Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 24.04.2007, Az.: 13 A 1100/05

Ausbildungsförderung; Auszubildender; Beweislast; Bewilligung; Rechtsmissbrauch; verdeckte Treuhand; Vermögen; Vermögensübertragung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
24.04.2007
Aktenzeichen
13 A 1100/05
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2007, 71899
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Stellt ein Auszubildender nicht bereits bei Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung klar, dass er Vermögen in verdeckter Treuhand für einen Dritten verwaltet, so muss er sich dieses Vermögen als eigenes anrechnen lassen.

2. Der Rückzahlungsanspruch des Treugebers stellt grundsätzlich keine abzugsfähige Schuld i.S.d. § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG dar. Die Kammer lässt offen, ob davon abgewichen werden kann, wenn schriftliche Vereinbarungen über ein Treuhandverhältnis oder die Gewährung eines Darlehens vorliegen, die diese zugrunde liegenden Vermögensbewegungen durch Unterlagen, die auch für Dritte ohne Weiteres nachvollziehbar sind, nachgewiesen werden, und/oder durch eine Beweisaufnahme eine endgültige Klärung der Frage erfolgt ist, ob tatsächlich ein Treuhandverhältnis bestanden hat sowie ob tatsächlich das Vermögen des Auszubildenden mit einem Rückzahlungsanspruch belastet ist.

3. Bei der Frage, ob der Auszubildende Vermögen rechtsmissbräuchlich auf einen Dritten übertragen hat, trifft diesen eine gesteigerte Darlegungslast. Er muss alle relevanten Unterlagen, auf die er Zugriff hat, vorlegen und alle verfügbaren Beweismittel benennen. Kommt er dieser Obliegenheit nach und lässt sich der Sachverhalt dennoch nicht abschließend aufklären, trifft die Beweislast allerdings wieder das Amt für Ausbildungsförderung.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Rücknahme und Rückforderung von Leistungen der Ausbildungsförderung.

2

Der Kläger nahm im Wintersemester 2002/2003 ein Lehramtsstudium mit den Fächern Germanistik, evangelische Religion und Sachunterricht an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg auf. Am 24. September 2002 beantragte er beim Studentenwerk O. Ausbildungsförderung für diesen Studiengang. Im Antragsformular strich er die Felder unter den Überschriften „Angaben zu meinem Vermögen“ sowie „meine Schulden und Lasten“ durch. Außerdem unterzeichnete er eine Zusatzerklärung, nach der er alle für die Berechnung der Ausbildungsförderung maßgebenden Vermögensnachweise vorgelegt habe und weitere Vermögensnachweise nicht besitze. Mit Bescheid vom 6. Januar 2003 bewilligte das Studentenwerk O. im Auftrage der Beklagten dem Kläger Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 in Höhe von monatlich 528,00 Euro. Durch den Bescheid vom 20. Januar 2004 wurde die Ausbildungsförderung für den Monat September 2003 auf 530,00 Euro erhöht.

3

Mit dem Folgeantrag vom 21. Juli 2003 beantragte der Kläger Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis September 2004. Im Antragsformular strich er erneut die Angaben zum Vermögen sowie zu Schulden und Lasten durch. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2003 bewilligte das Studentenwerk O. im Auftrage der Beklagten dem Kläger für diesen Bewilligungszeitraum Ausbildungsförderung in Höhe von 528,00 Euro monatlich. Mit Bescheid vom 20. Januar 2004 wurde die Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis September 2004 auf monatlich 530,00 Euro erhöht. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2004 wurde die Ausbildungsförderung für den Zeitraum April 2004 bis September 2004 auf monatlich 466,00 Euro abgesenkt; weiterhin forderte das Studentenwerk O. im Auftrage des Beklagten vom Kläger zu viel geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von 384,00 Euro zurück. Diesen Betrag erstattete der Kläger dem Studentenwerk.

4

Ende April 2004 erfuhr das Studentenwerk durch Datenabgleich mit dem Bundesamt für Finanzen, dass der Kläger im Jahr 2002 bei der Postbank Bonn einen Freistellungsbetrag in Höhe von 844,00 Euro in Anspruch genommen hatte. Mit Schreiben vom 20. Juli 2004 informierte das Studentenwerk O. den Kläger über das Ergebnis des Datenabgleichs und forderte ihn auf, seine Vermögensverhältnisse während der Zeiträume, für die Ausbildungsförderung bewilligt worden war, durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Im folgenden Schriftwechsel reichte der Kläger Ablichtungen von Kontoauszügen für mehrere Geldanlagen ein. Auf dieser Grundlage ergaben sich zum Stichtag 24. September 2002 (Datum des ersten Antrags auf Ausbildungsförderung) folgende Vermögenswerte:

5
Landessparkasse zu Oldenburg, Konto Nr. ...-14,47 Euro
Postbank, Sparcard 3000 plus Nr. ...770,00 Euro
Postbank, Konto Nr. ...2.480,17 Euro
Postbank, Kapital-Plus-Konto Nr. ...14.827,47 Euro.
6

Zum Stichtag 21. Juli 2003 (Datum des zweiten Antrags auf Ausbildungsförderung) ergaben sich folgende Vermögenswerte:

7
Landessparkasse zu Oldenburg, Konto Nr. ...443,64 Euro
Oldenburgische Landesbank, Konto Nr. ...175,00 Euro
Sparbuch (Geldinstitut unbekannt) Nr. ...300,00 Euro
Postbank, Konto Nr. ...72,32 Euro
8

