Landgericht Aurich
Beschl. v. 10.08.2011, Az.: 4 S 73/11
Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Berufung bei zweifelhaftem Nachweis über das Erreichen der Beschwer i.H.v. 600 Euro; Bestimmung des Streitwerts im Zusammenhang mit der Anfechtung von Beschlüssen einer Wohnungseigentümerversammlung
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 10.08.2011
- Aktenzeichen
- 4 S 73/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 36844
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGAURIC:2011:0810.4S73.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Emden - 03.03.2011 - AZ: 5 C 631/09
- nachfolgend
- BGH - 08.03.2012 - AZ: V ZB 215/11
Rechtsgrundlagen
- § 49a Abs. 1 GKG
- § 97 Abs. 1 ZPO
In der Wohnungseigentumssache
des Wohnungseigentümers H.-D. A., T.weg , D.,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F., W. Str. , D.,
gegen
1. alle am 15.01.2010 (Rechtshängigkeit) im Grundbuch eingetragenen anderen Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft B. II, B.str., B., gemäß anliegender Liste mit Ausnahme des Klägers und der Beklagten zu 2.,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte K., K. und Partner GbR, B., S.,
2. die Wohnungseigentümerin C. A., T.weg , D.,
zu 1. und 2. Beklagte,
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich durch den Vizepräsidenten des Landgerichts R. als Vorsitzenden und die Richter am Landgericht H. und U. als beisitzende Richter gemäß § 522 Abs. 1 ZPO am 10. August 2011
beschlossen:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Emden vom 3. März 2011 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 2.430,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Kläger ist mit der Beklagten zu 2) zu je 1/2 Eigentümer der Wohnungseigentumseinheit Nr. 40 des Aufteilungsplans verbunden mit einem Miteigentumsanteil von 86/10.000.
Das Amtsgericht Emden hat durch Urteil vom 03.03.2011 die Anfechtungsklage des Klägers u.a. gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 11.10.2009 zu 5/2009, 19/2009 und 24/2009 zurückgewiesen. Die Beschlüsse lauten:
1. 5/2009
Herr H. kann in Zusammenarbeit mit der Mehrheit des Verwaltungsbeirates den Auftrag für die Erneuerung der Fensterelemente der Wohnungen 92 (Typ C1- Kompletterneuerung) und 52 (Typ D1- Teilerneuerung) des Aufteilungsplanes an die Firma B. aus B. zu Gesamtkosten von ca. 12.000,00 EUR inklusive etwaiger Nebenkosten vergeben. Die Durchführung erfolgt im Jahr 2009/2010.
Der Einbau beider Fensterelemente soll in Kunststoffausführung erfolgen.
a. Bei der Wohnung 92 wird das komplette Fensterelement in gleicher Aufteilung, wie
z. Z. vorhanden, eingebaut, wobei der rechte Fensterflügel (von innen gesehen) als sog. Putzflügel mit Auflaufbock und abschließbar eingebaut wird. Das linke Fensterelement wird so eingebaut, dass es zu kippen ist.
b. Bei der Wohnung 52 ist das rechte Fensterelement (von innen gesehen) bereits
erneuert. Es wird jetzt noch der zurückliegende Fensterteil erneuert. Hierzu gehören 2 Fensterelemente und die Balkontür mit Oberlicht. Das Element wird in gleicher Aufteilung wie bisher eingebaut.
c. Die vorgenannten Fensterelemente wurden von Herrn W., Herrn B. und Herrn H. begutachtet und ein Austausch aus wirtschaftlichen Gründen empfohlen. Die Gemeinschaft verzichtet aus Kostengründen darauf, ein Gutachten von dem Gutachter Herrn A. für die Fensterelemente vor Austausch einzuholen.
d. Die Gesamtkosten dieser Maßnahme sollen aus der Rücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft finanziert werden.
e. Sollte es im Zusammenhang mit dem Austausch der Fensterelemente notwendig sein, auch die Dehnfuge und den Balkon zu sanieren oder sich andere Folgearbeiten ergeben, die z. Z. noch nicht erkennbar sind, sollen auch diese Arbeiten ordnungsgemäß mit durchgeführt werden. Auch diese Entscheidung kann dann von der Verwaltung zusammen mit der Mehrheit des Verwaltungsbeirates getroffen werden.
Dafür: 88 von 114 Einheiten
Gegenstimmen: 1 von 114 Einheiten
Stimmenthaltungen: 1 von 114 Einheiten
2. 19/2009
Herr H. verweist hierzu auf den Antrag des Miteigentümers A. vom 26.08.2009 und bittet nach kurzer Erörterung die anwesenden Miteigentümer um Abstimmung per Handzeichen über den Antrag des Miteigentümers A. zur Erteilung einer Rüge an den Verwaltungsbeirat und den Verwalter. Hierzu überträgt Herr H. seine Vollmachten Herrn S..
Dafür: 1 von 114 Einheiten
Gegenstimmen: 88 von 114 Einheiten
Enthaltungen: 1 von 114 Einheiten
Dem Beschluss lag der Antrag des Klägers zugrunde, dem Verwalter und dem Verwaltungsbeirat eine Rüge zu erteilen, weil der Verwalter seine Jahresabrechnung entgegen § 9 Abs. 2 der Teilungserklärung nicht bis zum 30.06. des Folgejahres vorlegt.
