Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.01.2014, Az.: 3 K 490/12

Berücksichtigung von Altenteilsleistungen als dauernde Lasten i.R.d. Einkommensteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
22.01.2014
Aktenzeichen
3 K 490/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 23073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0122.3K490.12.0A

Fundstellen

  • DStR 2016, 6
  • DStRE 2016, 208-209
  • ZEV 2014, 628

Amtlicher Leitsatz

Der steuerliche Abzug von Leistungen als dauernde Lasten kommt nicht in Betracht, wenn sich wegen unregelmäßiger Zeitpunkte und Höhe der Zahlungen des Steuerpflichtigen an den Übergeber der für den steuerlichen Abzug erforderliche Rechtsbindungswille nicht in ausreichendem Maße feststellen lässt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Altenteilsleistungen als dauernde Lasten.

2

Der Kläger erzielt als Landwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus einem Betrieb in E. und einem weiteren Betrieb in W.

3

Beide Betriebe gehörten zunächst den Eltern des Klägers gemeinsam. Mit notariellem "Übergabe- und Auseinandersetzungsvertrages" aus dem Jahr 1994 (im Folgenden: Übergabevertrag) regelten die Eltern des Klägers ihre Eigentumsverhältnisse in der Weise, dass die Mutter des Klägers ihre Miteigentumsanteile mit Wirkung zum 1. Mai 1994 auf den Kläger übertrug. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, seiner Mutter ein "monatlich im Voraus" zu zahlendes Bar-Altenteil i.H.v. 1.000 DM zu gewähren. Ab dem Zeitpunkt, ab dem die Mutter eine Altersrente beziehen würde, sollte sich das Bar-Altenteil auf 2.500 DM abzüglich der Nettorente der Mutter erhöhen. Für diese Regelung wurde schuldrechtlich die entsprechende Geltung des § 323 der Zivilprozessordnung vereinbart, zudem wurde der Anspruch durch Eintragung im Grundbuch abgesichert.

4

Ausweislich der vorgelegten Buchführungsdaten bezahlte der Kläger im Wirtschaftsjahr 2002/2003 insgesamt 9.581,42 € als Altenteil an seine Mutter. Der monatlich zu zahlende Betrag betrug damals 794,76 € (also 9.537,12 € p.a.). Im Wirtschaftsjahr 2003/2004 (Rumpfwirtschaftsjahr bis September 2003) erbrachte der Zahlungen von 2.384,28 €. Dies entsprach seiner Zahlungsverpflichtung für drei Monate. In der Folgezeit geriet der Kläger nach eigenen Angaben in finanzielle Schwierigkeiten. Welche Zahlungen er im Einzelnen erbrachte, hat der Kläger trotz Aufforderung durch das beklagte Finanzamt und mehrfacher Ankündigung nicht nachgewiesen. Ab 2008 reduzierte sich die Altenteilsverpflichtung wegen des Erhalts einer weiteren Rente auf monatlich 650 € (also 7.800 € p.a.).

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Nach den Kontobelegen des Steuerberaters des Klägers hat dieser die Zahlungsverpflichtungen in den Jahren ab 2006 wie folgt erfüllt:

6
DatumBetrag (in €)Summe (in €)DatumBetrag (in €)Summe (in €)
23.08.20061.589,5217.01.2008794,76
28.11.20061.800,003.389,5229.04.20081.950,00
08.07.2008650,00
15.01.20071.800,0012.08.2008650,00
05.02.2007794,7625.09.2008650,00
13.03.20071.689,5227.11.20081.300,005.994,76
10.04.20071.589,52
09.05.2007794,7605.01.20092.600,00
24.07.2007494,7623.01.2009600,00
06.09.2007794,7602.06.20091.950,005.150,00
25.09.20071.589,52
05.12.2007794,76
20.12.20071.589,5211.931,88
7

In seinen Steuererklärungen für die Jahre 2006 und 2008 machte der Kläger (die vereinbarten) Altenteilsleistungen i.H.v. 9.524 € (2006) bzw. 8.088 € (2008) als dauernde Lasten geltend.

8

Das beklagte Finanzamt erkannte die Beträge zunächst an. Die entsprechenden Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

9

In der Zeit vom 4. Juli bis 4. August 2011 wurde bei dem Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 2006 bis 2008 durchgeführt. Dabei stellte der Prüfer die vorstehenden aufgelisteten Zahlungen des Klägers an seine Mutter fest und dass diese nicht in der vereinbarten Höhe und zum vereinbarten Zeitpunkt gezahlt worden und vielmehr Zahlungsunterbrechungen über mehrere Monate gegeben waren. Änderungsverträge zu dem Übergabevertrag existierten nicht und wurden daher nicht vorgelegt.

