Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.02.1999, Az.: 18 L 2842/97
Mitbestimmungsrecht des Personalrats der BBS Neustadt; Anordnung von Mehrarbeit für zwei namentlich benannte Lehrer; Anordnung gegenüber einer Gruppe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.02.1999
- Aktenzeichen
- 18 L 2842/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 20496
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1999:0217.18L2842.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 20.03.1997 - AZ: 5 A 2000/95
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- NZA-RR 1999, 448 (Volltext mit amtl. LS)
- PersR 1999, 399-400
- ZBR 1999, 394
- ZfPR 2000, 150
Verfahrensgegenstand
Mitbestimmung bei der Anordnung von Mehrarbeit
Redaktioneller Leitsatz
Der Personalrat der BBS Neustadt hat hinsichtlich der Anordnung von Mehrarbeit für zwei namentlich benannte Lehrer aus einer Gruppe von insgesamt fünf oder sechs Lehrern kein Mitbestimmungsrecht, da es für die Auslösung des Mitbestimmungstatbestandes des § 67 Nr. 7 Personalvertretungsgesetz für das Land Niedersachsen (NPersVG) erforderlich ist, dass es sich um eine Anordnung gegenüber allen Beschäftigten oder einer Gruppe von ihnen handelt.
Der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
hat auf die mündliche Anhörung vom 17. Februar 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Uffhausen und Schiller sowie
die ehrenamtlichen Richter Ministerialrat Kerber und Kreisamtsrat Stöver
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 20. März 1997 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Unter dem 14. Februar 1995 legte der Leiter der BBS ... für zwei namentlich benannte Lehrer für Fachpraxis Anträge auf Mehrarbeit (Erhöhung der Wochenstundenzahl von 27,5 um 4 Wochenstunden befristet bis zum Schuljahresende) dem Beteiligten vor. Zur Begründung wurde auf langfristige Erkrankungen von zwei Lehrkräften sowie eine Teilabordnung hingewiesen, die zur Folge hätten, daß in den Berufsfeldern Holztechnik und Farbtechnik in den Klassen BVJ und BGJ 27 Fachpraxisstunden und in den Teilzeitklassen Demonstrationsunterricht nicht erteilt werden könnten. Ergänzend berichtete der Schulleiter unter dem 29. März 1995, die Schule sei auf die Mehrarbeit dringend angewiesen, weil es nicht gelungen sei, Meister für nebenberuflichen Unterricht zu gewinnen. Mit zwei Vorlagen vom 25. April 1995 beantragte der Beteiligte die Zustimmung des Antragstellers zu der beabsichtigten Maßnahme unter Hinweis darauf, dass die Mehrarbeit erforderlich sei, weil im BGJ-Holztechnik ansonsten die Anerkennung des ersten Ausbildungsjahres infragegestellt sei. Noch vor Ablauf der Äußerungsfrist ordnete der Beteiligte im Rahmen einer vorläufigen Regelung nach § 74 NPersVG für die betreffenden Lehrkräfte, die sich mit der Maßnahme einverstanden erklärt hatten, mit sofortiger Wirkung bis zum 21. Juni 1995 vier Unterrichtsstunden pro Woche Mehrarbeit in der Fachpraxis Holztechnik an. Der Antragsteller lehnte am 2. Mai 1995 in beiden Fällen die beabsichtigte Maßnahme ab, weil diese nicht hinreichend begründet sei. Weder sei dargelegt worden ob zusätzliche Unterrichtsstunden im Wege des § 4 ArbZV-Lehr geleistet werden könnten, noch sei der Abbau von Demonstrationsunterricht zugunsten des Unterrichts im BVJ oder BGJ geprüft worden. Unter dem 10. Mai 1995 berichtete der Beteiligte dem Niedersächsischen Kultusministerium und bat, das Verfahren bei Nichteinigung durchzuführen. Mit Erlaß vom 28. Juni 1995 entschied das Niedersächsische Kultusministerium, dass es einer Fortführung des Einigungsverfahrens nicht bedürfe, weil die Anordnung nicht der Mitbestimmung gemäß § 67 Nr. 7 NPersVG unterliege. Diese Vorschrift setze voraus, dass Anordnungen genereller Art. gegenüber allen Beschäftigten der Dienststelle oder einer Gruppe von ihnen vorlägen, was hier nicht der Fall sei.
