Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.09.2008, Az.: 11 LA 396/07
Polizeiliches Einschreiten zum Schutz privater Rechte; Überschlägige zivilrechtliche Plausibilitätsprüfung vor einem Einschreiten der Polizei zum Schutz privater Rechte
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.09.2008
- Aktenzeichen
- 11 LA 396/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 23410
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0930.11LA396.07.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- DVP 2010, 38
- NdsVBl 2009, 23-25
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Einschreiten der Polizei zum Schutz privater Rechte
Amtlicher Leitsatz
Die Hilfe der Polizei zum Schutz privater Rechte nach § 1 Abs. 3 Nds. SOG kommt nur in Betracht, wenn der um Hilfe Nachsuchende glaubhaft macht, Inhaber des zu schützenden Rechts zu sein. Die Polizei muss deshalb vor dem Einschreiten eine überschlägige zivilrechtliche Plausibilitätsprüfung durchführen.
Gründe
Der Kläger, der Verband "Junge Nationaldemokraten", begehrt die Feststellung, dass die Auflösung einer Veranstaltung am 16. Januar 2005 durch die Polizei rechtswidrig war.
Der Kläger plante am 16. Januar 2005 die Durchführung einer Veranstaltung im Raum Bremen. Nach mehreren vergeblichen Anmietungsversuchen gelang es dem mit der Beschaffung eines Saales betrauten örtlichen Vertreter {B.} {C.} aus Oyten, das Schützenhaus in Oyten, Ortsteil {D.}, des Schützenvereins {E.}, für eine Abendveranstaltung an dem genannten Tag zu mieten. Der für die Vergabe des Schützenhauses zuständige {F.} {G.} händigte Herrn {C.} nach Abschluss eines mündlichen Mietvertrages den Schlüssel des Schützenhauses gegen Zahlung von 335,-- Euro Miete aus. Ob Herr {C.} gegenüber Herrn {G.} während der Vertragsanbahnung als Zweck der Veranstaltung einen Liederabend oder einen Junggesellenabschied genannt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Veranstaltung begann im Schützenhaus um 18 Uhr. Vor ca. 200 Teilnehmern trat u. a. der Liedermacher Frank Rennicke auf.
Nach dem Einsatzbericht des Leiters der Polizeiinspektion Verden/Osterholz, Kriminaldirektor {J.}, gab es aus "Anlass eines rechten Liederabends" am Sonntag, den 16. Januar 2005, von 15 Uhr bis 23 Uhr einen Polizeieinsatz in Oyten. Zum Verlauf des Einsatzes, den Kriminaldirektor {J.} selbst leitete, wurde ausgeführt, dass der Vorsitzende des Schützenvereins {E.}, Herr {K.}, dem Einsatzleiter die Durchsetzung des Hausrechts übertragen habe. Der Einsatzleiter habe, nachdem die Einsatzkräfte schlagartig vor dem Gebäude aufmarschiert seien, in der Halle das Ende der Veranstaltung wegen der ab jetzt nicht mehr geduldeten Veranstaltung durch den Eigentümer verkündet. Die ca. 200 Personen der rechtsextremen Szene hätten die Anordnung zur freiwilligen Räumung des Saales ohne Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten befolgt. Im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens erläuterte der Einsatzleiter mit einem an die Staatsanwaltschaft Verden gerichteten Schreiben vom 3. Februar 2005 weitere Einzelheiten des Einsatzverlaufes und des Kontaktes zwischen ihm und dem Vorsitzenden des Schützenvereins {E.}.
