Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.2008, Az.: 10 LA 17/07
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung an eine Ausweisung eines mit einer Deutschen verheirateten Familienvaters im Zusammenhang mit wiederholt aufgetretener Straffälligkeit und Bewährungsversagen im Rahmen einer Berufung; Ermessensrahmen und Anforderung an einen ernstlichen Zweifel gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bei einer Ausweisung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.09.2008
- Aktenzeichen
- 10 LA 17/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 23499
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0905.10LA17.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 54 Nr. 3 AufenthG
- § 55 Abs. 3 AufenthG
- § 56 Abs. 1 AufenthG
- § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
- § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO
- Art. 8 EMRK
- Art. 6 Abs. 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Ermessensausweisung
Amtlicher Leitsatz
Ausweisung eines Ausländers, der einen langjährigen legalen Aufenthalt vorweisen kann, mit einer bleibeberechtigten Ausländerin verheiratet ist und die Personensorge über drei minderjährige Kinder - eines davon mit deutscher Staatsangehörigkeit - ausübt, auf Grund wiederholter erheblicher Straffälligkeit (hier Bewährungsversager).
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt bzw. vom Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt worden ist.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164) . Dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist genügt, wenn innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (Nds. OVG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 2 LA 413/03 -, NdsRpfl 2005, 80). Die dem Revisionsrecht nachgebildete Darlegungspflicht bestimmt als selbständiges Zulässigkeitserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie verlangt qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinander setzen.
Nach Maßgabe dessen kann die Berufung nicht zugelassen werden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Bezugnahme auf die angefochtene Ausweisungsverfügung der Beklagten vom 8. Februar 2006 abgewiesen: Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung nach §§ 54 Nr. 3, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4, Sätze 2 und 4 AufenthG alle wesentlichen Umstände, die für und gegen die verfügte Ausweisung des Klägers gesprochen hätten, gesehen und ihr Ermessen in einer Weise ausgeübt, die rechtliche Fehler nicht erkennen lasse. Der Kläger erfülle auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im besonders schweren Fall in sieben Fällen den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 3 AufenthG. Dem Kläger komme besonderer Ausweisungsschutz zugute, so dass eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen dürfe (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4, Satz 2 AufenthG). Ein schwerwiegender Grund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liege hier wegen der o.a. strafgerichtlichen Verurteilung vor. Denn schwerwiegende Gründe lägen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers ein deutliches Übergewicht habe. Die vom Kläger begangene Straftat aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität sei im Hinblick auf generalpräventive Ausweisungszwecke als schwerwiegender Ausweisungsgrund anzusehen. Der Kläger habe mit Heroin im besonders schweren Fall gehandelt. Die Strafaussetzung zur Bewährung und die ihr zugrunde liegende positive Sozialprognose stehe dem nicht entgegen. Im Übrigen sei die Ausweisung auch aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt. Hierzu sei erforderlich, dass der Ausländer durch sein Verhalten dargetan haben müsse, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet durch ihn zukünftig besonders schwerwiegend gefährdet sei. Seit 1996 sei der Kläger mit neun Verurteilungen strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Vielzahl der Strafverfahren zeige, dass der Kläger gegenüber Sanktionen unempfindlich sei, zumal er bereits im April 2004 wegen eines Betäubungsmitteldeliktes belangt worden sei. Die Ermessensausübung der Beklagten sei rechtlich nicht zu beanstanden. Sie habe alle Umstände der erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen und persönlichen Verhältnisse des Ausländers, insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG aufgeführten Gesichtspunkte berücksichtigt. Danach sei angesichts der Schwere der begangenen Straftaten, der aufgezeigten Gefahr weiterer nicht unerheblicher Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Ausweisung