Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.07.1999, Az.: 14 U 7/99
Erfordernis einer Identität zwischen dem Besteller der Werkleistungen und dem Eigentümer des Baugrundstücks; Durchbrechung des Identitätsgrundsatzes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.07.1999
- Aktenzeichen
- 14 U 7/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 30777
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0708.14U7.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 20.10.1997 - AZ: 14 O 384/97
Rechtsgrundlagen
- § 648 BGB
- § 648a BGB
Fundstellen
- BauR 2000, 101-102 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 1999, 581 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- NJW 2000, 1730 (red. Leitsatz)
- NJW-RR 2000, 387-388 (Volltext mit red. LS)
- NZBau 2000, 198-199
- OLGReport Gerichtsort 1999, 335-336
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 1999
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 1. Dezember 1998 geändert.
Die einstweilige Verfügung gemäß Beschluss des Landgerichts Hannover vom 20. Oktober 1997 (14 O 384/97) wird aufgehoben.
Der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Das Amtsgericht Hannover - Grundbuchamt - soll um die Löschung folgender Vormerkuhgen ersucht werden:
- a)
Grundbuch von ... Blatt 3765, 3. Abt., LNrE 2, LNrG 1 über 14.593,22 DM;
- b)
Grundbuch von ... Blatt 3766, 3, Abt., LNrE 2, LNrG 1, über 14.593,22 DM;
- c)
Grundbuch von ... Blatt 3767, 3. Abt., LNrE 2, LNrG 1, über 14.593,23 DM.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Das auf § 648 BGB gestützte Sicherungsbegehren der Klägerin ist unbegründet, weil keine besonderen Umstände vorliegen, die es nach Treu und Glauben rechtfertigen, von dem Erfordernis einer Identität zwischen dem Besteller der Werkleistungen und dem Eigentümer des Baugrundstücks abzusehen. Die Klägerin hat einen Subunternehmervertrag mit der ... GmbH (nachfolgend Gemeinschuldnerin genannt) geschlossen sowohl betreffend das Bauvorhaben der Beklagten (Doppelhaushälfte mit vier Wohneinheiten) als auch über das Bauvorhaben ... (betreffend die andere Doppelhaushälfte mit ebenfalls vier Wohneinheiten). Dabei war der Klägerin bekannt, dass die ... GmbH weder Eigentümerin des Baugrundstücks ... noch des Baugrundstücks der Beklagten war. Eine solche Situation ist bei Subunternehmerverträgen alltäglich; Generalunternehmer (Hauptunternehmer) sind üblicherweise nicht Eigentümer der zu bebauenden Grundstücke. Bei solchen vertraglichen Konstellationen trägt der Subunternehmer das Insolvenzrisiko des Hauptunternehmers, insbesondere, wenn es sich dabei um eine GmbH handelt. Diesem Risiko kann der Subunternehmer durch Vereinbarung von. Abschlags Zahlungen entgegenwirken sowie (seit 1993, die hier in Rede stehenden Verträge zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin datieren später) durch den gemäß § 648 a BGB gewährleisteten Anspruch auf Sicherheitsleistung des Bestellers (in der Regel durch Bürgschaft). Solche Sicherheiten hat die Klägerin vorliegend nicht verlangt. Es ist auch durchaus nicht ungewöhnlich, dass sich Baugrundstücke im Eigentum von Geschäftsführern oder Gesellschaftern des Hauptunternehmers befinden. Auch dieser Umstand ist ebensowenig wie die Tatsache, dass die Beklagte Alleingeschäftsführerin und Alleingesellschafterin der Gemeinschuldnerin war, ein besonderer Umstand, der nach Treu und Glauben eine Durchbrechung des Identitätserfordernisses des § 648 BGB rechtfertigt. Üblicherweise werden die im Eigentum von Geschäftsführern oder Gesellschaftern der Generalunternehmerin stehenden Baugrundstücke bzw. Eigentumswohnungen allerdings nach Fertigstellung an Dritte veräußert. Beim Bauvorhaben der Beklagten ist das nur bezüglich einer der vier Wohneinheiten geschehen; zwei andere Wohneinheiten werden von der Beklagten und ihrem Ehemann selbst bewohnt, während die dritte Wohneinheit vermietet ist. Die Beklagte zieht also nach wie vor Vorteile aus den Bauleistungen der Klägerin. Aber auch diese Tatsache rechtfertigt vorliegend keine Durchbrechung des Identitätsgrundsatzes. Zum einen ist auch die Tatsache, dass bei größeren Bauvorhaben einzelne Wohneinheiten von Geschäftsführern oder Gesellschaftern des Generalunternehmers selbst behalten werden, nicht außergewöhnlich und stellt keinen besonderen Umstand dar, der so schwer wiegt, dass die "Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen es dem Richter gebieten, die