Der Kläger hat am 21. Januar 2005 Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Auflösung der Veranstaltung vom 16. Januar 2005 im Schützenhaus in Oyten durch die Polizei rechtswidrig war.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17. August 2007 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Es bestehe eine Wiederholungsgefahr. Außerdem habe der Kläger als Veranstalter ein Rehabilitationsinteresse. Die Klage sei begründet, weil es für das Einschreiten der Polizei im Ordnungs- und Polizeirecht keine Rechtsgrundlage gegeben habe. Der Auffassung der Beklagten, der handelnde Polizeidirektor habe zivilrechtlich in Vertretung des Vermieters, des Schützenvereins {E.}, dessen Rechte als Vermieter wahrgenommen, sei nicht zu folgen. Kriminaldirektor {J.} habe nicht als Vertreter des Schützenvereins und auch nicht als Präsident des Kreisschützenbundes gehandelt, sondern als Polizeidirektor unter Einsatz eines großen Polizeiaufgebotes. Aus der Sicht der Adressaten des polizeilichen Handelns habe es sich um eine Auflösung der Veranstaltung zum Zwecke der Gefahrenabwehr gehandelt. Die Erklärungen des Polizeidirektors im Zusammenhang mit der Anordnung der Saalräumung bekräftigten diese Annahme. Die Voraussetzungen für eine Auflösung der Veranstaltung und Räumung des Saales nach § 17 Nds. SOG bzw. nach der polizeilichen Generalklausel des § 11 Nds. SOG wegen einer von den Teilnehmern der Veranstaltung ausgehenden konkreten Gefahr hätten nicht vorgelegen. Aus den Akten ergäben sich keine Anhaltspunkte für die konkrete Gefahr der Begehung von Straftaten, z. B. wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB. Allein die Tatsache, das einzelne Lieder des Liedermachers Frank Rennicke wegen ihrer volksverhetzenden und rassistischen Inhalte indiziert seien, rechtfertige nicht die Einschätzung, es habe die konkrete Gefahr der Begehung von Straftaten bestanden. Eine Berechtigung zum Einschreiten wegen des Schutzes privater Rechte nach § 1 Abs. 3 Nds. SOG habe nicht bestanden. Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf eine Plausibilitätsprüfung, die ergeben habe, dass der über die Überlassung der Halle geschlossene Vertrag gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechtbar gewesen sei, so dass daraufhin die Räumung der Halle wegen Gesetzesverstoßes, nämlich wegen des Vorliegens des objektiven Tatbestandes des Hausfriedensbruches, zulässig gewesen sei. Es dürfe nicht Aufgabe der Polizei sein, eine Gefahrenlage selbst herbeizuführen, um sich die Möglichkeit zum Einschreiten gegen Unliebsame oder Andersdenkende zu verschaffen. Dieser Eindruck müsse aber entstehen, wenn die Polizei, ohne von einem Dritten gerufen worden zu sein, in einem Zuge dessen zivilrechtliche Rechte geltend mache und zugleich polizeilichen Zwang zum Vollzug dieser Rechte androhe. Abgesehen davon sei ein Einschreiten der Polizei nicht in Betracht gekommen, weil der Polizeidirektor nur mangelhaft aufgeklärt habe, ob der Schützenverein bei Abschluss des Mietvertrages arglistig über den Zweck der Veranstaltung getäuscht worden sei.
Der Zulassungsantrag, der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 und Nr. 5 VwGO gestützt wird, ist unbegründet.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht. Die Beklagte macht geltend, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht gegeben. Kriminaldirektor {J.}, am Vorfallsabend in Zivil gekleidet, habe bei seinem Auftritt in der Schützenhalle zivilrechtlich gehandelt, soweit er als Vertreter des Vorsitzenden des Schützenvereins {E.} in dessen Namen und für den Verein die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt und um Räumung des Saales gebeten habe. Damit dringt die Beklagte nicht durch.