Unter dem 4. August 2004 erwähnte der Kläger gegenüber dem Studentenwerk O. erstmals das Kapital-Plus-Konto Nr. ... bei der Postbank. Er erklärte, dass es sich um seine Ersparnisse und um die seiner weiteren vier Geschwister gehandelt habe, die nur deshalb in einem auf seinem Namen geführten Festgeld-Konto vereint worden seien, um durch die Zusammenfassung einer größeren Summe bessere Zinskonditionen zu erlangen; außerdem habe er damit seinen vollen Sparerfreibetrag ausschöpfen können. Als er - der Kläger - im März 2002 einen Unfall erlitten habe, seien seine beruflichen Pläne bei der Bundeswehr „geplatzt“. Da er in den Folgemonaten, vor Aufnahme seines Studiums, ohne ausreichendes Einkommen gewesen sei, habe er in Absprache mit seinen Eltern und Geschwistern im September 2002 das Festgeld-Konto vorzeitig aufgelöst. Den „Löwenanteil“ des Festgeld-Betrages habe er seiner Familie geschuldet; hierüber liege eine bei Kontoerrichtung fixierte schriftliche Vereinbarung vor, die dem Studentenwerk O. bei Bedarf vorgelegt werden könne. In einem weiteren Schreiben erklärte der Kläger, dass der Auflösungswert des Festgeld-Kontos 14.700,00 Euro betragen habe, von dem sein eigener Anteil sich auf 2.950,00 Euro belaufen habe. Diesen Betrag habe er - wie bereits mitgeteilt - zur Deckung der unfallbedingten Folgekosten sowie zur Ersteinrichtung seiner damaligen Wohnung benötigt. Der Betrag sei im Dezember 2002 von der Postbank ausgezahlt worden.

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Im weiteren legte der Kläger einen von ihm unterzeichneten Kontoeröffnungsauftrag für das Festgeld-Konto mit Datum vom 21. Oktober 2000 vor, der eine Einlage von 29.000,00 DM ausweist. Weiterhin reichte er einen Beleg der Postbank Hamburg ein, aus dem folgt, dass der Anlagebetrag des Festgeld-Kontos in Höhe von 14.827,46 Euro nach Abzug von Gebühren wegen vorzeitiger Auflösung in Höhe von 87,32 Euro am 11. Dezember 2002 auf das Konto Nr. 508052300 des Klägers bei der Postbank Hannover überwiesen wurde. Aus den vom Kläger eingereichten Kontoauszügen für das Postbank-Girokonto Nr. ... ergibt sich, dass der Anlagebetrag aus dem aufgelösten Festgeld-Konto in Höhe von 14.740,14 Euro am 11. Dezember 2002 dem Girokonto gutgeschrieben und am 13. Dezember 2002 ein Betrag von 14.000,00 Euro in bar von diesem Konto abgehoben wurde.

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Zudem reichte der Kläger eine schriftliche Bestätigung ein, in der sein Vater M. H. S. versicherte, dass im Jahr 2000 seine minderjährigen vier Kinder ihre Ersparnisse zur Gewinnoptimierung gemeinsam auf ein Festgeld-Konto des Klägers eingezahlt hätten. Die Ersparnisse von 29.000,00 DM hätten sich wie folgt aufgeteilt:

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Kläger5.770,00 DM
F.7.310,00 DM
M.6.970,00 DM
R.5.450,00 DM
C.3.500,00 DM.
12

Herr M. H. S. versicherte, dass das Konto im September 2002 vorzeitig gekündigt und das Guthaben im Dezember 2002 zurückgezahlt worden sei.

13

In einem weiteren Schreiben reichte der Kläger beim Studentenwerk O. die Ablichtung eines Vertrags mit Datum vom 18. Juli 2000 ein, der folgenden Wortlaut hat:

14

„Zwischen 1.) C. S. (...) sowie 2.) F., M., R. und C. S. (...) wird folgende Vereinbarung getroffen:

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Die Vertragsparteien sind sich einig, ihre jeweiligen Ersparnisse zu einer größeren Summe zusammenzufassen, um bessere Zins-Konditionen bei der geplanten Einrichtung eines Festgeld-Kontos bei der Postbank zu erzielen. Der Vertragsschließende zu 1. als Ältester und ab 11.10.2000 Volljähriger soll dabei alle Beträge auf einem Konto zusammen anlegen. Die Beträge verteilen sich dabei wie folgt: C. 5.770,00 DM, F. 7.310,00 DM, M. 6.970,00 DM, R. 5.450,00 DM, C. 3.500,00 DM. Der Kontoinhaber verpflichtet sich, den Vertragsschließenden zu 2. als Schuldner die nach Ablauf oder bei Auflösung des Kontos zurückfließenden Beträge im gleichen Verhältnis unverzüglich nach Gutschrift zurückzuzahlen.

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Das Dokument trägt die Unterschrift des Klägers sowie seines Bruders F.-S. S., seines Vaters M. H. S. sowie seiner Mutter R. S., welche den Vertrag unter dem Zusatz „für die nicht geschäftsfähigen minderjährigen Kinder als Erziehungsberechtigte:“ unterzeichnete.

17

Mit dem Anhörungsschreiben vom 15. Dezember 2004 teilte das Studentenwerk O. dem Kläger mit, dass die Rückforderung der bisher gezahlten Ausbildungsförderungsleistungen auf Grundlage der §§ 45 und 50 SGB X erwogen werde, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12. Januar 2005. Der Kläger erklärte daraufhin nochmals, dass das Vermögen auf dem Kapital-Plus-Konto ihm nur teilweise zuzurechnen sei; er könne dem Studentenwerk O. bei Bedarf die „Vereinbarung bzw. Quittung über die Rückzahlung des Vermögens plus Zinsen im Dezember 2002 an meine Geschwister“ zukommen lassen.

18

Mit Bescheiden vom 15. Februar 2005 hob das Studentenwerk O. im Auftrage der Beklagten die Bewilligungsbescheide für die Bewilligungszeiträume Oktober 2002 bis September 2003 sowie Oktober 2003 bis September 2004 auf und forderte vom Kläger Ausbildungsförderung in Höhe von 11.594,00 Euro zurück. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Bewilligungsbescheide seien aufgrund des inzwischen nachgewiesenen Vermögens rechtswidrig ergangen. Der Kläger könne sich insoweit auf ein schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, da die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vorlägen; er habe in seinen Anträgen vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben zu seinem Vermögen gemacht. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der Bescheide übersteige das Interesse des Klägers daran, die Leistungen zu behalten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Leistungen durch falsche Angaben erlangt habe. Insbesondere bestehe ein Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Anwendung des Gesetzes und der Vermeidung von ungerechtfertigten Aufwendungen der öffentlichen Hand.