10

Mit Änderungsbescheiden vom 25. August 2011 änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2008 und ließ die dauernden Lasten nicht zum Abzug zu.

11

Bei der Einkommensteuer 2007 ließ das FA im Änderungsbescheid vom 25. August 2011 den Abzug von dauernden Lasten - entgegen der Feststellungen der Außenprüfung - mit einem Betrag von 9.524 € weiterhin zum Abzug zu. Einen zunächst eingelegten Einspruch nahm der Kläger später zurück.

12

Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger hiergegen Klage erhoben.

13

Er führt aus, die Altenteilsleistungen in der vereinbarten Höhe, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, an die Mutter geleistet zu haben. Aufgrund von wirtschaftlichen Problemen mit seinen Betrieben und daraus resultierenden Zahlungsschwierigkeiten habe er die Verbindlichkeiten bei der Mutter - wie auch die Verbindlichkeiten anderer Gläubige - verspätet bedient. Mit Schreiben vom 31. Januar 2012 bestätigt die Mutter des Klägers, dass der Kläger "sämtliche vertraglich vereinbarten Altenteilsleistungen tatsächlich gezahlt hat. Auch wenn die Zahlungen verspätet oder ratenweise erfolgten, habe ich stets den vereinbarten Betrag erhalten". Der Kläger bezieht sich auf das BFH-Urteil vom 15. September 2010 (BFH/NV 2011, 581 [BFH 15.09.2010 - X R 10/09]) und ist der Auffassung, dass die bloße Verspätung der Zahlungen nicht zur Versagung des Sonderausgabenabzugs führen dürfe.

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Er könne alle Zahlungen im Einzelnen möglicherweise nicht nachweisen, da er für einen Teil des Zeitraums nicht buchführungspflichtig und daher auch nicht aufbewahrungspflichtig gewesen sei. Er sei aber bemüht, aus Kontobelegen der Mutter weitere Nachweise zu beschaffen. Bis zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger keine weiteren Nachweise für die Streitjahre vorgelegt.

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Der Kläger beantragt,

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den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2008 vom 25. August 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 9. Oktober 2012 dahingehend zu ändern, dass dauernden Lasten als unbeschränkt abziehbare Sonderausgaben in Höhe von 5.994,76 € bei gleichzeitiger Streichung des bisher angesetzten Sonderausgaben-Pauschbetrages (36 €) zum Abzug zugelassen werden.

17

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Er ist der Auffassung, so wie andere Verträge im Wege des Fremdvergleichs auf ihre Ernstlichkeit überprüft würden, seien Versorgungsverträge, denen beide Parteien - durch äußerliche Merkmale erkennbar - rechtliche Bindungswirkung beimessen, von solchen Verträgen abzugrenzen, die für die Parteien den Charakter der Beliebigkeit hätten und von denen sie nur Gebrauch machten, wenn ihnen opportun erscheint. Im Streitfall könnten die geltend gemachten Altenteilsleistungen daher nicht steuerlich anerkannt werden, da die tatsächliche Durchführung der Vereinbarungen nicht festgestellt werden könne.

Entscheidungsgründe

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I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

21

1.

Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, Sonderausgaben. Werden wiederkehrende Leistungen - wie im Streitfall - in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet (z.B. BFH-Urteil vom vom 19. Januar 2005 - X R 23/04, BStBl II 2005, 434 [BFH 19.01.2005 - X R 23/04]). Auch die Anwendung des für Unterhaltsleistungen geltenden Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 und 2 EStG ist durch das Recht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen spezialgesetzlich ausgeschlossen, weil die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen auf dem Umstand beruht, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (BFH, Beschluss vom 10. November 1999 - X R 46/97, BStBl II 2000, 188).

22

Ein Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag kann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn die (Mindest-)Voraussetzungen, die die Qualifikation des Vertrags als Versorgungsvertrag erst ermöglichen (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistung sowie Art und Weise der Zahlung), klar und eindeutig vereinbart sind. Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses und bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden (BFH, Urteil vom Senatsurteil in 19. Januar 2005 - X R 23/04, BStBl II 2005, 434).