Kriminaldirektor {J.} hat bei seinem Auftritt in der Schützenhalle am 16. Januar 2005 nicht zivilrechtlich gehandelt. Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg neben anderen Voraussetzungen eröffnet, wenn die betreffende Streitigkeit bzw. das ihr zugrunde liegende Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur, d. h. nach Maßgabe des öffentlichen Rechts zu beurteilen ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Hoheitsträger aufgrund einer ihn berechtigenden bzw. verpflichtenden Norm tätig wird. Kriminaldirektor {J.} hat anlässlich des hier streitbefangenen Vorfalls am 16. Januar 2005 polizeiliche und damit hoheitliche Befugnisse ausgeübt. Aus der maßgeblichen Sicht der Adressaten seines Handelns trat der Leiter der Polizeiinspektion Verden/Osterholz als Polizeibeamter auf. Unerheblich ist, dass Kriminaldirektor {J.} im Schützenhaus in Zivil gekleidet war. Nicht entscheidungserheblich ist weiter, dass ein Polizeibeamter auch als Privatperson handeln kann. Kriminaldirektor {J.} begab sich nach der von ihm verfassten Darstellung des Einsatzverlaufs gegenüber der Staatsanwaltschaft Verden vom 3. Februar 2005 am 16. Januar 2005 in die Schützenhalle, teilte den anwesenden 200 Teilnehmern mit, dass sie keine Angst vor der Polizei haben müssten, dass sie aber nicht weiter in der Halle bleiben könnten, forderte die Teilnehmer auf, die Halle innerhalb von 15 Minuten zu verlassen, gab den Zuhörern außerdem zu verstehen, dass gegen sie, sofern sie der Weisung Folge leisteten, nicht polizeilich vorgegangen würde, dass sie allerdings, sofern sie die Weisung missachteten, mit der Feststellung der Personalien zu rechnen hätten, ferner, dass er bei Nichtbefolgung der Weisung den Saal räumen lasse und Widerstand gegebenenfalls mit Zwangsmitteln überwinden werde. Angesichts dieser Vorgehensweise bestehen keine Zweifel daran, dass Kriminaldirektor {J.} als Hoheitsträger gehandelt hat. Als Privatperson wäre es ihm verwehrt gewesen, den Teilnehmern der Veranstaltung polizeiliche Maßnahmen anzudrohen.
Kriminaldirektor {J.} hat auch nach eigenem Verständnis in Ausübung polizeilicher Befugnisse gehandelt. Dafür sprechen seine bereits wiedergegebenen Erklärungen in der Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft Verden vom 3. Februar 2005 und auch der von ihm verfasste polizeiliche Einsatzbericht vom 16. Januar 2005, in dem von einem Polizeieinsatz "aus Anlass eines rechten Liederabends" unter Durchsetzung des Hausrechts des Schützenvereins durch den Einsatzleiter die Rede ist.
Dem Verwaltungsgericht ist ferner darin zu folgen, dass das Feststellungsbegehren des Klägers begründet ist. Für das Eingreifen der Polizei am 16. Januar 2005 lagen die Voraussetzungen einer Befugnisnorm nicht vor. Die Beklagte stützt ihre gegenläufige Rechtsauffassung zu Unrecht auf § 1 Abs. 3 Nds. SOG i. V. m. § 17 Abs. 1 Nds. SOG, der das Recht auf Platzverweisung regelt, oder der Generalklausel in § 11 Nds. SOG. Die Polizei durfte im vorliegenden Fall nicht zur Durchsetzung privater Ansprüche einschreiten. Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach § 1 Abs. 3 Nds. SOG nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Das Verwaltungsgericht begründet seine Rechtsauffassung, ein Anspruch nach § 1 Abs. 3 Nds. SOG bestehe nicht, mit zwei Erwägungen, die auch aus der Sicht des Senats den Anspruch entfallen lassen.
Um dem in § 1 Abs. 3 Nds. SOG angelegten Subsidiaritätsgrundsatz Rechnung zu tragen, kommt polizeiliche Hilfe nur dann in Betracht, wenn die Verwirklichung des privaten Rechts gefährdet ist. Das Bestehen eines solchen Rechts hat das Verwaltungsgericht zu Recht bezweifelt. Ein zu sicherndes Recht auf Herausgabe des Schützenhauses als Mietsache setzt voraus, dass der zwischen dem Vertreter des Schützenvereins, Herrn {G.}, und dem Vertreter des Klägers, Herrn {C.}, geschlossene Mietvertrag unwirksam war. Dazu hätte der Schützenverein den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB wirksam anfechten müssen. Eine solche Anfechtungserklärung hat aber weder der Vorsitzende des Schützenvereins, Herr {K.}, noch ein anderes vertretungsberechtigtes Mitglied des Schützenvereins gegenüber dem Kläger als Veranstalter oder einem von ihm Beauftragten abgegeben.