trotz seines seit mehreren Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland nicht ermessensfehlerhaft. Sie sei insbesondere verhältnismäßig. Die Beklagte habe die in die Ermessensentscheidung einzustellenden Tatsachen zutreffend ermittelt und auch unter Berücksichtigung des dem Kläger zuzubilligenden Ausweisungsschutzes in nicht zu beanstandender Weise abgewogen. Eine Fehlgewichtung der betroffenen Interessen lasse sich angesichts der andauernden kriminellen Karriere und der zu Tage getretenen kriminellen Energie sowie einer drohenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Betäubungsmitteldelikte und Delikte gegen das Eigentum nicht feststellen. Eine andere
Beurteilung sei auch nicht mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Familie geboten. Es liege kein hinreichender Anhaltspunkt dafür vor, dass die Ausweisung den Kläger und seine Familie unzumutbar hart treffe. Bei schwerwiegender Straffälligkeit stehe auch der Schutz der Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG der Ausweisung grundsätzlich nicht entgegen. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Folgen der Beendigung des Aufenthalts im Hinblick auf eheliche und familiäre Belange im Verhältnis zu dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Ausweisung des Ausländers unverhältnismäßig hart wären. Dies könne hier zugunsten des Klägers nicht festgestellt werden. Die Folgen, die mit der ausweisungsbedingten Trennung der Familie verbunden seien, könnten durch eine angemessene Befristung der Ausweisung gemildert werden. Die Familie müsse allein eine vorübergehende zeitliche und räumliche Trennung hinnehmen. Dies erscheine im Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung des Klägers nicht als unverhältnismäßig hart, zumal ein regelmäßiger telefonischer und brieflicher Austausch möglich sei. Auch könnte die Familie sogar nach Serbien übersiedeln. Mit Blick auf Art. 8 EMRK verfolge die Ausweisung des Klägers einen legitimen Zweck und sei als notwendige Maßnahme der Gefahrenabwehr nicht unverhältnismäßig.
Das dagegen gerichtete Vorbringen des Klägers begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die angefochtene Verfügung der Beklagten rechtmäßig ist, weil bezogen auf den Kläger die Voraussetzungen für seine Ausweisung unter Berücksichtigung des besonderen Ausweisungsschutzes vorliegen (§§ 54 Nr. 3, 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4, Sätze 2 und 5 AufenthG) und die Ermessensentscheidung der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die vom Kläger dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Der Kläger macht geltend, dass auf Grund der besonderen Umstände sowohl in Bezug auf die erforderliche Gefahrenprognose als auch im Hinblick auf seine schützenswerten Belange und die seiner Familie davon auszugehen sei, dass diese Belange das öffentliche Interesse an seiner Fernhaltung deutlich überwögen. So seien bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit von seinem weiteren Aufenthalt eine Beeinträchtigung für die Sicherheit und Ordnung ausgehe, die aus dem angeführten Strafurteil ersichtlichen Umstände der Tat und seiner Person nicht hinreichend berücksichtigt worden. Eine konkrete Auseinandersetzung mit der strafgerichtlichen Verurteilung sei in Gänze unterblieben. So habe er sich zur Sache geständig eingelassen und erheblich zur Aufklärung beigetragen. Die Untersuchungshaft, das Strafverfahren und die Verurteilung hätten einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlassen. Das Landgericht habe die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt, weil zu erwarten gewesen sei, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig Straftaten nicht mehr begehen werde. Die vom Strafgericht festgestellte gute Sozialprognose werde dadurch untermauert, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände erscheine die Prognose, dass auch in der Zukunft schwere Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit durch erneute Verfehlungen ernsthaft drohten, keinesfalls gerechtfertigt. Die gute Sozialprognose lege vielmehr nahe, dass er "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" weitere Straftaten nicht mehr begehen werde. Entgegenstehende Feststellungen im Hinblick auf eine künftige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch ihn seien weder in der Verfügung der Beklagten noch im Urteil des Verwaltungsgerichts zu finden. Es sei nicht aufgezeigt worden, aus welchem Verhalten seiner Person auf eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung für die Zukunft geschlossen werden könne.
