Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 03.01.2007, Az.: 25 Qs 16/06
Anklageerhebung; Auslagen; Beschwerdegericht; Besetzung; Drittbeteiligter; Einstellung; Entschädigungsanspruch; Ermittlungsverfahren; Festsetzungsfähigkeit; Finanzermittlung; Gebühren; Gebührenanspruch; Gebührenaufteilung; Gebührenentstehung; Gebührenfestsetzung; große Strafkammer; Grundgebühr; Kosten; Kostenfestsetzung; Kostenfestsetzungsverfahren; Kostengrundentscheidung; Landeskasse; Rahmengebühr; Rechtsanwalt; Verfahrensbevollmächtigter; Verfahrensgebühr; Verteidiger; Wertgebühr; Wirtschaftsstrafkammer; Zuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 03.01.2007
- Aktenzeichen
- 25 Qs 16/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71790
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 14.09.2006 - AZ: 272 Gs 1351/06
Rechtsgrundlagen
- § 464b S 1 StPO
- § 104 Abs 3 S 1 ZPO
- § 73 GVG
- § 74c Abs 1 Nr 6 GVG
- § 76 Abs 1 GVG
- § 2 Abs 2 Nr 4 StrEG
- § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 4100 RVG
- § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 4142 RVG
- § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 4302 RVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. a) Im Kostenfestsetzungsverfahren entscheidet das Landgericht auch nach Anklageerhebung zur großen Strafkammer als Beschwerdegericht über Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Amtsgerichts - Rechtspflegers - wenn sich die Kostenfestsetzung auf vor Anklageerhebung bereits abgeschlossene gerichtliche Verfahren bezieht (hier: erfolgreiche Beschwerde eines Drittbeteiligten).
b) In Wirtschaftsstrafsachen ist die große Wirtschaftsstrafkammer auch für amtsgerichtliche Kostenfestsetzungsbeschlüsse Beschwerdegericht.
c) Die große (Wirtschafts)strafkammer ist auch bei der Entscheidung über Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse mit drei Berufsrichtern besetzt; ein Einzelrichter ist gerichtsverfassungsrechtlich bei der großen Strafkammer nicht vorgesehen.
2. a) Bei der erfolgreichen Beschwerde eines Beschuldigten oder Drittbeteiligten gegen eine ermittlungsrichterliche Entscheidung sind nur die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen seines Rechtsanwalts gegen die Landeskasse festsetzungsfähig; hierzu gehört weder die Grundgebühr nach Ziff. 4100 VV-RVG noch die Verfahrensgebühr nach Ziff. 4142 VV-RVG.
b) Diese Gebühren sind auch nicht in einer Differenz- oder Fiktivberechnung aufzuteilen; ebensowenig kommt ein Ansatz der Beschwerdegebühr nach Ziff. 4302 Nr. 1 VV-RVG in Betracht, wenn der Rechtsanwalt den Beschuldigten oder Drittbeteiligten bereits vor der Einlegung der Beschwerde vertreten hat.
3. Dem Verfahrensbevollmächtigten eines Drittbeteiligten steht im Gegensatz zu einem Verteidiger die - wohl in einer Differenz- oder Fiktivberechnung zur Berücksichtigung erfolgreicher Beschwerden aufteilbare - Verfahrensgebühr nach Ziff. 4104 VV-RVG nicht zu.
4. Das Beschwerdegericht ist verpflichtet, den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss unabhängig von dem Beschwerdevorbringen auf Rechtsfehler zu überprüfen; es hat den Beschluss daher erforderlichenfalls auch zum Nachteil des Beschwerdeführers abzuändern.
5. In Bezug auf einen Drittbeteiligten steht für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen der - in den Akten zu vermerkende - Abschluss der Finanzermittlungen durch die Staatsanwaltschaft der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gleich.
Tenor:
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 14. September 2006 wird dahingehend abgeändert, dass die von der Landeskasse dem Drittbeteiligten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 60,49 € festgesetzt werden.
II. Der Drittbeteiligte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beteiligten zu tragen.
Gründe
A.