Zwar hat Kriminaldirektor {J.} nach dem Vorbringen der Beklagten auf ausdrücklichen Wunsch von Herrn {K.} im Namen des Schützenvereins die Anfechtung des Mietvertrages erklärt. Es ist aber fraglich, ob diese Erklärung wirksam ist. Nach den vorstehenden Ausführungen hat Kriminaldirektor {J.} nicht als Privatperson gehandelt, beispielsweise in seiner Eigenschaft als Präsident des Kreisschützenverbandes Achim, sondern als mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteter Polizeibeamter. Außerdem ist zweifelhaft, ob die Anfechtungserklärung den formellen Anforderungen genügt. Eine solche Erklärung muss erkennen lassen, dass die Partei das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will (Heinrichs, in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 143 Rdnr. 3). Nach dem Akteninhalt hat Kriminaldirektor {J.} lediglich das Ende der Veranstaltung verkündet und erklärt, der Eigentümer dulde die Veranstaltung nicht mehr bzw. sehe den Vertrag als nicht existent an. Es ist nicht aktenkundig, dass der Einsatzleiter der Polizei Ausführungen zum Anfechtungsgrund gemacht hat.
Einmal unterstellt, die Anfechtungserklärung war wirksam, rechtfertigt sie nicht das polizeiliche Einschreiten nach § 1 Abs. 3 Nds. SOG. Die genannte Eingriffsnorm setzt das Bestehen einer Gefahrenlage, also die drohende Verkürzung privater Rechte, voraus. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil frühestens mit der von Kriminaldirektor {J.} ausgesprochenen Anfechtungserklärung Rückabwicklungsansprüche hinsichtlich des Mietvertrages begründet werden konnten. Fallen - wie hier - die Begründung eines zu schützenden privaten Rechts und das Eingreifen der Polizei zusammen, ist ein Rückgriff auf § 1 Abs. 3 Nds. SOG nicht möglich. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 13, 3. Absatz, des Urteilsabdruckes sind in diesem Sinne zu verstehen, soweit dargelegt wird, die Polizei dürfe nicht eine Gefahrenlage selbst herbeiführen, um sich die Möglichkeit zum Einschreiten zu schaffen.
# Dem Verwaltungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass eine weitere ungeschriebene, sich mit dem vorgenannten Tatbestandsmerkmal überschneidende Voraussetzung für ein Vorgehen der Polizei zum Schutze privater Rechte nicht gegeben ist. Die Hilfe der Polizei zur Durchsetzung privater Rechte kommt nur in Betracht, wenn der um Hilfe Nachsuchende glaubhaft macht, Inhaber des zu schützenden Rechts zu sein (OVG NRW, Urt. v. 21. 5. 1968 - 4 A 836/67 -, OVGE 24, 72; Gusy, Polizeirecht, 4. Aufl. 2000, Rdnr. 97; Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, 1. Aufl. 2000, Rdnr. 301). Die Polizei muss deshalb vor dem Einschreiten eine überschlägige zivilrechtliche Plausibilitätsprüfung durchführen (Saipa, Nds. SOG, Loseblattsammlung, Stand: Juni 2008, § 1 Rdnr. 14). Dem Akteninhalt und dem Vortrag der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, dass diese Prüfung in dem gebotenen Umfang vor dem Einschreiten der Polizei stattgefunden hat.
Der vor Ort handelnde Einsatzleiter der Polizei, Kriminaldirektor {J.}, hat es versäumt, Herrn {G.}, der auf Seiten des Schützenvereins als für die Vergabe der Halle zuständige Person gehandelt hat, und Herrn {C.} als Vertreter des Klägers zum genauen Inhalt des mündlich geschlossenen Mietvertrages zu befragen. Eine solche Anhörung musste sich dem Einsatzleiter aber aufdrängen, weil nur die beiden Verhandlungspartner verlässlich über die Vertragsmodalitäten Auskunft geben konnten. Gegenstand der Befragung hätte sein müssen, ob Herr {C.} gegenüber Herrn {G.} der Wahrheit zuwider als Zweck der Veranstaltung einen Junggesellenabschied angegeben hat und dieser Zweck den Vertragsabschluss maßgeblich bestimmt hat. Wie vom Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, ist Voraussetzung für die Anfechtung des Mietvertrages nach § 123 BGB, dass die arglistige Täuschung für die von Herrn {G.} abgegebene Willenserklärung ursächlich geworden ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten reichte es nicht aus, in Telefongesprächen mit dem Vorsitzenden des Schützenvereins, Herrn {K.}, die näheren Umstände der Vertragsanbahnung zu ermitteln. Herr {K.} hat die Vertragsverhandlungen nicht geführt. Der Vorsitzende hat zwar mit Herrn {G.} Rücksprache gehalten. Wie ausgeführt, wäre es jedoch erforderlich gewesen, Herrn {G.} selbst anzuhören, zumal es, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt, auf dessen Wissen bei der Frage der Täuschung ankam.