23

Die Parteien müssen den im Versorgungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommen; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden. Allerdings liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren (BFH-Urteil vom 15. Juli 1992 - X R 165/90, BStBl II 1992, 1020). Lassen sich Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen feststellen, so ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt und ob sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen wollen. So wie andere Verträge im Wege des Fremdvergleichs auf ihre Ernstlichkeit überprüft werden, sind Versorgungsverträge, denen beide Parteien - durch äußerliche Merkmale erkennbar - rechtliche Bindungswirkung beimessen, von solchen "Verträgen" abzugrenzen, die die Parteien selbst nicht ernst nehmen und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint (BFH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - X B 5/06, BFH/NV 2007, 720). Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist (BFH-Urteil vom 19. Januar 2005 - X R 23/04, BStBl II 2005, 434, 435). Die verspätete Zahlung von Versorgungsleistungen führt für sich allein noch nicht zur Annahme eines fehlenden Rechtsbindungswillens (vgl. BFH-Urteil vom 15. September 2010 - X R 10/09, BFH/NV 2011, 581). Werden die auf der Grundlage des Vermögensübergabevertrages geschuldeten Versorgungsleistungen jedoch "willkürlich" ausgesetzt, so dass die Versorgung des Übergebers gefährdet ist, verneint der BFH den Rechtsbindungswillen und erkennt die weiteren Zahlungen auch nach einer Wiederaufnahme der ursprünglich vereinbarten Leistungen nicht mehr als steuerlich abziehbar an (BFH-Urteil vom 15. September 2010 - X R 13/09, BStBl. II 2011, 641).

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2.

Nach Auffassung des Senats sind die Voraussetzungen für einen steuerlichen Abzug der Leistungen als dauernde Lasten im Streitfall nicht erfüllt. Den in Zeitpunkt und Höhe unregelmäßigen Zahlungen des Klägers an seine Mutter lässt sich der für den steuerlichen Abzug erforderliche Rechtsbindungswille nicht in ausreichendem Maße entnehmen.

25

Bereits für den Zeitraum vor den Streitjahren ist unklar, ob und inwieweit der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber seiner Mutter nachgekommen ist. Insoweit liegen keinerlei Unterlagen vor. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führt aus, es lägen nur Informationen zu den Zeiträumen vor, in denen der Kläger buchführungspflichtig gewesen sei. Trotz Aufforderung durch das beklagte Finanzamt wurden keine weitergehenden Nachweise über die tatsächlichen Zahlungen des Klägers eingereicht.

26

Im Jahr 2006 wurden nur zwei Zahlungen im zweiten Halbjahr geleistet, einmal 1.589,52 € (also das Zweifache des zu Zahlenden) und einmal 1.800 €. Im Jahr 2007 wurden zwar regelmäßige Zahlungen in unterschiedlicher Höhe erbracht, die höher waren als das zu Zahlende. Der gezahlte Mehrbetrag gleicht jedoch bei weitem nicht den Fehlbetrag des Vorjahres 2006 aus. Auch im Jahr 2008 wurden keine regelmäßigen Zahlungen erbracht und die Verpflichtung gegenüber der Mutter nicht in hinreichendem Maße erfüllt. Ebenso im Jahr 2009. Die gegenteilige Bekundung der Mutter, der Kläger habe seine Verpflichtungen zwar unregelmäßig, aber insgesamt vollständig erfüllt, ist nicht nachvollziehbar, zumal der Kläger die genauen Zahlungen in den Jahren vor 2006 selbst nicht zu benennen in der Lage ist. Die schwankende Höhe und die Unpünktlichkeit der Zahlungen lässt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände auf eine Beliebigkeit und ein Fehlen des Rechtsbindungswillens des Klägers schließen. Zwar führt der Kläger aus, er habe in den Streitjahren wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten gehabt, die zu einer Vernachlässigung sämtlicher Zahlungsverpflichtungen - auch Dritten gegenüber - geführt hätten. Dies vermag die unzureichenden Leistungen an die Mutter im Rahmen des Übergabevertrages jedoch nicht zu entschuldigen, zumal in solchen Fällen einer erheblich veränderten wirtschaftlichen Situation eine Anpassung der Versorgungsverpflichtungen hätte erfolgen können - und müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt, geschweige denn schriftlich vereinbart worden. Daher bestand die monatlich im Voraus vereinbarte Zahlungsverpflichtung des Klägers unverändert fort. Aufgrund der schleppend erfolgten Erfüllung seiner Zahlungspflichten kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Übernehmer seine sich aus dem Versorgungsvertrag ergebende Hauptpflicht, nämlich die Sicherung des finanziellen Unterhalts seiner Mutter, erfüllt hat. Folglich ist auch die steuerliche Anerkennung der Zahlungen als Sonderausgaben ausgeschlossen.

27

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.