Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.02.1999, Az.: 18 L 2264/97; 18 L 2271/97
Ordnungsgemäße Vertretung des Arbeitgebers beim Stellen eines Feststellungs- oder Auflösungsantrags i.R.d. öffentlich-rechtlichen Personalvertretung; Weiterbeschäftigung nach Ende der Ausbildung; Vertretung eines Landkreises im gerichtlichen Verfahren; Delegation der Vertretungsbefugnis des Vertreters eines Landkreises i.R.d. Geschäftsverteilung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.02.1999
- Aktenzeichen
- 18 L 2264/97; 18 L 2271/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 32457
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1999:0217.18L2264.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 11.10.1996
Rechtsgrundlagen
- § 58 PersVG,NI
- § 83 Abs. 1 Nr. 5 PersVG,NI
- § 9 Abs. 4 BPersVG
- § 107 S. 2 BPersVG
Fundstellen
- PersR 1999, 398-399
- ZBR 1999, 394
Verfahrensgegenstand
Auflösung eines Arbeitsverhältnisses
Der 18. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
- Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen -
hat auf die mündliche Anhörung vom 17. Februar 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Uffhausen und Schiller sowie
die ehrenamtlichen Richter Kerber und Stöver
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1) werden die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Stade - 8. Kammer - vom 11. Oktober 1996 geändert.
Die Anträge des Antragstellers werden abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, daß gesetzlich begründete unbefristete Arbeitsverhältnisse nicht entstanden seien.
Die Beteiligten zu 1) waren als Auszubildende Mitglieder der bei dem Antragsteller gebildeten Jugend- und Auszubildendenvertretung. Sie hatten ihre Ausbildung am 1. August 1993 begonnen und bestanden am 13. Juni 1996 ihre Prüfung zur Verwaltungsfachangestellten. Bereits im Februar 1996 hatte der Antragsteller ihnen mitgeteilt, daß ihm eine Weiterbeschäftigung nach Ende der Ausbildung nicht möglich sei. Daraufhin hatten sie im April 1996 ihre unbefristete Übernahme beantragt. Unter dem 4. Juni 1996 wandte sich der Antragsteller an den Beteiligten zu 2) und bat um Zustimmung für seine Absicht, u. a. die Beteiligten zu 1) nach Ende ihrer Ausbildung in ein befristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, da es ihm aufgrund eines Überhanges bei unbefristeten Arbeitsverträgen nicht möglich sei, sie in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu übernehmen. Dem stimmte der Beteiligte zu 2) hinsichtlich der Beteiligten zu 1) ... zu; bei der Beteiligten zu 1) ... habe "§ 58 Abs. 2 NdsPersVG Vorrang".
Am 18. Juni 1996 schloß der Antragsteller mit den Beteiligten zu 1) jeweils einen Arbeitsvertrag, der sich auf die Zeit vom 14. Juni bis zum 31. Dezember 1996 bezog. In § 1 heißt es dazu wie folgt:
"Die Parteien des Arbeitsvertrages sind sich darüber einig, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich deshalb vereinbart worden ist, um der Angestellten im unmittelbaren Anschluß an ihre Ausbildung zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit die Möglichkeit zu geben, praktische Berufserfahrung zu sammeln. Die Angestellte wird überplanmäßig beschäftigt und ist sich darüber im klaren, nach Fristablauf keinen Übernahmeanspruch zu haben.
Die Angestellte hat jederzeit das Recht, ohne Einhaltung der für sie maßgebenden Kündigungsfrist bereits vor dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden."
Diese Arbeitsverhältnisse sind durch entsprechende neue (befristete) Verträge immer wieder umgestaltet und verlängert worden, zuletzt (Verträge vom 7.9.98 bzw. 16.11.98) bis zum 23. Oktober 2000 bzw. 31. März 2000.
Am 26. Juni 1996 hat der Antragsteller ("Im Auftrage", gez. ...) die Fachkammer angerufen mit dem Begehren, die mit den Beteiligten zu 1) gesetzlich begründeten unbefristeten Arbeitsverhältnisse aufzulösen. Dem hat das Verwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 11. Oktober 1996, zugestellt am 2. April 1997, entsprochen, da dem Antragsteller eine Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1) - mangels freier Planstellen - nicht zumutbar sei. Gegen diese Beschlüsse richten sich die am 30. bzw. 29. April 1997 eingelegten Beschwerden der Beteiligten zu 1), die sie innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist (nur) damit begründet haben, daß die Anträge unzulässig seien, weil für den Antragsteller eine Person "im Auftrage" unterzeichnet habe und nicht der Oberkreisdirektor. Im weiteren Verlauf der Beschwerdeverfahren haben sie dann zusätzlich geltend gemacht, daß entgegen der Ansicht der. Fachkammer beim Antragsteller freie Arbeitsplätze vorhanden gewesen seien, auf denen sie dauerhaft hätten beschäftigt werden können. Die mit dem Antragsteller jeweils geschlossenen Arbeitsverträge halten sie im vorliegenden Verfahren für unbeachtlich. Sie würden durch den jeweils geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch "überlagert". Über die Frage, ob das gesetzlich begründete Arbeitsverhältnis durch die abgeschlossenen (befristeten) Verträge beendet worden sei, entscheide allein das Arbeitsgericht.