Im Zuge der Ermittlungen gegen den Angeklagten, gegen den die Staatsanwaltschaft am 1. September 2006 Anklage wegen Untreue zur beschließenden Kammer erhoben hat, erfolgte am 20. Februar 2006 eine Durchsuchung des Bankschließfaches des Drittbeteiligten, bei der Bargeld beschlagnahmt und später hinterlegt wurde.
Das Amtsgericht M. ordnete mit Beschluss vom 27. Februar 2006 den dinglichen Arrest in das Vermögen des Drittbeteiligten in Höhe von 900.000 € an; die damals noch die Ermittlungen führende Staatsanwaltschaft M. pfändete in Vollziehung dieses Arrests am 1. März 2006 den Herausgabeanspruch des Drittbeteiligten gegen die Hinterlegungsstelle. Später erfolgten weitergehende Pfändungsanordnungen durch die Staatsanwaltschaft H. Ferner fand aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts H. bei dem Drittbeteiligten eine Hausdurchsuchung statt, bei der weitere Beschlagnahmen von Wertgegenständen erfolgten.
Mit Schreiben vom 7. März 2006 teilte der Verfahrensbevollmächtigte mit, dass er die Interessen des Drittbeteiligten vertrete und verlangte die Herausgabe des beschlagnahmten Bargelds.
Am 2. Mai 2006 legte der Verfahrensbevollmächtigte namens des Drittbeteiligten Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts M. ein; er beantragte festzustellen, dass die am 20. Februar 2006 erfolgte Sicherstellung (Beschlagnahme) des Bargelds rechtswidrig war. Er beantragte ferner die Gewährung von Akteneinsicht.
Das Amtsgericht H. hat den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 18. Mai 2006 (272 Gs 1351/06) als unzulässig zurückgewiesen. Dem Verfahrensbevollmächtigten ist unter dem 24. Mai 2006 Akteneinsicht gewährt worden; er hat 236 Ablichtungen gefertigt.
Die beschließende Kammer hat den Beschluss des Amtsgerichts M. mit Beschluss vom 21. Juni 2006 (25 Qs 3/06) aufgehoben und angeordnet, dass die Landeskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Drittbeteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen habe. Die beschlagnahmten Vermögenswerte sind sodann unverzüglich freigegeben worden.
Am 7. Juli 2006 hat der Verfahrensbevollmächtigte unter Bezugnahme auf den Beschluss der Kammer vom 21. Juni 2006 beantragt, folgende Kosten gegen die Landeskasse festzusetzen:
Grundgebühr nach VV-RVG 4100 | 300,00 € |
Verfahrensgebühr nach VV-RVG 4142 nach einem Gegenstandswert des angefochtenen Beschlusses von € 900.000 | 4.196,00 € |
Auslagenpauschale nach VV-RVG 7002 | 20,00 € |
Auslagen für 231 Kopien | 52,15 € |
16% Umsatzsteuer | 730,90 € |
Gesamtsumme | 5.299,05 € |
Der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Landeskasse nur die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen habe. Die Beschwerde löse die Gebühr 4302 Alt. 1 VV-RVG aus, wobei die Höchstgebühr von 250 € angemessen und nebst den geltend gemachten Auslagen festsetzbar sei. Die angemeldeten Gebühren seien bereits vor dem Beschwerdeverfahren entstanden und von der Auslagenentscheidung nicht umfasst; insoweit liege keine Auslagenentscheidung zu Lasten der Landeskasse vor.
Unter Bezugnahme auf diese Ausführungen des Bezirksrevisors hat das Amtsgericht - Rechtspfleger - mit dem angefochtenen Beschluss die von der Landeskasse dem Drittbeteiligten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 373,70 € festgesetzt.
Hiergegen hat der Drittbeteiligte am 20. September 2006 sofortige Beschwerde eingelegt.
Er ist der Ansicht, das Beschwerdeverfahren habe mit dem Widerspruch gegen die von den Polizeibeamten bei der Durchsuchung angeordnete Bargeld-Beschlagnahme begonnen, weswegen von der Kostenentscheidung der Kammer auch die seit Februar 2006 entstandenen Kosten umfasst seien.
