Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 24.09.2015, Az.: L 10 VE 36/13
CPN-4; MPN-11; Radarkommission; Radarmechaniker; Radaroperator
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 24.09.2015
- Aktenzeichen
- L 10 VE 36/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44786
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 18.06.2013 - AZ: S 11 VS 5/06
Rechtsgrundlagen
- Nr 2402 BKV
- § 38 BVG
- § 80 SVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Anerkennung einer Tumorerkrankung als Folge der Tätigkeit an Radargeräten der Bundeswehr.
Tenor:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Juni 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:
Die beklagte Bundesrepublik Deutschland wird unter Aufhebung des Bescheides vom 5. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 verurteilt, der Klägerin ab August 2001 Hinterbliebenenrente zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Die Klägerin ist die Witwe des am I. 1939 geborenen und am 27. Mai 1999 verstorbenen Herrn J. (nachstehend Verstorbener). Dieser war von Januar 1961 bis September 1992 zuletzt im Range eines Stabsfeldwebels als Berufssoldat Angehöriger der Bundeswehr. Von Februar bis August 1971 hat er eine Ausbildung zum Flugsicherungscontroller in der technischen Schule der Luftwaffe in K. absolviert. Danach war er als Operator im Flugsicherungsdienst der Bundeswehr zunächst in L. und sodann bis 1979 in M. tätig. Im April 1999 wurde bei ihm ein Gehirntumor festgestellt. An den Folgen dieser Erkrankung verstarb er trotz der eingeleiteten Bestrahlungsmaßnahmen am 27. Mai 1999.
Im August 2001 beantragte die Klägerin, ihr wegen des Todes ihres Ehemannes Versorgung zu gewähren. Zur Begründung machte sie geltend, die Erkrankung ihres Ehemannes sei auf die Belastung durch Strahlung anlässlich seiner Tätigkeit an den verschiedenen Radaranlagen der Bundeswehr zurückzuführen.
Das – zunächst – beklagte Land Niedersachsen leitete ein Verwaltungsverfahren ein und beteiligte im gesamten Verlauf des Verwaltungsverfahrens durchgängig die jeweils befassten Stellen der Bundeswehr. Die Klägerin reichte Kopien des von ihrem Ehemann geführten Nachweisbuches über die von ihm durchgeführten und betreuten Landeanflüge im Zuge seiner Tätigkeit als Flugsicherungscontroller zu den Akten. Weiter gelangten Teilberichte über die Strahlenbelastung durch verschiedene Radaranlagen, die in der Bundeswehr in der fraglichen Zeit verwendet worden waren, zum Vorgang. Im Verwaltungsverfahren wurde auch der Versorgungsmedizinische Dienst der Bundeswehr beteiligt. Insoweit liegen zwei versorgungsmedizinische gutachtliche Stellungnahmen von Oberfeldarzt Dr. N. vom 18. September 2003 und vom 10. März 2004 vor. In der letztgenannten Stellungnahme gelangte Dr. N. zu der Einschätzung, die erfolglos strahlentherapierte Erkrankung des Ehemanns der Klägerin müsse laut Weisungslage als Wehrdienstbeschädigung (WDB) anerkannt werden, da der Verstorbene an dem Gerät CPN-4 tätig gewesen sei. Daher sei eine Belastung relevanten Ausmasses durch ionisierende Strahlung zu unterstellen und diese als kanzerogen anzusehen.
Das (ehemals) beklagte Land lehnte den Anspruch der Klägerin dennoch mit hier angefochtenem Bescheid vom 5. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es sei nicht nachgewiesen, dass der Ehemann der Klägerin an der Radaranlage AN/CPN-4 tätig gewesen sei, für die nach dem Bericht der Radarkommission des Bundes eine Anerkennung in Betracht komme. Dies lasse sich insbesondere dem vorgelegten Nachweisbuch nicht entnehmen.
Am 17. Mai 2006 ist Klage erhoben worden.
Mit der Klage ist im Wesentlichen geltend gemacht worden, der Ehemann der Klägerin sei im Zeitraum seiner Ausbildung in K. an dem Radargerät AN/CPN-4, welches baugleich mit dem Radargerät MPN-11 sei, ausgebildet worden. Daneben sei der Verstorbene aber auch in seiner normalen Dienstzeit nach dem Lehrgang bis Juli 1979 in erhöhtem Maß ionisierender Strahlung ausgesetzt gewesen. Dies ergebe sich zunächst daraus, dass es in der Bundeswehr üblich gewesen sei, dass die Operatoren an den Radargeräten bei notwendigen Wartungen und Reparaturen, welche durch Radartechniker durchgeführt worden seien, assistiert hätten. Auch anlässlich dieser Assistenzen sei es zu Belastungen der Operatoren durch ionisierende Strahlung in Form von Röntgenstreustrahlung gekommen. Eine weitere Quelle ionisierender Strahlung seien die an den verwendeten Geräten angebrachten Leuchtfarben gewesen, die radioaktive Substanzen enthalten hätten.