3. 24/2009
a) Die gesamten Gerichtsunterlagen sollen nur an die Eigentümer verschickt werden, die diesen Schriftverkehr ausdrücklich haben wollen. Die Versendung soll per E-Mail erfolgen. Die entsprechenden Eigentümer sollen der Hausverwaltung ihre E-Mail-Adresse zur Versendung bekannt geben. Diese werden dann in einem E-Mail-Verteiler aufgenommen und hierfür erfolgt keine Kostenberechnung.
b) Die Miteigentümer, die die gesamten Unterlagen noch per Post in Fotokopie zugesandt bekommen möchten, sollen dies bei der Verwaltung angeben. Diese Miteigentümer müssen dann die bei der Verwaltung entstehenden Kosten gem. § 16 Abs. 3 WEG selbst tragen.
c) Entsprechende Gerichtsurteile muss die Verwaltung weiterhin an alle Eigentümer versenden. Diese Kosten übernimmt auch dann die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft.
Dafür: 88 von 114 Einheiten
Gegenstimmen: 1 von 114 Einheiten
Enthaltungen: 1 von 114 Einheiten.
Ferner hat das Amtsgericht den Antrag des Klägers, den Beklagten aufzugeben, entgegen dem Beschluss 19/2009 dem Verwaltungsbeirat und dem Verwalter eine Rüge zu erteilen, zurückgewiesen.
Der Kläger hat gegen die Abweisung seiner Klage insoweit rechtzeitig Berufung eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet. Das Berufungsgericht hat durch die hiermit in Bezug genommene richterliche Verfügung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 14.06.2011 den Kläger darauf hingewiesen, dass die Zulässigkeit der Berufung zweifelhaft sei, weil nicht dargetan oder ersichtlich sei, dass der Wert seiner Beschwer 600,00 EUR übersteige. Der Kläger hat dazu mit dem hiermit in Bezug genommenen Schriftsatz vom 08.08.2011 Stellung genommen.
Die Berufung des Klägers ist gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil seine durch das Urteil des Amtsgerichts erlittene Beschwer - soweit der Kläger dieses Urteil mit der Berufung angreift - 600,00 EUR nicht übersteigt. Im einzelnen:
Beschluss 5/2009
Der Kläger hat den Beschluss nur bezüglich der Kompletterneuerung des Fensterelements der Wohnung 92 angefochten. Die Kosten zusammen mit der Sanierung des Fensterelements für die Wohnung 52 sollen nach dem Beschluss 12.000,00 EUR nicht übersteigen. Zugunsten des Klägers geht das Berufungsgericht von Kosten für die Wohnung 92 in Höhe von 10.000,00 EUR aus, für die der Kläger zu 86/1.000 nach der Lasten- und Kostenverteilung, mithin zu 86,00 EUR, haftet. Seine Ausführungen, die Kosten würden 20.000,00 EUR betragen, sind nicht nachvollziehbar.
Beschluss Tagesordnungspunkt 19/2009 und Leistungsantrag, dem Verwalter eine Rüge zu erteilen
Die Wohnungseigentümergemeinschaft duldet gerichtsbekannt sei vielen Jahren, dass der Verwalter seine Jahresabrechnung entgegen § 9 Abs. 2 der Teilungserklärung nach dem 30.06. des Folgejahres vorlegt. Konkrete Nachteile dieses Verhaltens für den Kläger und für die Gemeinschaft trägt die Berufung nicht vor, so dass davon auszugehen ist, dass es dem Kläger nur darum geht, dass sich der Verwalter an den Wortlaut der Teilungserklärung hält. Die Beschwer des Klägers in diesem Punkt schätzt die Kammer auf nicht mehr als 300,00 EUR. Auf die Verwaltervergütung ist nicht abzustellen, denn wenn die angestrebte Rüge des Verwalters Voraussetzung für einen Abberufungsantrag des Verwalters sein soll, wäre der Kläger weiterhin in etwa der gleichen Größenordnung für Verwalterkosten einstandspflichtig, sei es für den jetzigen Verwalter oder sei es für einen neuen Verwalter.
Beschluss Tagesordnungspunkt 24/09
Der Kläger trägt trotz Hinweises und der ihm offenstehenden Möglichkeit anhand früherer Jahresabrechnung zu eventuellen Kosten vorzutragen, kein einziges Verfahren gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft vor, an denen er nicht als Kläger beteiligt ist, d.h., wo ihm Kosten für die Information über den Prozessverlauf entstehen könnten. Dem Berufungs- und früheren Beschwerdegericht sind auch keine Verfahren der Wohnungseigentümergemeinschaft bekannt, an denen der Kläger nicht als Kläger beteiligt war. Das Berufungsgericht schätzt die Beschwer durch den Beschluss auf nicht mehr als 100,00 EUR.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
Beschluss 5/2009 gemäß § 49 a Abs. 1 GKG auf das fünffache Eigeninteresse = 430,00 EUR
Beschluss 19/2009 und Leistungsantrag gemäß § 49 a Abs. 1 GKG auf das fünffache Eigeninteresse = 1.500,00 EUR
Beschluss 24/2009 gemäß § 49 a Abs. 1 GKG auf das fünffache Eigeninteresse = 500,00 EUR.
Insgesamt somit auf 2.430,00 EUR.