Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.09.2015, Az.: L 15 P 36/12

Versorgungsvertrag für die vollstationäre Pflege; Anforderungen an eine Pflegeeinrichtung; Ausschlusstatbestand; Vorrangiger Zweck einer Einrichtung; Anforderungen an den Abschluss eines Versorgungsvertrags mit einer Pflegeeinrichtung in der sozialen Pflegeversicherung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
17.09.2015
Aktenzeichen
L 15 P 36/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 37750
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2015:0917.L15P36.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - AZ: S 9 P 93/10

Fundstelle

  • ZfSH/SGB 2016, 248-251

Amtlicher Leitsatz

Eine Einrichtung, von der behinderte Menschen mit einer Pflegestufe nur im erwerbsfähigen Alter aufgenommen und in Ermangelung hauseigener Angebote für die Strukturierung des Tages regelmäßig für sieben bis acht Stunden werktäglich in eine Werkstatt für Behinderte gebracht werden, hat keinen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages für die vollstationäre Pflege.

Redaktioneller Leitsatz

1. Maßgeblich für die Eigenschaft einer Einrichtung, stationäre Pflegeeinrichtung im Sinne von § 71 Abs. 2 SGB XI zu sein und damit unter den weiteren Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 SGB XI Anspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages für die voll- oder teilstationäre Pflege zu haben, bleibt in jedem Fall, dass die Einrichtung nicht dem Ausschlusstatbestand des § 71 Abs. 4 SGB XI unterfällt.

2. Dieser schließt - ungeachtet aller anderweitigen Beurteilungskriterien - alle Einrichtungen aus dem Kreis möglicher Formen von Pflegeeinrichtungen aus, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen oder bei denen es sich um Krankenhäuser handelt.