Zur Stützung ihres Vortrags hat die Klägerin eine schriftliche Zeugenaussage des ehemaligen Soldaten O. vom 10. Dezember 2007 veranlasst. Dieser hat geschildert, er habe zeitlich etwas nach dem Ehemann der Klägerin denselben Lehrgang absolviert. Er habe dabei anlässlich der von ihm durchzuführenden Übungsanflüge an einem Gerät des Typs MPN-11 gearbeitet.
Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat in der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2013 zunächst die Klägerin persönlich gehört. Diese hat unter anderem geschildert, dass sie ihren Ehemann zum Lehrgang in K. begleitet hatte. Dabei habe sie ihren Ehemann zuweilen von der Arbeit in P. abgeholt. Dieser habe ihr von außerhalb des Fliegerhorstes die Anlagen gezeigt, an denen er gearbeitet habe. Auf einem Bild, dass der Klägerin vorgelegt wurde, hat die Klägerin dann den Trailer wiedererkannt, in dem die Anlage MPN-11 enthalten war. Sodann hat das SG noch den von der Klägerin benannten Zeugen Q. gehört. Dieser hat ebenfalls den fraglichen Lehrgang in K. absolviert, allerdings acht Jahre vor dem Verstorbenen. Er hat weiter bestätigt, dass auf dem Fliegerhorst in P., wo die praktische Ausbildung absolviert wurde, die fragliche Anlage installiert war.
Daraufhin hat das SG das (damals) beklagte Land mit Urteil vom 18. Juni 2013 verurteilt, der Klägerin Beschädigtenleistungen zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es habe sich aufgrund der vorliegenden Zeugenaussagen und der Aussage der Klägerin selbst davon überzeugt, dass der Ehemann der Klägerin an dem fraglichen Radargerät tätig war. Infolge dessen seien die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Erkrankung des Verstorbenen als WDB gegeben. Dafür spreche nach Auffassung des SG auch, dass die Klägerin von der Herstellerfirma des Gerätes eine Entschädigung erhalten habe.
Gegen das am 27. Juni 2013 zugestellte Urteil hat zunächst das ehemals beklagte Land und sodann die ehemals beigeladene Bundesrepublik Deutschland Berufung eingelegt, welche diese dann später zurückgenommen hat.
Zur Begründung der Berufung stützt sich die nunmehr beklagte Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen nach wie vor darauf, es sei nicht nachgewiesen, dass der Verstorbene an dem fraglichen Gerät Dienst getan habe und daher sei er auch nicht in erheblichem Umfang ionisierender Strahlung ausgesetzt gewesen. Es werde zwar eingeräumt, dass das Gerät CPN-4 und das Gerät MPN-11 baugleich seien. Jedoch ergebe sich aus dem Nachweisbuch des Verstorbenen nicht, dass dieser auch am MPN-11 Dienst getan habe. Selbst wenn dies aber unterstellt würde, könne nicht davon ausgegangen werden, dass es zu einer so hohen Belastung gekommen sei, dass dies für die Anerkennung als WDB ausreichend sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Radarkommission bei der Abfassung ihres Berichts und der Abgabe ihrer Empfehlungen davon ausgegangen sei, dass an dem Gerät lange Dienst getan worden sei. Dies treffe aber für die bloße Teilnahme am Ausbildungslehrgang gerade nicht zu. Damit würden unter Berücksichtigung der technischen Berichte zu den einzelnen Anlagen die zu verlangenden Mindestdosen nicht erreicht. Zudem sei es so, dass die von der Radarkommission vorausgesetzte Unterstützung von Radartechnikern durch Operatoren während eines Ausbildungslehrgangs gerade nicht vorgekommen sei. Zudem könne eine Verstrahlung des Kopfes angesichts der Einbauhöhe des als Strahlungsquelle in Betracht kommenden Thyratrons nicht in Betracht kommen. Das ebenfalls verbaute Magnetron könne deswegen nicht als Verstrahlungsquelle in Betracht kommen, weil dessen Strahlung vollständig abgeschirmt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf das erstinstanzliche Urteil und führt im Hinblick auf den Berufungsvortrag der Beklagten aus: Soweit die Beklagte nach wie vor bestreite, dass der Kläger an dem angeschuldigten Gerät tätig gewesen sei, werde dies durch die Zeugenaussagen von Herrn O. und Herrn Q. widerlegt. Sie bezieht sich auch auf ihre eigene Wahrnehmung, wie sie sie in der mündlichen Verhandlung des SG geschildert hat. Soweit die beklagte Bundesrepublik nunmehr bestreite, dass es zu einer Verstrahlung durch das angeschuldigte Gerät gekommen sei, widerspreche dies den Ergebnissen, wie sie die Radarkommission erarbeitet habe.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Im Verlauf des Berufungsverfahrens ist das Gesetz vom 15. Juli 2013 in Kraft getreten, wonach die Durchführung der Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) für die Zeit nach dem Ende des Soldatenverhältnisses nunmehr die Bundeswehrverwaltung zuständig ist. Daher ist das vormals beklagte Land aus dem Verfahren ausgeschieden und die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte in das Verfahren eingetreten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat den damaligen Beklagten zu Recht verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente zu gewähren. Lediglich klarstellend war der Tenor im Hinblick auf die aktuelle Beklagte sowie die zu gewährende Leistung insoweit neu zu fassen. Der Bescheid vom 5. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat aus § 80 Satz 2 SVG in Verbindung mit § 38 Bundesversorgungsgesetz (BVG) einen Anspruch gegen die beklagte Bundesrepublik auf Gewährung von Hinterbliebenenrente. Nach diesen Vorschriften haben die Hinterbliebenen eines Soldaten, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat und daran verstorben ist, Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Der Verstorbene ist an einer WDB verstorben. Bei ihm war die Hirntumorerkrankung, die zu seinem Tod geführt hat, als WDB anzuerkennen.
Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG). Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden (§ 81 Abs. 6 Satz 2 SVG).
Zur Beurteilung von Schädigungsfolgen und der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bzw. des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) ist die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VMG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10. Dezember 2008 (Versorgungsmedizinverordnung) heranzuziehen. Die in den vormals geltenden Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) enthaltenen Erläuterungen zur Kausalitätsbeurteilungen bei einzelnen Krankheitszuständen (Nr. 53 – 143) sind weiter zu berücksichtigen, da die VMG insoweit keine Regelungen getroffen haben. Insoweit ist im Hinblick auf ionisierende Strahlen insbesondere Nr. 143 a) der AHP zu beachten.
Danach gelten die folgenden Grundsätze: Als Schädigungsfolge wird im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist. Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze ist die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Versorgungsrechts. Die Ursache braucht nicht zeitlich eng begrenzt zu sein. Es können auch dauernde oder wiederkehrende kleinere äußere Einwirkungen in ihrer Gesamtheit eine Gesundheitsstörung verursachen. Zu den Faken, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt („voll bewiesen“) sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung. Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt. Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang. Die verbleibende Gesundheitsstörung ist die Schädigungsfolge. Zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung muss eine nicht unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang steht. Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese. Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist (vgl. zum Vorstehenden Teil A Nr. 1a und Teil C Nr. 1 – 3 der VMG).
Vorliegend kommt eine unfallbedingte Verursachung der Erkrankung des Verstorbenen nicht in Betracht.
Für unfallunabhängige Krankheiten bzw. Gesundheitsstörungen nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 SVG bestimmt sich der versorgungsrechtlich geschützte Bereich nach dem SVG nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung, es sei denn, es handelt sich um besondere außerordentliche Belastungen, die typischerweise nur unter den Bedingungen des Wehrdienstes bzw. Krieges auftreten. Die Anerkennung einer durch allmähliche Einwirkungen des Wehrdienstes bzw. wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse verursachten Erkrankung als Schädigungsfolge kommt in Betracht, wenn die Erkrankung nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) in der Berufskrankheitenverordnung (BKV) als Berufskrankheit anerkannt ist, nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Berufskrankheit anerkannt werden könnte oder die angeschuldigten wehrdiensttypischen Belastungen auf kriegsähnliche Belastungen zurückgehen, wie sie in Zivilberufen typischerweise nicht vorkommen (vgl. aus der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 – 9/9a RV 25/92 = SozR 3-3200 § 81 Nr. 8; Urteil vom 10. November 1993, 9/9a RV 41/92 = SozR 3-3200 § 81 Nr. 9; Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 9 BV 55/94; vgl. auch LSG Niedersachsen Urteil vom 27. November 2001 - L 9 VS 19/98; Lilienfeld in Knickrehm <Hrsg>, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 81 SVG Rn 53 mwN aus der Rechtsprechung des BSG).
Diese rechtlichen Maßstäbe hat auch der Bericht der Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA vom 2. Juli 2003, welcher vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzt worden war (nachstehend: Radarkommission), zu Grunde gelegt (vgl. dort S. 112). Die Mitglieder der Kommission haben sachverständig das Wissen, dass über die Entstehung von und die Belastung mit ionisierender Strahlung anlässlich der Tätigkeit an Radaranlagen der Bundeswehr vorhanden ist, zusammengetragen und bewertet. Auf dieser Grundlage haben sie Anerkennungsempfehlungen ausgesprochen. Das Bundesministerium der Verteidigung und das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung folgen den Empfehlungen dieser Radarkommission (Rundschreiben des BMGS vom 20. Oktober 2003, 435 - 65517 abgedruckt in BArbBl 2003, 12-85). Da in Folge der besonderen Sachlage die Exposition (z.B. konkrete Strahlendosis) im Einzelfall nicht mehr ermittelbar sei, sei - bei Vorliegen der von der Radarkommission aufgestellten Voraussetzungen - die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Strahlenexposition und bösartiger Erkrankung unterstellt. Die Frage einer Kannversorgung stelle sich daher in diesen Fällen nicht (dazu Lilienfeld aaO Rn 61).
