Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.01.2014, Az.: 16 K 164/13

Rechtfertigung einer abweichenden Schätzung bei Differenz der Summe der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben zum vollen Steuersatz und der Leistungsbezüge des Unternehmens zum vollen Steuersatz

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
09.01.2014
Aktenzeichen
16 K 164/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 23892
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2014:0109.16K164.13.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 23.04.2015 - AZ: V R 32/14

Fundstelle

  • BB 2014, 2457

Amtlicher Leitsatz

Ist die Summe der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben zum vollen Steuersatz höher als die der Leistungsbezüge des Unternehmens zum vollen Steuersatz, rechtfertigt dies eine abweichende Schätzung.

Tatbestand

1

An der Klägerin sind die Herren O. und R. je zur Hälfte beteiligt. Sie sind die Geschäftsführer der Klägerin. Diese betreibt eine Landschlachterei und setzt ihre Produkte insbesondere in ihrer Filiale in J. ab. Daneben betreibt sie Stände auf Wochenmärkten, einen Catering-Service, einen Mittagstisch und bietet zubereitete Speisen auf verschiedenen regionalen Veranstaltungen an.

2

Der Beklagte führte eine Außenprüfung durch, die sich auf die Streitjahre bezog. Der Außenprüfer stellte dabei fest, dass hinsichtlich der unentgeltlichen Wertabgaben für die beiden Gesellschafter/Geschäftsführer und ihre Familien seitens der Klägerin keinerlei Aufzeichnungen geführt waren. Der Prüfer sah sich deshalb veranlasst, die Warenentnahmen mit den in der amtlichen Richtsatzsammlung für eine Fleischerei vorgesehenen Pauschbeträgen gewinnerhöhend anzusetzen und dabei auch die in der Richtsatzsammlung vorgesehene Aufteilung in dem ermäßigten Umsatzsteuersatz sowie dem Regelsteuersatz unterliegend anzuwenden. Entsprechend der Anzahl der Familienmitglieder und dem Alter der zugehörigen Kinder ermittelte der Außenprüfer die unentgeltlichen Wertabgaben. Wegen der Höhe der Bemessungsgrundlagen wird auf den Außenprüfungsbericht verwiesen.

3

Der Beklagte setzte die Ergebnisse der Außenprüfung durch geänderte Steuerbescheide um. Dabei berücksichtigte er auch Änderungen, die hier nicht mehr streitgegenständlich sind. Im sich anschließenden Einspruchsverfahren kam es ebenfalls aus hier nicht streitigen Gründen zu geringfügigen Herabsetzungen bezüglich der Umsatzsteuer für die Jahre 2008 - 2010. Schließlich korrigierte der Beklagte mit weiterem Änderungsbescheid vom 12. August 2013 einen Rechenfehler bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 2010.

4

Mit der Klage macht die Klägerin - wie schon im Einspruchsverfahren - geltend, dass die Werte der Richtsatzsammlung im Streitfall nicht ohne Korrektur angewendet werden dürften. Zu berücksichtigen sei, dass die durch die Außenprüfung angesetzten Werte der unentgeltlichen Wertabgaben zum Regelsteuersatz höher seien, als die gesamten Leistungsbezüge der Klägerin zum Regelsteuersatz. Deshalb müsse eine Deckelung erfolgen, wie sie entsprechend auch ertragsteuerlich bei der privaten Kraftfahrzeugnutzung vorgesehen sei. Soweit aber eine Deckelung derartiger Leistungsentnahmen in Betracht komme, gebe es keine rechtliche Veranlassung, die Leistungsentnahmen zum begünstigten Steuersatz um den entsprechenden Betrag zu erhöhen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Umsatzsteuer auf x EUR festzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Grundsätzlich seien die Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben nach der vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen Richtsatzsammlung anzusetzen. Dies gelte ungeachtet der individuellen Verhältnisse im Einzelfall, wenn der Steuerpflichtige keine Aufzeichnungen führe. Die Werte lt. Richtsatzsammlung differenzierten nicht danach, ob Fleischereien beispielweise Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle anböten und damit Leistungen erbrächten, die dem allgemeinen Steuersatz unterlägen. Abschläge seien nach den Richtsatzsammlungen ausdrücklich nicht vorgesehen. Auch auf den Umfang der Wareneinkäufe zum vollen Steuersatz komme es insoweit nicht an.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte. Dem Gericht haben die für die Klägerin beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise begründet.

