Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.04.2001, Az.: 6 A 19/01

Blutentnahme; Cannabinoidwerte; Cannabis; Drogenkonsum; Fahreignung; Persönlichkeitsrecht; Verhältnismäßigkeit; Wochenendkonsum

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.04.2001
Aktenzeichen
6 A 19/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39550
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.

Tatbestand:

1

Der Kläger erhielt am 01. April 1997 eine Fahrerlaubnis der Klasse 3, die ihm zunächst für die Dauer von zwei Jahren auf Probe erteilt wurde. Im Mai 1997 wurde die Fahrerlaubnis auf die Klasse 1a erweitert. Am 04. November 1997 wurde der Kläger vom Landkreis Wolfenbüttel wegen Überschreitung der innerörtlich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 22 km/h mit einer Geldbuße von 100,-- DM belegt. Der Beklagte gab daraufhin mit Verfügung vom 17. Dezember 1997 dem Kläger auf, sich einem Nachschulungskurs für verkehrsauffällig gewordene Fahranfänger zu unterziehen. An einem solchen Kurs nahm der Kläger im März 1998 teil.

2

Als der Kläger mit weiteren Verkehrsverfehlungen (Überholen im Bereich eines durch Verkehrszeichen angeordneten Überholverbots, Verursachen eines Verkehrsunfalls durch überhöhte Geschwindigkeit, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 52 km/h) einen Eintragungsstand von 9 Punkten im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes erreicht hatte, wurde er am 20. Oktober 1999 von dem Beklagten unter Mitteilung dieser Punktzahl verwarnt und ihm für den Fall erneuter Verkehrsverstöße eine Überprüfung seiner Fahreignung in Aussicht gestellt. Er wurde außerdem über die Möglichkeit eines Abzuges von zwei Punkten durch die freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar belehrt.

3

Am 02. November 1999 wurde der Kläger vom Amtsgericht Helmstedt wegen fahrlässiger Ermächtigung zum Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 400,-- DM verurteilt. Hierdurch hatte der Kläger 15 Punkte im Verkehrszentralregister erreicht. Der Beklagte gab dem Kläger deshalb mit Verfügung vom 18. Januar 2000 auf, sich einem Aufbauseminar im Sinne des § 4 Abs. 8 StVG oder einer verkehrspsychologischen Beratung nach § 4 Abs. 9 StVG zu unterziehen. Außerdem erhielt der Kläger einen Hinweis darauf, dass beim Erreichen von 18 Punkten die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse. Der Kläger nahm vom 05. bis 19. Februar 2000 an einem Aufbauseminar für Kraftfahrer (ASK) teilt und brachte hierüber eine Bescheinigung bei.

4

Am 27. Januar 2000 wurde dem Beklagten vom Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilt, dass der Kläger inzwischen einen Eintragungsstand von 19 Punkten erreicht hatte. Mit Bußgeldbescheid des Beklagten vom 08. Dezember 1999 war der Kläger wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 48 km/h mit einer Geldbuße von 330,-- DM und einem zweimonatigen Fahrverbot belegt worden (Tatzeit: 11. November 1999). Im Hinblick auf die von dem Beklagten bereits verfügte Anordnung vom 18. Januar 2000 wurde von der Behörde aus Anlass dieses weiteren Verkehrsverstoßes nichts weiter veranlasst.

5

Am 13. März 2000 wurde dem Beklagten von der Bundesgrenzschutzinspektion Münster mitgeteilt, dass gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet worden sei. Der Kläger war am 07. März 2000 bei der Einreise aus den Niederlanden kontrolliert worden. Hierbei waren in seinem Fahrzeug 120 g Pilze der Sorte Psilocybe cubensis mit den Wirkstoffen Psilocin und Psilocybin, sechs Tütchen Haschisch (29 g), sechs Tütchen Marihuana (21 g), ein "Joint" sowie zehn Tabletten aufgefunden worden. Der Kläger wurde deshalb vom Amtsgericht Münster mit Strafbefehl vom 28. März 2000 zu einer Geldstrafe von 1125,-- DM verurteilt.