Die Beklagte beruft sich vergeblich darauf, dass Kriminaldirektor {J.} in seine Plausibilitätsprüfung mit einbezogen hat, dass Mitglieder des Klägers, der NPD oder diesen Organisationen nahestehende Veranstalter in der Vergangenheit des Öfteren Räumlichkeiten für Liederabende oder Skinhead-Konzerte unter Vortäuschung von privaten Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern oder Junggesellenabschieden gemietet hätten. Für die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles anzustellende Plausibilitätsprüfung genügt der Rückgriff auf Feststellungen bei anderen Veranstaltungen in der Vergangenheit allein nicht.
Die Voraussetzungen für ein Eingreifen der Polizei nach § 17 Nds. SOG oder nach § 11 Nds. SOG lagen ebenfalls nicht vor. Die Beklagte meint, wegen des Auftritts des Sängers Frank Rennicke habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Frank Rennicke, der als Kultfigur der rechtsextremen Szene gelte, sei mehrfach einschlägig vorbestraft, u. a. wegen Volksverhetzung und wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften habe zahlreiche Tonträger mit Liedern des Sängers Rennicke indiziert. Es habe deshalb die Gefahr der Begehung von Straftaten bestanden. Dieser Einwand der Beklagten rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Eine konkrete Gefahr, die ein Einschreiten der Polizei gerechtfertigt hätte, lag nicht vor. Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Nr. 1 a Nds. SOG ist Gefahr eine konkrete Gefahr, d. h. eine Sachlage, bei der im einzelnen Falle die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Der damit erforderlichen Gefahrenprognose ist das Tatsachenwissen zugrunde zu legen, das der Polizeibehörde zum Zeitpunkt ihres Einschreitens bekannt war. Anhand dieses Tatsachenwissens muss aus Sicht eines objektiven, besonnenen Amtswalters das Vorliegen einer Gefahr bejaht werden können (Urt. d. Sen. v. 22. 9. 2005 - 11 LC 51/04 -, NJW 2006, 391). Daran gemessen bestanden zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine von den Teilnehmern der Veranstaltung ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
Eine konkrete Gefahr lässt sich dem polizeilichen Einsatzbericht vom 16. Januar 2005 nicht entnehmen. Dort ist lediglich die Rede davon, dass der Einsatzleiter zur Durchsetzung des Hausrechts des Schützenvereins gehandelt hat. In dem Einsatzbericht wird ausdrücklich vermerkt, dass die 200 Teilnehmer der Veranstaltung der Anordnung zur freiwilligen Räumung des Saales ohne Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten Folge geleistet hätten.
Ob konkret zu befürchten war, dass der Liedermacher Rennicke während seines Auftritts volksverhetzende Lieder singt oder möglicherweise indizierte Tonträger zum Verkauf anbietet, kann auf sich beruhen. Erwägungen dieses Inhalts waren nicht Gegenstand der Gefahrenprognose zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei. Hätte die Gefahrenanalyse der Polizei am 16. Januar 2005 ergeben, dass durch den Auftritt des Liedermachers Rennicke eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, hätte sie im Übrigen voraussichtlich wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit allenfalls den Auftritt des Liedermachers Rennicke verbieten können, nicht aber die Durchführung der gesamten Veranstaltung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2005 - 11 ME 411/05 -.
Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht erfüllt (wird ausgeführt).
Die Grundsatzrüge gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO greift nicht durch (wird ausgeführt).
Der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor (wird ausgeführt).