Für die von der Klägerin im Hinblick auf den Verstorbenen geltend gemachten Strahlenschäden ist vorliegend die Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage zur BKV einschlägig – „Erkrankungen durch ionisierende Strahlen.“
Die Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 2402 der Anlage zur BKV setzt üblicherweise den Nachweis einer entsprechenden Strahlendosis durch Ganz- oder Teilkörperbestrahlung, Kontamination oder Inkorporation voraus (vgl. LSG Baden Württemberg, Urteil vom 15. Dezember 2011 – L 6 VS 4157/10 – zitiert nach juris Rn. 57).
Eine konkrete und nachvollziehbar bezifferbare Strahlenbelastung des Verstorbenen ist indessen hier weder nachgewiesen im Sinne einer persönlich festgestellten Dosis noch ist sie im Nachhinein nachweisbar.
Es steht indessen fest, dass der Verstorbene in der Zeit, in der er zum Operator an Radaranlagen der Bundeswehr ausgebildet worden ist und sodann als solcher bis 1979 tätig war, Strahlenexpositionen ausgesetzt war. Das Maß in dem dies der Fall war, lässt sich im Nachhinein indessen nicht mehr feststellen, weil Angehörige der Bundeswehr abweichend von den Verpflichtungen der Röntgenverordnung anlässlich dieser Tätigkeiten und im Unterschied etwa zu Personal in medizinischen Einrichtungen, welches an Röntgengeräten oder im strahlentherapeutischen Bereich tätig war, nicht mit persönlichen Nachweismöglichkeiten der empfangenen Strahlendosen (Dosimetern o.ä.) ausgestattet war und auch nicht verpflichtet war, derartiges zu tragen (Bericht der Radarkommission S. 10 f). Infolgedessen können im Nachhinein - jedenfalls für die Zeit, in der der Verstorbene an Radargeräten tätig war - keine personenbezogenen Dosiswerte festgestellt werden. Auch eine zuverlässige oder auch nur obere Abschätzung der Exposition durch Röntgenstörstrahlung hält die Radarkommission rückwirkend nicht für möglich, da die Daten- und Informationsbasis unzureichend ist. Eine Übertragung der Ergebnisse späterer Messungen der Strahlenmesstellen der Bundeswehr auf frühere Expositionszeiträume ist danach in der Regel nicht möglich, da eine Vielzahl von Einflusssfaktoren nicht mehr rekonstruierbar ist (Bericht der Radarkommission S. III und zusammenfassend S. 20). Angesichts der Ausführungen der Radarkommission hinsichtlich der Unzuverlässigkeit der erhobenen Messwerte ausdrücklich hinsichtlich des AN/CPN-4 (S. 22 unter Bezugnahme auf Äußerungen des TÜV) vermögen die Ausführungen der Schwerpunktgruppe Radar im Vermerk vom 21. September 2015 (Bl. 488 der Gerichtsakte), wonach eine Reihe von Messungen aus den Jahren 1958 bis 1966 an diesem Gerät vorliegen, keine Überzeugungskraft in der Hinsicht zu entfalten, dass aus diesen Messwerten Anhaltspunkte für eine geringe Belastung gewonnen werden können.
Der Verstorbenen war - unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Radarkommission - insbesondere in der Zeit der Ausbildung in K. vom 8. Juli bis zum 4. August 1971 einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt.
Der Senat hat sich die Überzeugung gebildet, dass der Kläger in dieser Zeit an dem Gerät mit der Typenbezeichnung AN/MPN-11 tätig war. Dies ergibt sich für den Senat aus verschiedenen Gesichtspunkten.
Zunächst hat die Klägerin anlässlich ihrer Vernehmung durch das SG bekundet, sie habe ihren Mann anlässlich des Lehrgangs in K. begleitet und diesen mehrfach von der Arbeit am Fliegerhorst P. abgeholt. Anlässlich dieser Abholungen habe ihr Ehemann ihr vom Rande des Flugfelds seinen Arbeitsplatz gezeigt. Sie habe auf den ihr vorgelegten Fotos den Trailer wiedererkannt, in dem dieses Gerät untergebracht gewesen sei. Die Klägerin hat diese Bekundung auch anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in glaubwürdiger Weise wiederholt. Hieraus ergibt sich zunächst, dass der Verstorbene ebenso wie der schriftlich gehörte Zeuge O. und der auch vom SG in der mündlichen Verhandlung gehörte Zeuge Q. den praktischen Teil seiner Ausbildung in K. auf dem Fliegerhorst in P. absolviert hat. Sodann ergibt sich aus der Aussage der Klägerin, dass diese den Trailer des Geräts wiedererkannt hat. Das SG hat diese Aussage für glaubwürdig gehalten und die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. Der Senat hat im Verwaltungsvorgang die Bilder der verschiedenen in Betracht kommenden Radaranlagen (Bl 382, 399, 404, 416 der Verwaltungsvorgänge) zur Kenntnis genommen. Diese unterscheiden sich recht deutlich in ihrer äußeren Erscheinung, so dass die Aussage der Klägerin auch für den Senat nachvollziehbar ist. Daneben hat der schriftlich gehörte Zeuge O., der den gleichen Lehrgang wie der Verstorbene absolviert hat, bestätigt, dass er ebenfalls in P. den praktischen Teil der Ausbildung absolviert hat. Auch dieser Zeuge hat angegeben, an dem Gerät AN/MPN-11 ausgebildet worden zu sein. Da dessen Ausbildung im Jahre 1972 (vgl. das Zeugnis vom 19.4.1972 = Bl. 61 der Gerichtsakte) kurz nach der Ausbildung des Verstorbenen stattgefunden hat, spricht einiges dafür, dass sie in der gleichen Weise erfolgt ist. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Aussage des Zeugen Q. anlässlich der mündlichen Verhandlung des SG, welcher ebenfalls einen gleichartigen Ausbildungsverlauf und die Ausbildung an diesem Gerät geschildert hat, wenngleich diese bereits acht Jahre zuvor erfolgt ist.