Der Vorsitzende der beschließenden Kammer hat den Drittbeteiligten mit Verfügung vom 5. Dezember 2006 darauf hingewiesen, dass die Kammer nicht darüber entschieden habe, inwieweit die ihm im Zuge der Ermittlungsmaßnahmen entstandenen Auslagen von der Landeskasse zu tragen seien und die Kammer erwäge, den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss - gegebenenfalls unter Ausnahme der Kosten der Ablichtungen - aufzuheben.
B.
I. 1. Trotz der zwischenzeitlichen Anklageerhebung hat die Kammer über die sofortige Beschwerde des Drittbeteiligten als Beschwerdegericht zu entscheiden.
Zu der angefochtenen Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren war das Amtsgericht - Rechtspfleger - als Gericht des ersten Rechtszugs auch nach Anklageerhebung berufen, so dass das Landgericht - Strafkammer - das sachlich zuständige Beschwerdegericht ist (§§ 464b S. 1 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 73 GVG). Soweit es den Drittbeteiligten betrifft, ist das gerichtliche Verfahren vor Anklageerhebung durch den Beschluss der Kammer vom 21. Juni 2006 beendet worden.
2. Funktionell zuständig ist die beschließende 6. große Wirtschaftsstrafkammer.
In einem Wirtschaftsstrafverfahren - wie hier - hat eine Wirtschaftsstrafkammer auch über alle in die Zuständigkeit des Landgerichts fallenden Beschwerden einschließlich der Nachtragsentscheidungen zu entscheiden (§ 74c Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 GVG; vgl. LG Hildesheim, wistra 1985, 245; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., Rn. 8 zu § 74c GVG).
Die beschließende Kammer ist nach der insoweit fortwirkenden Ziff. IV A.9 lit. e) des Beschlusses des Präsidiums des Landgerichts Hildesheim über die Verteilung der richterlichen Dienstgeschäfte im Jahr 2006 zuständig, weil sie über die Beschwerde des Drittbeteiligten gegen den Arrestbeschluss entschieden hat. Dass das Präsidium des Landgerichts der Strafkammer 11 die Zuständigkeit für die Entscheidung von Beschwerden in Kostensachen zugewiesen hat, führt nicht zur Zuständigkeit dieser Kammer. Dieser Strafkammer sind diese Entscheidungen als allgemeiner großer Strafkammer, gerade nicht als Wirtschaftsstrafkammer, zugewiesen.
3. Die Kammer hat nach § 76 Abs. 1 GVG in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden.
Obwohl das Kostenfestsetzungsverfahren in Strafsachen nach § 464b S. 3 StPO unter entsprechender Anwendung der Vorschriften der ZPO zu erfolgen hat, bedeutet das nicht, dass die Kammer - wie es § 568 ZPO für zivilprozessuale Beschwerden vorsieht - durch einen Einzelrichter zu entscheiden hätte.
Zweck des § 568 ZPO ist, die mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter möglichen Beschleunigungseffekte bei Gerichten zu nutzen, bei denen eine Entscheidung durch Einzelrichter institutionell vorgesehen ist (vgl. Beschluss des BGH vom 13. Januar 2005 – Az.: V ZR 218/04 – zu der dem § 568 ZPO nachgebildeten Regelung des § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG).
Bei dem Landgericht ist - im Gegensatz zum Oberlandesgericht (§ 122 Abs. 1 GVG) - der Einzelrichter nur in § 75 GVG (Zivilkammern) und § 76 Abs. 1 GVG (Vorsitzender einer kleinen Strafkammer - Berufungskammer -) sowie § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG (Strafvollstreckungskammern) vorgesehen. Bei einer großen Strafkammer ist die Entscheidung durch Einzelrichter gerichtsverfassungs- und prozessrechtlich jedoch weder vorgesehen noch vorbehalten und damit - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (NStZ 2003, 324f. [OLG Düsseldorf 21.10.2002 - 3 Ws 336/02]) nicht zulässig (vgl. Landgericht Hildesheim, StraFo 2005, 393 [LG Hildesheim 12.07.2005 - 15 Qs 13/05]; Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 7 zu § 464b StPO).