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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass in den Steuererklärungen, die die Klägerin für die Streitjahre einreichte, zunächst keinerlei Umsätze aus Lebensmittelentnahmen aus dem Unternehmen der Klägerin für die Gesellschafter und deren Familien enthalten waren. Der Steuertatbestand des § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG war hingegen dem Grunde nach erfüllt. Auch dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Werden aber Entnahmen aus dem Unternehmen für außerunternehmerische Zwecke getätigt und diesbezügliche Aufzeichnungen entgegen der Vorgabe des § 22 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht gemacht, so besteht insoweit dem Grunde nach die Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde nach § 162 Abgabenordnung (AO).

13

Von dieser Befugnis hat der Beklagte durch Anwendung der Pauschbeträge aus der Richtsatzsammlung Gebrauch gemacht. Nach Auffassung des Senats durfte der Beklagte aber die Werte der Richtsatzsammlung nicht vollständig unverändert anwenden. Die Klägerin hat überprüfbar dargelegt, dass ihre eigenen Leistungsbezüge zum Regelsteuersatz insgesamt niedriger waren, als die vom Beklagen im Wege der Schätzung angenommene Bemessungsgrundlage der Leistungsentnahmen zum Regelsteuersatz. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass es Sachverhalte geben kann, bei denen Leistungsbezüge, die zum ermäßigten Steuersatz erfolgt sind, in Umsätze einfließen, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Aber auch Derartiges ist im Streitfall nicht ersichtlich. Denn auch gegenüber Dritten hat die Klägerin in den Streitjahren nur geringste Umsätze, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Derartige Umsätze machen für 2010 weniger als 2 v.H. des Gesamtumsatzes der Klägerin aus.

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Danach ergibt sich, dass die unbesehene Übernahme der Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben nach der sog. Richtsatzsammlung im Streitfall nicht erfolgen kann ohne damit gegen § 162 Abs. 1 AO zu verstoßen. Denn die Klägerin hat dargetan, dass die Wertabgaben zum Regelsteuersatz in den Streitjahren niedriger gewesen sein müssen, als sich dies aus der Richtsatzsammlung ergibt. Nicht hingegen hat die Klägerin dargetan, dass die Sachentnahmen insgesamt pro Jahr geringer gewesen wären, als es die Richtsatzsammlung aufzeigt. Deshalb hält es das Gericht für sachgerecht den jeweiligen Jahreswert der Sachentnahmen durch die Gesellschafter/Geschäftsführer insgesamt weiter nach den Werten der Richtsatzsammlung anzusetzen. Es gibt im Streitfall keine Anhaltspunkte, weshalb angenommen werden könnte, dass der Jahresgesamtwert der Sachentnahmen bei der Klägerin geringer ausgefallen wäre, als bei anderen Fleischereibetrieben.

15

Danach war die Umsatzsteuer für die Streitjahre wie folgt festzusetzen:

16
JahrWertabgabe zumDifferenz zumUmsatzsteuerdifferenz (19
Regelsteuersatz lt. UrteilbisherigenAnsatz% ./. 7 %)
alle Beträge in EUR
20072.0503.950474,00
20082.4003.710445,20
20092.1974.362523,44
20102.7464.226507,12
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Die Kosten des Rechtsstreits waren entsprechend dem Erfolg der Klage aufzuteilen. Dabei berücksichtigte das Gericht auch, dass während des Klageverfahrens der Beklagte für 2010 bereits eine Änderung der Steuerfestsetzung vorgenommen hatte.

18

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.