Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 10.01.2006, Az.: 4 B 137/05
Anrechnung; Ausbildung; berufspraktisch; bestimmt; Fachhochschule; Finanzamt; Rechtsschutzbedürfnis; Regelstudienzeit; Studiengebühr; Studienguthaben; Studienzeit; Teilzeitstudiengang; Teilzeitstudium; unbestimmter Rechtsbegriff
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 10.01.2006
- Aktenzeichen
- 4 B 137/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 53155
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs 1 S 1 HSchulG ND
- § 11 Abs 4 HSchulG ND
- § 13 Abs 1 S 1 HSchulG ND
- § 4 Abs 2 StBAG
- § 80 VwGO
- § 154 Abs 1 VwGO
- Art 20 Abs 3 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ist der Vorbereitungsdienst eines Anwärters für die Laufbahn des gehobenen Dienstes der niedersächsischen Steuerverwaltung so ausgestaltet, dass die Studienzeiten an der Nds. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege durch Zeitabschnitte unterbrochen werden, in denen der Anwärter an einer berufspraktischen Ausbildung in seinem Ausbildungsfinanzamt teilzunehmen hat, können nur die tatsächlich an der Fachhochschule absolvierten Studienzeiten auf das Studienguthaben angerechnet werden
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der am 22.7.2005 erhobenen Klage (4 A 136/05) des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.6.2005 wird angeordnet.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller Studiengebühren für das Wintersemester 2005/2006 in Höhe von 500,00 Euro vorläufig zurückzuzahlen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.500,00 Euro festgesetzt.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Erhebung von Studiengebühren durch die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller wurde am 3.8.1998 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Finanzanwärter ernannt und beim Finanzamt E. eingestellt. Im Rahmen seiner Ausbildung für den gehobenen Dienst der niedersächsischen Steuerverwaltung wurde er in den Zeiträumen vom 6.8.1998 bis zum 18.12.1998 (1. Studienabschnitt), von Juli 1999 bis Februar 2000 (2. Studienabschnitt), vom 2.1.2001 bis zum 29.6.2001 (3. Studienabschnitt) sowie vom 2.1.2002 bis zum 28.6.2002 (Wiederholung des 3. Studienabschnitts) der Nds. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege - Fachbereich Steuerverwaltung - in F. zugewiesen. Während der übrigen Zeit seiner Ausbildung, die am 18.7.2002 nach endgültigem Nichtbestehen der Laufbahnprüfung endete, wurde er beim Finanzamt E. ausgebildet.
Zum Wintersemester 2002/2003 ließ die Antragsgegnerin den Antragsteller zum Studium der Rechtswissenschaft zu. Nach Anhörung des Antragstellers stellte sie mit Bescheid vom 23.6.2005 fest, dass dessen Studienguthaben 13 Semester betrage und mit Ablauf des Sommersemesters 2005 ausgeschöpft sei. Gleichzeitig setzte sie für das Wintersemester 2005/2006 sowie für jedes weitere Semester, für das der Antragsteller sich zurückmelde, Studiengebühren in Höhe von jeweils 500,00 Euro fest.
Mit Schreiben vom 29.7.2005 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 23.6.2005. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 10.8.2005 ab.
Bereits am 22.7.2005 hat der Antragsteller Klage erhoben, einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er ist der Auffassung, dass die Studienzeiten an der Nds. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, sofern sie überhaupt zu berücksichtigen seien, allenfalls im Umfang von 4 Semestern auf sein Studienguthaben angerechnet werden dürften.
Am 31.10.2005 zahlte der Antragsteller die für das Wintersemester 2005/2006 erhobenen Studiengebühren unter Vorbehalt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
1. die aufschiebende Wirkung seiner Klage (4 A 136/05) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.6.2005 anzuordnen;
2. der Antragsgegnerin aufzugeben, die aufgrund ihres Bescheides vom 23.6.2005 erhobenen Studiengebühren in Höhe von 500,00 Euro vorläufig an ihn zurückzuzahlen;
3. ihm für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
Sie hält den Antrag für unzulässig, nachdem der Antragsteller die geforderte Summe gezahlt habe. Im Übrigen sei ihr Bescheid vom 23.6.2005 rechtmäßig. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe.