Am 6. Dezember 1995 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und im wesentlichen geltend gemacht, dass es sich um eine organisatorische Maßnahme i. S. des § 67 NPersVG handele, weil sie nicht nur eine einzelne Lehrkraft, sondern die Gruppe der Lehrer für Fachpraxis im Bereich Holztechnik betreffe. Dies ergebe sich auch aus der Begründung der vorläufigen Regelung des Beteiligten vom 27. April 1995. Unschädlich sei, dass die von der Überstundenanordnung betroffenen Beschäftigten im einzelnen namentlich benannt seien. Rechtlich erheblich sei vielmehr der Umstand, dass die dienstlichen Erfordernisse, die für die Mehrarbeit angeführt worden seien, eine Gruppe von Lehrkräften betreffe, die durch einen gemeinsamen Lehrauftrag aufgabenmäßig verbunden seien. Es handele sich auch um vorhersehbare Mehrarbeit, da der ausgefallene Lehrer für Fachpraxis schon seit den Herbstferien 1994 durchgängig erkrankt gewesen sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, dass die Anordnung von Mehrarbeit entsprechend den Vorlagen des Beteiligten vom 25. April 1995 sein Mitbestimmungsrecht verletzt habe.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Bereits die Gesetzesmaterialien enthielten den Hinweis, dass die Anordnung von Mehrarbeit im Einzelfall nicht mitbestimmungspflichtig werden sollte. Danach unterlägen nur kollektive Entscheidungen, also Anordnungen genereller Art. der Mitbestimmung des Antragstellers. Da es sich vorliegend lediglich um zwei Einzelfälle gehandelt habe, entfalle die behauptete Rechtsverletzung.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20. März 1997 abgelehnt, und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung: Nach § 67 Nr. 7 NPersVG bestimme der Personalrat zwar bei der Anordnung von vorhersehbarer Mehrarbeit mit. Entsprechend der in der Rechsprechung herrschenden Meinung, dass arbeitszeitliche Einzelfallregelungen nicht der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 b BPersVG bzw. den entsprechenden Regelungen der Landespersonalvertretungsgesetze unterlägen, habe auch der bei der Novellierung des NPersVG federführende Ausschuss für öffentliches Dienstrecht die Auffassung vertreten, dass der Tatbestand der Anordnung von vorhersehbarer Mehrarbeit und Überstunden grundsätzlich nicht die Festsetzung von Überstundenleistung eines einzelnen Beschäftigten erfasse, sondern Anordnungen genereller Art. gegenüber allen Beschäftigten oder einer Gruppe von ihnen meine. Diese Auffassung entspreche zum einen der systematischen Eingliederung in die organisatorischen Maßnahmen und stehe nicht in Widerspruch zu § 64 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 NPersVG, wonach Weisungen zur Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats entzogen seien. Eine mitbetsimmungspflichtige organisatorische Maßnahme i. S. des § 67 Nr. 7 NPersVG liege entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht vor. Die aus Anlass längerer Krankheitszeiten und Teilabordnungen angeordnete Mehrarbeit im Fach Holztechnik für zwei namentlich genannte Lehrer für Fachpraxis stelle keine generelle Regelung dar. Eine solche sei dadurch gekennzeichnet, dass sie alle oder eine nach objektiven Gesichtspunkten allgemein und umfassend bestimmte Gruppe von Beschäftigten betreffe. An alle Lehrkräfte der BBS Neustadt richte sich die Anordnung unstreitig nicht. Bei den von der Anordnung betroffenen zwei Lehrern für Fachpraxis handele es sich aber auch nicht um eine Gruppe im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG. Die Anordnung habe nur zwei von mehreren Lehrkräften der Fachpraxis Holztechnik betroffen. Neben den beiden Lehrern, die sich für die Mehrarbeit zur Verfügung gestellt hätten, und den erkrankten Lehrern seien in der Holztechnik noch vier andere Lehrkräfte tätig, die nicht objektiv gehindert gewesen seien, Mehrarbeit zu leisten. Eine die gesamte Gruppe betreffende Regelung sei mithin nicht getroffen worden. Der Beschluss ist dem Antragsteller am 13. Mai 1997 zugestellt worden.
