Landgericht Verden
Urt. v. 15.10.2021, Az.: 2 O 174/21

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
15.10.2021
Aktenzeichen
2 O 174/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselabgasskandal.

Die Nutzfahrzeug Z. P. GmbH erwarb am 08.07.2016 bei dem Autohaus S. GmbH in N. das Fahrzeug Audi A 6 Limousine mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WAUZZZ.... zu einem Kaufpreis von 41.134,45 € netto. Das Fahrzeug wurde am 08.07.2016 übergeben und übereignet. Bei Übergabe wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 18.250 km auf. Das Fahrzeug ist mit einem 3.0 Liter V6-Turbodieselmotor der Euro 6-Norm (EA 897evo-Motor) ausgestattet, deren Herstellerin die Beklagte ist. Mit Abtretungsvertrag vom 07.08.2020 trat die Nutzfahrzeug Z. P. GmbH ihre Ansprüche aus dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug vom 08.07.2016 an die Klägerin ab. Die Klägerin ist die geschäftsführende Gesellschafterin der Nutzfahrzeug Z. P. GmbH. Am 03.09.2021 betrug die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs 136.535 km.

Das Fahrzeug verfügt über mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung, weswegen das Kraftfahrtbundesamtes den Rückruf sowie die Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware angeordnet hat.

Das KBA hat diesbezüglich eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Im Prüfzyklus NEFZ springt bei diesem Fahrzeug zum einen eine sogenannte Schadstoffmindernde Aufwärmstrategie an, die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiv ist. Darüber hinaus ist in dem Fahrzeug ein SCR-Katalysator eingesetzt wurden, der die Nutzung von Adblue unter bestimmten Bedingungen unzulässig einschränkt. Dabei wird eine erhöhte Abgasrückführung in Gang gesetzt mit der Folge, dass geringere Mengen an NOx ausgestoßen werden, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand, sondern im normalen Straßenbetrieb befand. Befand sich das Fahrzeug nicht auf dem Prüfstand, sondern im normalen Straßenverkehr, wurden die Abgaswerte nicht eingehalten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.01.2020 unter Fristsetzung bis zum 05.02.2021 ist die Beklagte, letztlich erfolglos, zur Zahlung des begehrten Schadensersatzes Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs aufgefordert worden.

Die Klägerin behauptet, weder sie noch die Zedentin hätten bei Abschluss des Kaufvertrages gewusst, dass in dem Fahrzeug eine verbotene Abschalteinrichtung verwendet werde, sonst hätte die Zedentin das Fahrzeug nicht erworben. Der Zedentin und ihr seien somit ein Schaden in Form einer ungewollten Verpflichtung entstanden. Es drohe auch der Verlust der Typengenehmigung. Die Beklagte habe auch Kenntnis gehabt. Der Vorstand der Beklagten habe veranlasst, dass der streitgegenständliche Motor sowie die betreffende Software hergestellt und ohne wirksame Übereinstimmungserklärung in Verkehr gebracht worden seien. Es sei von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km auszugehen.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 41.134,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.02.2021 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.863,88 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A6 (2967 ccm/235kW/320PS) mit der FIN WAUZZZ.... zu zahlen;

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 06.02.2021 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.296,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2021 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die Klägerin oder die Zedentin weder getäuscht noch sittenwidrig geschädigt. Die Emissionswerte des streitgegenständlichen Fahrzeugs seien für die Klägerin oder die Zedentin nicht kaufentscheidend. Zudem deute dies auch die getroffene Fahrzeugwahl an. Es fehle zudem an einem durch ein Verhalten der Beklagten kausal hervorgerufenen Schaden. Das Fahrzeug verfüge über eine wirksame EG-Typengenehmigung und könne uneingeschränkt genutzt werden. Ein konkreter Minderwert sei nicht ersichtlich. Eine aktuelle Nachfrageverschiebung betreffe den gesamten Diesel-Markt und sei nicht auf etwaige Täuschungshandlung der Beklagten zurückzuführen. Zwar habe das KBA in einem Bescheid die Auffassung vertreten, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfüge, ein von der Beklagten entwickelte Software-Update, welches unstreitig vorliegend bereits aufgespielt worden ist, sei am 26.11.2018 jedoch freigegeben worden.