19

Der Kläger hat mit seinem am 15. März 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Er trägt vor: Die auf dem Kapital-Plus-Konto der Postbank angelegten Beträge seien überwiegend Vermögen seiner Geschwister gewesen. Deren Vermögen dürfe bei der Berechnung des Anspruchs auf Ausbildungsförderung nicht berücksichtigt werden. Aus einer von seinen Geschwistern und Eltern unterzeichneten eidesstattlichen Erklärung vom 3. März 2005 folge, dass sich der bei Auflösung des Festgeldkontos vorhandene Betrag von 14.740,14 Euro inklusive der angefallenen Zinsen und abzüglich der Auflösungsgebühren wie folgt auf die einzelnen Geschwister verteile:

20
F.-S.3.715,40 Euro
M.3.542,65 Euro
R.2.770,11 Euro
C.-M.1.778,48 Euro
Kläger2.933,14 Euro.
21

Die Beträge habe er - der Kläger - seinen Geschwistern am 13. Dezember 2002 in bar zurückgezahlt. In einer weiteren eidesstattlichen Versicherung vom 31. Oktober 2006 haben die Eltern und Geschwister des Klägers diesen Sachverhalt bestätigt. Weiterhin behauptet er - der Kläger -, dass er die Anteile der einzelnen Geschwister vor der Einrichtung des Festgeldkontos im Jahr 2000 in bar erhalten habe.

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Der Kläger beantragt,

23

die Bescheide des Studentenwerks O. vom 15. Februar 2005 aufzuheben.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und macht ergänzend geltend: Der Kläger habe weder Nachweise dafür erbracht, dass er das Geld von seinen Geschwistern erhalten habe, noch dafür, dass er es an diese zurückgezahlt habe. Darüber hinaus handele es sich um eine verdeckte Treuhand, da der Kläger gegenüber als Postbank als Gläubiger aufgetreten sei und nicht angezeigt habe, dass er das Geld für Dritte angelegt habe. Das Guthaben auf dem Kapital-Plus-Konto sei deshalb in jedem Fall in vollem Umfang dem Kläger zuzurechnen, weil er jederzeit die objektive Zugriffsmöglichkeit auf das Guthaben gehabt habe. Wenn eine Rückübertragung auf die anderen Geschwister tatsächlich erfolgt sei, sei sie rechtsmissbräuchlich gewesen.

27

Die Beklagte hat die Rückforderungsbescheide vom 15. Februar 2005 mit Schriftsatz vom 5. März 2007 insoweit aufgehoben, als die Rückforderung mehr als 10.526,00 Euro beträgt. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

28

Die Kammer hat Beweis erhoben über die Umstände des vom Kläger für seine Geschwister angelegten Treuhandvermögens durch Vernehmung der Zeugen M. H. S., Vater des Klägers, sowie F.-S. S., Bruder des Klägers. Insoweit wird auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 23. Februar 2007 (Bl. 120 bis 128 der Gerichtsakte) verwiesen.

Entscheidungsgründe

29

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

30

Im übrigen hat die zulässige Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden durfte (§ 101 Abs. 2 VwGO), nur teilweise Erfolg.

31

Die Klage hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Rücknahme und Rückforderung der Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 wendet. Die Bescheide des Studentenwerks O. vom 15. Februar 2005 sind insoweit rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

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Die Rücknahme der Leistungsbescheide für diesen Bewilligungszeitraum beruht auf § 45 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, soweit er rechtswidrig ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) oder soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

33

Die Leistungsbescheide des Studentenwerks O. vom 6. Januar 2003 und 20. April 2004 für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 sind rechtswidrig.

34

Gemäß § 1 BAföG besteht ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nur dann, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Ausbildungsförderung wird nach § 11 Abs. 1 BAföG für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Gemäß § 11 Abs. 2 BAföG ist auf diesen Bedarf das Vermögen des Auszubildenden anzurechnen, zu dem nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG auch Forderungen zählen. Vom Vermögen bleiben gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in der seit dem 1. Juli 2002 geltenden Fassung (BGBl. I 2001, S. 390) 5.200,00 Euro anrechnungsfrei. Nach § 30 BAföG ist auf den monatlichen Bedarf des Auszubildenden der Betrag anzurechnen, der sich ergibt, wenn der Betrag des anzurechnenden Vermögens durch die Zahl der Kalendermonate des Bewilligungszeitraums geteilt wird. Der Wert einer Forderung ist nach § 28 Abs. 1 BAföG auf die Höhe des Zeitwerts im Zeitpunkt der Antragstellung zu bestimmen. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BAföG sind von dem so ermittelten Betrag des Vermögens die im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Schulden und Lasten abzuziehen.

35

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. Januar 1991 - 5 C 71/86 -, BVerwGE 87, 284) konkretisieren die §§ 27 ff. BAföG den Grundsatz der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung, der in § 1 BAföG zum Ausdruck kommt. Diesen Rechtsvorschriften ist die Wertung zu entnehmen, dass Aufwendungen für eine Ausbildung, die auf die Vermittlung einer beruflichen Qualifikation hinzielt, die maßgebliche Investition des Auszubildenden für die Schaffung seiner künftigen Lebensgrundlage darstellen und es deshalb einem Auszubildenden im Regelfall zuzumuten ist, vorhandenes Vermögen für diesen Zweck einzusetzen.

36

Zum Zeitpunkt des ersten Antrags auf Ausbildungsförderung am 24. September 2002 zählte zum Vermögen des Klägers auch das gesamte Guthaben in Höhe von 14.827,47 Euro auf dem Kapital-Plus-Konto Nr. 7202660114 bei der Postbank Hamburg. Kontoinhaber und alleiniger Gläubiger des Sparkontos war nach dem Kontoeröffnungsauftrag vom 27. Oktober 2000 der Kläger, der diesen auch selbst unterzeichnet hat. Der Kontoeröffnungsauftrag enthält keinen Hinweis darauf, dass das Konto für fremde Rechnung geführt wird. Hätte das Konto nur formal auf den Namen des Klägers gelautet, das Guthaben aber tatsächlich einer anderen Person zustehen sollen, hätte hier richtigerweise „für fremde Rechnung“ angegeben werden müssen.