Zur Sache trägt die Antragsgegnerin vor, das Studienguthaben des Antragstellers sei zutreffend berechnet worden. Er habe bereits im Sommersemester 2005 im 14. Hochschulsemester studiert, so dass sein Studienguthaben verbraucht sei. Die Zeit der Ausbildung des Antragstellers für den gehobenen Dienst der niedersächsischen Finanzverwaltung sei in vollem Umfang und damit mit 8 Semestern auf das Studienguthaben anzurechnen. Die Ausbildung sei insgesamt als einheitlicher Studiengang angelegt, der aus Fachstudien und berufspraktischen Studienabschnitten bestehe. Die berufspraktischen Studienzeiten seien von den fachtheoretischen Studienabschnitten nicht im Sinne einer anders gearteten Ausbildung abtrennbar, sondern bildeten einen integralen Bestandteil des Studiums. Daran ändere nichts, dass sie nicht an der Verwaltungsfachhochschule selbst, sondern an den Ausbildungsstellen absolviert würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 VwGO) gegen die Erhebung öffentlicher Abgaben und damit auch im vorliegenden Fall der Erhebung von Studiengebühren gemäß § 13 des Nds. Hochschulgesetzes - NHG - vom 24.6.2002 (Nds. GVBl. S. 286), in der hier anwendbaren Fassung des Art. 8 des Gesetzes vom 17.12.2004 (Nds. GVBl. S. 664). Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO). Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 80 Abs. 5 S. 3 VwGO).
Der Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers steht nicht entgegen, dass er die streitige Gebühr zwischenzeitlich gezahlt hat. Die Zahlung erfolgte unter Vorbehalt und mit dem Ziel, Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Der Vorschrift des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO lässt sich entnehmen, dass die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts - sei es durch die Behörde, sei es durch den Betroffenen, der damit nur dem in dem Verwaltungsakt enthaltenen (Zahlungs-)Befehl nachkommt - das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht entfallen lässt (VG Köln, Beschluss vom 26.4.2004 - 6 L 721/04 -, juris; VG Gera, Beschluss vom 27.8.2004 - 2 E 1089/04 GE -, juris). Auch die Voraussetzung des § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO, wonach der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO im Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur zulässig ist, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat, ist erfüllt.
Gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 4 Satz 3 VwGO ist bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten die Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Regelfall geboten, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erhebung von Studiengebühren.
Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 NHG erheben die Hochschulen in staatlicher Verantwortung für das Land von den Studierenden für jedes Semester eine Studiengebühr in Höhe von 500 €, soweit den Studierenden kein Studienguthaben mehr zur Verfügung steht. Das Studienguthaben besteht aus der Höhe der Semesterzahl der Regelstudienzeit eines grundständigen Studiengangs zur Erlangung eines berufsqualifizierenden Abschlusses zuzüglich vier weiterer Semester (§ 11 Abs. 1 Satz 1 NHG). Für die Berechnung des Studienguthabens ist die Regelstudienzeit des gegenwärtig gewählten Studiengangs, bei einem Parallelstudium der Studiengang mit der längeren Regelstudienzeit maßgeblich (§ 11 Abs. 2 Satz 1 NHG). Auf das Studienguthaben werden Studienzeiten an Hochschulen im Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes (HRG) angerechnet, soweit für diese Studienzeiten keine Studiengebühren erhoben wurden (§ 11 Abs. 4 Satz 1 NHG). Die Erhebung von Studiengebühren steht nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (z. B. Urteil vom 4.3.2004 - 4 A 98/03 -) mit höherrangigem Recht in Einklang.