Die Klage ist der Beklagten am 09.04.2021 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

A.

Der Klageantrag zu 2 aus der Klageschrift vom 09.2.2021 ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwalts kosten in Höhe von 2.296,70 € begehrt. Der auf Seite 2 der Klageschrift formulierte Antrag enthält lediglich nicht den Geldbetrag. Dieser ist jedoch der Klageschrift auf Seite 22 (Bl. 24 d.A.) zu entnehmen.

Das Landgericht Verden ist gemäß § 32 ZPO, da das Fahrzeug im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts erworben wurde, jedenfalls nach § 39 ZPO infolge des rügelosen Einlassens der Beklagten örtlich zuständig.

Das rechtliche Interesse für die Feststellung des Annahmeverzuges folgt bei Zug-um-Zug-Ansprüchen aus §§ 756 I, 765 ZPO.

B.

Die Klage ist überwiegend begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 826 BGB i.V.m. § 398 BGB auf Zahlung von 20.139,46 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Nach der höchstrichterlichen (BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, zitiert nach juris) und der weit überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Urt. v. 24.03.2020, 4 U 235/19, Rn. 40 m.w.N.; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. September 2020 – 8 U 39/20 –, Rn. 51 - 74, juris zitiert nach juris), welcher sich der zuständige Einzelrichter nach eigener kritischer Würdigung anschließt, kann derjenige, der vorsätzlich einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motor in Verkehr bringt, vom Erwerber eines hiervon betroffenen Fahrzeugs gem. § 826 BGB auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Anspruch genommen werden.

1.

Da die Haftung aus § 826 BGB an das Inverkehrbringen des Motors Typ V6 Euro 6 anknüpft, ist die Beklagte als Herstellerin des Motors passivlegitimiert (so bereits OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020, 8 U 1803/19, S. 21).

2.

Die Beklagte hat potentielle Erwerber des Fahrzeugs getäuscht, indem sie mit dem Inverkehrbringen des Motors V6 Euro 6 konkludent erklärt hat, dass die Fahrzeuge, in denen dieser Motor verbaut werden würde, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügen würden, deren Fortbestand nicht dadurch gefährdet sein würde, dass die erforderliche EG-Typengenehmigung durch eine Täuschung des KBA erschlichen worden sei. Diese Erklärung war unzutreffend, weil es sich bei der streitgegenständlichen Software um eine gem. Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung handelte, die den Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr gefährdete, weil die zuständige Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter gem. § 5 Abs. 1 FZV eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen konnte (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 20, 21; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, Rn. 49; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019, 13 U 37/19, Rn. 21-27; jeweils zitiert nach juris).

