Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 08.12.2006, Az.: L 2 B 1/06 SB SF
Statthaftigkeit von Gegenvorstellungen im sozialgerichtlichen Verfahren; Unterbrechung des Verfahrens betreffend die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen säumigen Zeugen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 08.12.2006
- Aktenzeichen
- L 2 B 1/06 SB SF
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 28850
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:1208.L2B1.06SB.SF.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - AZ: S 27 RH 155/05 SB
Rechtsgrundlagen
- § 178a SGG
- § 202 SGG
- § 240 S. 2 ZPO
- § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO
Tenor:
Die Gegenvorstellung des Zeugen gegen den Senatsbeschluss vom 04. Oktober 2006 wird verworfen.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 12. Januar 2006 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 27. Juni 2006 hat das Sozialgericht Hannover gegen den Zeugen wegen unentschuldigten Ausbleibens in dem für den 12. Januar 2006 anberaumten Vernehmungstermin ein Ordnungsgeld in Höhe von 600 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 200 Euro einen Tag Ordnungshaft festgesetzt.
Die - nicht näher begründete - Beschwerde des Zeugen hat der Senat mit Beschluss vom 04. Oktober 2006 zurückgewiesen. Der Beschluss ist dem Zeugen (ausweislich des von seinem Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Empfangsbekenntnisses) am 09. Oktober 2006 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 05. Dezember 2006 macht der Zeuge die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses geltend. Das Amtsgericht Hannover habe "nunmehr" ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet. Das Verfahren sei nach § 19 Abs. 2 AktO als erledigt anzusehen.
II.
Die Gegenvorstellung ist unzulässig.
Es kann dahinstehen, inwieweit seit Schaffung der Anhörungsrüge des § 178a SGG zum 1. Januar 2005 Gegenvorstellungen im sozialgerichtlichen Verfahren überhaupt noch statthaft sind. Selbst nach dem bis dahin geltenden Recht konnte eine unanfechtbare Entscheidung auf einen außerordentlichen Rechtsbehelf ausnahmsweise nur geändert werden, wenn diese Entscheidung offensichtlich dem Gesetz widersprach oder grobes prozessuales Unrecht enthielt (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr. 16 und BSG, Beschluss vom 24. Juli 2006 - B 1 KR 6/06 BH -).
Das jetzige Vorbringen im Schriftsatz vom 05. Dezember 2006 bietet für einen solchen Sachverhalt keinen Anhalt.
1.
Selbst wenn bei Erlass der Beschwerdeentscheidung vom 04. Oktober 2006 das vorläufige Insolvenzverfahren bereits angeordnet worden sein sollte, würde dies die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nicht berühren.
§ 240 S. 2 ZPO i.V.m. § 202 SGG regelt zwar, dass ein gerichtliches Klageverfahren unterbrochen wird, wenn die Verwaltungs-- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Klägers bzw. der Beklagten auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Das Gesetz sieht aber nicht vor, dass das Verfahren betreffend die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen säumigen Zeugen zu unterbrechen ist, falls die Verwaltungs-- und Verfügungsbefugnis über dessen Vermögen auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Eine daran anknüpfende Unterbrechung würde auch dem Beugecharakter der Ordnungsmittel nicht gerecht; sie wäre letztlich sogar geeignet, die Erfüllung des dem Staat obliegenden Justizgewährleistungsanspruchs zu gefährden.
Soweit das Insolvenzgericht im Zuge der Einleitung des vorläufigen Insolvenzverfahrens nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Zeugen untersagt hat, ist einer solchen Anordnung allerdings im Rahmen der Vollstreckung des festgesetzten Ordnungsgeldes Rechnung zu tragen. Betroffen wird dadurch nur die Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung des Ordnungsgeldes; die Rechtmäßigkeit seiner Verhängung bleibt davon unberührt. Da ein etwaiges Vollstreckungsverbot lediglich die Vermögensinteressen der Gläubiger des Zeugen zu wahren hätte, bleibt auch die Möglichkeit einer Vollstreckung der ersatzweise festgesetzten Ordnungshaft bestehen.
Zur Vermeidung einer Vollstreckung der ersatzweise festgesetzten Ordnungshaft kann dem Zeugen nur geraten werden, kurzfristig beim Sozialgericht um Zahlungserleichterung (Art. 7 EGStGB) unter gleichzeitigem Anerbieten von Raten nachzusuchen, die aus dem ihm zum persönlichen Lebensunterhalt belassenen Mitteln zu bestreiten sind und zu diesen in angemessener Höhe stehen.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 19 Abs. 2 der Aktenordnung für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Niedersachsen geht fehl. Abgesehen davon, dass diese Verwaltungsvorschrift ohnehin nicht die gesetzlichen prozessrechtlichen Vorgaben verdrängen kann, bestimmt § 19 Abs. 2 der genannten Aktenordnung lediglich, wie zu verfahren ist, wenn aufgrund einer Verfügung des Vorsitzenden ein Verfahren "auf sonstige Art" erledigt ist. Eine solche Verfügung ist im vorliegenden Fall vor der Beschwerdeentscheidung vom 04. Oktober 2006 nicht ergangen, für sie bestand auch kein Anlass.
2.
Soweit der Hinweis auf die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens auch die Andeutung einer finanziellen Bedrängnis beinhalten mag, der bei der Festsetzung der Höhe des Ordnungsgeldes noch nicht Rechnung getragen worden ist, besteht ebenfalls kein Anlass zu einer Korrektur des Senatsbeschluss vom 04. Oktober 2006.
Der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer hatte hinlänglich Gelegenheit, in dem Beschwerdeverfahren zu seinen finanziellen Verhältnissen vorzutragen. Abgesehen davon, dass die mögliche Relevanz beengter finanzieller Verhältnisse für die Bestimmung der Höhe eines Ordnungsgeldes auf der Hand liegt, ist der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Verfügung vom 05. Mai 2006 noch ausdrücklich auf diesen Punkt hingewiesen worden. Gleichwohl hat der Beschwerdeführer bis zur Entscheidung vom 04. Oktober 2006 keinen Anlass gesehen, näheren Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu machen. Die Beschwerde ist vielmehr nicht begründet worden.
Die Möglichkeit einer Gegenvorstellung wird jedenfalls nicht dazu eröffnet, eigene Versäumnisse im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren nachträglich auszugleichen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).