 ausgeführt: „Ihr Bauvorhaben fügt sich nur dann (in die Eigenart der näheren Umgebung) ein, wenn es die vorhandene vordere Baulinie im Grundsatz einhält. Darüber hinaus darf es in seiner westlichen - rückwärtigen - Ausdehnung, die zwischen den Nachbarn Ecke AA. straße/W. und AB. gedanklich zu bildende Grenzen nicht überschreiten. Auch für das Maß der Grundstücksfläche, die überbaut werden darf, und die Bauweise sind diese beiden Häuser maßgebend; d. h. das Vorhaben muss sich hinsichtlich Geschossflächenzahl, Grundflächenzahl, Gebäudehöhe und Zahl der Vollgeschosse nach diesen Gebäuden richten.“ Dieser Urteilsbegründung ist nicht zu entnehmen, dass eben diese Vorgaben nicht aus städtebaulichen Gründen, sondern zum Schutze Dritter gemacht worden sind. Ferner ist zu bedenken, dass der straßenseitigen Baulinie ohnehin regelmäßig keine nachbarschützende Wirkung zukommt (Fickert/Fieseler, a.a.O., Rn. 6.2 zu § 23).

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Überdies hält das geplante Bauvorhaben „im Grundsatz“ (so wie es die Kammer seinerzeit vorgegeben hat) die erwähnte Baulinie ein. Es trifft zwar zu, dass das Haus an seiner nordwestlichen Ecke etwas über die Verbindungslinie zwischen den Häusern C. weg xx und W. x herausragen wird, § 23 Abs. 2 S. 2 BauNVO lässt jedoch ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß zu.

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Soweit die Klägerin eine Verletzung ihrer Nachbarrechte darin erblickt, dass die drei auf der (dem C. weg xx zugewandten) Nordseite des Hauses geplanten Gauben den Grenzabstand von 1 H nicht einhalten, mag offen bleiben, ob der Klägerin als Eigentümerin (lediglich) einer Wohnung, zu der die Außenwände des Hauses nicht gehören (§ 5 Abs. 2 WEG) und die nicht unmittelbar gegenüber den inkriminierten Gauben liegt, sich auf diesen Gesichtspunkt überhaupt berufen kann. Jedenfalls verletzen die Gauben Vorschriften über den Grenzabstand nicht, denn sie sind untergeordnete Gebäudeteile im Sinne von § 7 b Abs. 1 S. 2 NBauO, die den eigentlich einzuhaltenden Grenzabstand um 1,5 m, höchstens jedoch um 1/3 unterschreiten dürfen. Sie nehmen zum einen nicht mehr als die Hälfte der Breite des Daches des nach Westen ausgerichteten niedrigeren Gebäudeteiles ein (vgl. zu diesem Aspekt OVG Lüneburg, Beschluss vom 31.05.1995 - 1 M 1920/95 - BRS 57 Nr. 158), sondern sind ausweislich der genehmigten Bauzeichnungen insgesamt 6,30 m breit gegenüber einer Gesamtbreite dieses Gebäudeteiles von rund 14 m. Sie schaffen auch nicht vorrangig zusätzliche Nutzfläche im Grenzabstandsbereich (vgl. zu diesem Aspekt Große-Suchsdorf u. a., NBauO, 7. Aufl., § 7 b, Rn. 24), sondern stellen lediglich architektonische Gestaltungsmerkmale dar, die den Aufenthalt in den dahinterliegenden Räumen zusätzlich angenehmer machen; benutzbar wären diese Räume (Schlafzimmer, Spielflur und Bad) hingegen in gleicher Weise, wenn stattdessen Dachflächenfenster geplant würden. So befindet sich die Dusche in dem Badezimmer nicht etwa im Bereich der Gaube, sondern daneben unter der Dachschräge.

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Schließlich greift das weitere Vorbringen der Klägerin, nämlich dass die Schaffung von Kfz-Einstellplätzen in der Tiefgarage auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1.) gegen das aus § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO abgeleitete Rücksichtnahmegebot verstoßen würde, nicht durch. Nach § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO ist ein Vorhaben unzulässig, wenn von ihm Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die Klägerin macht geltend, sie sei durch das verstärkte Befahren des W. s durch die Nutzer der von den Beigeladenen geplanten Wohnungen und durch das Anfahren zur und Abfahren von der Tiefgarage unzumutbarem Lärm ausgesetzt.