Unstreitig ist in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zumindest eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Das KBA hat diesbezüglich eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Im Prüfzyklus NEFZ springt bei diesem Fahrzeug zum einen eine sogenannte Schadstoffmindernde Aufwärmstrategie an, die überwiegend im realen Verkehr nicht aktiv ist. Darüber hinaus ist in dem Fahrzeug ein SCR-Katalysator eingesetzt wurden, der die Nutzung von Adblue unter bestimmten Bedingungen unzulässig einschränkt. Dabei wird eine erhöhte Abgasrückführung in Gang gesetzt mit der Folge, dass geringere Mengen an NOx ausgestoßen werden, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand, sondern im normalen Straßenbetrieb befand. Befand sich das Fahrzeug nicht auf dem Prüfstand, sondern im normalen Straßenverkehr, wurden die Abgaswerte nicht eingehalten. Das diesbezügliche klägerische Vorbringen ist hinreichend substantiiert (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 28.01.2020, VIII ZR 57/19, Rn. 9 ff; OLG Stuttgart, WM 2019, 1704, 1706 f; OLG Köln, Urt. v. 12.03.2020, 3 U 55/19, Rn. 36 ff; LG Heilbronn, Urt. v. 22.05.2018, Ve 6 35/18, Rn. 56, 57; LG Münster, Urt. v. 28.01.2019, 14 O 163/19, Rn. 35; jeweils zitiert nach juris), mit der Folge, dass die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast gehalten war, vorzutragen, dass und warum die technische Funktionsweise der vorgenannten Strategien sich anders darstellt, als von der Klägerin behauptet und deshalb keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorliegen (vgl. OLG Stuttgart, WM 2019, 1704, 1707; LG Düsseldorf, Urt. v. 31.03.2020, 7 O 67/19, Rn. 35, 40; LG Ingolstadt, Beschl. v. 04.11.2019, 64 O 1551/18, Rn. 36; LG Offenburg, Urt. v. 30.09.2019, 3 O 474/18, Rn. 40). Ein derartiges Vorbringen der Beklagten ist jedoch nicht erfolgt; vielmehr ist jedenfalls die oben beschriebene im streitgegenständlich zum Einsatz kommende Strategie unstreitig geblieben (§ 138 III ZPO). Durch die Verwendung der oben beschriebenen Strategie wurden die Erwerber im Ergebnis daher genauso getäuscht wie durch die Verwendung der Kippschalterlogik mit Prüfstanderkennung, hinsichtlich derer die höchstrichterliche und die weit überwiegende veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB zu Recht bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19; OLG Köln, Urt. v. 24.03.2020, 4 U 235/19, Rn. 40 m.w.N.; jeweils zitiert nach juris).

3.

Der Schaden der Klägerin bzw. der Zedentin liegt bereits im Abschluss des Kaufvertrages als ungewollte Verbindlichkeit, weshalb er durch das Aufspielen eines Software-Updates nicht mehr beseitigt werden konnte. Auf das Bestehen bzw. Fortbestehen eines Minderwerts des Fahrzeugs kommt es daher nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 44 ff; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, Rn. 51, 52; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019, Rn. 33-38; jeweils zitiert nach juris).

Die Täuschung war auch ursächlich für den Schaden. Dass die Klägerin bzw. die Zedentin vom Erwerb des Fahrzeugs Abstand genommen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass dieses zwar formal über eine EG-Typengenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen, steht zur Überzeugung des Gerichts fest (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 49 ff, zitiert nach juris). Auch der Umstand, dass die Klägerin bzw. die Zedentin das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten erworben hat, stellt den Kausalzusammenhang zwischen konkludenter Täuschung und Fahrzeugerwerb nicht in Frage, denn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs hat die Beklagte den Kausalverlauf bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019, 13 U 37/19, Rn. 39, zitiert nach juris). Insoweit macht es auch keinen Unterschied, ob es sich um ein Neu- oder um ein Gebrauchtfahrzeug handelt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 25; OLG Frankfurt, Urt. v. 31.03.2020, 13 U 134/19, Rn. 42; jeweils zitiert nach juris) und es kommt es auch nicht darauf an, ob die Klägerin oder die Zedentin ein besonderes Umweltbewusstsein besaß und deshalb ein geringer Emissionsausstoß Motiv für die Kaufentscheidung geworden ist (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, Rn. 52, zitiert nach juris).