Mit diesem Vorbringen werden die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die die Ausweisung des Klägers rechtfertigen, nicht in Zweifel gezogen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Ausweisung des Klägers aus spezialpräventiven Gründen als gerechtfertigt angesehen. Eine Ausweisung eines Ausländers, dem besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG zugute kommt, setzt voraus, dass dem Ausweisungsanlass ein besonderes Gewicht zukommt und zudem Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch neue Verfehlungen des Ausländers ernsthaft drohen und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2004 - BVerwG 1 C 25.03 -, BVerwGE 121, 356; Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 C 17.94 -, Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10; Urteil vom 11. Juni 1996 - BVerwG 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247; BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. März 2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67). Auf Grund der nach der Ausweisungsverfügung vom Kläger begangenen Straftaten ist erwiesen, dass die Beklagte und das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen haben, dass der Kläger erneut und erheblich straffällig werden wird. Der Kläger hat trotz wiederholter Strafaussetzung zur Bewährung jeweils erneut erhebliche Straftaten begangen. Die vom Landgericht seiner Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde gelegte positive Sozialprognose hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Trotz der laufenden Bewährungszeit und des anhängigen Ausweisungsverfahrens ist der Kläger vielmehr wiederholt, nämlich in mindestens sechs Fällen erneut straffällig geworden. Bei der zuletzt abgeurteilten Tat durch das Amtsgericht Hannover (Urteil vom 16. April 2008 - 216 Ds 374/07 2122 Js 70064/07 -) hat sich der Kläger eines gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall (Einbruchdiebstahl am 23. April 2007) schuldig gemacht. Die erhebliche kriminelle Energie des Klägers bei der Begehung dieser Straftat wird dadurch belegt, dass er sich mit anderen Tätern zur Begehung dieser Tat verabredet hatte und es sich hierbei um einen Diebstahl in einem besonders schweren Fall handelte. Hiernach steht fest, dass sich der Kläger weder durch die verbüßte Untersuchungshaft, das Strafverfahren vor dem Landgericht, der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung und seine familiären Bindungen noch durch das anhängige Ausweisungsverfahren von der Begehung von erheblichen Straftaten abhalten lässt. Mithin fehlt dem Kläger die Fähigkeit, sich im Alltag straffrei zu verhalten. Die Begehung weiterer erheblicher Straftaten im Bundesgebiet durch den Kläger lässt sich deshalb nur durch die Beendigung seines Aufenthalts verhindern.
Weiter ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerfrei ergangen ist. Das Ermessen ist unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf Grund einer umfassenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Ausländers und seinem privaten Interesse, seinen Aufenthalt fortzusetzen, zu treffen. Bei dieser Interessenabwägung sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles in die Abwägung einzubeziehen, insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG genannten Gesichtspunkte (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 1997, a.a.O.).
Im Hinblick hierauf wendet der Kläger ein: Das Verwaltungsgericht habe seine besonderen persönlichen Verhältnisse im Bundesgebiet verkannt, die einer Ausweisung entgegenstünden. So sei er als Minderjähriger in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und halte sich nunmehr mehr als 14 Jahre ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Weiter sei seine familiäre Situation mit Blick auf den von Art. 6 GG verbürgten Schutz von Ehe und Familie zu berücksichtigen. Seine Ausreise nach Serbien und die damit verbundene Trennung bedeute für seine Ehefrau und seine drei Kinder eine besondere Härte. Eine Übersiedlung seiner Kinder nach Serbien hätte für diese eine "ungeheure Umstellung" zur Folge. Es müsse mit in die Erwägungen eingestellt werden, dass sein jüngstes Kind deutscher Staatsangehöriger sei und für ihn eine Trennung eine unzumutbare Härte bedeute. Auch müsse die aufenthaltsrechtliche Situation der Familienangehörigen und deren Lage nach einer eventuellen Abschiebung des Ausländers beachtet werden. Dass seiner Verwurzelung in die hiesigen Lebensverhältnisse und die Schwierigkeiten bei der Übersiedlung nach Serbien bei einer Ausweisung ein erhebliches Gewicht zukomme, sei von der Beklagten und dem Verwaltungsgericht gänzlich verkannt worden.