6

Durch eine weitere Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 21. Juli 2000 erhielt der Beklagte davon Kenntnis, dass der Kläger am 01. Dezember 1999 einen Verkehrsunfall verursacht hatte, indem er mit seinem Fahrzeug auf die linke Fahrbahnseite geraten und mit einem anderen Verkehrsteilnehmer zusammengestoßen war. Mit diesem Verkehrsverstoß, der vom Amtsgericht Helmstedt (Urt. vom 05. Juni 2000) mit einer Geldbuße von 200,-- DM geahndet worden war, hatte der Kläger einen Eintragungstand von 21 Punkten im Verkehrszentralregister erreicht.

7

Mit Verfügung vom 25. Juni 2000 gab der Beklagte dem Kläger auf, sich zur Klärung der Frage, ob er Drogen konsumiere oder von einem solchen Konsum abhängig sei, einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Die Untersuchung vom 27. Juni 2000 ergab ebenso einen positiven Cannabinoidbefund (1439 ng/ml) wie eine weitere Untersuchung vom 22. Juli 2000 (613 ng/ml). Aufgrund der Angaben des Klägers, dass er ausschließlich an den Wochenenden Cannabis konsumiere, und einer Annahme des Amtsarztes, dass diese Angaben durch die Untersuchungsergebnisse bestätigt würden, erhob der Amtsarzt keine Bedenken gegen die Fahreignung des Klägers.

8

Mit Verfügung vom 15. August 2000 gab der Beklagte dem Kläger auf, zur Klärung der Frage, ob der vom Kläger als gelegentlich eingeräumte Konsum ein regelmäßiger sei, das medizinisch-psychologische Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Die Untersuchung vom 29. September 2000, zu der sich der Kläger zunächst bereit erklärt hatte, konnte jedoch nicht durchgeführt werden, weil der Kläger sich in der Untersuchungsstelle lautstark und renitent geweigert hatte, sich einer Blutentnahme zu unterziehen, so dass die Untersuchung abgebrochen wurde. Der Beklagte entzog dem Kläger daraufhin mit Verfügung vom 20. Oktober 2000 die Fahrerlaubnis.

9

Hiergegen erhob der Kläger am 26. Oktober 2000 Widerspruch mit der Begründung, dass er die Blutentnahme als Körperverletzung betrachte und stattdessen mit einer Urin- oder Haaruntersuchung einverstanden gewesen wäre. Im Übrigen habe der Amtsarzt des Gesundheitsamtes Helmstedt festgestellt, dass bei ihm keine Drogenabhängigkeit oder Fahruntauglichkeit vorliege. Diesen Rechtsbehelf wies die Bezirksregierung Braunschweig durch Widerspruchsbescheid vom 03. Januar 2001 als unbegründet zurück.

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Am 02. Februar 2001 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung der Klage trägt er vor:

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Er habe nie abgestritten, dass er gelegentlich weiche Betäubungsmittel konsumiere. Dieser Konsum finde durchweg nur an Wochenenden statt. Eine Regelmäßigkeit sei nicht gegeben. Auch trenne er streng den Konsum vom Führen eines Kraftfahrzeugs. Er sei auch noch nie im Zusammenhang mit Drogen oder Alkohol im Straßenverkehr aufgefallen. Das Gutachten des Gesundheitsamtes Helmstedt habe seinen nur gelegentlichen Konsum bestätigt. Ausdrücklich seien keine Bedenken gegen die Fahreignung erhoben worden. Dennoch habe der Beklagte ein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert. Bereits die Anordnung zur Beibringung eines solchen Gutachtens sei fehlerhaft gewesen. Bei der Einnahme von Cannabisprodukten könne nur ein regelmäßiger Konsum die Fahreignung ausschließen. Um zu klären, ob ein regelmäßiger oder nur gelegentlicher Konsum vorliege, dürfe eine medizinisch-psychologische Untersuchung nicht gefordert werden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei deshalb rechtswidrig. Er habe sich zudem lediglich geweigert, sich einer Blutentnahme zu unterziehen, weil er sie für einen schweren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht halte. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Blutuntersuchung geeignet gewesen wäre, über die bereits durchgeführten Untersuchungen hinaus Aufschlüsse über die Frage der Trennung von Konsum und Führen von Kraftfahrzeugen zu erbringen. Zu einer Urin- oder Haaruntersuchung wäre er bereit gewesen. Eine Weigerung zur Mitarbeit liege deshalb seinerseits bei der Durchführung der Untersuchung nicht vor. Schließlich habe der Beklagte das ihm obliegende Ermessen bei der Anordnung der Untersuchung nicht ausgeübt, das eine Abwägung zwischen seinem Persönlichkeitsrecht und dem allgemeinen Interesse an der ihm aufgegebenen Untersuchung erfordert hätte. Außerdem lasse sich aus zwei Urinproben mit positiven Cannabinoidbefunden keine regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln ableiten und daraus auf eine fehlende Fahreignung schließen.