Zudem folgt das Beschwerdeverfahren gegen Kostenfestsetzungbeschlüsse gemäß § 464b StPO trotz des Verweises auf die Vorschriften der ZPO strafprozessualen Grundsätzen (vgl. BGH NJW 2003, 763; Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 6 zu § 464b StPO). Auch hieraus ergibt sich, dass die Kammer - wie in anderen Beschwerdeverfahren auch - in der durch § 76 Abs. 1 GVG vorgeschriebenen Besetzung zu entscheiden hat.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Vielmehr ist der angefochtene Beschluss zum Nachteil des Beschwerdeführers abzuändern.
1. Es ist zwischen dem Entstehen eines anwaltlichen Gebührenanspruchs und der Möglichkeit, einen solchen Anspruch gegen einen anderen Verfahrensbeteiligten im Verfahren nach § 464b StPO festsetzen zu lassen, zu unterscheiden.
Ob ein Gebührenanspruch entsteht, richtet sich nach den Vorschriften des RVG. Festsetzungsfähig ist ein solcher Anspruch nur dann, wenn eine entsprechende gerichtliche Auslagenentscheidung (Kostengrundentscheidung) vorliegt (vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Rn. 3 zu § 464b; Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 1 zu § 464b StPO; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken, RVG, 17. Aufl., Vorb Teil 4 RVG-VV, Rn. 18, 29f.).
Die von dem Verfahrensbevollmächtigten des Drittbeteiligten geltend gemachten Gebührenansprüche sind - auch der Höhe nach - entstanden.
Er hat den Drittbeteiligten nach der Durchsuchung vom 20. Februar 2006 gegenüber den ermittelnden Staatsanwaltschaften vertreten und auch für ihn - erfolgreich - Beschwerde gegen den Arrestbeschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 27. Februar 2006 eingelegt.
Deswegen steht dem Verfahrensbevollmächtigten - gegen den Drittbeteiligten - die Grundgebühr nach VV-RVG 4100, eine Verfahrensgebühr nach VV-RVG Nr. 4142 nach einem Gegenstandswert von € 900.000 und die Auslagenpauschale nach VV-RVG Nr. 7002 zu, ferner nach VV-RVG Nr. 7000 die Auslagen für die Erstellung von Ablichtungen sowie nach VV-RVG Nr. 7008 die auf die Vergütung insgesamt anfallende Umsatzsteuer. Auf den Vertreter eines Drittbeteiligten sind die Vorschriften des 1. Abschnitts des Teils 4 des VV-RVG entsprechend anzuwenden (Vorbem. 4, Abs. 1 VV-RVG).
Zu Lasten der Landeskasse festsetzungsfähig sind hiervon aber nur die im Beschwerdeverfahren 25 Qs 3/06 enstandenen Gebühren. Wie sich schon aus dem Wortlaut des Beschlusses der Kammer vom 21. Juni 2006 ergibt, hat die Landeskasse (nur) die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Drittbeteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Im Beschwerdeverfahren sind nur die Auslagen für die Erstellung von 231 Ablichtungen (52,15 €) nebst der insoweit anfallenden Umsatzsteuer entstanden.
Der Verfahrensbevollmächtigte hat nach Einlegung der Beschwerde am 2. Mai 2006 Akteneinsicht erhalten und - soweit ersichtlich - im Rahmen dieser Akteneinsicht die geltend gemachten Ablichtungen gefertigt. Die Umsatzsteuer ist in Höhe 16 v. H. (8,34 €) angefallen; der Umsatz (Leistungen des Verfahrensbevollmächtigten) ist vor dem 1. Januar 2007 erfolgt (§ 27 Abs. 1 UStG).
Die weiteren Gebühren des Verfahrensbevollmächtigten sind - wie der Bezirksrevisor zutreffend ausgeführt hat - nicht in dem vorgenannten Beschwerdeverfahren entstanden, sondern bereits durch die von dem Verteidiger zuvor gegenüber den ermittelnden Staatsanwaltschaften entfalteten Tätigkeiten ab März 2006.
