Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.04.2007, Az.: 11 B 1154/07

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
27.04.2007
Aktenzeichen
11 B 1154/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 62301
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2007:0427.11B1154.07.0A

Tenor:

  1. Die Erteilung einer Duldung setzt voraus, dass die Ausreisepflicht vollziehbar ist.

    Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht setzt nach § 58 Abs. 2 AufenthG stets - auch in den Fällen des Satzes 2 - voraus, dass eine gesetzte Ausreisefrist verstrichen ist.

Gründe

1

Das nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu beurteilende Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine Duldung zu erteilen, ist unbegründet.

2

Es fehlt an einem Anordnungsanspruch, d.h. voraussichtlich an einem entsprechenden materiellen Recht der Antragstellerin. Der Antragsgegner hat die Erteilung einer Duldung mit Bescheid vom 28. März 2007 zu Recht abgelehnt, weil die Antragstellerin derzeit noch nicht vollziehbar ausreispflichtig ist.

3

Nach § 60 a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Dies setzt - wie auch die Antragstellerin nicht bezweifelt - allgemein voraus, dass die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 - 1 C 3.97 - BVerwGE 105, 232235). Denn erst dann darf eine Abschiebung erfolgen (§ 58 Abs. 1 AufenthG), so dass denknotwendig auch erst ab diesem Zeitpunkt eine Aussetzung dieser Zwangsmaßnahme in Betracht kommt.

4

Nach § 58 Abs. 2 AufenthG setzt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht stets voraus, dass eine gewährte Ausreisepflicht abgelaufen ist. Dies gilt auch für den hier anwendbaren Satz 2 der Vorschrift, nach dem die Ausreisepflicht u.a. durch die Vollziehbarkeit der Versagung eines Aufenthaltstitels (hier den im Verfahren 11 A 648/07 angegriffenen Bescheid des Antragsgegners vom 19. Februar 2007) vollziehbar wird. Der Satz 2 knüpft schon nach seinem Wortlaut ("Im Übrigen") an den Satz 1 der Bestimmung an. Es ist auch kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass der Ausländer, der sich bis zur ablehnenden Entscheidung der Ausländerbehörde rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, schlechter gestellt werden soll als derjenige, der unerlaubt eingereist ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) bzw. keine Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt hat (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Außerdem hat der Gesetzgeber den Hinweis auf den Ablauf der Ausreisefrist in § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG seiner Ansicht nach lediglich aus Klarstellungsgründen (BT-Drs. 15/420, S. 91) aufgenommen (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 23. Februar 2006 - 2 M 114/06 - jurisRn. 10 f..; Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Rn. 6 ff. zu § 58).

5

Der Erlass der Abschiebungsandrohung setzt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht dagegen nicht voraus (vgl. Funke-Kaiser a.a.O., Rn. 25 ff. zu § 59), so dass sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin aus § 59 AufenthG keine andere Beurteilung ergibt.

6

In dem maßgeblichen Bescheid des Antragsgegners vom 19. Februar 2007 ist der Antragstellerin eine Ausreisefrist bis zum 20. Mai 2007 gesetzt worden, die noch nicht verstrichen ist.

7

Dies führt entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht zu einem unverständlichen Ergebnis, weil nach ihren Angaben damit zu rechnen sei, dass sie die Ausreisefrist nicht einhalten werde und danach eine zügige Abschiebung wahrscheinlich nicht möglich sei. Denn die bloße Erteilung der sog. Grenzübertrittsbescheinigung und die damit verbundenen rechtlichen Nachteile sind auch in solchen Fällen generell geeignet, eine Änderung der Absichten des Ausländers herbeizuführen und so die gesetzlich anzustrebende freiwillige Ausreise zu fördern. Auch ist kein Grund dafür ersichtlich denjenigen besser zu stellen, der sich von vornherein weigert seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen.

8

Eine Duldung erscheint zudem deshalb nicht notwendig, weil die Ausreisefrist gerade dazu dienen soll, dass der Ausländer seine persönlichen Verhältnisse abwickelt und seine freiwillige Ausreise vorbereitet. Dieser Sachlage entspricht es, dass der Ausländer ohne eine Duldung bis zum Ablauf der Ausreisepflicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 10 Satz 1 BeschVerfV nicht erfüllt (vgl. OVG Magdeburg a.a.O., Rn. 12). Die Antragstellerin macht sich im Übrigen durch ihren Aufenthalt ohne Duldung nicht gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar, weil dies nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraussetzt.

9

Ob die Abschiebung der Antragstellerin nach Ablauf der Ausreisefrist tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist, bedarf daher derzeit keiner Entscheidung.