Die Beklagte hatte auch nicht – was den die Haftung aus § 826 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen der Täuschung und dem Schadenseintritt entfallen lassen würde – im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch die Zedentin bereits alles Erforderliche unternommen, um die Gefahr weiterer Schädigungen von künftigen Käufern betroffener Modelle einzudämmen. Insoweit ist die Sachlage nicht vergleichbar mit derjenigen, welche der Rechtsprechung zur fehlenden Sittenwidrigkeit bei einem nach Herbst 2015 erfolgten Erwerb eines Fahrzeugs mit einem von VW hergestellten Motor EA 189 zugrunde liegt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.07.2020, VI ZR 5/10, Rn. 27 ff, zitiert nach juris). VW ist im Herbst 2015 nämlich durch eine Ad-hoc-Mitteilung gezielt an die Öffentlichkeit getreten und hat hinsichtlich des Motors EA 189 „Unregelmäßigkeiten“, insbesondere eine „auffällige Abweichung“ der Abgaswerte zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb, eingeräumt, was dann zu einer umfangreichen Berichterstattung in allen Medien geführt hat. Ferner hat VW seine Vertragshändler über die Verwendung einer Abschalteinrichtung informiert und zudem eine Internetplattform eingerichtet, über welche die Erwerber durch Eingabe der FIN die Betroffenheit ihres Fahrzeugs ermitteln konnten. Im Gegensatz hierzu ist die hiesige Beklage nicht medienwirksam an die Öffentlichkeit getreten, sodass auch das Medienecho deutlich geringer ausgefallen ist, sondern hat nach ihrem eigenen Vortrag lediglich ihre Händler informiert und diese angehalten, Erwerber der betroffenen Fahrzeuge auf die Erforderlichkeit einer Nachrüstung hinzuweisen.

4.

Die Sittenwidrigkeit des allein vom Profitinteresse geleiteten Handelns der Beklagten ergibt sich aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich das Kraftfahrt-Bundesamt, und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 16; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, Rn. 53; OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019, 13 U 37/19, Rn. 43-46; jeweils zitiert nach juris).

Das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ist der Beklagten entsprechend § 31 BGB zurechenbar (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 29 ff, zitiert nach juris). Nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast konnte die Beklagte die diesbezügliche Kenntnis ihres Vorstands bzw. verschiedener Abteilungsleiter nicht einfach bestreiten, sondern hätte vielmehr vortragen müssen, wie der Entscheidungsprozess abgelaufen ist, welche Mitarbeiter, die nicht als verfassungsmäßig berufene Vertreter anzusehen sind, hieran beteiligt waren (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.2019, 14 U 89/19, Rn. 53, zitiert nach juris), welche Mitarbeiter die streitgegenständliche Software beim Zulieferer bestellt haben, wie die üblichen Abläufe bei einer solchen Beauftragung sowie die Organisation von Entscheidungen solcher Tragweite bei ihr ausgestaltet sind (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019, 13 U 37/19, Rn. 72, zitiert nach juris) und wie dem Vorstand bzw. ihren Abteilungsleitern die Verwendung der manipulativen Software gleichwohl entgehen konnte (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 25.10.2019, 3 U 819/19, 6269, zitiert nach juris). Dies gilt auch für den streitgegenständlichen V6-Motor (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020, 8 U 1803/19).

Der Schädigungsvorsatz der Beklagten bzw. ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter ergibt sich bereits aus der heimlichen und manipulativen Vorgehensweise (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 60 ff; OLG Koblenz, Urt. v. 25.10.2019, 3 U 819/19, 90, 91; jeweils zitiert nach juris). Die Software wurde zur Überzeugung des zuständigen Einzelrichters (§ 286 ZPO) demnach gezielt zur Beeinflussung des Emissionsverhalten im Prüfzyklus programmiert unter Inkaufnahme eines Widerrufs der Typengenehmigung und der Stilllegung der Fahrzeuge (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 05.06.2020, 8 U 1803/19).

5.

Der Klägerin steht daher, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, zu, wobei sie sich wegen des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots im Wege des Vorteilsausgleichs eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen muss.

Der Höhe nach ist die Vorteilsausgleichung nicht entsprechend dem ersparten Wertverlust (in diesem Sinne aber OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.09.2019, 17 U 45/19, Rn. 42, zitiert nach juris), sondern nach der bewährten und praktikablen Formel Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt zu berechnen (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19 m.w.N.).