Am 12. Juni 1997 hat er Beschwerde erhoben und diese gleichzeitig wie folgt begründet: § 67 Nr. 7 NPersVG sei eine spezifische Sonderregelung allein für die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden ohne Gruppenbezug. Die Absicht des Ausschusses für öffentliches Dienstrecht, auf die das Verwaltungsgericht abgestellt habe, habe im Gesetz nicht Niederschlag gefunden. Die beiläufig geäußerte Absicht des Gesetzgebers könne sich gegen den Wortlaut und die systematische Stellung - eine Regelung für Gruppen finde sich in § 66 Nr. 1 NPersVG - nicht durchsetzen. Das Anliegen des Antragstellers liege auf der Hand. Bereits vollbeschäftigte Mitarbeiter sollten vor Überforderung - auch vor selbstgewählter - geschützt und Raum für weitere Arbeitsplätze, bzw. für die Aufstockung von Teilzeitbeschäftigten, gewonnen werden. Im übrigen sei er der Auffassung, dass die beiden Lehrkräfte, die Mehrarbeit leisten sollten, als "Gruppe" anzusehen sein; denn sie seien die einzigen verbliebenen Lehrkräfte, die für Mehrarbeit in Frage gekommen seien.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss zu ändern und nach seinem erst instanzlichen Antrag zu erkennen.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt. Die für zwei Lehrer für Fachpraxis vom Beteiligten angeordnete Mehrarbeit im Berufsfeld Holztechnik unterlag nicht der Mitbestimmung des Antragstellers nach § 67 Nr. 7 NPersVG.
Der Antragsteller vermag seine Ansicht, auch die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden, die lediglich einzelne Beschäftigte betreffen, unterliege der Mitbestimmung, zwar auf eine Stimme in der Kommentierung (Fricke u. a., NPersVG, § 67 Rdnr. 38) zu stützen. Dieser Auffassung steht jedoch die ganz herrschende Meinung entgegen, wonach erforderlich für die Auslösung des Mitbestimmungstatbestandes ist, dass es sich um eine Anordnung gegenüber allen Beschäftigten oder einer Gruppe von ihnen handelt (Bieler/- Müller-Fritzsche/Spohn, NPersVG, 7. Aufl., § 67 Rdnr. 29; Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 67 Rdnr. 74 m. Rsprn.). Richtig ist allerdings, dass in § 67 Nr. 7 NPersVG anders als in § 66 Nr. 1 NPersVG von "Gruppen" nicht ausdrücklich die Rede ist. Die von der ganz herrschenden Meinung vertretene Auffassung hat indessen schon zu der 4. Novelle des Gesetzes von 1972 (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 NPersVG a.F.) bestanden. Eine inhaltliche Änderung hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des Gesetzes nicht beabsichtigt (LT-Drucks. 12/6206 S. 49 zu § 66 Nr. 7 des Regierungsentwurfs; vgl. auch OVG NW, PersR 1991, S. 217; BVerwG, Beschl. v. 2.6.1992, DVBl 1992, 162). Mit dem Verwaltungsgericht folgt der Fachsenat dieser herrschenden Auffassung.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ebenfalls angenommen - was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist -, dass die Anordnung von Mehrarbeit im Fach Holztechnik für zwei namentlich benannte. Lehrer nicht eine generelle Regelung gegenüber allen Lehrkräften der BBS Neustadt dargestellt hat. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat die Regelung aber auch nicht eine Gruppe, nämlich die Gruppe der Lehrkräfte der Fachpraxis Holztechnik, betroffen. Nach der Erörterung in der Anhörung vor dem Senat räumt auch der Antragsteller ein, dass die beiden Lehrer, die sich zur Mehrarbeit bereitgefunden hatten, nicht die einzigen Lehrkräfte waren, gegenüber denen eine Anordnung von Mehrarbeit noch hätte erfolgen können. Aus der Begründung der vorläufigen Regelung des Beteiligten vom 27. April 1995 ergibt sich nämlich, dass noch vier andere Lehrkräfte in die zuvor erfolgte Vertretung des erkrankten Lehrers eingebunden waren. Mithin waren im fraglichen Zeitpunkt in der Fachpraxis Holztechnik acht oder neun Lehrkräfte beschäftigt, je nachdem, ob der teilabgeordnete Lehrer mitgerechnet wird oder nicht. Scheiden der teilabgeordnete und die beiden erkrankten Lehrer aus, so bestand die Gruppe der Lehrer in der Fachpraxis Holztechnik aus fünf oder sechs Lehrkräften. Die Anordnung von Mehrarbeit gegenüber zwei Lehrern betraf mithin nur etwa ein Drittel der Gruppe.
Danach war die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Dr. Uffhausen,
Schiller,
Kerber,
Stöver