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Unerheblich ist insoweit die vom Kläger vorgelegte vertragliche Vereinbarung zwischen ihm und seinen Geschwistern vom 18. Juli 2000, nach der er den überwiegenden Teil des Anlagebetrags nur treuhänderisch verwalten sollte. Vertragliche Bindungen und Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit unberührt lassen, können angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung, wonach eine individuelle Ausbildungsförderung nur dann beansprucht werden kann, „wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen“ (§ 1 Hs. 2 BAföG), die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2000 - 5 B 182/99 -, juris). Entscheidend ist allein, ob und inwieweit bestimmtes Vermögen überhaupt dem ausbildungsbedingten Verwertungszugriff des Auszubildenden unterliegt. Nur soweit ein Zugriff auf das Vermögen aus rechtlichen Gründen ganz oder teilweise ausscheidet, ist es gerechtfertigt, die betreffenden Gegenstände aus dem anzurechnenden Vermögen auszuklammern (BVerwG, a.a.O.). Deshalb muss ein Auszubildender bereits bei Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung durch Offenlegung und Nachweis der behaupteten verdeckten Treuhand die rechtlich nicht gegebene Zugriffsmöglichkeit auch formal klarzustellen. Unterlässt er dies, so muss er sich an dem von ihm erzeugten Rechtsschein festhalten lassen (BayVGH, Beschluss vom 6. Juli 2006 - 12 C 06.468 -, juris; Urteil vom 17. November 2006 - 12 B 05.3317 -, juris; Beschluss vom 28. Februar 2007 - 12 ZB 06.2581 -).

38

Der Vertrag vom 18. Juli 2000 führt auch nicht zur Annahme, dass das Vermögen des Klägers im Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 mit Rückzahlungsansprüchen seiner Geschwister belastet war. Gemäß § 28 Abs. 3 S. 1 BAföG sind Schulden und Lasten zwar vom Vermögen des Auszubildenden abzusetzen. Der bei einem verdeckten Treuhandverhältnis bestehende Rückforderungsanspruch kann jedoch bei wertender Betrachtung grundsätzlich nicht als Schuld i.S.d. § 28 Abs. 3 S. 1 BAföG eingeordnet werden. Eine Anerkennung des Herausgabeanspruchs als Schuld i.S.d. § 28 Abs. 3 S. 1 BAföG liefe darauf hinaus, dass verdeckte Treuhandkonten bei der Vermögensanrechnung stets außer Betracht zu bleiben hätten, weil der Herausgabeanspruch des Treugebers das wesentliche Merkmal der Treuhand darstellt. Ist das Treugut dem Vermögen des verdeckten Treugebers aber zuzurechnen, weil der Vermögenswert seinem Vermögen zugeflossen ist und er den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft hervorgerufen hat, muss der mit der Vereinbarung einer verdeckten Treuhand entstehende Herausgabeanspruch ausbildungsförderungsrechtlich außer Betracht bleiben (BayVGH, Urteil vom 17. November 2006 - 12 B 05.3317 -, juris; Beschluss vom 28. Februar 2007 - 12 ZB 06.2581 -; VG Augsburg, Urteil vom 7. Februar 2006 - Au 3 K 05.00813 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 23. Februar 2005 - 10 K 1069/04 -, juris). Würde der Rückzahlungsanspruch des Treugebers im Ausbildungsförderungsrecht im Regelfall als abzugsfähige Schuld anerkannt, so wäre einer Umgehung des Gesetzes, mit der Auszubildende die Anrechnung ihres Vermögens unterlaufen, Tür und Tor geöffnet.

39

Dieser Rechtsprechung folgt die Kammer. Dabei kann offen bleiben, ob dann von den oben dargestellten Grundsätzen abgewichen werden kann, wenn schriftliche Vereinbarungen über ein Treuhandverhältnis oder die Gewährung eines Darlehens vorliegen, die diesen zugrunde liegenden Vermögensbewegungen durch Unterlagen, die auch für Dritte ohne Weiteres nachvollziehbar sind, nachgewiesen werden und/oder durch eine Beweisaufnahme eine eindeutige Klärung der Frage erfolgt ist, ob tatsächlich ein Treuhandverhältnis bestanden hat sowie ob tatsächlich das Vermögen des Auszubildenden mit einem Rückzahlungsanspruch belastet ist. So ist in der Verwaltungsrechtsprechung anerkannt, dass etwa Darlehensverträge unter Familienangehörigen eine abzugsfähige Schuld darstellen, wenn sie den zum Steuerrecht entwickelten Kriterien des sog. „Fremdvergleichs“ standhalten, also insbesondere eine schriftliche Darlehensvereinbarung vorliegt (VG Aachen, Urteil vom 5. Juli 2005 - 5 K 3571/04 -, juris; VG Göttingen, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 A 51/05 -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 23. März 2005 - 10 K 4181/03 -, juris; weitergehend OVG Saarlouis, Beschluss vom 24. April 2006 - 3 Q 60/05 -, juris; VG Bremen, Urteil vom 25. Mai 2005 - 1 K 1477/03 -, juris; VG Weimar, Urteil vom 23. Februar 2006 - 5 K 234/05.We -, juris). Im Anschluss daran hält die Kammer die Einordnung des Rückzahlungsanspruchs des Treugebers bei einer verdeckten Treuhand als abzugsfähige Schuld jedenfalls dann für erwägenswert, wenn über die Treuhandverwaltung ein schriftlicher Vertrag geschlossen worden ist und der Übergang des Treuhandvermögens vom Treunehmer auf den Treugeber durch Unterlagen einwandfrei belegt werden kann.

40

Bei Anwendung dieses Maßstabes liegen hier keine hinreichende Anhaltspunkte für die Einordnung des behaupteten Rückzahlungsanspruchs der Geschwister des Klägers als abzugsfähige Schuld vor. Zwar hat der Kläger über die Treuhandabrede den schriftlichen Vertrag vom 18. Juli 2000 vorgelegt. Die Zahlung des Treuhandvermögens an den Kläger im Jahr 2000 konnte er jedoch nicht durch die Vorlage von Überweisungsbelegen nachweisen. Vielmehr soll die Auszahlung des Geldes an den Kläger in bar erfolgt sein.