3. Maßgeblich für die Beurteilung ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift insoweit der vorrangige Zweck der Einrichtung.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 50.000 EUR festsetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagten zu verpflichten sind, mit der Klägerin einen Versorgungsvertrag für die vollstationäre Pflege in der Einrichtung O. in P. abzuschließen. Bei der Klägerin handelt es sich um eine wirtschaftlich verselbständigte Betreibergesellschaft unter dem Dach der Holding der Q., die seit 2008 40 Pflegeplätze für körperbehinderte junge Erwachsene mit einer Pflegestufe anbietet. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin zu den Gerichtsakten gereichte "Konzeption Pflegewohneinrichtung O." Bezug genommen. Nach ihrer im Internet veröffentlichten Selbstbeschreibung nimmt die Einrichtung vorrangig Personen aus dem Einzugsgebiet der Förderschule R. in P. auf; dabei werden Mehrfachbehinderte berücksichtigt, wenn die körperliche Behinderung im Gesamtbehinderungsbild im Vordergrund steht. Eine eigene Tagesstruktur innerhalb der Einrichtung wird nicht angeboten. Als tagesstrukturierende Maßnahme sollen die Bewohner der Pflegeeinrichtung in der Regel und im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Werkstatt für Behinderte beim S. in T. besuchen. Der Jahresbericht 2014 der U. teilt hierzu mit, dass alle Bewohner die benachbarte Werkstatt für behinderte Menschen besuchen. Den Antrag der Klägerin vom 18. Dezember 2008 auf Abschluss eines Versorgungsvertrages lehnten die Beklagten mit Bescheid vom 23. April 2009 ab. Zur Begründung bezogen sie sich auf eine vom MDK-V. vorgenommene Prüfung vor Ort, nach der im Tagesablauf die Wiedereingliederung der Bewohner überwiege. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI, in der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund stünden. Die pflegerischen Aufwendungen seien daher auf der Grundlage von § 43a SGB XI abzugelten. Mit ihrer hiergegen am 20. Mai 2009 erhobenen Klage hat sich die Klägerin auf abweichende Stellungnahmen des W. vom 23. Juni 2008 sowie des X. vom 18. September 2008 bezogen und ausgeführt, die Besonderheit der Einrichtung bestehe lediglich darin, dass die Bewohnerinnen und Bewohner auf Wunsch tagesstrukturierende Maßnahmen in einer Werkstatt für Behinderte in Anspruch nehmen könnten. Demgegenüber würden in der Einrichtung selbst alle Anforderungen an eine Pflegeeinrichtung erfüllt. Der Anteil von Pflegebedürftigen der Pflegestufe III übersteige sogar den Bundesdurchschnitt. Weder der Umstand, dass die Bewohnerinnen und Bewohner behindert seien, noch der Umstand, dass mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe eine Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossen worden sei, die neben der im Vordergrund stehenden Hilfe zur Pflege auch tagesstrukturierende Maßnahmen zum Gegenstand habe, stehe dem geltend gemachten Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages entgegen. Soweit es darauf ankomme, welches Ziel in der Einrichtung vorrangig verfolgt werde, liege der Schwerpunkt der erbrachten Leistungen in der Pflege; die überwiegende Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner gehöre nämlich der Pflegestufe II oder der Pflegestufe III an, sodass der Hilfebedarf für die Verrichtungen nach § 14 Abs. 4 SGB XI mindestens drei bzw. fünf Stunden täglich betrage. Hinzu trete der Bedarf an Behandlungspflege und der weitergehende Betreuungsbedarf bei der Motivations- und Kommunikationsförderung. Die Belegungsstruktur weise dabei einen im Durchschnitt größeren Hilfebedarf bei den Verrichtungen des täglichen Lebens aus als eine durchschnittliche Einrichtung der stationären Dauerpflege, die einen Versorgungsvertrag erhalte. Die Beklagten sind der Rechtsauffassung der Klägerin entgegen getreten und haben dargelegt, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung sich von Montag bis Mittwoch zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr sowie an Donnerstagen und Freitagen zwischen 8.00 Uhr und 15.00 Uhr regelhaft in der Behindertenwerkstatt des Y. in T. befänden. Der MDK habe im Rahmen seiner Überprüfung festgestellt, dass sich mit Ausnahme von zwei erkrankten Bewohnern alle übrigen Bewohner in der Werkstatt