Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.09.2008, Az.: 5 LA 113/06
Beginn einer Rechtsmittelfrist bei unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.09.2008
- Aktenzeichen
- 5 LA 113/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 23624
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0926.5LA113.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 22.03.2006 - AZ: 6 A 294/05
Rechtsgrundlagen
- § 58 VwGO
- § 124a Abs. 4 S. 5 VwGO
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, weil er zwar fristgerecht gestellt worden ist, binnen der für seine Begründung maßgeblichen Frist aber keine Darlegung der Zulassungsgründe im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgt ist, die den an eine solche Darlegung zu stellenden Anforderungen entspricht.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist im vorliegenden Falle bis zum Ablauf des 26. März 2007 (Montag) zu stellen und zu begründen gewesen.
Wurde eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, so ist - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - die Einlegung des Rechtsbehelfs (also vorliegend des Antrags auf Zulassung der Berufung) nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung des angefochtenen Urteils zulässig (§ 58 Abs. 2 VwGO). Diese Frist gilt dann allerdings auch für eine fristgebundene Begründung des jeweiligen Rechtsbehelfs (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22. 12. 1999 - BVerwG 6 B 88.99 -, NVwZ-RR 2000, 325).
Die dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg beigegebene Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig erteilt worden. Denn in den zweistufig aufgebauten Rechtsbehelfsverfahren, in denen die Begründung des Rechtsbehelfs binnen einer von der Frist für die Einlegung abweichenden eigenen Frist vorzunehmen ist, bedarf es einer zutreffenden Belehrung auch über das Erfordernis der fristgerechten Begründung. Wird unrichtig darüber informiert, bei welchem Gericht die Begründung des Rechtsbehelfs einzureichen ist, beginnt gemäß § 58 Abs. 1 VwGO weder die Frist für die Einlegung noch diejenige für die Begründung des Rechtsbehelfs zu laufen (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 15. 12. 2005 - 2 LA 1242/04, NJW 2006, 1083, und Beschl. v. 12. 8. 1997 - 12 L 3035/97 -, NVwZ-Beilage 12/1997, 92 [93 f.]; BVerwG, Beschl. v. 5. 7. 1957 - BVerwG Gr. Sen. 1.57 -, BVerwGE 5, 178 f.).
In dem hier zu entscheidenden Falle hat die Vorinstanz dem Kläger deshalb eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, weil der in dieser Belehrung enthaltene Hinweis, die Begründung des Zulassungsantrages sei bei dem Verwaltungsgericht einzureichen, nicht der schon damals gültigen Fassung des § 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO entsprach.
Die daher hier für die Stellung und Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung maßgebliche Jahresfrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat gemäß den §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1und Abs. 2 ZPO, 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB mit dem 26. März 2007 (Montag) geendet, weil das angefochtenen Urteil der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers nach den §§ 56 Abs. 2 VwGO, 172 Abs. 1 Satz 1 und 174 Abs. 1 ZPO am 24. März 2006 gegen Empfangsbekenntnis (Bl. 64 der Gerichtsakte - GA -) zugestellt worden war. Diese Zustellung ist dem Kläger gegenüber wirksam gewesen, weil dieser dem Verwaltungsgericht erst mit Schriftsatz vom 26. März 2006 (Bl. 61 GA) das Erlöschen der Vollmacht seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten angezeigt hatte und eine Kündigung des Vollmachtsvertrages im Außenverhältnis zu dem Gericht erst ab dem Zeitpunkt einer solchen Anzeige rechtliche Wirksamkeit erlangt (vgl.: Hartmann, in: Baumbach u. a., ZPO, 65 Aufl. 2007, § 87 Rn. 8 i. V. m. Rn. 4).
Bis zum Ablauf des 26. März 2007 hat der Kläger keine Begründung seines Zulassungsantrages vorgelegt, die den Anforderungen entspricht, die an eine Darlegung der Zulassungsgründe im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zu stellen sind.
Nach dieser Vorschrift sind nämlich die Gründe besonders darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Berufung kann nach § 124 Abs. 2 VwGO nur aus den dort genannten Gründen zugelassen werden. Es ist mithin in der Begründung des Zulassungsantrages darzulegen, ob die Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beantragt wird. Ferner muss im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet werden, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt ist.
Der innerhalb der Frist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eingereichte Schriftsatz des Klägers vom 2. August 2006 (Bl. 100 f. GA) wird den dargestellten Anforderungen nicht gerecht. Anstatt - wie erforderlich - den Zulassungsantrag zu begründen, meint der Kläger offenbar, es sei lediglich eine Begründung der Berufung erforderlich. Zudem verweist er zur "Begründung der Berufung" auf seinen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26. März 2006 (Bl. 65 ff. GA), den er noch in Unkenntnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichts verfasst hatte. Dieser Schriftsatz kann aber den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen - unter anderem - schon deshalb nicht genügen, weil er - notwendigerweise - die erforderliche konkrete Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vermissen lässt.
Der Senat ist vor dem Hintergrund des Gebots der richterlichen Unparteilichkeit (vgl. §§ 54 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO) nicht gehalten gewesen, die Bitte des Klägers, auf etwaige noch klärungsbedürftige Punkte hinzuweisen, zum Anlass zu nehmen, den Kläger vor der Entscheidung über seinen Zulassungsantrag über das Erfordernis der Darlegung von Zulassungsgründen oder gar die insoweit im Einzelnen zu stellenden Anforderungen zu belehren. Denn der Kläger hat einen Hinweis auf das Erfordernis, Zulassungsgründe darzulegen, bereits in der Rechtsbehelfsbelehrung der Vorinstanz erhalten. Außerdem hätte er als Rechtsanwalt schon der gebotenen sorgfältigen Lektüre des Wortlauts des § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 4, Abs. 5 Sätze 1 und 5 sowie Abs. 6 Satz 1 VwGO entnehmen müssen, dass im Zulassungsverfahren (noch) keine Berufungsbegründung vorzulegen ist.
Da der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert war, die erst mit dem 26. März 2007 endende Frist für die Stellung und Begründung seines Zulassungsantrags einzuhalten, ist seinem Widereinsetzungsgesuch (§ 60 Abs. 1 VwGO) nicht zu entsprechen.
Mit der in Gestalt einer Verwerfung erfolgenden Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).