Die Beteiligten zu 1) beantragen jeweils,
die angefochtenen Beschlüsse zu ändern und die Anträge abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und festzustellen, daß ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zwischen ihm und den Beteiligten zu 1) nicht entstanden ist.
Er meint, daß die Auflösungsanträge nicht unzulässig seien. Der Antrag müsse vom Arbeitgeber gestellt werden. Dies sei der Landkreis ..., der vom Oberkreisdirektor vertreten werde. Dieser habe den Unterzeichner der Antragsschriften wirksam mit seiner Vertretung beauftragt. Ferner tritt der Antragsteller dem Vorbringen entgegen, wonach im maßgeblichen Zeitpunkt (Mitte Juni 1996) eine Weiterbeschäftigung, der Beteiligten zu 1) möglich gewesen sei. Das im Beschwerdeverfahren nunmehr verfolgte Feststellungsbegehren (anstelle des in erster Instanz verfolgten Auflösungsbegehrens) stützt er auf die Rechtsauffassung, daß ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit den Beteiligten zu 1) deshalb (nach dem 14.6.96) nicht entstanden sei, weil mit ihnen im Anschluß an die Ausbildung Arbeitsverträge abgeschlossen worden seien, die das Arbeitsverhältnis (jeweils) befristet gehabt hätten.
Im Anhörungstermin vom 17. Februar 1999 hat der Senat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II.
Die Beschwerden haben Erfolg. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 11. Oktober 1996 können nicht aufrechterhalten werden. Über das Begehren des Antragstellers, auch in Form seines im Beschwerdeverfahren modifizierten Antrages, kann in der Sache nicht entschieden werden, weil die Antragstellung als solche nicht wirksam ist. Unter diesen, Umständen kann dahinstehen, ob der (modifizierte) Feststellungsantrag in einer Streitigkeit gemäß §§ 83 Abs. 1 Nr. 5, 58 NPersVG (= § 9 BPersVG) zulässig ist (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 9.10.1996 - 6 P 21/94 -, PersR 1997, 165/6). Ebenso kann die - arbeitsrechtliche - Frage dahinstehen, ob durch die zwischen dem Antragsteller und den Beteiligten zu 1) am 18. Juni 1996 geschlossenen Arbeitsverträge, die sich auf die Zeit vom 14. Juni bis zum 31. Dezember 1996 bezogen, also die Zeit unmittelbar im Anschluß an das Ende des Ausbildungsverhältnisses betrafen, (kraft Parteiautonomie) gesetzlich begründete Arbeitsverhältnisse entweder mit Rückwirkung zum 14. Juni 1996 oder jedenfalls mit Wirkung vom 18. Juni 1996 in neue, jetzt befristete, Arbeitsverhältnisse, umgewandelt worden sind (vgl. dazu unter personalvertretungsrechtlichen Gesichtspunkten einerseits Grabendorff u. a., BPersVG, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 12; Fricke u. a., NPersVG 1995, § 58 Rdnr. 12, jeweils u.H. auf BAG, Beschl. v. 24.7.1991 - 7 ABR 68/90 -, BB 1992, 352; andererseits z. B. Altvater u. a., BPersVG, 4. Aufl., § 9 Rdnr. 12 b; zur arbeitsrechtlichen Seite s. BAGE 49, 73/79) Denn jedenfalls fehlt es in den vorliegenden Verfahren an einer ordnungsgemäßen Vertretung des Arbeitgebers der Beteiligten zu 1).
Feststellungs- oder Auflösungsanträge nach § 9 Abs. 4 BPersVG, der nach § 107 Satz 2 BPersVG entsprechend für die Länder gilt (gegenstandslose Wiederholung in § 58 Abs. 4 NPersVG), müssen vom Arbeitgeber gestellt werden. Dieses wäre hier der Landkreis ..., der vorliegend auch als Antragsteller geführt wird. Indessen ist der Antrag nicht wirksam i. S. von § 9 Abs. 4 BPersVG gestellt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muß ein solcher - beim Verwaltungsgericht zu stellender - Antrag (innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses) von einer Person unterzeichnet sein, die zur gerichtlichen Vertretung des Arbeitgebers berechtigt ist (BVerwG, Beschl. v. 18.9.1996 - 6 P 16.94 -, PersR 1997, 161; NdsOVG, Beschl. v. 21.5.1997 - 17 L 7481/95 -, PersR 1997, 494). Das ist hier nicht geschehen.