für behinderte Menschen in T. aufgehalten hätten. Der von ihm gezogene Schluss, dass an den Werktagen in der zeitlichen Abfolge des Tagesablaufs die Wiedereingliederung überwiege, treffe zu. Bei der Klägerin handele es sich mithin um eine Einrichtung i.S.v. § 71 Abs. 4 SGB XI, in der die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft überwögen. Mit Urteil vom 13. April 2012 hat das Sozialgericht Oldenburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin durch § 71 Abs. 4 SGB XI vom Abschluss eines Versorgungsvertrages ausgeschlossen werde. Bei unvoreingenommener, verständiger Betrachtung sei ohne weiteres erkennbar, dass die Einrichtung von einer ganzheitlichen Förderung der Behinderten geprägt werde, wie sie den anerkannten Zielen und Methoden der Eingliederungshilfe entspreche. Ob eine stationäre Einrichtung als Pflegeheim oder als nicht zulassungsfähige Einrichtung zu bewerten sei, richte sich nach dem im Vordergrund stehenden Zweck der Einrichtung und nicht nach dem Ausmaß, in welchem daneben Pflegeleistungen erbracht würden (Bezugnahme auf LSG Sachsen, Urteil vom 03.02.1999, L 1 P 7/98). Die Zwecksetzung der Einrichtung bestimme sich hierbei in erster Linie nach ihrer schriftlichen Konzeption sowie der tatsächlichen Umsetzung in personellen Bereichen und im Hinblick auf das Leistungsangebot (Bezugnahme auf LSG Thüringen, Urteil vom 25.10.2000, L 6 P 129/97, Rn. 44). Zwar möge es zutreffen, dass die pflegerischen Aufwendungen den Bemühungen um berufliche und soziale Rehabilitation bzw. Eingliederung zumindest gleichrangig gegenüberstünden. Insoweit komme es jedoch weniger auf eine quantitative als vielmehr auf eine qualitative Betrachtung an. Für die Kammer liege der entscheidende Aspekt darin, dass es sich unter Würdigung sämtlicher vorhandener Unterlagen bei dem Z. um eine Einrichtung handele, welche gegenüber ihren Bewohnern einen ganzheitlichen Pflege- und Betreuungsansatz entsprechend dem Konzept der Eingliederungshilfe verfolge. Dies gelte ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang auch in erheblichem Umfang Pflegeleistungen gem. § 14 SGB XI erbringe. Mit ihrer am 15. Mai 2012 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, das Urteil des Sozialgerichts erwecke den Eindruck, als schließe das SGB XI jede Form der Kumulation von Leistungen der Eingliederungshilfe mit Pflegeleistungen in zugelassenen stationären Pflegeeinrichtungen aus. Dies treffe indessen nicht zu. Ergänzende Leistungen des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Tagesstrukturierung und der sozialen Betreuung hinderten den Abschluss eines Versorgungsvertrages nach § 72 SGB XI nach richtiger Auffassung nicht. Vielerorts in der Bundesrepublik Deutschland seien nach Einführung der Pflegeversicherung entsprechende Vereinbarungen zustande gekommen. Auch nach einem Rechtsgutachten des Deutschen Vereins AA. e.V. gebe es keine zwingende rechtliche Exklusivität zwischen ergänzenden Leistungen der Eingliederungshilfe einerseits und Leistungen der Pflegeversicherung nach § 43 SGB XI andererseits. Gegenstand der Kostenträgerschaft der Pflegeversicherung sei hierbei nach § 43 Abs. 1 SGB XI die Übernahme der pflegebedingten Aufwendungen, der Aufwendungen für soziale Betreuung und der Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Dabei sei fraglich, wie der Begriff der sozialen Betreuung im Leistungsrahmen des SGB XI inhaltlich zu bestimmen sei und ob er inhaltlich Leistungen der Eingliederungshilfe einschließe, bzw. wie er von diesen abzugrenzen sei. In der Gesetzesbegründung zum ersten SGB XI-Änderungsgesetz werde ausgeführt, dass das vollstationäre Pflegeheim mehr sei als eine Einrichtung, in der pflegebedürftige Menschen Grundpflege, Unterkunft und Verpflegung erhielten. Vielmehr komme der sozialen Beratung und Betreuung der Pflegebedürftigen im Heim eine zentrale Bedeutung zu. Anhaltspunkte für deren Inhalte seien der Empfehlung nach § 75 Abs. 5 SGB XI vom 25. November 1996 zu entnehmen, nach der die Pflegeeinrichtung durch Leistungen der sozialen Betreuung für die Pflegebedürftigen einen Lebensraum gestalten solle, der ihnen die Führung eines selbständigen und selbstbestimmten Lebens ermögliche sowie zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft innerhalb und außerhalb der Einrichtung beitrage. Damit werde die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft und die Gestaltung dieses Lebens in der Gemeinschaft als Teil der sozialen Betreuung i.S.v. § 43 SGB XI beschrieben. Hieraus folge, dass die Erbringung von Maßnahmen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben als Leistungsbestandteil nach § 43 SGB XI nicht per se dazu führen könne, dass eine Einrichtung, die soziale Betreuungsleistungen erbringe, als solche der Eingliederungshilfe einzuordnen sei. Soweit § 55 SGB XII für die Eingliederungshilfe in Einrichtungen vorsehe, dass von ihr auch die Pflegeleistungen - mit der Folge einer anteiligen Finanzierung durch die Pflegekassen gem. § 43a SGB XI - umfasst seien und § 71 Abs. 4 SGB XI hiermit korrespondierend vorsehe, dass Einrichtungen, in denen die Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stünden, keine Pflegeeinrichtungen darstellten, sei das Sozialgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Abgrenzung der Leistungsbereiche insbesondere auf die Ziele der Hilfe ankomme. Soweit es dabei weiterhin davon ausgegangen sei, dass es nicht auf den quantitativen Anteil der von den Bewohnern und Bewohnerinnen benötigten Leistungen ankomme, sondern auf den qualitativen Schwerpunkt der Einrichtung, sei es allerdings zu unzutreffenden Schlüssen gelangt. Tatsächlich liege der Schwerpunkt der Einrichtung in der Erbringung von Pflegeleistungen. Insoweit bestimme Ziff. 2.2 der Konzeption, dass das Vorliegen eines die Pflegestufe I erreichenden Hilfebedarfs Voraussetzung für die Aufnahme sei, und Ziff. 2.3, dass die Pflegeleistungen unter ständiger Verantwortung der ausgebildeten Pflegefachkraft im Vordergrund stünden. Danach sei die Inanspruchnahme einer tagesstrukturierenden Maßnahme an einem anderen Ort nicht als vorrangiger Zweck, sondern als fakultative Möglichkeit ausgestaltet. Auch im Übrigen sehe das Konzept die Erbringung aller für ein Pflegeheim bestimmenden Leistungen vor. Die Personalstruktur, die das Sozialgericht nicht gewürdigt habe, weise zudem einen eindeutigen Schwerpunkt beim Pflegepersonal auf. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. April 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2009 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, das als Anlage 1 der Klageschrift beigefügte Angebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrages gem. § 72 SGB XI für die von der Klägerin betriebene Einrichtung der vollstationären Dauerpflege anzunehmen. Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und führen aus, dass dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden könne, dass das SG fehlerhaft davon ausgegangen sei, eine Kombination von Leistungen der Eingliederungshilfe und solchen der Pflege nach dem SGB XI sei prinzipiell ausgeschlossen. Das Gericht habe vielmehr die streitgegenständliche Einrichtung der Regelung des § 71 Abs. 4 SGB XI zugeordnet. Dies sei zutreffend gewesen, weil bei dem O. die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft als Ziel der Einrichtung im Vordergrund stehe. Dem stehe nicht entgegen, dass man sich hierbei auf das S. als selbständige, externe Einrichtung stütze mit der Folge, dass bei der Beklagten selbst die Erbringung von Pflegeleistungen überwiege. Dies ändere nichts an der grundsätzlichen Ausrichtung der Einrichtung, nach deren Darstellung unter Punkt 2 der Konzeption die Zielgruppe von körperbehinderten, pflegebedürftigen Menschen im erwerbsfähigen Alter gebildet werde, bei denen die Erhaltung und Wiedergewinnung einer möglichst selbständigen Lebensführung bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens angestrebt werde. Es führt zu keinem anderen Ergebnis, dass die Zuerkennung einer Pflegestufe Voraussetzung für die Aufnahme sei. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verfahrensakten der Beklagten Bezug genommen, die beigezogen worden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht Oldenburg hat es mit seinem Urteil vom 13. April 2012 zu Recht abgelehnt, die Beklagten zum Abschluss eines Versorgungsvertrages für die vollstationäre Pflege im O. Pflegewohnheim zu verurteilen. Nach § 72 Abs. 3 S. 1 SGB XI dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die