Das Studienguthaben des Antragstellers, das aus der Regelstudienzeit von 9 Semestern (Niedersächsisches Gesetz zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen - NJAG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.1.2004, Nds. GVBl. S. 7) zuzüglich vier weiterer Semester besteht, ist im Wintersemester 2005/2006 noch nicht erschöpft. Eine wesentliche Voraussetzung für die Erhebung einer Studiengebühr liegt daher in seinem Fall nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob die Ausbildung des Antragstellers in der Fakultät „Steuerverwaltung“ der Nds. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege nach § 11 Abs. 4 NHG grundsätzlich anrechnungsfähig ist oder ob sie im Hinblick auf § 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NHG anrechnungsfrei zu bleiben hat. Jedenfalls kann die Ausbildung des Antragstellers für die Laufbahn des gehobenen Steuerverwaltungsdienstes nach der im vorliegenden Verfahren durchzuführenden summarischen Überprüfung nicht im Umfang von acht Semestern auf sein Studienguthaben angerechnet werden. Denkbar erscheint insoweit allenfalls eine Anrechnung im Umfang von vier Semestern, so dass das Studienguthaben des Antragstellers - bei Fortsetzung des gegenwärtig gewählten Studiengangs - frühestens nach Ablauf des Sommersemesters 2007 aufgezehrt sein wird.
Der Ausbildung des Antragstellers für die Laufbahn des gehobenen Steuerverwaltungsdienstes lagen folgende Regelungen zugrunde: Gemäß § 4 Abs. 2 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes (StBAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.10.1996 (BGBl. I S. 1577) vermittelte der regelmäßig drei Jahre dauernde Vorbereitungsdienst den Beamten in einem Studiengang einer Fachhochschule oder in einem gleichstehenden Studiengang die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden sowie die berufspraktischen Fähigkeiten und Kenntnisse, die zur Erfüllung der Aufgaben in der Laufbahn des gehobenen Dienstes erforderlich waren. Der Vorbereitungsdienst bestand aus Fachstudien von mindestens achtzehnmonatiger Dauer - im Fall des Antragstellers dehnte sich dieser Zeitraum nach dem erstmaligen Nichtbestehen der Laufbahnprüfung auf mehr als 24 Monate aus - und berufspraktischen Studienzeiten, die die Ausbildung in fachbezogenen Schwerpunktbereichen der Laufbahnaufgaben umfassten. Nach § 17 Abs. 1 S. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamten (StBAPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.10.1996 (BGBl. I S. 1581) bildeten Fachstudien und berufspraktische Studienzeiten eine Einheit. Die berufspraktische Ausbildung fand gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 StBAPO in Ausbildungsfinanzämtern statt, denen die Beamten zugewiesen wurden. Den genannten Regelungen entnimmt die Antragsgegnerin, dass auch die Zeiten der berufspraktischen Ausbildung des Antragstellers auf sein Studienguthaben anzurechnen seien. Diese Auffassung teilt die Kammer für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht.
Im Fall des Antragstellers wurde während seiner Ausbildung zum Finanzbeamten von den gesetzlichen Vorgaben ersichtlich abgewichen. Der Antragsteller wurde nach seiner Ernennung zum Finanzanwärter nicht unmittelbar der Nds. Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in F. zugewiesen, sondern beim Finanzamt E. eingestellt. Von dort aus wurde er zur Absolvierung der einzelnen Studienabschnitte jeweils gesondert und für festgelegte Zeiträume der Fachhochschule zugewiesen. Während der übrigen Abschnitte des Vorbereitungsdienstes, die insgesamt einen Umfang von etwa 23 Monaten hatten und damit zeitlich nahezu der fachtheoretischen Ausbildung entsprachen, wurde er beim Finanzamt E. praktisch ausgebildet. Durch diese tatsächlich praktizierte Zweiteilung der Ausbildung wies das Studium des Antragstellers die Züge eines Teilzeitstudiums im Sinne der Kombination eines Hochschulstudiums mit einer Berufsausbildung auf. Studienzeiten in einem Teilzeitstudiengang werden aber nach § 11 Abs. 4 S. 2 NHG nur mit der Länge der jeweiligen Studienabschnitte abgerechnet und auf volle Semester abgerundet. Offen bleiben kann, ob die Regelung des § 11 Abs. 4 S. 2 NHG auf die Ausbildung des Antragstellers unmittelbar anzuwenden ist oder ob dies wegen der nur tatsächlichen Abweichung von den seinerzeit geltenden gesetzlichen Regelungen nicht möglich ist. Jedenfalls lässt sich angesichts einer solchen Ausbildung kein mit der zeitlichen Länge des Vorbereitungsdienstes deckungsgleicher „Gesamtrahmen“ für das Fachhochschulstudium von acht Semestern konstruieren (im Anschluss an VG Hannover, Urteil vom 1.3.2004 - 6 A 4101/03 -).