Gegen diese Überzeugungsbildung sprechen nach Auffassung des Senats nicht die Eintragungen im Nachweisbuch des Verstorbenen hinsichtlich der von ihm während der Ausbildung radargeführten Anflüge. Zwar ist dort die Zeile für das Gerät AN/MPN-11 durchgestrichen (Blatt 332 des Verwaltungsvorgangs). Ähnliche Eintragungen finden sich indessen auch in den Nachweisbüchern des Zeugen O. und des Zeugen Q.. Im Nachweisbuch des Zeugen Lange (Bl. 410 der Gerichtsakte) ist zwar die Zeile für das Gerät AN/FPN-11 ausgefüllt. Aus der Eintragung in der Spalte 8 ergibt sich indessen, dass die dortigen Eintragungen auch Landeanflüge umfassen sollen, die mit dem Gerät FPN 36 durchgeführt worden sind. Diese Anflüge sind also in den Angaben für AN/FPN-11 mitenthalten. Im Nachweisbuch des Zeugen O. (Bl. 265 der Gerichtsakte), welches vom selben Major R. ausgefüllt worden ist, der auch das Nachweisbuch des Verstorbenen ausgefüllt hat, ist die Zeile für das AN/FPN-11 genau wie im Nachweisbuch des Verstorbenen durchgestrichen. Eintragungen sind nur in der Zeile für das Gerät AN/FPN 36 vorgenommen. Für diesen Zeugen ist aber anerkannt, dass er an dem - durchgestrichenen - AN/FPN-11 ausgebildet worden ist. Nach Auffassung des Senats spricht daher weit überwiegendes dafür, dass der mittlerweile - nach Auskunft der Beklagten - verstorbene Hörsaalleiter während der Ausbildung, der damalige Major S. die betreuten Landeanflüge zusammengefasst und unabhängig davon, an welchem Gerät die Landesanflüge absolviert worden sind, eingetragen hat.
Gegen diese Überzeugungsbildung spricht auch nicht, dass die Beklagte einwendet, das Gerät AN/FPN-11 sei bereits Ende der sechziger Jahre ausgemustert worden und habe daher zur Ausbildung des Verstorbenen gar nicht mehr zur Verfügung gestanden. Dieser Vortrag ist schon deswegen widerlegt, weil der Zeuge O. zeitlich nach dem Kläger in P. ausgebildet worden ist und seine Ausbildung an eben diesem Gerät absolviert hat. Dies ist von der Beklagten nicht bestritten worden und hat wohl auch zur Anerkennung einer WDB bei dem Zeugen O. geführt. Dagegen spricht auch, dass die Klägerin das Gerät noch selbst auf dem Fliegerhorst in P. wahrgenommen hat.
Der Hinweis der Beklagten kann hingegen ein Indiz dafür sein, dass es sich wohl um relativ alte Anlagen gehandelt hat. Insoweit ist aber nach den Ausführungen des Berichts der Radarkommission (S. 6) zu berücksichtigen, dass bei alten Geräten vielfach die Ladespannung erhöht werden musste. Dieses hat dann zu einer erhöhten Durchdringungsfähigkeit und einer erhöhten Dosisleistung geführt. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Ladespannung an dem hier fraglichen Thyratron höher als die angegebenen 16 KV (vgl. Bl 385 des Verwaltungsvorgangs) war, was zu einer höheren empfangenen Dosis bei dem Verstorbenen geführt haben könnte, als dies bei normaler Ladespannung der Fall gewesen wäre.
Gegen die Überzeugungsbildung des Senats spricht auch nicht der Vortrag der Beklagten, es könne zwar sein, dass das Gerät in P. noch existiert habe, indessen hätten verschiedene Geräte zur Ausbildung zur Verfügung gestanden und der Verstorbene sei eben an einem anderen Gerät ausgebildet worden. Dem steht zunächst die Aussage der Klägerin gegenüber, die das SG für glaubwürdig gehalten hat, wonach der Verstorbene ihr genau dieses Gerät gezeigt habe und berichtet habe, daran gearbeitet zu haben. Dem ist die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht mehr entgegen getreten und dem Senat stehen auch keine besseren Erkenntnisse zur Verfügung. Die Beklagte hat auch keine weiteren Belege für ihren diesbezüglichen Vortrag vorgelegt, so dass es sich um einen Vortrag „ins Blaue hinein“ handeln dürfte.