Die Grundgebühr Nr. 4100 entsteht für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt (VV-RVG 4100 Abs. 1). Sie entsteht bereits mit der Übernahme des Mandats (vgl. Madert, a. a. O., Rn. 2-5 zu 4100-4103 VV-RVG).
Ebenso entsteht im ersten Rechtszug - einschließlich des vorbereitenden (Ermittlungs)verfahrens - die Verfahrensgebühr Nr. 4142 für eine Tätigkeit, die sich auf die Einziehung, dieser nach § 442 StPO gleichstehenden Rechtsfolgen wie dem Wertersatzverfall oder einer diesem Zwecken dienenden Beschlagnahme bezieht (VV-RVG 4142 Abs. 1, Abs. 3; vgl. Madert, a. a. O., Rn. 2, 7 zu 4142 VV-RVG). Kostenrechtlich stellt das Beschwerdeverfahren keinen eigenen Rechtszug dar (vgl. LG Göttingen, Nds. Rpfl. 1990, 207; Madert, a. a. O., Vorb. Teil 4 VV, Rn. 16; Rn. 22 zu 4300-4304 VV-RVG); mithin entsteht - anders als bei den Rechtsmitteln der Berufung und Revision - keine weitere Verfahrensgebühr Nr. 4142.
Das Beschwerdeverfahren, über dessen Kosten und Auslagen die Kammer allein mit dem Beschluss vom 21. Juni 2006 entschieden hat, hat erst mit der Einlegung der Beschwerde begonnen (§ 306 Abs. 1 StPO). Dies ist am 2. Mai 2006 erfolgt.
Dass das Beschwerdeverfahren dem selben Zweck wie die von dem Verfahrensbevollmächtigten zuvor entfalteten Tätigkeiten diente, nämlich die Bargeld-Beschlagnahme aufheben zu lassen, ändert hieran nichts. Das Rechtsmittel der Beschwerde ist schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 304 StPO gegen bestimmte richterliche Entscheidungen eröffnet, nicht (schon) gegen strafprozessuale Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen. Diese Maßnahmen erfolgen entweder in Vollziehung einer richterlichen Entscheidung oder gegen sie ist - etwa nach § 98 Abs. 2 StPO - Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig. Gegen diese richterliche Entscheidung ist dann das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet.
Auch dass die prozessuale Stellung eines Verfallsbeteiligten in der StPO nur unvollkommen geregelt ist, es insbesondere an einer ausdrücklichen Regelung über die Einstellung des Finanzermittlungsverfahrens fehlt, kann nicht dazu führen, dass zur Ermöglichung der Festsetzbarkeit der von dem Verfahrensbevollmächtigten des Drittbeteiligten geltend gemachten Gebührenansprüche der Beginn des Beschwerdeverfahrens auf einen Zeitpunkt vor der Einlegung der Beschwerde vorverlegt werden könnte oder müsste.
Dies widerspräche dem Wesen der Beschwerde gegen richterliche Entscheidungen im Ermittlungsverfahren.
Die Beschwerde dient hier als „Zwischen-Rechtsmittel“ nur der Überprüfung dieser Einzelentscheidungen (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1988, 194; Huber, NStZ 1985, 18, Wasserburg, NStZ 1988, 195). Nur insoweit hat das Beschwerdegericht - gleichsam punktuell - eine Sachentscheidungskompetenz und kann daher auch keine weitergehende Kompetenz zur Entscheidung über Auslagen haben. Die Beschwerdeentscheidung schließt (nur) das Beschwerdeverfahren ab (Huber, a. a. O., S. 19, Wasserburg, a. a. O.). Die Verfahrensherrschaft verbleibt bei der Staatsanwaltschaft; insbesondere bleibt auch nach einer für den Beschuldigten oder Drittbeteiligten erfolgreichen Beschwerde die Entscheidung über das weitere Vorgehen (Einstellung des Verfahrens oder Anklageerhebung/Antrag nach § 431ff. StPO) allein in ihrer Zuständigkeit.