Im Jahr 2019 hatten Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland ein durchschnittliches Alter von 9,5 Jahren; die durchschnittliche Jahresfahrleistung für Dieselfahrzeuge betrug ca. 20.000 km (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Bei der Schätzung der Gesamtlaufleistung von 250.000 km ist daher bereits ein erreichbares Fahrzeugalter von 12,5 Jahren berücksichtigt. Für die Annahme einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km wäre es bereits erforderlich, dass das streitgegenständliche Fahrzeug ein durchschnittliches Alter von 15 Jahren erreichen würde, was nicht ersichtlich ist (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. September 2020 – 8 U 39/20 –, Rn. 51 - 74, juris).

Ausgehend von dem anzusetzenden Kaufpreis in Höhe von 41.134,45 € netto unter Berücksichtigung eines Kilometerstandes bei Erwerb von 18.250 km ergibt sich bei einer Laufleistung von 136.535 km zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung folgende Berechnung:

Die Klägerin hat mit dem Fahrzeug bis zum 03.09.2021 unstreitig 118.285 km (136.535 km - 18.250 km) zurückgelegt.

Berechnung:

41.134,45 € x 118.285 km ______ = 20.994,98 €

 231.750 km (250.000 – 18.250 km)

Die Differenz zum Kaufpreis danach:

41.134,45 - 20.994,98 € = 20.139,46 €.

Es verbleibt danach ein zurückzuzahlender Kaufpreis von 20.139,46 €.

II.

Der Anspruch auf Zinsen folgt aus §§ 291, 288 ZPO. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 22.01.2021 mit Fristsetzung bis zum 05.02.2021 die Beklagte vergeblich zum Schadensersatz aufgefordert. Entsprechend § 187 BGB ist die Beklagte seit dem 06.02.2021 im Verzug.

III.

Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist begründet.

Die Klägerin hat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 22.01.2021 mit Fristsetzung bis zum 05.02.2021 Rücknahme des Fahrzeugs vergeblich aufgefordert. Entsprechend § 187 BGB ist die Beklagte seit dem 06.02.2021 mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug.

IV.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.295,43 €.

Die Kosten der Rechtsverfolgung sind in den hier gelagerten Fällen grundsätzlich Bestandteil des nach §§ 826, 249ff. BGB zu erstattenden Schadens, weil die Inanspruchnahme eines Anwalts aus Sicht des Käufers eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (OLG Celle, Urteil vom 22. Januar 2020 – 7 U 445/18 –, Rn. 79 - 83, juris).

Für den Gegenstandwert der vorgerichtlichen Tätigkeit ist auf den Wert des verfolgten Anspruchs zum Zeitpunkt des Tätigwerdens des Anwalts abzustellen. Hierfür ist der zurückverlangte Kaufpreis um den Nutzungsvorteil in Abzug zu bringen, ohne dass es hierfür einer Gestaltungserklärung bedarf (vgl. BGH, NJW 2015, 3160 [BGH 23.06.2015 - XI ZR 536/14]), was die klägerische Forderung in Höhe von 20.139,46 € ergibt.

Abgestellt auf einen Geschäftswert von bis 22.000 EUR errechnen sich die einschlägigen Anwaltskosten wie folgt:

1,3 Geschäftsgebühr, §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG

1.068,60 €

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG

206,83 €

ergibt

1.295,43 €

Bezüglich dieses Betrages kann die Klägerin von der Beklagten die Zahlung verlangen.

Eine Rechtfertigung für eine Abweichung von der Gebühr von 1,3 nach §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG ist nicht ersichtlich und trägt die Klägerin auch nicht hinreichend vor. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, sie hat keinen überdurchschnittlichen Umfang und keine erhebliche Bedeutung. Die Ansprüche der Klägerin bzw. der Zedentin ergeben sich aus dem Deliktsrecht. Bei diesem Rechtsgebiet handelt es sich jedenfalls um gängige und bekannte Anspruchsgrundlagen, deren Prüfung keinerlei Spezialkenntnisse erfordert.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht anzuwenden, da die Zuvielforderung der Klägerin nicht nur geringfügig höhere Kosten verursacht hat.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1, 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.