1. den Anforderungen des § 71 genügen,

2. die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten sowie eine in Pflegeeinrichtungen ortsübliche Arbeitsvergütung an ihre Beschäftigten zahlen, soweit diese nicht von einer Verordnung über Mindestentgeltsätze aufgrund des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) erfasst sind,

3. sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 113 SGB XI einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln und

4. sich verpflichten, alle Expertenstandards nach § 113a SGB XI anzuwenden.

Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen besteht zugleich ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages.

Das Sozialgericht ist mit seiner angegriffenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 72 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz SGB XI bereits deshalb nicht erfüllt, weil das O. Pflegewohnheim die Anforderungen des § 71 SGB XI an eine Pflegeeinrichtung nicht erfüllt. Es hat dies - bezogen auf den Sach- und Streitstand erster Instanz - zutreffend begründet, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG zunächst auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug nimmt und insoweit von einer weiteren Begründung absieht.

Mit Rücksicht auf das Berufungsvorbringen ist indessen vertiefend das Folgende zu ergänzen:

Es ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im Ergebnis ohne entscheidungserhebliche Bedeutung, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII durch den hierfür zuständigen Sozialhilfeträger an vollstationär untergebrachte Pflegebedürftige nicht grundsätzlich daran hindert, zugleich davon auszugehen, dass es sich bei der betreffenden Einrichtung um eine Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI handelt, mit der unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 SGB XI ein Versorgungsvertrag abgeschlossen werden kann und muss. Ebenso wenig bedarf es einer näheren Auseinandersetzung mit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, unter welchen Voraussetzungen Maßnahmen zur Ermöglichung eines selbständigen und selbstbestimmten Lebens sowie zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft innerhalb und außerhalb der Einrichtung überhaupt als Gegenstand der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII aufzufassen sind oder sich als Ausdruck der sozialen Betreuung i.S.v. § 43 SGB XI darstellen mögen.

Maßgeblich für die Eigenschaft einer Einrichtung, stationäre Pflegeeinrichtung im Sinne von § 71 Abs. 2 SGB XI zu sein und damit unter den weiteren Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 SGB XI Anspruch auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages für die voll- oder teilstationäre Pflege zu haben, bleibt nämlich in jedem Fall, dass die Einrichtung nicht dem Ausschlusstatbestand des § 71 Abs. 4 SGB XI unterfällt. Dieser schließt - ungeachtet aller anderweitigen Beurteilungskriterien - alle Einrichtungen aus dem Kreis möglicher Formen von Pflegeeinrichtungen aus, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen oder bei denen es sich um Krankenhäuser handelt.

Maßgeblich für die Beurteilung ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift insoweit der vorrangige Zweck der Einrichtung (so auch Udsching, SGB XI, 4. Aufl. 2015, § 71 Rn. 12). Er mag sich bei vollstationärer Unterbringung grundsätzlich aus der schriftlichen Konzeption der Einrichtung und deren Realisierung im personellen Bereich und im Hinblick auf das Leistungsangebot ergeben (so Thüringer Landessozialgericht Urteil vom 25.10.2000, Az. L 6 P 129/97, Rn. 44 bei juris). In Bezug auf die Klägerin ist allerdings die Besonderheit zu berücksichtigen, dass ihr Leistungsangebot auf eine arbeitsteilige Erbringung durch sie und die nahe gelegene Werkstatt für Behinderte beim S. in T. ausgerichtet ist, bei der der Klägerin die Aufgabe der Erbringung pflegerischer Leistungen und dem S. die Aufgabe der Erbringung von Leistungen der beruflichen und sozialen Teilhabe zufällt.

Diese Form institutionellen Zusammenwirkens ist im Hinblick auf die Feststellung des vorrangigen Leistungszwecks zur Überzeugung des Senats in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Hierfür sind mehrere Gründe maßgeblich:

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Beklagten auf den Abschluss eines Versorgungsvertrages für die vollstationäre, nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI also ganztägige Pflege (vgl. Udsching, aaO., § 71 Rn. 9: "rund um die Uhr") in Anspruch nimmt. Ihr Leistungsspektrum als vollstationäre Pflegeeinrichtung hätte hierzu aber auch hinreichende eigene Angebote der sozialen Betreuung einzuschließen (vgl. Udsching, aaO., § 71 Rn. 10). Demgegenüber ist der im Internet veröffentlichten Selbstbeschreibung der Klägerin zu entnehmen, dass sie eine eigene Tagesstruktur innerhalb der Einrichtung gerade nicht anbietet und die Bewohner stattdessen als tagesstrukturierende Maßnahme in der Regel und im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Werkstatt für Behinderte beim S. in T. besuchen sollen. Tatsächlich besuchen nach dem Jahresbericht 2014 alle Bewohner des Pflegewohnheims diese Behindertenwerkstatt. Das Konzept der Klägerin für eine ganztätige Betreuung schließt insoweit den werktäglichen Besuch des Y. konzeptionell mit ein.