Da dieses weitere Vorgehen in andere gerichtliche Entscheidungen, insbesondere im Hauptverfahren, münden kann, die ihrerseits mit einer Kostenentscheidung zu versehen sind (§ 464 Abs. 1 StPO), bestünde zudem bei der Ausdehnung der Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts hinsichtlich der Kosten und Auslagen die Gefahr sich überschneidender beziehungsweise sich widersprechender Entscheidungen (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.; Hilger, a. a. O., Rn. 13f. zu § 473 StPO; Huber, a. a. O., S. 20).
Dies führt auch nicht dazu, dass der Drittbeteiligte die ihm entstandenen Auslagen zwingend selbst zu tragen hätte, was unbillig sein könnte.
Ihm dürfte - soweit nicht noch seine Beteiligung an der Hauptverhandlung angeordnet wird - ein diese Auslagen umfassender Entschädigungsanspruch nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG zustehen. Die für die Geltendmachung dieses Anspruchs erforderliche Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist auch ohne ausdrückliche Regelung in der StPO feststellbar und dürfte in diesem Verfahren inzwischen vorliegen:
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat mit Verfügung vom 30. November 2006 die Finanzermittlungen ausdrücklich abgeschlossen, das unter dem Aktenzeichen 4031 Js .. geführte Finanzermittlungsverfahren zu dem Strafverfahren hinzuverbunden und die Finanzermittlungsvorgänge der Kammer zu dem hier anhängigen Hauptverfahren übersandt.
2. Die in dem angefochtenen Beschluss festgesetzte Gebühr nach VV-RVG 4302 Nr. 1 ist nicht entstanden und kann daher nicht gegen die Landeskasse festgesetzt werden.
Diese Gebühr steht nur dem Rechtsanwalt zu, der zur Erledigung einer Einzeltätigkeit mandatiert wird, ohne mit der (umfassenden) Verteidigung oder Vertretung beauftragt zu werden. Der Verteidiger, der im Ermittlungsverfahren eine Beschwerde einlegt, erhält diese Gebühr nicht (vgl. LG Göttingen, a. a. O. und LG Krefeld, JurBüro 1975, 1087 zu den insoweit vergleichbaren Regelungen der §§ 87, 91 BRAGO; Madert, a. a. O., Rn. 22 zu 4300-4304 VV-RVG; Hartung, Praxiskommentar zum RVG, 2. Aufl., Rn. 2 zu 4302 VV-RVG).
Da - wie ausgeführt - die Frage der Festsetzbarkeit der außerhalb des Beschwerdeverfahrens angefallenen Gebühren einer Kostenentscheidung im Hauptverfahren oder einem Entschädigungsanspruch nach dem StrEG vorzubehalten ist, kann diese Gebühr auch nicht unter der Erwägung festgesetzt werden, dass sie ein nur mit der Einlegung oder Begründung der Beschwerde mandatierter Rechtsanwalt festsetzungsfähig verdient hätte.
Demzufolge war der angefochtene Beschluss dahingehend abzuändern, dass nur die im Beschwerdeverfahren entstandenen Auslagen für Ablichtungen gegen die Landeskasse in der aus der Beschlussformel ersichtlichen Höhe festzusetzen waren.
Diese Abänderung zum Nachteil des Beschwerdeführers ist zulässig und geboten.
Da, wie ausgeführt, die Beschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse strafprozessualen Grundsätzen folgt, ist auch die Schlechterstellung des Beschuldigten möglich (vgl. KG, JR 1981, 391; OLG Karlsruhe, Justiz 1986, 332ff.; OLG Düsseldorf, MDR 1991, 370; Hilger, a. a. O., Rn. 3 Vor § 464; Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 8 zu § 464b StPO); das Verbot der Schlechterstellung (§§ 331 Abs. 1, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2 StPO) gilt im Beschwerdeverfahren nicht.