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Der Kläger beantragt,

13

die Verfügung des Beklagten vom 20. Oktober 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 03. Januar 2001 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er entgegnet:

17

Aus Anlass des im März 2000 gegen den Kläger eingeleiteten Verfahrens wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sei ein amtsärztliches Gutachten zum Nachweis der Fahreignung gefordert worden. Das daraufhin erstellte amtsärztliche Gutachten vom 01. August 2000 bescheinige dem Kläger eine gelegentliche Einnahme von Cannabis. In den beiden Urinuntersuchungen seien jeweils Cannabinoide nachgewiesen worden. Zur Klärung der Frage, ob der vom Kläger eingeräumte gelegentliche Konsum nicht doch ein regelmäßiger sei, der die Fahreignung ausschließe, sei die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zum Nachweis der Fahreignung angeordnet worden. Weil der Kläger diese Untersuchung abgebrochen habe und das Gutachten nicht habe erstellt werden können, sei davon ausgegangen worden, dass der Kläger eignungsausschließende Mängel habe verbergen wollen, so dass ihm die Fahrerlaubnis habe entzogen werden müssen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass die positiven Urinbefunde vom 27. Juni und 22. Juli 2000 auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum hindeuteten. Da dies in Anbetracht des amtsärztlichen Gutachtens nicht zweifelsfrei festgestanden habe, sei zunächst noch die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet worden. Im Rahmen der Untersuchung sei eine Haaranalyse nicht vorgesehen gewesen, da die Untersuchungskosten immens hoch seien und dies im Gegensatz zur Blutentnahme ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers gewesen wäre. Eine Urinuntersuchung hätte zusätzlich zu der Blutentnahme ohnehin stattfinden müssen. Die Weigerung des Klägers, sich der Untersuchung zu unterziehen, sei deshalb als ein Bestreben aufgefasst worden, vorhandene geistige, körperliche oder andere eignungsausschließende Mängel zu verbergen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Der Kammer haben außerdem die Strafakten 49 Js 311/00 der Staatsanwaltschaft Münster vorgelegen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen.

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Die angefochtene Maßnahme ist rechtmäßig, soweit die Behörde die Fahrerlaubnisentziehung im Zusammenhang mit dem bei dem Kläger festgestellten Konsum von Cannabis verfügt hat.

21

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Von einer fehlenden Fahreignung ist insbesondere dann auszugehen, wenn ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vorliegt, durch den die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 1 FeV). Ein solcher Mangel ist die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (Nr. 9.1 der Anlage 4 zu den §§ 11 f. FeV), ohne dass bereits eine Abhängigkeit von diesen Stoffen bestehen muss. Selbst bei einer nur gelegentlichen Einnahme von Cannabis kann die Fahreignung regelmäßig lediglich dann (als fortbestehend) angenommen werden, wenn nicht zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe eingenommen werden, sonstige Ausschlussgründe nicht bestehen und der Konsum und die Teilnahme am Straßenverkehr getrennt bleiben (Nr. 9.1 der Anl. 4 zu den §§ 11 f. FeV). Diese in den §§ 11 Abs. 1 und 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Anl. 4 normierten Eignungskriterien entsprechen den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Auswirkungen eines Drogengenusses auf die Fahreignung, wie sie in die vom Bundesminister für Verkehr herausgegebenen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung (Heft M 115 vom Februar 2000) Eingang gefunden haben.