Auch der Hinweis der Beklagten auf die verschieden ausgefüllten Prüfungsberichte hinsichtlich des Zeugen O. einerseits und des Verstorbenen andererseits vermag nicht zu einem abweichenden Ergebnis zu führen.
Hinsichtlich des Geräts AN/MPN-11 räumt indessen auch die Beklagte nach anfänglichem Bestreiten nunmehr im Klageverfahren ein, dieses sei identisch mit dem Gerät AN/CPN-4 (vgl. Vermerk der Schwerpunktgruppe Radar vom 1. Dezember 2006 = Bl. 37 der Gerichtsakte sowie Stellungnahme der AG Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar in der Wehrbereichsverwaltung Nord vom 28. November 2006 = Bl. 43 der Gerichtsakte). Hierbei handelt es sich um jenes Gerät, welches auch im Bericht der Radarkommission erwähnt worden ist (vgl. etwa Seite 44 des Berichts). Die Schwerpunktgruppe Radar räumt in ihrem Vermerk vom 8. Juli 2008 (Bl. 125 der Gerichtsakte) auch ein, dass eine Belastung durch Röntgenstörstrahlung bei einer Tätigkeit als Operator schon wegen der räumlichen Nähe zu Senderschränken gegeben ist. Sie geht in diesem Vermerk - im Gegensatz zum jetzigen Vortrag - auch nicht davon aus, dass dies nur bei einer längeren Dienstzeit an dem Gerät der Fall war. Dies deckt sich mit den Ausführungen von Oberfeldarzt Dr. N. in seiner medizinisch gutachtlichen Stellungnahme vom 10. März 2004 (Bl. 435 des Verwaltungsvorgangs). Dieser führt aus, da nun nachgewiesen sei, dass der Verstorbene in Phase I und II (zu dieser zeitlichen Einteilung vgl. den Bericht der Radarkommission S. 130) am CPN-4 (= AN/FPN-11) gearbeitet habe, sei laut Weisungslage eine Belastung relevanten Ausmaßes durch ionisierende Strahlung zu unterstellen und diese als kanzerogen anzusehen. Er hat daher auch vorgeschlagen einen „erfolglos strahlentherapierten Hirntumor“ als WDB-Folge anzuerkennen.
Der Bericht der Radarkommission bestätigt insoweit auch den Vortrag der Klägerin, wonach Operatoren in diesen Geräten bei Reparaturen und Einstellarbeiten, die eigentlich von Mechanikern vorzunehmen waren, hinzugezogen wurden (S. 44 des Berichts der Radarkommission). Dem Verstorbenen kann damit nicht nur die Dosis an Strahlenbelastung zugerechnet werden, die ihm aus der Tätigkeit als Operator an diesem Radargerät während der Ausbildungszeit vom 8. Juli bis zum 4. August 1971 empfangen hat, sondern es muss auch davon ausgegangen werden, dass er anlässlich einzelner Einstell- oder Reparaturarbeiten von einem Mechaniker hinzugezogen wurde.
Soweit die Beklagte gerade dies für Lehrgangsteilnehmer nunmehr im Berufungsverfahren erstmals bestreitet, hat sie hierfür keine Belege vorgelegt und der Senat vermag sich hiervon nicht zu überzeugen. Wenn es zutrifft, wie von der Radarkommission berichtet, dass Operatoren immer wieder zu solchen Arbeiten herangezogen wurden, so lag es nahe, diese anlässlich ihrer Ausbildung im einschlägigen Lehrgang hierauf auch vorzubereiten. Warum dies nicht erfolgt sein sollte, erhellt aus den Schriftsätzen der Beklagten nicht. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich für den Senat auch, dass der Verstorbene anlässlich dieser Unterstützungstätigkeit - unabhängig von der Einbauhöhe der Röntgenstörstrahlung verursachenden Röhren - einer Strahlenbelastung am Kopf ausgesetzt war. Wenn er bei derartigen Arbeiten assistierte, musste er sich zweifellos auch zum Ort der Arbeiten hinunter beugen. Dies gilt auch für die gesamte Zeit der Tätigkeit des Verstorbenen als Radaroperator bis 1979.
Der Verstorbene erfüllt damit die von der Radarkommission aufgestellten Voraussetzungen für eine Anerkennung seiner Tumorerkrankung als WDB.