Das Beschwerdegericht ist im Kostenfestsetzungsverfahren vielmehr gehalten, unabhängig von dem Vorbringen des Beschwerdeführers die gesamte Kostenfestsetzung zu überprüfen. Dabei zutage tretende Rechtsfehler führen zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses mit anderweitiger Kostenfestsetzung (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.).
3. Die Kammer hat erwogen, ob im Wege einer sogenannten Differenz- oder Fiktivberechnung die außerhalb des Beschwerdeverfahrens angefallenen Kosten teilweise dem Beschwerdeverfahren zugeordnet werden könnten (so LG Krefeld, a. a. O.; LG Göttingen, a. a. O., Wasserburg, a. a. O.).
Dies ist jedoch unzulässig. Die in den vorgenannten Entscheidungen zu behandelnden Gebühren hatten andere rechtliche Voraussetzungen, die allein die Differenzberechnung zuließen.
In den vorgenannten Fällen hatte der Verteidiger jeweils eine Rahmengebühr nach § 83 Abs. 1 BRAGO (in Verbindung mit § 84 Abs. 1 BRAGO) verdient, so dass insgesamt davon ausgegangen werden konnte, dass sich diese für das gesamte erstinstanzliche Verfahren einschließlich des Vorverfahrens anfallende Gebühr aufgrund des (erfolgreichen) Beschwerdeverfahrens erhöht hatte. Festsetzungsfähig war daher die Differenz zwischen der so insgesamt angefallenen Gebühr und der (fiktiven) Gebühr, die ohne das Beschwerdeverfahren als angemessen angesehen worden wäre.
Eine solche Differenzberechnung ist bei den hier nach dem VV-RVG angefallenen Gebühren nicht möglich.
Bei der Verfahrensgebühr Nr. 4142 handelt es sich nicht um eine Rahmengebühr, sondern um eine Wertgebühr, die in ihrer Höhe von dem Gang des Verfahrens (bis zum erstinstanzlichen Urteil) unabhängig ist.
Die Grundgebühr Nr. 4100 ist zwar eine Rahmengebühr. Da sie aber, wie ausgeführt, bereits bei Übernahme des Mandats für die erstmalige Einarbeitung des Rechtsanwalts in den Rechtsfall anfällt, kann sie nicht auch teilweise für eine erst danach eingelegte Beschwerde angefallen sein.
Aufteilbar dürften die der früheren Rahmengebühr nach § 83 Abs. 1 BRAGO strukturell vergleichbaren Verfahrensgebühren für das Vorverfahren und das erstinstanzliche Verfahren nach den Unterabschnitten 2 und 3 des Teils 4 des VV-RVG sein.
Eine entsprechende Verfahrensgebühr Nr. 4104 hat der Verfahrensbevollmächtigte aber zutreffend nicht geltend gemacht. Diese Gebühr ist nicht angefallen, weil sich die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten auf die Vertretung des Drittbeteiligten in Bezug auf den von der Staatsanwaltschaft beabsichtigten Wertersatzverfall beschränkt hat und daher als Verfahrensgebühr nur die Gebühr Nr. 4142 entstanden ist.
Dass diese Gebühr als zusätzliche Verfahrensgebühr bezeichnet wird, steht hier ihrem isolierten Entstehen nicht entgegen; die Vorschriften des vierten Teils des VV-RVG sind auf den Vertreter des Drittbeteiligten nur entsprechend anzuwenden.
4. Im Hinblick auf die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten zur Frage einer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 18. Mai 2006 verweist die Kammer - wie im Beschluss vom 21. Juni 2006 - darauf, dass sie mangels Einlegung einer Beschwerde zu einer Entscheidung nicht berufen ist.
Zudem würde eine Beschwerdeentscheidung bezüglich des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 18. Mai 2006 nicht dazu führen, dass eine weitergehende Kostengrundentscheidung zu Gunsten des Drittbeteiligten in Betracht käme. Auch insoweit könnte aus den Gründen zu 1) nur in entsprechender Anwendung des § 467 StPO über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens und die in ihm entstandenen Auslagen entschieden werden.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., Rn. 10 zu § 464b StPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 310 Abs. 2 StPO).