22

Bei dem Kläger sind anlässlich einer polizeilichen Kontrolle bei seiner Einreise aus den Niederlanden nicht unerhebliche Mengen der Drogen Marihuana und Cannabis gefunden worden. Außerdem war der Kläger im Besitz einer ebenfalls nicht unbeträchtlichen Menge von Pilzen mit dem Inhaltsstoff Psilocybin, einem Wirkstoff im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. In Anbetracht dieser Kombination von verschiedenen Drogen, die der Kläger sich nach seinen Angaben zum Eigenverbrauch beschafft hatte, wäre der Beklagte berechtigt gewesen, sogleich eine medizinisch-psychologische Untersuchung zum Nachweis der Fahreignung zu fordern (§ 14 Abs. 1 Satz 4 FeV). Jedenfalls bestand spätestens in dem Zeitpunkt Anlass zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung des Klägers, als die Auswertung von zwei amtsärztlichen Untersuchungen, die im Abstand von etwa vier Wochen durchgeführt worden waren, extrem hohe Cannabinoidwerte von 1.439 ng/ml (am 27.06.2000) bzw. von 613 ng/ml (am 22.07.2000) ergeben hatten und der Kläger einräumte, jeweils an Wochenenden Cannabis zu konsumieren. Jeder belegte Cannabiskonsum, soweit es sich nicht eindeutig um einen einmaligen Konsum handelt, begründet den Verdacht auf einen Konsum höherer als der zugestandenen oder sonst nachgewiesenen Sequenz und rechtfertigt es deshalb, das tatsächliche Konsumverhalten weiter aufzuklären. Im Hinblick auf die extrem hohen Rückstandswerte, die bei dem Kläger, sofern man seinen eigenen Angaben zu den Zeitpunkten eines Cannabiskonsums folgt, noch nach mehreren Tagen bzw. nahezu einer Woche festgestellt worden waren, hatte der Beklagte zu Recht die Sachrichtigkeit der Schlussfolgerung des Amtsarztes in Zweifel gezogen, dass von einer fehlenden Fahreignung des Klägers nicht ausgegangen werden könne. Die sehr hohen Konzentrationen von Cannabinoiden, die bei den Drogenscreenings anlässlich der amtsärztlichen Untersuchungen festgestellt worden waren, machen deutlich, dass der Kläger in erheblichem Umfang Haschisch konsumiert hat und nicht nur gelegentlich und in geringen Mengen. Der sehr hohe THC-Befund ist deshalb auffällig, weil die Halbwertzeit von Cannabis im Urin etwa ein bis zwei Wochen beträgt und daher die festgestellten Konzentrationen von 613 ng/ml bzw. von 1.439 ng/ml einen erheblichen Drogenkonsum noch zu einem Zeitpunkt belegen, zu dem dem Kläger schon mit der Verfügung vom 25. Mai 2000 die amtsärztliche Untersuchung aufgegeben worden war.

23

Ein konkreter Nachweis, dass der Kläger bereits unter dem Einfluss von Drogen am Straßenverkehr teilgenommen hat, ist nicht erforderlich. Weil es unbestritten ist, dass ein akuter Cannabisrausch die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt (BVerfG, Beschl. vom 09.03.1994, NJW 1994, 1577 [BVerfG 09.03.1994 - 2 BvL 43/92]; Kannheiser, NZV 2000, 57 m.w.N.), genügen schon begründete Zweifel daran, ob der Cannabis konsumierende Kraftfahrer in der Lage ist, Drogenkonsum und Verkehrsteilnahme zu trennen, dieser Frage mit einer geeigneten Untersuchung im Einzelfall weiter nachzugehen.