Der Senat lässt dahin stehen, ob es sich beim Bericht der Radarkommission um ein antizipiertes Sachverständigengutachten handelt (so im Urteil des 5. Senates des erkennenden Gerichts vom 13. Februar 2008, L 5 VS 11/05 - zitiert nach juris dort eingehend unter Rn 29 ff; der 12. Senat des erkennenden Gerichts spricht in seinem Urteil vom 24. Oktober 2013, L 12 VS 4/09 davon, der Bericht der Radarkommission gewähre Beweiserleichterungen neben der gesetzlichen Beweiserleichterung in § 15 KOVVfG; anders etwa LSG Baden-Württemberg Urteil vom 15. Dezember 2011, L 6 VS 4157/10 und vom 13. Dezember 2012, L 6 VS 1867/09; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 23. Oktober 2012, L 2 VS 13/11 zitiert nach juris). Die Radarkommission hat jedenfalls die ihr bekannten und ermittelten Daten und Fakten sowohl hinsichtlich der in der Bundeswehr festzustellenden Tatsachen als auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Diskussion zusammengetragen und ausgewertet und Empfehlungen ausgesprochen, die in die ständige Verwaltungspraxis der Bundeswehr eingeflossen sind (vgl. dazu die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage vom 28. Juli 2006, BT Drs. 16/2320 durchgehend). Dies ergibt sich auch aus den zahlreichen Stellungnahmen der Schwerpunktgruppe Radar, die in das Verfahren eingeflossen sind. Es ergibt sich weiter aus der bereits zitierten versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. N., der von einer „Weisungslage“ spricht. Auch dem Senat ist allgemein bekannt, dass der Bundesminister der Verteidigung nach Erstattung des Berichts der Radarkommission zugesagt hat, deren Empfehlungen würden „eins zu eins“ umgesetzt (dazu erneut Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage vom 28. Juli 2006, BT Drs. 16/2320 S. 1). Vor diesem Hintergrund wäre zu prüfen, ob die Empfehlungen der Radarkommission zu „Verwaltungsrichtlinien“ erstarkt sind, auf deren gleichmäßige Anwendung die Klägerin aus Artikel 3 Grundgesetz einen Rechtsanspruch geltend machen kann oder ob schon aus der Praxis einer ständigen Verwaltungsübung ein solcher Anspruch folgt (vgl. insoweit erneut die in BT Drs. 16/2320 S. 2 aufgelisteten Zahlen). Dies mag für die Entscheidung dieses Verfahrens aber letztlich dahin stehen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass bei Erfüllen der von der Radarkommission formulierten Voraussetzungen vom Vorliegen der schädigenden Einwirkung einerseits und von der Kausalität dieser Einwirkung für die dann eingetretene Erkrankung ausgegangen werden muss.
Der Verstorbene hat die von der Radarkommission aufgestellten Voraussetzungen jedenfalls erfüllt.
Bei ihm ist ein maligner Tumor im Kopf festgestellt worden. Die Klägerin hat insoweit die ihr zur Verfügung stehenden ärztlichen Berichte vorgelegt. Der Arztbrief des Allgemeinen Krankenhauses T. vom 26. April 1999 (Bl. 18 des Verwaltungsvorgangs) spricht insoweit von einem hirneigenen malignen pontinen Tumor.
Zwar ist in der Empfehlung der Radarkommission ein Tumor des Kopfes nicht in die Tabelle 9-1 aufgenommen worden. Zu beachten ist indessen, dass in diese Tabelle nur die Organe aufgenommen wurden, für die der Radarkommission einschlägige Untersuchungen vorgelegen haben. Für alle anderen Organe – also auch für den Kopf – ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Zu beachten ist insoweit, dass sowohl nach den Ermittlungen der Radarkommission als auch im Berufskrankheitenrecht anerkannt ist, dass Tumore des Hirns mit mittlerer Wahrscheinlichkeit auf Strahlenbelastung zurückgeführt werden können (vgl. hierzu Bericht der Radarkommission S. 76,79 sowie die wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit 2402 abgedruckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2402 Seite 17). Aus der von der Radarkommission veröffentlichten Tabelle lässt sich also nicht schließen, dass sich hier ein abdrängendes Kriterium für die Anerkennung der WDB findet. Auch die Bundesregierung geht davon aus, dass alle bösartigen Tumorerkrankungen mit Ausnahme der chronisch lymphatischen Leukämie qualifizierend sind (BT Drs. 16/2320 S. 4). Soweit im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weitere Ausnahmen diskutiert werden (Hodentumore, maligne Melanome und Hodgkin-Lymphome vgl. dazu Lilienfeld aaO Rn 61 Fn 108; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1181) stehen diese hier auch nicht zur Debatte.
Auch der Vortrag der Beklagten angesichts der Einbauhöhe der Röntgenstörstrahlung aussendenden Röhren in 60 - 80 cm Höhe lege die Induzierung einer Tumorerkrankung im Kopf nicht nahe, vermag nicht zu überzeugen. Dies blendet zunächst aus, dass der Verstorbene jedenfalls anlässlich seiner Tätigkeit in H. am AN/MPN-11 in geringer Entfernung vor dem Strahlung aussendenden Bauteil gesessen hat. Damit war der Kopf naturgemäß niedriger positioniert. Sodann ist für die gesamte Tätigkeit des Verstorbenen als Hilfe für Mechaniker bei Wartung und Reparatur ebenfalls davon auszugehen, dass der Kopf näher an der Strahlenquelle positioniert war.