41

Die dahingehende Behauptung des Klägers konnte auch durch die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Zwar haben die Zeugen F. S. und M. S. ausgesagt, der Geldbetrag, der vom Kläger am 21. Oktober 2000 auf das auf ihn lautende Kapital-Plus-Konto Nr. ... bei der Postbank Hamburg eingezahlt worden sei, sei dadurch zustande gekommen, dass dem Kläger die Ersparnisse seiner vier Geschwister übergeben worden seien, die er dann zusammen mit seinen eigenen Ersparnissen eingezahlt habe. Beide haben weiter bekundet, dass diese Ersparnisse in bar in einem Tresor in der Familienwohnung aufbewahrt worden seien. Als Erklärung für die zumindest ungewöhnliche Handlungsweise, derart erhebliche Bargeldbeträge über Jahre in einem häuslichen Tresor zu verwahren, hat der Zeuge M. S. (Senior) ausgesagt, er habe die Ersparnisse der Kinder vorher nicht auf Sparbüchern angelegt, weil er sehr schlechte Erfahrungen mit Banken gemacht habe. Diese Aversion gegen Banken habe er im Jahr 2000 überwunden, als er durch eine Reklame der Postbank darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass für Festgeld-Konten ein Zinssatz von 5,6 % gezahlt worden sei; nach Gesprächen mit seiner Frau und den Kindern sei dann entschieden worden das Geld der Kinder gemeinsam anzulegen. Dies sei durch den (damals) volljährig gewordenen Kläger geschehen, weil befürchtet worden sei, dass dann, wenn Geld von seinen minderjährigen Geschwistern bei Banken angelegt werde, sie Schwierigkeiten hätten, dieses zurück zu bekommen. Diese Aussagen beider Zeugen erscheinen der Kammer zwar nicht von vornherein unglaubhaft, auch wenn die Aussagen des Zeugen F. S. hinsichtlich der Einzelheiten der Geldanlage und der Abwicklung recht ungenau waren und er sich an Einzelheiten teilweise nicht mehr genau erinnern konnte.

42

Die Kammer hat jedoch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass beide Zeugen die Geschehensabläufe in Zusammenhang mit der Anlage des Betrages von 29.000,00 DM auf dem auf den Namen des Klägers lautenden Konto der Postbank Hamburg vollständig und zutreffend wiedergeben. Nach dem Vertrag vom 18. Juli 2000 und der Aussage des Zeugen M. S. ging es bei der Einrichtung des Festgeldkontos und Einzahlung der 29.000,00 DM auf dieses Konto darum, bessere Zins-Konditionen zu erzielen. Nach dem schriftlichen Kontoeröffnungsauftrag vom 27. Oktober 2000 betrug die Mindestanlage für das Festgeldkonto jedoch nur 5.000,00 DM. Damit hätten nach den in der schriftlichen Treuhandvereinbarung vom 18. Juli 2000 genannten Einlagesummen der einzelnen Geschwister von fünf Geschwistern vier diese Mindesteinlage auch allein mit ihren Ersparnissen aufbringen können, da lediglich für C. S. eine Sparsumme von 3.500,00 DM angegeben ist. Auffällig erscheint, dass die Vereinbarung das Datum 18. Juli 2000 trägt, jedoch die Geldanlage erst etwa drei Monate nach Abschluss der Vereinbarung erfolgt ist. Sehr ungewöhnlich ist weiter, dass derart hohe Geldbeträge jahrelang in einem Tresor in einer Wohnung aufbewahrt werden, sie dann etwa zwei Jahre lang angelegt worden sind und anschließend - nach den Bekundungen beider Zeugen - wiederum in bar aufbewahrt wurden, weil ein neues Konto sich hinsichtlich der Zinsen „nicht gelohnt“ habe. Wird schließlich berücksichtigt, dass beide Zeugen als Vater bzw. Bruder des Klägers mit diesem so eng familiär verbunden sind, dass bei ihnen ein Interesse am Ausgang des Verfahrens besteht, bleiben Zweifel an der Richtigkeit der beiden Zeugenaussagen, die auch hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherung weitere Familienmitglieder bestehen, zumal diese nach ihren eigenen Angaben ein eigenes wirtschaftliches Interesse in dieser Angelegenheit verfolgen. Diese Zweifel gehen zu Lasten des Klägers, so dass das Gericht davon ausgeht, dass er im Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis März 2003 allein unter Berücksichtigung des Betrages auf dem Festgeldkonto über ein Vermögen von 14.827,47 Euro verfügte.

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Abzüglich des Freibetrages von 5.200,00 Euro ergibt sich damit ein anrechenbares Vermögen in Höhe von 9.627,47 Euro, was einem monatlich anrechenbaren Vermögen in dem zwölfmonatigen Bewilligungszeitraum in Höhe von 802,28 Euro entspricht. Dieser Betrag übersteigt die gezahlte Ausbildungsförderung in Höhe von 11 x 528,00 Euro sowie einmalig 530,00 Euro. Der Kläger hat somit im ersten Bewilligungszeitraum insgesamt 6.338,00 Euro zu unrecht erhalten.

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Unerheblich ist dabei, soweit es um den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 geht, dass das Festgeld-Konto am 11. Dezember 2002 aufgelöst wurde. Gemäß § 28 Abs. 2 BAföG ist der Wert des Vermögens zum Zeitpunkt der Antragstellung (hier: 24. September 2002) maßgebend. Veränderungen zwischen Antragstellung und Ende des Bewilligungszeitraums bleiben unberücksichtigt (§ 28 Abs. 4 BAföG).

