Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 26.08.2004, Az.: 2 A 29/04

Mietschulden; Schufa; Wohnungslosigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
26.08.2004
Aktenzeichen
2 A 29/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50742
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Kläger begehren vom Beklagten aus Sozialhilfemitteln die Übernahme von Mietschulden für eine früher von ihnen bewohnte Wohnung sowie von damit in Zusammenhang stehenden weiteren Kosten.

2

Entsprechende Anträge auf Übernahme von Mietrückständen hatte die namens und im Auftrag des Beklagten handelnde Stadt E. mit Bescheid vom 12.03.2003 abgelehnt, da zum einen nicht erkennbar sei, wie die Kläger in Zukunft die sozialhilferechtlich unangemessen hohen Unterkunftskosten für die damals noch von ihnen bewohnte Wohnung würden aufbringen können und zum anderen ein Umzug der Kläger in die Wohnung D. str. App. ... jederzeit möglich und auch ratsam sei, den Klägern also keine akute Wohnungslosigkeit drohe. Deshalb lägen die Vorraussetzungen für die Anwendung von § 15 a BSHG nicht vor. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründeten die Kläger nicht, so dass ihn der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2003 zurückwies. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Kläger mittlerweile die Wohnung in der D. str. , App. ... angemietet hätten und Schuldentilgung nicht Aufgabe der Sozialhilfe sei.

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Die Kläger haben am 19.01.2004 Klage erhoben. Sie berufen sich darauf, dass ihnen unabhängig davon, dass sie nicht mehr in der Wohnung, für die Mietschulden bestehen, wohnen, der geltend gemachte Anspruch zustehe, da eine vergleichbare Notlage darin zu erblicken sei, dass sie bei der Anmietung zukünftigen Wohnraumes mit einer negativen Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis (Schufa) wegen der Mietschulden konfrontiert würden. Zudem sei ihre finanzielle Notlage unverschuldet entstanden.

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Die Kläger beantragen,

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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Stadt E. vom 12.03.2003 und seines Widerspruchsbescheides vom 15.12.2003 zu verpflichten, den Klägern darlehensweise nach § 15 a BSHG Hilfe zum Lebensunterhalt entsprechend ihrer Anträge vom 22.07.2002 und 10.03.2003 zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er nimmt auf die angefochtenen Bescheide Bezug und verteidigt diese. Eine mögliche Tilgung von Schufa-Einträgen sei kein sozialhilferechtlich erheblicher Grund für eine Leistungsgewährung nach § 15 a BSHG.

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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Stadt E., die Gegenstand der Entscheidung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die der Einzelrichter gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

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Die Kläger haben keinen Anspruch auf Übernahme ihrer Mietschulden in Höhe von ca. 4.500.-- € sowie Anwalts- und Gerichtskosten für die früher von den Klägern bewohnte Wohnung in der L. straße in E. aus Sozialhilfemitteln. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 a Abs. 1 Satz 1 BSHG, wonach Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen nach den vorstehenden Bestimmungen des Gesetzes die Gewährung von Hilfe nicht möglich ist, gewährt werden kann, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist, liegen nicht vor.

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Gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 2 BSHG soll die Hilfe (nur) gewährt werden, wenn sie gerechtfertigt und notwendig ist und ohne sie Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Der Träger der Sozialhilfe hat dann alles zu unternehmen, um eine unmittelbar bevorstehende Obdachlosigkeit zu verhindern (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Auflage, § 15a Rdn. 5, 9 a). Im Rahmen des § 15 a Abs. 1 S. 2 BSHG kommt insbesondere die Übernahme der Mietschulden in Betracht, wenn dadurch ein Räumungsurteil abgewendet oder eine drohende Zwangsräumung vermieden werden kann (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Auflage, § 15a Rdn. 9 a). Die nach § 15 a Abs. 1 BSHG in Sonderfällen zu gewährende Hilfe bezweckt die Sicherung und Erhaltung der Unterkunft unter Berücksichtigung der Selbsthilfemöglichkeiten des Betroffenen.

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Den Klägern drohte nach dem 10.03.2002 ohne die beantragte Hilfe nicht ernsthaft Wohnungslosigkeit nach dem Verlust ihrer früheren Wohnung in der L. straße . Vielmehr waren die Kläger damals bereits in der Lage, die - später dann von ihnen auch angemietete - Wohnung in der D. straße zu beziehen, sie konnten daher eine angemessene Wohnung rechtzeitig anmieten. Es trifft zwar zu, dass gegen sie ein vollstreckbarer Räumungstitel vorlag und die Räumung der Wohnung für den 14.03.2002 auch schon anberaumt worden war. Doch greift die Vorschrift des § 15 a Abs. 1 Satz 2 BSHG nicht schon dann ein, wenn - wie hier - lediglich die Gefahr des Verlustes der gegenwärtigen Wohnung besteht, sondern erst dann, wenn damit zu rechnen ist, dass der Hilfesuchende nicht rechtzeitig (zumutbaren) Ersatz für die bisherige Wohnung finden wird.

15

Bei den Anwalts- und Gerichtskosten des Mietrechtsprozesses um die Wohnung in der L. straße handelt es sich um eine private Schuldverpflichtung der Kläger. Solche Kosten gehören grundsätzlich nicht zum notwendigen Lebensunterhalt (Mergler/Zink, BSHG, Kommentar, Stand: Mai 2003, § 12 Rdnr. 42; Schellhorn, BSHG, Kommentar,16. Aufl. 2002, § 12 Rn 43).

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Schließlich rechtfertigt auch die Sorge der Kläger, wegen der Mietschulden in das Schuldnerverzeichnis der Schufa aufgenommen zu werden und deshalb zukünftig Schwierigkeiten bei Wohnungsanmietungen zu bekommen, nicht eine Leistungsgewährung nach § 15 a BSHG. Denn es ist nicht Aufgabe der Sozialhilfe, die Kreditwürdigkeit der Hilfesuchenden zu verbessern.

17

Gemäß § 117 Abs. 5 VwGO wird zu weiteren Begründung auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten, dem das Gericht folgt, Bezug genommen.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.