Das VG Hannover (a.a.O.) hat zur Auslegung des Begriffs der Studienzeiten in § 11 Abs. 4 NHG Folgendes ausgeführt:
„Vielmehr ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „Studienzeiten“ in der Anrechnungsvorschrift des § 11 Abs. 4 NHG so auszulegen, dass sich aus ihm ein zweifelsfrei nachvollziehbarer Sachverhalt ableiten lässt. Das ist zwingend, wenn die Anrechnung von Studienzeiten im Einzelfall zu dem Ergebnis führt, dass das Studienguthaben verbraucht ist, denn in diesem Fall löst die Anwendung des § 11 Abs. 4 NHG unmittelbar den Gebührentatbestand des § 13 Abs. 1 Satz 1 NHG aus. Knüpft die Erhebung einer öffentlichen Abgabe an die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs an, muss die Auslegung zu einem Ergebnis führen, das einer willkürlichen Handhabung der Abgabenvorschrift durch die Behörden entgegensteht (BVerwG, Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 23). Das folgt aus dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG. Dieses hat insoweit die Funktion, Gebührentatbestände auszuschließen, die infolge ihrer Unbestimmtheit den Behörden die Möglichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen Handhabung eröffnen (BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Das Studium der Klägerin an der Niedersächsischen Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege war weder in Semester noch in entsprechende Zeitabschnitte von Studienjahren oder -halbjahren gegliedert. Bei einer solchen Sachlage wäre die Grenze der Möglichkeit einer willkürlichen Handhabung des § 11 Abs. 4 NHG überschritten, wenn der Begriff der Studienzeiten losgelöst von seinem Wortsinn mit dem Inhalt ausgelegt wird, dass unter Studienzeiten ein in einer (hypothetischen) Semesterzahl ausgedrückter Zeitrahmen verstanden wird. Denn für die willkürfreie Bestimmung eines solchen Zeitrahmens ließen sich dem NHG keine greifbaren Anhaltspunkte entnehmen. Zum einen käme eine Bestimmung nach Maßgabe der Regelstudienzeit in Betracht, wenn das tatsächlich abgeleistete Studium länger oder - wie im Fall der Klägerin durch vorzeitiges Bestehen der Laufbahnprüfung (vgl. §§ 7 Nr. 1, 21 Abs. 1 APVOgehD a.F.) - kürzer als die vorgesehene Gesamtstudienzeit dauert. Andererseits wäre aber auch eine Bestimmung des Zeitrahmens denkbar, die sich an der von der Aufnahme des Studiums bis zum tatsächlichen Erreichen des Hochschulabschlusses oder eines anderen berufsqualifizierenden Abschlusses verstrichenen Zeit orientiert. Ferner wäre es auch denkbar, ausschließlich an die Zeiten der Immatrikulation anzuknüpfen. Denkbar wäre schließlich auch, nur diejenigen Teilabschnitte von nicht in Semestern oder Trimestern unterteilten Studiengängen zu einem zeitlichen Gesamtrahmen zusammenzufassen, deren Länge im Einzelnen den Zeitraum eines Semesters erreicht; dieses würde im Fall der Klägerin nach den Ausbildungsvorschriften des § 10 Abs. 2 Satz 2 APVOgehD a.F. bedeuten, dass nur die berufspraktische Studienzeit I (10 Monate), die berufspraktische Studienzeit II (7 Monate) und das Abschlussstudium II (7 Monate) jeweils die zeitliche Länge eines Semesters erreichten. An der Vielzahl denkbarer Berechnungsmodelle, die zu jeweils anderen Ergebnissen führen können, zeigt