45

Die Beklagte durfte die Bewilligungsbescheide für den Zeitraum Oktober 2002 bis September 2003 gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, da sich der Kläger gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Der Kläger hat die rechtswidrigen Bewilligungsbescheide durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt und dabei zumindest grob fahrlässig gehandelt. Er hat in seinem Antrag auf Ausbildungsförderung vom 24. September 2002 die Felder unter der Überschrift „Angaben zu meinem Vermögen“ durchgestrichen und seine vorhandene Geldanlage somit wahrheitswidrig nicht angegeben. Zudem hat er eine Zusatzerklärung unterschrieben, mit der er ausdrücklich erklärt hat, dass er alle für die Berechnung und Höhe der Ausbildung maßgebenden Vermögensnachweise vorgelegt habe. Grundsätzlich gilt, dass das fehlerhafte Ausfüllen eines verständlichen Formulars als grob fahrlässig einzustufen ist (VG Oldenburg, Urteil vom 26. Januar 2007 - 13 A 4168/05 -; VG Weimar, a.a.O.). Soweit der Kläger annahm, dass ihm das Kapital-Plus-Konto bei der Postbank gänzlich oder zum Teil nicht als eigenes Vermögen zuzurechnen war, liegt gerade darin sein grob fahrlässiges Verhalten. Verlässt sich ein Auszubildender bei der Ausfüllung eines Antragsformulars auf seine eigene Rechtsmeinung, anstelle den im Antragsformular ausdrücklich abgefragten Sachverhalt umfassend darzulegen, so begründet dies einen groben Verstoß gegen die für jedermann offenkundige Sorgfaltspflicht im Rechtsverkehr (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 1990 - 7 S 257/89 -, juris). Es lag nahe, dass das Festgeld-Konto bei der Postbank bei der Berechnung der Ausbildungsförderung von Bedeutung sein würde. Angesichts der detaillierten Fragen im Antragsformular zu Vermögenswerten musste es sich dem Kläger aufdrängen, dass insoweit komplexe Fragen zu klären waren. Zumindest hätte er sich vom Studentenwerk beraten lassen müssen. Er durfte nicht einfach seine Sicht der Dinge zugrundelegen und das Festgeld-Konto als vermeintlich ausbildungsförderungsrechtlich nicht relevant verschweigen (VG Oldenburg, Urteil vom 16. Februar 2007 - 13 A 1354/05 -).

46

Die Ermessenserwägungen in der Anlage zu den Bescheiden vom 15. Februar 2005 sind hinsichtlich des Bewilligungszeitraums Oktober 2002 bis September 2003 nicht zu beanstanden. Das Studentenwerk O. hat, wie aus der Begründung zu den Bescheiden vom 15. Februar 2005 ersichtlich wird, erkannt, dass die Entscheidung über die Rücknahme der Bescheide gemäß § 45 Abs. 1 SGB X in seinem Ermessen steht. Die Annahme, dass aufgrund der vorsätzlichen oder groß fahrlässigen fehlerhaften Angaben des Klägers über sein Vermögen das öffentliche Rücknahmeinteresse das Bestandsinteresse überwiege, überschreitet die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht und ist unter Berücksichtigung der durch § 114 S. 1 VwGO eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit des Gerichts rechtlich nicht zu beanstanden.

47

Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide erfolgte auch fristgerecht. Wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X erfüllt sind, wird die Frist zur Rücknahme gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X bis zum Ablauf von zehn Jahren nach Bekanntgabe des aufgehobenen Bescheides verlängert. Die Behörde hat zudem nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen vorzunehmen, welche die Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Bescheides für die Vergangenheit rechtfertigen. Auch diese Frist wurde eingehalten, da die Rücknahmebescheide am 15. Februar 2005 ergangen sind und die Beklagte erstmalig im Rahmen des Datenabgleichs mit dem Bundesamt für Finanzen Ende April 2004 erfuhr, dass der Kläger bei seinen Anträgen auf Ausbildungsförderung Vermögenswerte verschwiegen hatte.

48

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind somit die Leistungen für den Bewilligungszeitraum Oktober 2002 bis September 2003 zu erstatten, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen zustand.

49

Die Klage hat hingegen Erfolg, soweit sich der Kläger gegen die Rücknahme und Rückforderung der Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis Oktober 2004 wendet. Insoweit sind die Bescheide vom 15. Februar 2005 rechtswidrig und verletzen den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

50

Die Rücknahme der Bewilligungsbescheide für diesen Zeitraum kann nicht auf § 45 SGB X gestützt werden. Diese Vorschrift erlaubt nur die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte. Die Leistungsbescheide vom 8. Oktober 2003, 20. Januar 2004 und 16. Dezember 2004 für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis September 2004 sind rechtmäßig. Der Kläger verfügte in diesem Bewilligungszeitraum über kein anrechenbares Vermögen, das seinen Anspruch auf Ausbildungsförderung schmälerte oder gar aufzehrte.

51

Gemäß § 28 Abs. 2 BAföG ist für die Berechnung des anzurechnenden Vermögens der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend. Den Antrag für den Bewilligungszeitraum Oktober 2003 bis September 2004 hat der Kläger am 21. Juli 2003 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt verfügte er über kein anrechenbares Vermögen, welches den Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG überstieg. Insbesondere kann ihm zu diesem Zeitpunkt der bei Auflösung des Kapital-plus-Kontos im Dezember 2002 vorhandene Anlagebetrag in Höhe von 14.740,14 Euro nicht mehr als eigenes Vermögen zugerechnet werden.

52

Nach der vom Kläger vorgelegten schriftlichen Bestätigung der Postbank Hamburg wurde das Kapital-plus-Konto im Herbst 2002 aufgelöst und der Anlagebetrag dem Girokonto des Klägers am 11. Dezember 2002 gutgeschrieben. Diese Gutschrift hat der Kläger durch Vorlage von Kontoauszügen zum Girokonto bei der Postbank Nr. 508052300 zusätzlich belegt. Aus den Kontoauszügen ergibt sich auch, dass der Kläger einen Betrag von 14.000,00 Euro am 13. Dezember 2002 von dem Girokonto abgehoben hat. Der Kläger hat vorgetragen, dass er im Anschluss daran gemäß den in dem Vertrag vom 18. Juli 2000 vereinbarten Anteilen seinen Geschwistern ihre Ersparnisse in bar zurückgezahlt und nur seinen eigenen Anteil in Höhe von 2.933,14 Euro für sich behalten habe, wobei er diesen im Anschluss verbraucht habe. Nach Auffassung der Kammer ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass dieser Vortrag zutrifft und der Kläger auch keine rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung vorgenommen hat.