Nach § 58 NLO wird ein Landkreis in gerichtlichen Verfahren vom OKD/Landrat vertreten. Demgegenüber sind die Antragsschriften hier von einem Assessor ... unterzeichnet worden, der Vertreter des Leiters des Rechtsamtes ist. Er hat auch nicht mit dem Zusatz eines Vertreters ("i.V.") unterzeichnet, sondern (nur) im Auftrage des Landkreises ... ("i.A."), was darauf hindeutet, daß er die Auflösungsanträge nicht vertretungsberechtigt unterzeichnet hat. Zwar kann der Oberkreisdirektor/Landrat, der die Verwaltung des Landkreises leitet und beaufsichtigt, seine Vertretungsbefugnis im Rahmen der Geschäftsverteilung delegieren (§ 58 NLO). Es ist auch davon auszugehen, daß mit der internen Sachbearbeits- und Entscheidungsbefugnis zugleich eine "externe Vertretungsmacht" verbunden ist (Gern, Deutsches Kommunalrecht, 1. Aufl., S. 207). Vorliegend ist aber allein die Befugnis zur gerichtlichen Vertretung maßgeblich.
Ob eine entsprechende Befugnis vorliegt, richtet sich, da eine Einzelvollmacht für Assessor ... nicht vorgelegt worden ist, nach der "Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung für die Verwaltung des Landkreises Rotenburg (Wümme)" vom 30. Dezember 1982 (ADGA). Diese bestimmt in § 5 Abs. 1 Satz 1, daß die Dezernenten (im Bereich ihrer Dezernate) den Oberkreisdirektor vertreten. Das Rechtsamt, dem Assessor ... angehört, ist indessen kein eigenständiges Dezernat, sondern als "Amt" Teil des Dezernates II, und Assessor ... ist nicht Dezernent, sondern Stellvertreter des Amtsleiters. Eine Vertretungsberechtigung insoweit scheidet daher aus. Darüber hinaus vermag der Senat auch dem § 15 Abs. 1 der ADGA eine Befugnis des Assessors ... zur gerichtlichen Vertretung im vorliegenden Verfahren nicht zu entnehmen. Wenn danach "Rechtstreitigkeiten des Landkreises" vor den Gerichten vom Rechtsamt geführt werden - so daß anzunehmen ist, daß insoweit Vertretungsvollmacht erteilt worden sein soll -, so gilt das aber jedenfalls nicht für die vorliegenden Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG. Denn dabei handelt es sich zum einen nicht um "Rechtstreitigkeiten des Landkreises", sondern um die (gerichtliche) Wahrnehmung einer personalvertretungsrechtlichen Befugnis des Landkreises als Arbeitgeber gegenüber Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Zum anderen verlangt diese Befugnis, daß der zur gerichtlichen Vertretung des "Arbeitgebers Befugte ... selbst die Entscheidung über die Weiterbeschäftigung des dem Schutzbereich des § 9 Abs. 4 BPersVG unterliegenden Jugend- und Auszubildendenvertreters treffen oder zurechenbar vertreten" muß (BVerwG, Beschl. v. 18.9.1996, aaO, S. 162). Daß dem Rechtsamt und damit dem Assessor Meyer im Rahmen der Führung von Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten auch diese Befugnis übertragen wäre, ist der Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 ADGA. indessen nicht zu entnehmen. Angesichts der Bedeutung der Wahrnehmung des Rechtes aus § 9 Abs. 4 BPersVG bedurfte es dazu einer speziellen Ermächtigung, die sich gerade auf das Recht aus § 9 Abs. 4 BPersVG bezieht, was bei § 15 Abs. 1 Satz 1 ADGA aber nicht der Fall ist.
Da Assessor ... hiernach nicht zur Antragstellung nach § 9 Abs. 4 BPersVG befugt war, fehlt es vorliegend an Anträgen des "Arbeitgebers", so daß für eine Entscheidung nach dieser Vorschrift kein Raum ist. Daraus folgt, daß den Beschwerden der Beteiligten zu 1) allein aus diesem Grunde zu entsprechen ist und die Beschlüsse der Fachkammer vom 11. Oktober 1996 aufzuheben sind.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 83 Abs. 2 NPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 und § 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
Dr. Uffhausen,
Schiller,
Kerber,
Stöver