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Was zunächst den - durch fünf weitere Kfz erzeugten - zunehmenden Straßenlärm auf der Straße „W.“ angeht, hat die Klägerin ihn im Lichte des Rücksichtnahmegebotes ohne weiteres hinzunehmen. Die im dritten Obergeschoss wohnende Klägerin wird ihn kaum wahrnehmen gegenüber den Fahrgeräuschen, die bereits vor allem durch die Nutzer der vorhandenen 7 Stellplätze auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1.) und die Bewohner und Besucher des Hauses W. x erzeugt werden, zumal Straßenlärm umso weniger wahrgenommen wird, je weiter über der Straße man sich befindet. Im Übrigen ist die Klägerin bereits ganz erheblich dadurch privilegiert, dass der W. - was sie nicht beanspruchen könnte - eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit darstellt, die nur an den C. weg angeschlossen ist, die also ohnehin nur einen sehr beschränkten Anliegerverkehr zulässt.

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Im Hinblick auf den mit der Benutzung der Tiefgarage verbundenen zusätzlichen Lärm ist die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO zunächst nicht durch § 46 Abs. 1 S. 2 NBauO - der im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist - ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.12.2000 - 4 C 3.00 - DVBl. 2001, S. 645). Beide Vorschriften gebieten, dass von Stellplätzen und Garagen keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft ausgehen dürfen. Während das Bauordnungsrecht Belästigungen aus den Gründen der Gefahrenabwehr zum Schutz der Gesundheit, Wohnruhe und Erholung verbietet, untersagt das Planungsrecht unzumutbare Belästigungen aus städtebaulicher Sicht, wobei vorrangig auf die Baugebietsverträglichkeit abzustellen ist.

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Diese Belästigungen hat die Beklagte mit zutreffenden Erwägungen verneint. Eine (bauordnungsrechtlich zulässige) Tiefgarage ist vom Nachbarn in einem Wohngebiet grundsätzlich als gebietstypisch hinzunehmen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles legen hier keine andere Bewertung nahe. Bei bestimmungsgemäßer Nutzung der Tiefgarage werden sich die Belästigungen aus ihrer Nutzung in den für ein Wohngebiet üblichen und von der Klägerin hinzunehmenden Grenzen halten. Die Beigeladenen wollen lediglich die Anzahl von Stellplätzen schaffen, die sie entsprechend der weiter oben erwähnten Baulast sowie in Anwendung von § 47 NBauO schaffen müssen. Sie planen die Zufahrt über eine Rampe an der der Wohnung der Klägerin abgewandten (Süd-) Seite des Hauses. Die Beklagte hat ihnen zudem in der Baugenehmigung die - im Tatbestand dieses Urteils zitierten - schärfsten von dem Gutachter vorgeschlagenen Maßnahmen auferlegt, um einen größtmöglichen Lärmschutz für die Nachbarschaft (und auch für die Bewohner des Hauses selbst) herbeizuführen. Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl Zu- und Abfahrtgeräusche in einem Maß entstehen, das für die Klägerin unzumutbar ist, hat das Gericht nicht. Das Lärmschutzgutachten des Akustikbüros D. gibt - was auch die Klägerin zugesteht (Seite 5 des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten vom 26.08.2005) - dafür nichts her. Die in dem Gutachten - das sich auftragsgemäß nur mit von der Benutzung der Tiefgarage ausgehenden Lärm zu befassen hatte - unterschwellig enthaltenen Befürchtung, zur Nachtzeit werde - auch nach Durchführung der empfohlenen Schutzmaßnahmen - Lärm entstehen, der die Grenzwerte der TA-Lärm für reine Wohngebiete überschreitet, wird sich - wenn es auf diesen Umstand überhaupt ankommen sollte - für die Wohnung nicht realisieren. Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist es eine allgemeinkundige Tatsache, dass in Bodennähe entstehender Lärm als umso schwächer empfunden wird, je höher sich der Lärmadressat über der Straße befindet. An den Fenstern der Wohnung der Klägerin im 3. Obergeschoss des Hauses wird Lärm in deutlich geringerer Intensität wahrnehmbar sein als in Bodennähe. Dort aber haben sich die meisten Beurteilungspunkte für die Berechnungen des Gutachters befunden. Im südöstlichen Bereich des Hauses C. weg xx waren nur die Beurteilungspunkte 2 und 3 vorhanden, wobei am Punkt 2 - an der Ostseite des Hauses - bis zum 1. Obergeschoss, bei Punkt 3 - an der Südseite des Hauses - bis zum 2. Obergeschoss berechnet wurde. Für das 3. Obergeschoss, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, haben Berechnungen erst gar nicht stattgefunden.

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Da die Klage keinen Erfolg hat, ist sie mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gem. § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.