53

Ein Auszubildender veräußert Vermögen rechtsmissbräuchlich, wenn er, um eine erneute Anrechnung von Vermögen im folgenden Bewilligungszeitraum zu vermeiden, Vermögen an einen Dritten unentgeltlich überträgt, anstatt es für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung einzusetzen. Unabhängig von der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit der unentgeltlichen Vermögensübertragung hat dies förderungsrechtlich zur Folge, dass das übertragende Vermögen dem Auszubildenden weiter zugerechnet wird und nach Maßgabe der §§ 26 ff. BAföG auf den Bedarf angerechnet wird (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 1983 - 5 C 103/80 -, juris; VGH Mannheim, Urteil vom 21. Februar 1994 - 7 S 197/93 -, juris). Eine solche rechtsmissbräuchliche Übertragung sieht die Kammer zugunsten des Klägers nicht als erwiesen an. Sie wäre nur dann anzunehmen, wenn der Kläger die Gelder unentgeltlich auf seine Geschwister übertragen hätte.

54

Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren von Anfang an - erstmalig in seinem Schreiben vom 4. August 2004 - erklärt, dass es sich bei den Beträgen auf dem Festgeldkonto überwiegend um Ersparnisse seiner Geschwister handele, das er nur treuhänderisch für diese angelegt habe. Der Kläger hat auch bereits in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass hierüber eine schriftliche Vereinbarung existiere. Diese hat der Kläger im Folgenden auch vorgelegt. Der Sachverhalt wurde zudem von den Familienmitgliedern des Klägers in zwei eidesstattlichen Versicherungen sowie vom Vater und vom ältesten Bruder des Klägers im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung bestätigt. Die Zeugen haben insbesondere auch bestätigt, dass der Kläger die Gelder im Dezember 2002 in bar an seine Geschwister zurückgezahlt habe.

55

Der Kammer bleiben zwar Zweifel an diesem Sachverhalt. So ist die Rückzahlung des Geldes objektiv nicht überprüfbar, weil auch sie in bar erfolgt sein soll. Anschließend sollen die Ersparnisse der vier Geschwister erneut über ein Jahr lang im Tresor des Vaters des Klägers verwahrt worden sein, bevor sie für den Ankauf einer Immobilie in Neustrelitz verwendet worden sein sollen, als deren Eigentümer inzwischen der Zeuge F.-S. S. in das Grundbuch eingetragen ist. Damit fehlt es wiederum an objektiven Anhaltspunkten, die es erlauben, den Zahlungsverkehr und die vom Kläger vorgetragene Verteilung der Gelder auf seine Geschwister zu überprüfen. Daher kann die intrafamiliäre Zuordnung des Vermögens nach Auflösung des Festgeld-Kontos nicht abschließend aufgeklärt werden. Das gilt auch deshalb, weil die Kammer die Möglichkeit nicht gänzlich ausschließen will, dass es sich bei einem Teil des auf dem Festgeld-Konto angelegten Vermögens letztlich um Vermögen anderer Familienmitglieder handelte, was aufgrund der vom Vater des Klägers in seiner Zeugenaussage erwähnten finanziellen Schwierigkeiten immerhin denkbar erscheint.

56

Umgekehrt ist es freilich nicht erwiesen, dass der Kläger im Dezember 2002 die von ihm behaupteten Summen entweder gar nicht oder unentgeltlich und rechtsmissbräuchlich auf seine Geschwister übertragen hat. Der Kläger hat als Beleg für die Rückzahlungsverpflichtung den Treuhandvertrag vom 18. Juli 2000 vorgelegt. Außerdem hat er zum Beleg des Vorgangs zwei eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, die von seinen Eltern und Geschwistern unterzeichnet worden sind. Das Bestehen des Treuhandverhältnisses und die Rückzahlung der Gelder sind zudem von den beiden Zeugen bestätigt worden. Hegt die Kammer auch Zweifel an den Aussagen der Zeugen hinsichtlich der intrafamiliären Vermögensordnung und des Bargeldtransfers, so ist andererseits doch festzustellen, dass sich die Zeugen in ihren Aussagen nicht in Widersprüche verwickelt haben, aufgrund derer ihre Angaben insgesamt als unglaubhaft oder unglaubwürdig eingeordnet werden können. Insbesondere aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten in denen sich der Zeuge M. H. S. befand, erscheint es möglich, dass dieser faktisch nicht in der Lage war, für seine minderjährigen Kinder bei Banken Sparkonten abzuschließen. Die Kammer vermag daher die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass der von den Zeugen bestätigte Vortrag des Klägers zutrifft und dieser im Auftrage seiner Geschwister deren Ersparnisse auf einem Festgeld-Konto angelegt hat. In diesem Fall würde die Rückzahlung des Geldes nach Auflösung des Festgeld-Kontos den Vereinbarungen in dem vorgelegten Treuhandvertrag vom 18. Juli 2000 entsprechen und könnte daher nicht als rechtsmissbräuchlich eingeordnet werden.

57

Diese Zweifel gehen zu Lasten der Beklagten. Allgemein gilt, dass die Unerweislichkeit einer Tatsache im Zweifel zu Lasten desjenigen Beteiligten geht, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleitet. Da im vorliegenden Fall die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Rückforderungsbescheides auf der Grundlage von § 45 SGB X i.V.m. § 50 Abs. 1 SGB X im Streit steht, trifft grundsätzlich die Beklagte die objektive Beweislast für das Vorliegen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bewilligungsbescheides (vgl. zur Rückforderung von Arbeitslosenhilfe BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 - B 11 a AL 7/05R -, juris). Zu beachten ist jedoch, dass eine Ausnahme von dieser Beweislastverteilung dann gerechtfertigt sein kann, wenn in der persönlichen Sphäre oder in der Verantwortungssphäre eines Beteiligten wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar sind (BSG, a.a.O.).