personen- und Vermögensrechtliche Selbstständigkeit von Besteller und Eigentum hintanzusetzen" (BGHZ, 102, 95 [102/103]). Zum anderen ist die vorliegend zu beurteilende Fallkonstellation nicht identisch mit derjenigen, für die der BGH in der Entscheidung BGHZ 102, 95 f. eine Durchbrechung des Identitätsgrundsatzes bejaht hat. Im Fall des BGH dienten nämlich die auf dem Grundstück des dortigen Beklagten im Auftrag einer KG errichteten Gebäude der dauernden betrieblichen Nutzung der vom dortigen Beklagten beherrschten KG. Vorliegend waren die Bauleistungen aber nicht bestimmt zur dauernden Nutzung der ... GmbH. Vielmehr stellte der Vertrag mit der Klägerin für deren Vertragspartnerin, die ... GmbH, nur ein einmaliges Geschäft dar, während der Umstand, dass der hier in Rede stehende Teil der Bauleistungen genutzt wird von einer Bauherrin, die im Unterschied zu vielen anderen in vertragliche Beziehungen zur ... GmbH getretenen Bauherren (wie z.B. ...) die ... GmbH gesellschaftsrechtlich beherrscht hat, nur als zufälliger Aspekt erscheint. Außerdem ist zu bedenken, dass bei der nunmehr gültigen Rechtslage Ausnahmen vom Identitätsgrundsatz nur noch unter ganz engen Voraussetzungen zugelassen werden können, weil zwischenzeitlich (nach Erlass der Entscheidung des BGH in BGHZ 102, 95 f.) die Vorschrift des § 648 a BGB geschaffen worden ist, die Bauhandwerkern bei Konstellation der vorliegenden Art (Subunternehmerverträge) die Möglichkeit gibt, von ihren Auftraggebern Sicherungen nach § 648 a BGB zu verlangen (so schon OLG Celle, Urteil 6 U 134/95 vom 24. Januar 1996; tendenziell a. A. KG MDR 1999, 803), und zwar auch noch nach Vertragsschluss. Zwar ist auch seit Bestehen der Vorschrift des § 648 a BGB eine Durchbrechung des Identitätsgrundsatzes im Rahmen des § 648 BGB nicht ausgeschlossen; ein Bedürfnis für eine solche Durchbrechung aus Treu und Glauben mit Hilfe des § 242 BGB besteht jedoch nur noch für ganz ungewöhnliche Fallkonstellationen.
Auch die durch eidesstattliche Versicherung des Mitarbeiters ... der Klägerin glaubhaft gemachte Erklärung des Ehemannes der Beklagten über eine Zahlungszusage seitens der ... GmbH für die offene Forderung auf den 18. Juli 1997 - davon hatte die Klägerin die Weiterarbeit abhängig gemacht - rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal am 3. Juli 1997 die Arbeiten ohnehin schon weitgehend fertiggestellt waren (die Schlussrechnung datiert vom 11. Juli 1997), und die Klägerin auch am 3. Juli 1997 ihre weiteren Arbeiten noch von der Stellung einer Sicherheit nach § 648 a BGB hätte abhängig machen können.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf etwaige Durchgriffsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte aus unerlaubter Handlung oder Verschulden bei Vertragsschluss hingewiesen hat, sind derartige Ansprüche nicht durch eine Bauhandwerkersicherungshypothek absicherbar. § 648 BGB erfasst nämlich nur werkvertragliche Primär- und Sekundäransprüche. Die Vorschrift des § 648 BGB ist unanwendbar auf Ansprüche, die nur auf außervertragliche Grundlagen gestützt werden können (Staudinger/Peters, BGB, 13. Aufl., § 648 Rn. 25 i.V.m. § 647 Rn. 2). Folgerichtig macht die Klägerin ausweislich ihres eigenen Vorbringens gemäß Seite 5 des Schriftsatzes vom 5. Oktober 1998 (Bl. 162 d.A.) und Seite 6 des Schriftsatzes vom 9. November 1998 (Bl. 259 d.A.) solche Durchgriffsansprüche gegen die Beklagte, u.a. wegen Konkursverschleppung, in einem gesonderten Prozess gegen die Beklagte geltend. Diese Durchgriffsansprüche gegen die Beklagte können vor Erlangen eines rechtskräftigen Titels durch dinglichen Arrest gesichert werden; nach Erlass eines Titels, gegen die Beklagte persönlich kann ohnehin in die Grundstücke der Beklagten vollstreckt werden.
Nach alledem war die einstweilige Verfügung auf die Berufung der Beklagten aufzuheben. Das Löschungsersuchen an das Grundbuchamt beruht auf § 941 ZPO; diese Vorschrift findet auch auf Fälle Anwendung, wo die Löschung nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung zu erfolgen hat (Stein-Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 941 Rn. 2 a).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; eine Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit unterbleibt, weil nach § 545 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegen Urteile der Oberlandesgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren die Revision unstatthaft ist.