Dieses Vorbringen zeigt nicht auf, dass die Ausweisungsverfügung der Beklagten ermessensfehlerhaft ist. Den oben dargelegten Anforderungen genügt die Ermessensentscheidung der Beklagten. Die Beklagte hat ausweislich der Gründe des angefochtenen Bescheides die erforderliche Abwägung vorgenommen und dabei insbesondere die in § 55 Abs. 3 AufenthG genannten Gesichtspunkte angemessen berücksichtigt. So hat die Beklagte im Rahmen ihrer Abwägung eingehend geprüft, ob dem Kläger eine Rückkehr in sein Heimatland nach seinem langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zumutbar ist. Dabei hat sie darauf abgestellt, dass dem Kläger auf Grund seiner andauernden Straffälligkeit eine vollständige Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht gelungen sei. Weiter sei eine Rückkehr des Klägers in sein Heimatland auch deshalb möglich, weil dem Kläger auf Grund seines Alters eine Wiedereingliederung in die Verhältnisse seines Heimatlandes zumutbar sei. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Beklagte hat auch die geschützten familiären Bindungen des Klägers entsprechend ihrem Gewicht ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Der grundrechtliche Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des betroffenen Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend ihrem Gewicht einzelfallbezogen zu berücksichtigen. Auch gewichtige familiäre Belange setzen sich nicht zwangsläufig stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durch (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682 und vom 12. April 2000 - 2 BvR 440/00 -, [...]; Senatsbeschluss vom 27. Mai 2008 - 10 LA 176/07 - und Beschluss des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 22. Juli 2008 - 8 LA 40/07 -, n.v.). Die Beklagte hat die schützenswerten Bindungen des Klägers zu seiner Ehefrau und seinen drei minderjährigen Kindern entsprechend der Bedeutung dieser Bindungen bei der Ausweisungsentscheidung berücksichtigt. Auf Grund der oben dargelegten konkreten und zugleich schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch den Kläger ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dem öffentlichen Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet hier ein höheres Gewicht beizumessen als dem Interesse des Klägers an einer Fortsetzung seines Aufenthalts im Hinblick auf seine Bindungen zu seiner Ehefrau und seinen Kindern. Der Kläger kann von der Begehung weiterer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwartender erheblicher Straftaten nur durch eine Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet abgehalten werden. Es bestehen insbesondere keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung, zumal der familiären Situation durch eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung (§ 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) Rechnung getragen werden kann. Dass selbst eine zeitlich befristete Trennung des Klägers von seiner Ehefrau und seinen Kindern angesichts der heutigen Möglichkeiten, die Bindungen trotz der räumlichen Trennung durch Briefe und (Bild-) Telefonate sowie durch Besuche aufrechtzuerhalten, auf Grund besonderer Umstände unzumutbar ist, zeigt der Kläger mit seinem Zulassungsantrag nicht konkret auf.
Der Kläger legt mit seinem Zulassungsantrag auch nicht dar, dass die Ausweisung seine Rechte aus Art. 8 EMRK verletzt. Im Hinblick hierauf trägt der Kläger im Wesentlichen vor, er sei als Minderjähriger (im Alter von 15 Jahren) nach Deutschland eingereist und halte sich seit mehr als 14 Jahren rechtmäßig hier auf. Er habe familiäre Bindungen im Bundesgebiet und sei in den hiesigen Lebensverhältnissen verwurzelt. Die Beklagte habe dies sowie die mit einer Übersiedelung nach Serbien verbundenen Schwierigkeiten nicht berücksichtigt.
Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; Art. 8 Abs. 2 EMRK regelt die Zulässigkeit von Eingriffen von staatlichen Stellen in die Ausübung dieses Rechts. Wesentliches Ziel der Vorschrift ist der Schutz des Einzelnen vor willkürlicher Einmischung der öffentlichen Gewalt in das Privat- und Familienleben. Bezogen auf den Schutz der Familie nach Art. 8 Abs. 1 EMRK verweist der Senat auf seine obigen Ausführungen zu Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 8 EMRK kann dort keine weitergehenden als die durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Schutzwirkungen entfalten, wo sein Anwendungsbereich sich mit dem des Art. 6 Abs. 1 GG deckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1 C 20.97 -, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 14).
Auch im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens zeigt der Kläger nicht auf, dass die Ausweisung nicht nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt ist. Nach dieser Bestimmung sind Eingriffe ist das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens statthaft, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft u.a. für die öffentliche Ordnung, die Verteidigung der Ordnung oder zur Verhinderung strafbarer Handlungen notwendig ist, d.h. einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und in Bezug auf das rechtmäßig verfolgte Ziel verhältnismäßig ist. Die Ausweisung des Klägers ist gesetzlich vorgesehen und bezweckt die Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen des Klägers im Bundesgebiet.
Mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung lässt sich eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familien- und Privatlebens nicht allein mit dem Argument bejahen, ein Ausländer halte sich bereits seit geraumer Zeit im Vertragsstaat auf und wolle dort sein Leben führen. Im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung grundsätzlich Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann. Ob eine solche Fallkonstellation für einen Ausländer in Deutschland vorliegt, hängt zum einen von der Integration des Ausländers in Deutschland, zum anderen von seiner Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab. Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, in einem festen Wohnsitz, einer Sicherstellung des ausreichenden Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und dem Fehlen von Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Mit zu berücksichtigen ist auch die Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts.
Der Kläger macht unter Hinweis auf seinen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt eine Verwurzelung in den hiesigen Lebensverhältnissen geltend. Er legt dies aber nicht im Einzelnen näher dar. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger derart im Bundesgebiet integriert ist, dass ihm eine Rückkehr in sein Heimatland unzumutbar ist. Für eine Integration spricht zwar, dass er bereits im Alter von 15 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und sich seither hier rechtmäßig aufhält. Allein der sich hieraus ergebende langjährige rechtmäßige Aufenthalt vermag eine gefestigte Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse aber nicht zu begründen. Gegen eine solche Integration spricht, dass er kurze Zeit nach seiner Einreise fortlaufend und mit zunehmender Schwere Straftaten begangen hat. Eine längere Zeit straffreien Verhaltens ist beim Kläger nicht festzustellen.
Es lässt sich dem Vorbringen des Klägers ferner nicht entnehmen, dass ihm eine Reintegration in seinem Heimatland nicht zumutbar ist. So trägt er mit seinem Zulassungsantrag nicht vor, dass er dort keine verwandtschaftlichen Verbindungen mehr habe. Da der Kläger erst im Alter von 15 Jahren sein Heimatland verlassen hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger die Sprache seines Heimatlandes hinreichend beherrscht und ihm die gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse in seinem Herkunftsland bekannt sind. Auf Grund seines Alters ist nicht zu befürchten, dass er sich in wirtschaftlicher Hinsicht dort nicht wird eingliedern können. Hiernach ist dem Kläger eine Rückkehr in sein Heimatland zuzumuten. Auch unter Berücksichtigung seiner familiären Belange unterliegt die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung des Klägers angesichts der gesteigerten Wiederholungsgefahr in Bezug auf erhebliche Straftaten keinen Bedenken.
Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe die aufenthaltsrechtliche Situation seiner Familienangehörigen nicht berücksichtigt, greift schon deshalb nicht durch, weil der Kläger nicht darlegt, dass sich die aufenthaltsrechtliche Situation für seine Ehefrau und seine Kinder im Falle seiner Ausweisung tatsächlich verschlechtern werde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Aufenthalt der Ehefrau und der gemeinsamen Kinder im Bundesgebiet gefährdet wäre.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).