Die bei der Abgrenzung nach § 71 Abs. 4 SGB XI heranzuziehenden Kriterien haben zudem auf den spezifischen Zweck dieser Regelung Rücksicht zu nehmen. Mit deren Einfügung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze hat der Gesetzgeber eine Beschränkung der Leistungen bei stationärer Pflege auf das von der Gemeinschaft der Pflegeversicherten zu tragende Risiko der Altersgebrechlichkeit und den gleichzeitigen Ausschluss des als Leistung der Eingliederungshilfe (bei bestehender Bedürftigkeit) nach dem SGB XII von der Allgemeinheit der Steuerzahler zu tragenden Risikos der Behinderung bezweckt (Udsching, aaO., § 71 Rn. 12 - 13 m.w.N.). Die danach gebotene Zuordnung zu den jeweiligen Risikobereichen erfordert es, den vorrangigen Leistungszweck der Einrichtung unter wesentlicher Berücksichtigung des überwiegend versorgten Personenkreis und der Gewichtung seiner vordringlichen Leistungsansprüche zu bestimmen und die konzeptionelle bzw. tatsächliche Ausrichtung der Einrichtung nur unter der Voraussetzung heranzuziehen, dass sie die Bedürfnislage der Bewohner widerspiegelt (Udsching, aaO.).

Das O. Pflegewohnheim kann hiernach nicht bereits deshalb als Pflegeeinrichtung i.S.d. § 71 Abs. 2 SGB XI angesehen und von der Anwendung des § 71 Abs. 4 SGB XI ausgenommen werden, weil nach seiner vorliegenden schriftlichen Konzeption die Aufnahme in die Einrichtung von der erfolgten Zuerkennung einer Pflegestufe abhängt und nach den unter Ziff. 2.3 niedergelegten Zielvorstellungen die Erbringung von Pflegeleistungen "im Vordergrund des Einrichtungszwecks" stehen soll. Diese Feststellung negiert nicht lediglich die institutionalisierte Zusammenarbeit mit dem S., sondern wird bei der gebotenen Berücksichtigung der vorrangigen Bedürfnislage der Bewohner auch dadurch widerlegt, dass nach Ziff. 2.1 der Konzeption ausschließlich solche körperbehinderten Menschen aufgenommen werden, die sich im erwerbsfähigen Alter befinden, und dass sich die spezifische Bedürfnislage dieser Klientel gerade aus der Erforderlichkeit beruflicher und sozialer Integration ergibt. Hiermit stimmt im Übrigen überein, dass das in Ziff. 1.2 der Konzeption niedergelegte Leitbild der Einrichtung das Ziel der Rehabilitation in den Mittelpunkt rückt und damit auch dem in Ziff. 1.1 der Konzeption dargestellten Gesellschaftszweck der AB. als wirtschaftlicher Trägerin entspricht.

Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob das auf Abschluss eines Versorgungsvertrages für die vollstationäre Dauerpflege gerichtete Begehren der Klägerin nach § 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB XI etwa auch daran scheitern würde, dass es mit Rücksicht auf den zeitlich ausgedehnten, von Montag bis Mittwoch die Zeit von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr sowie an Donnerstagen und Freitagen die Zeit von 8.00 Uhr und 15.00 Uhr umfassenden Aufenthalt der Bewohner im S. in T. an dem für eine Pflegeeinrichtung ebenfalls unabdingbaren Erfordernis mangelt, dass stationäre Pflege nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB XI unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft stattfinden muss. Eine solche Fachkraft ist nach dem Ergebnis der Erörterung der Streitsache in der mündlichen Verhandlung im S. nicht präsent.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Ein Grund, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.

Der Beschluss über die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 52 Abs. 1 GKG. Er ist nach § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 2 und 3 GKG unanfechtbar.