24

Ein Kraftfahrer, der eine ihm abverlangte Untersuchung nicht durchführen lässt oder das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf von der Fahrerlaubnisbehörde als ungeeignet angesehen werden (§ 11 Abs. 8 FeV). Nach der für diese Regelung vom Verordnungsgeber (vgl. BR-Drs. 443/98 S. 254) in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verdichten sich die Zweifel an der Fahreignung zu der Gewissheit, dass der Kraftfahrer nicht geeignet ist, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher zu lenken, weil aus dem Verhalten des Kraftfahrers zu schließen ist, er wolle Mängel, die seine Fahreignung ausschließen könnten, verbergen (BVerwGE, Urt. vom 27.09.1995, BVerwGE 99, 249 = NZV 1996, 84 m.w.N.). Einer Ablehnung der Beibringung eines Gutachtens steht es gleich, wenn der Fahrerlaubnisinhaber im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung die Durchführung einer Blutentnahme verweigert und sich im Nachhinein lediglich mit einer Haaranalyse einverstanden erklärt. Ebenso wie ein Kraftfahrer, der im Verdacht steht, nach einem Alkohol- oder Haschischkonsum ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, sich zur Überprüfung seiner Fahreignung die Abnahme einer Blutprobe nach Maßgabe des verfassungsrechtlich unbedenklichen § 81a StPO gefallen lassen muss, unterliegt er auch bei einer Überprüfung seiner Fahreignung nach den Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes und der Fahrerlaubnis-Verordnung einer solchen Maßnahme (BVerwG, Beschl. vom 23.08.1996, NZV 1996, 467 [BVerwG 23.08.1996 - BVerwG 11 B 48/96]). Die Blutprobe ist Teil der medizinisch-psychologischen Untersuchung, mit der nicht nur geklärt werden soll, ob der Kläger bereits seit längerer Zeit Drogen konsumiert, sondern auch der Frage nachgegangen wird, welche Konsumgewohnheiten er hat, welche Mengen er jeweils konsumiert hat, ob er auch andere psychoaktivwirkende Stoffe oder Alkohol konsumiert und in welchem Maß hierdurch die Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Fahren herabgesetzt ist. Da der Kläger an der erforderlichen Feststellung seiner Fahreignung ohne berechtigten Grund nicht mitgewirkt hat, hat der Beklagte im Hinblick auf diesen Umstand und den in der Vergangenheit festgestellten nicht unerheblichen Drogenkonsum des Klägers rechtsfehlerfrei auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen. Auch ein regelmäßiger Konsum im Sinne eines wöchentlichen oder Wochenendkonsums kann, wenn die Dosis entsprechend stark ist, mit gewisser Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass kurzzeitige (reversible) Leistungsbeeinträchtigungen eintreten und die Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Fahren herabgesetzt sein kann (Kannheiser, NZV 2000, 57 m.w.N.).

25

Die vorstehend begründete Entscheidung nach § 11 Abs. 8 FeV ist nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil der Kläger mit seinen Verkehrsverfehlungen einen Eintragungsstand von 18 Punkten und mehr im Verkehrszentralregister des Kraftfahrt-Bundesamtes erreicht hatte, der nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 StVG regelmäßig zur Entziehung der Fahrerlaubnis führt. Denn der Kläger hatte mit dem Verkehrsverstoß vom 11. November 1999 bereits diese Punktzahl zu einem Zeitpunkt erreicht und überschritten, als der Beklagte von der unter Nr. 2 bezeichnenden Maßnahme des in § 4 Abs. 3 StVG aufgeführten gestuften Punktesystems noch keinen Gebrauch gemacht hatte. Die Aufforderung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar oder an einer verkehrspsychologischen Beratung war von der Behörde erst am 18. Januar 2000 verfügt worden. In einem solchen Fall ist der Fahrerlaubnisinhaber so zu stellen, als ob er 14 Punkte hätte (§ 4 Abs. 5 Satz 2 StVG). Mit dem weiteren Verkehrsverstoß vom 01. Dezember 1999, der im Juli 2000 von der Staatsanwaltschaft dem Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilt und dort eingetragen worden war, hatte der Kläger dann einen nach § 4 Abs. 5 StVG berücksichtigungsfähigen Eintragungsstand von 16 Punkten erreicht. Die am 27. März 2001 in Kraft getretene Fassung des § 4 Abs. 5 StVG, nach der der Kläger jetzt einen Stand von 19 Punkten hätte, ist in diesem Verfahren noch nicht anwendbar (vgl. Art. 1 Nr. 3 StVRÄndG vom 19.03.2001, BGBl 2001 I S. 386).

26

Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 VwGO), hat ebenfalls keinen Erfolg, weil der Kläger nach dem Ausgang des Klageverfahrens die Verfahrenskosten selbst zu tragen hat und deshalb kein schutzwürdiges Interesse besteht, diese Kosten für erstattungsfähig zu erklären. Die Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.