Zwischen der Tätigkeit des Verstorbenen als Radarcontroller und der Manifestation des Tumors ist auch eine Latenzzeit von mehr als fünf Jahren verstrichen (vgl. Bericht der Radarkommission Seite 135). Auch eine Latenzzeit von mehreren Jahrzehnten spricht nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nicht gegen eine Verursachung (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 1184).
Die Radarkommission hat im Weiteren die Tätigkeit als Bediener (Operator) an den Radaranlagen als qualifizierend angesehen ohne zwischen den verschiedenen Radaranlagen zu differenzieren. Sie hat auch nicht von Mindestdienstzeiten gesprochen, die im Dienst an Radaranlagen zurück gelegt sein müssen.
Allein aus diesen Umständen kann geschlossen werden, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer WDB in der Person des Verstorbenen vorliegen.
Daneben ist aber weiter zu berücksichtigen, dass der Verstorbene in seiner weiteren beruflichen Tätigkeit für die Bundeswehr bis 1979 als Operator an Radaranlagen der Bundeswehr tätig war. Diese zeitliche Phase fällt weit überwiegend in die Zeit, die von der Radarkommission als Phase 1 mit noch ungenügendem Strahlenschutz in den Anlagen der Bundeswehr bezeichnet worden ist. Insoweit ergibt sich auch für diese Phase, dass der Verstorbene nicht nur als Operator tätig war. Vielmehr war er entsprechend seinem Vortrag wenigstens teilweise auch als Hilfspersonal für Radarmechaniker tätig und dürfte in dieser Zeit weitere Strahlendosen durch Röntgenstreustrahlung empfangen haben (vgl. nochmals S. 44 des Berichts der Radarkommission). Soweit die Beklagte einwendet, anlässlich der Tätigkeiten nach dem Lehrgang auf den Flugplätzen in Ahlhorn und Fassberg habe der Kläger im Tower und nicht in mobilen Anlagen direkt neben den Störstrahlung erzeugenden Röhren verrichtet, vermag dies nur teilweise zu überzeugen. Insoweit hat die Klägerin für den Senat überzeugend vorgetragen, dies sei nicht von Anfang an der Fall gewesen. Zu Anfang sei die Tätigkeit durchaus auch in L. und in M. in mobilen Trailern verrichtet worden. Zudem sei es so gewesen, dass bei Defekten auch der Operator aus dem Tower vereinzelt hinzugezogen worden sei. Diesem Vortrag ist die Beklagte insgesamt nicht entgegen getreten. Sie hat insbesondere keinerlei Unterlagen darüber vorgelegt, wie die baulichen Verhältnisse auf den beiden fraglichen Flugplätzen zur relevanten Zeit waren.
Eine weitere Belastung des Verstorbenen mit Strahlung ergibt sich aus der Verwendung von radiumhaltiger Leuchtfarbe in den auch vom Verstorbenen genutzten Anlagen der Bundeswehr, die auch von der Beklagten eingeräumt wird. Zwar ist nicht erkennbar, dass der Verstorbene auch mit dem Abfeilen und Neuauftragen von radiumhaltiger Leuchtfarbe befasst gewesen ist, wie das wohl bei Radarmechanikern im fraglichen Zeitraum der Fall war (vgl. dazu den Bericht der Radarkommission S. 132). Aber auch für das bloße Berühren der nicht berührungssicher abgedeckten Leuchtfarbe geht die Radarkommission von einer Belastung aus (dazu ebenda S. 138). Insoweit war vom Senat nicht zu prüfen, ob dies bei dem Verstorbenen in einer Dosis erfolgt ist, die allein zur Anerkennung einer WDB berechtigen würde. Festgestellt werden kann indessen, dass es insoweit zu einer weiteren Belastung des Verstorbenen gekommen ist. Da die radiumhaltige Leuchtfarbe nach den Erhebungen der Radarkommission auf den Konsolen direkt vor dem Gesicht der Radaroperatoren angebracht war, liegt auch die Vermutung nahe, dass dies - wenn auch wahrscheinlich in geringem Umfang - zur weiteren Belastung des später erkrankten Hirngewebes des Verstorbenen beigetragen hat.
Auch solche möglicherweise geringen Beiträge beruflich induzierter Strahlung sind angesichts der stochastischen Wirkung dieser Belastung (vgl. dazu S. 73 f des Berichts der Radarkommission und auch die Ausführungen bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 1181 f) risikoerhöhend zu berücksichtigen. Auch insoweit war der Senat angesichts des Vorstehenden nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst.
Somit stehen die tatbestandlichen Voraussetzungen (Wehrdienstverrichtung, gesundheitliche Schädigung und wehrdiensteigentümliche Verhältnisse in Gestalt der nicht mehr aufklärbaren Arbeitsplatzverhältnisse) für die Anerkennung einer WDB fest und deren kausale Verknüpfung ist unter Zugrundelegung der Erkenntnisse der Radarkommission wahrscheinlich gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.
Anlass, die Revision in Anwendung von § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.