58

Bei Übertragung dieses Maßstabs auf die Frage der rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung im Ausbildungsförderungsrecht trifft den Auszubildenden jedenfalls eine gesteigerte Darlegungslast. Soweit er Vermögenswerte auf nahe Angehörige überträgt, handelt es sich dabei um einen Umstand aus seiner persönlichen Lebenssphäre, dessen Aufklärung nur ihm möglich ist. Der Auszubildende muss deswegen alle relevanten Unterlagen, auf die er Zugriff hat, vorlegen und alle verfügbaren Beweismittel benennen. Kommt er dieser Obliegenheit nach und lässt sich der Sachverhalt dennoch nicht abschließend aufklären, so trifft die Beweislast allerdings wieder das Amt für Ausbildungsförderung. Hat der Auszubildende alles ihm mögliche getan, um den Sachverhalt aufzuklären, kann nicht zu seinen Lasten stets von einer missbräuchlichen Vermögensübertragung ausgegangen werden, nur weil sich der Sachverhalt nicht abschließend aufklären lässt. Dem Auszubildenden würde in diesem Fall, d.h. solange er den Beweis des Gegenteils nicht geführt hat, Vermögen - ggf. über mehrere Bewilligungszeiträume hinweg - weiterhin zugerechnet, obwohl er auf dieses faktisch nicht mehr zugreifen kann. Diese Rechtsfolge greift nach der Überzeugung der Kammer jedenfalls dann nicht ein, wenn der Auszubildende an der Aufklärung des Sachverhalts umfassend mitgewirkt hat, die Entgeltlichkeit der Vermögensübertragung aber nicht zweifelsfrei nachweisen kann, weil etwa die schuldrechtliche Verpflichtung gegenüber seinem Gläubiger mündlich erfolgt ist und/oder der Zahlungsverkehr mit seinem Gläubiger in bar erfolgt ist und deswegen nicht belegt werden kann.

59

Bei Anwendung dieses Maßstabes ist nicht erwiesen, dass der Kläger im Dezember 2002 Gelder auf seine Geschwister rechtsmissbräuchlich übertragen hat. Der Kläger hat alles ihm mögliche getan, um den Sachverhalt aufzuklären. Er hat bereits im Verwaltungsverfahren den Treuhandvertrag vom 18. Juli 2000 vorgelegt. Weiterhin hat er eidesstattliche Versicherungen seiner Eltern und Geschwister vorgelegt, die den von ihm vorgetragenen Sachverhalt bestätigen. Zudem hat er diese Familienmitglieder auch als Zeugen benannt. Ein weiterer Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts kann vom Kläger unter Zugrundelegung seiner Behauptung, dass der Zahlungsverkehr zwischen ihm und seinen Geschwistern in bar erfolgt ist und keine Belege darüber existieren, nicht erwartet werden. Der Kläger hat somit seiner gesteigerten Darlegungslast genüge getan. Die verbleibenden Zweifel der Kammer an dem vorgetragenen Sachverhalt wirken sich damit nicht zu Lasten des Klägers aus, weil die Beweislast (nunmehr wieder) bei der Beklagten liegt.

60

Die Übertragung der Gelder auf die Geschwister des Klägers kann auch nicht etwa deshalb als rechtsmissbräuchlich eingeordnet werden, weil der Kläger das Geld zuvor in verdeckter Treuhand verwaltet hatte. Zwar fällt ein verdecktes Treuhandvermögen nach den oben dargestellten Grundsätzen grundsätzlich in das Vermögen des Auszubildenden, solange die treuhänderisch verwaltete Geldanlage besteht. Das heißt aber nicht, dass der Auszubildende bei der Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs des Treugebers rechtsmissbräuchlich handeln würde. Die Zurechnung zum Vermögen des Auszubildenden erfolgt bei der verdeckten Treuhand deshalb, weil der Auszubildende als Treuhänder nach außen den Rechtsschein eines eigenen Vermögens gesetzt hat. Dieser Rechtsschein erlischt mit der Auflösung des Treuhandvermögens und der Rückübertragung auf den Treugeber. Eine weitere Vermögenszurechnung ist in diesem Fall nur geboten, soweit es sich bei der behaupteten Rückabwicklung der Treuhandvereinbarung um ein Scheingeschäft handelt, die eine unentgeltliche Vermögensübertragung vom Auszubildenden auf einen Dritten verdecken soll. Dafür bestehen nach Aktenlage und dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine hinreichenden Anhaltspunkte.

61

Von dem bei Auflösung des Kapital-plus-Kontos vorhandenen Anlagevermögen von 14.827,46 Euro sind dem Kläger im zweiten Bewilligungszeitraum somit höchstens noch die 2.933,14 Euro zuzurechnen, die gemäß der eidesstattlichen Versicherung vom 3. März 2005 seinen eigenen Anteil an dem Anlagevermögen darstellten. Ob der Kläger diesen Betrag vor seinem zweiten Antrag auf Ausbildungsförderung am 21. Juli 2003 gemäß seinem Vortrag verbraucht hat, kann dahinstehen. Selbst wenn man ihm diesen Betrag beim zweiten Antrag auf Ausbildungsförderung weiterhin zurechnet, ergibt sich für den zweiten Bewilligungszeitraum kein anrechenbares Vermögen. Neben seinem Anteil an dem Anlagevermögen auf dem Festgeld-Konto verfügte der Kläger am 21. Juli 2003 unstreitig nur über ein Konto bei der Landessparkasse zu Oldenburg über 434,60 Euro, ein weiteres Konto bei der Oldenburgischen Landesbank über 175,00 Euro, ein weiteres Konto bei der Postbank über 72,32 Euro sowie ein Sparbuch über 300,00 Euro. Diese Summen übersteigen auch dann, wenn sie addiert werden, den Freibetrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BAföG in Höhe von 5.200,00 Euro nicht.

62

Die Kostenentscheidungen beruhen aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 Satz 1, 188 Satz 2 Hs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten nach der Teilaufhebung des Rückforderungsbescheides durch den Beklagten in Höhe von 1.068,00 Euro den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren die außergerichtlichen Kosten nach billigem Ermessen der Beklagten aufzuerlegen, weil sie insoweit dem Klagebegehren entsprochen hat. Im übrigen beruht die Verteilung der außergerichtlichen Kosten darauf, dass mit den Bescheiden vom 15. Februar 2005 Ausbildungsförderung in Höhe von 11.594,00 Euro zurückgefordert wurde, sich aber nur eine Rückforderung von 6.338,00 Euro als rechtmäßig erweist.