sich, dass die Auslegung des Begriffs „Studienzeiten“ in § 11 Abs. 4 Satz 1 NHG willkürfrei und damit verfassungskonform nur möglich ist, wenn der Anrechnung auf das Studienguthaben dem Wortsinn dieses Begriffs der „Studienzeiten“ entsprechend nur die tatsächlichen Studienzeiten zugrunde gelegt werden. Diese lassen sich angesichts der von dem Gesetzgeber für Teilzeitstudiengänge in § 11 Abs. 4 Satz 2 NHG vorgegebenen Berechnungsmethode auch für Studiengänge, deren Abschnitte nicht in Semester und Trimester unterteilt sind, zweifelsfrei feststellen, indem die Summe der tatsächlichen Studienzeiten in entsprechende volle Halbjahresabschnitte (Semester) umgerechnet wird.“
Dieser Auffassung folgt die Kammer für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (ebenso VG Lüneburg, Urteil vom 21.9.2005 - 1 A 86/03 -). Für ihre Richtigkeit spricht letztlich auch der Wortlaut des § 11 Abs. 4 S. 1 NHG, wonach nur Studienzeiten an Hochschulen auf das Studienguthaben angerechnet werden; diese Voraussetzung trifft auf die Ausbildung des Antragstellers bei dem Finanzamt E. ersichtlich nicht zu. Die Studienzeiten des Antragstellers im Rahmen seiner Ausbildung belaufen sind auf insgesamt 24 Monate und 14 Tage (1. Studienabschnitt: 4 Monate, 14 Tage; 2. Studienabschnitt: 8 Monate; 3. Studienabschnitt: 6 Monate; Wiederholung des 3. Studienabschnitts: 6 Monate). Da § 11 Abs. 4 NHG nicht die Aufrundung von Studienzeiten auf volle Semester vorsieht, ergeben sich im Fall des Antragstellers - wiederum vorbehaltlich der Frage, ob das Fachhochschulstudium überhaupt anzurechnen ist - insgesamt vier anrechenbare Semester. Danach wird der Antragsteller mit Beendigung des laufenden Wintersemesters 2005/2006 von seinem Studienguthaben erst 11 Semester verbraucht haben. Er befindet sich folglich noch in einem gebührenfreien Abschnitt seines Studiums.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zum Streitwert ergeht nach § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG. Nach der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (vgl. z. B. Beschlüsse vom 1.2.2005 - 2 OA 1274/04 und 2 OA 1275/04 -), der sich die Kammer im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung anschließt, hängt die Höhe des Streitwerts davon ab, auf wie viele Semester sich der angefochtene Bescheid voraussichtlich bezieht. Vorliegend trifft der Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.6.2005 nicht nur eine Regelung für das Wintersemester 2005/2006, sondern stellt zu Lasten des Antragstellers darüber hinaus fest, dass die Studiengebührenpflicht auch für alle weiteren Semester gilt, für die eine Rückmeldung bei der Antragsgegnerin erfolgt. Anknüpfend an die Regelstudienzeit des Jura-Studiums von neun Fachsemestern, die im Fall des Antragstellers mit Ablauf des Sommersemesters 2005 zu zwei Dritteln verstrichen war, ist von einer verbleibenden Studienzeit von - einschließlich des laufenden Semesters - drei weiteren Semestern auszugehen, hinsichtlich derer um die Verpflichtung zur Zahlung von Studiengebühren in Höhe von jeweils 500,00 Euro gestritten wird.
Dem Antragsteller ist gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da seine Rechtsverfolgung aus den o. g. Gründen Erfolg hat.