Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.01.2006, Az.: 2 A 220/05
Befreiung; befristete Befreiung; bereithalten; Betreuer; betreuter Personenkreis; DVD-Rekorder; Entgelt; Fernsehen; Fernsehgebühr; Hörfunk; Informationen; Krankenhäuser; kulturelle Verödung; Landeskrankenhaus; ohne Entgelt; Patientenschule; Programmauswahl; Rundfunkempfangsgerät; Rundfunkgebühr; Rundfunkgebührenbefreiung; Schulunterricht; Unterrichtszwecke; Vermittler von Informationen; öffentliche Schulen
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 12.01.2006
- Aktenzeichen
- 2 A 220/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53157
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 7 Nr 1 RdFunkGebVtr
- § 5 Abs 10 RdFunkGebVtr
- Art 5 Abs 1 S 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Rundfunkempfangsgeräte, die in der Patientenschule eines Landeskrankenhauses stehen, sind von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für einen DVD-Rekorder.
Der Kläger ist eine Einrichtung, in der ausschließlich Patienten untergebracht sind, die sich im Maßregelvollzug befinden. Seine Aufgabe besteht unter anderem darin, die Untergebrachten auf eine selbständige Lebensführung vorzubereiten (§ 2 Abs. 2 des Nds. Maßregelvollzugsgesetzes vom 01.06.1982 - NdsGVBl. Seite 131 - ). Zu diesem Zweck unterhält er eine Patientenschule, für die es von der zuständigen Stelle aufgestellte und genehmigte Lehrpläne gibt und in der sowohl der Haupt- wie auch der Realschulabschluss erworben werden kann. Im November 2004 schaffte er einen DVD-Rekorder an, der in der Patientenschule aufgestellt ist und dazu dient, mit Hilfe eines Monitors unterrichtsrelevante Fernsehsendungen aufzuzeichnen und diese sowie vom Kläger anderweitig erworbene oder selbst hergestellte DVD’s Patienten vorzuführen.
Am 08.11.2004 beantragte der Kläger bei dem Beklagten, für das soeben beschriebene Gerät Rundfunkgebührenbefreiung zu gewähren. Mit Bescheid vom 02.12.2004 lehnte der Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, das Gerät werde als Arbeitsmittel genutzt und stehe dem betreuten Personenkreis nicht ausschließlich zur unmittelbaren Verfügung. Den Widerspruch des Klägers gegen diese Entscheidung vom 09.12.2004 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2005 zurück, wobei er ausführte, Rundfunkgeräte in Therapie- und Beratungsräumen würden regelmäßig nicht zur Information und Unterhaltung des betreuten Personenkreises bereit gehalten, sondern stellten Arbeitsmittel der Einrichtung dar, die von den Mitarbeitern im Rahmen ihrer Aufgabenstellung eingesetzt würden.
Der Kläger hat am 25.05.2005 Klage erhoben und macht gelten, das Gerät werde ausschließlich für Unterrichtszwecke der untergebrachten Patienten genutzt und ohne Entgelt bereitgehalten; er selbst sei von der Gewerbesteuer befreit; die Mitnutzung des Gerätes durch Pflegepersonal sei unvermeidbar und schließe eine Rundfunkgebührenbefreiung nicht aus.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 02.12.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2005 zu verpflichten, für den in der Patientenschule aufgestellten DVD-Rekorder Rundfunkgebührenbefreiung für den Zeitraum vom 01.12.2004 bis zum 30.04.2007 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Berufung zuzulassen.
Er wiederholt und vertieft die Begründung seines Widerspruchsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger für den in seiner Patientenschule aufgestellten DVD-Rekorder antragsgemäß von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.
Bei dem von dem Kläger im November 2004 angeschafften und in der Patientenschule aufgestellten DVD-Rekorder handelt es sich um ein Rundfunkempfangsgerät im Sinne von § 1 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 31.08.1991 in der Fassung des 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 08./15.10.2004 (Gesetz vom 25.02.2005 - NdsGVBl Seite 160) - RGebStV -, denn er ist ein technisches Gerät, das zur drahtlosen oder drahtgebundenen, nicht zeitversetzten Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkdarbietungen (Hörfunk und Fernsehen) geeignet ist. Er wird auch im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 RGebStV zum Empfang bereitgehalten, denn mit ihm können ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand - nämlich durch Verbindung mit einem Monitor - Rundfunkdarbietungen in Form von Fernsehen empfangen werden. Da der Kläger zahlreiche weitere Rundfunkempfangsgeräte bereithält, hat er im Grundsatz nach § 2 Abs. 2 RGebStV - auch - für das streitbefangene Gerät eine Fernsehgebühr zu entrichten.
Der Kläger ist jedoch für den mehrfach erwähnten DVD-Rekorder von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien. Das ergibt sich für den Zeitraum vom 01.12.2004 bis zum 31.03.2005 aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 RGebStV i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der (Nds.) Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 03.09.1992 (NdsGVBl Seite 239) und für den Zeitraum ab 01.04.2005 aus § 5 Abs. 7 Nr. 1 des - geänderten - RGebStV selbst. Nach beiden (gleichlautenden) Bestimmungen wird auf Antrag Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Rundfunkempfangsgeräte gewährt, die in Krankenhäusern, Krankenanstalten usw. für den jeweils betreuten Personenkreis ohne besonderes Entgelt bereit gehalten werden, wenn das betreffende Rundfunkempfangsgerät von dem jeweiligen Rechtsträger des Betriebes oder der Einrichtung bereitgehalten wird und wenn die Einrichtung gemäß § 3 Nr. 20 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit ist. Die Beteiligten streiten ausschließlich darüber (denn die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift liegen unzweifelhaft vor), ob der DVD-Rekorder für den jeweils betreuten Personenkreis bereitgehalten wird. Das ist nach Auffassung des Gerichts der Fall.
Die Vorschrift stellt ausschließlich darauf ab, wem das jeweilige Rundfunkempfangsgerät dienen soll. Rundfunkgebührenbefreiung soll in diesen Fällen dazu beitragen, Personen, die sich regelmäßig und über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum in Einrichtungen aufhalten und von der Teilnahme am öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben weitgehend ausgeschlossen sind, vor einer „kulturellen Verödung“ zu bewahren (vgl. VGH München, Urteil vom 18.04.2002 - 7 B 01.2383 unter Bezugnahme auf ältere Erkenntnisse dieses Gerichts - zitiert nach Juris -; ebenso Hahn/Vesting-Siekmann, Beckscher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 6 RGebStV, RN 34). Mithin sind solche Rundfunkempfangsgeräte in Krankenhäusern pp von der Rundfunkgebührenbefreiung ausgeschlossen, die vorrangig dem Personal zu dienen bestimmt sind, wie etwa Geräte in Dienstkraftfahrzeugen, Bereitschaftszimmern, Fortbildungs- und Schulungsräumen für das Personal (worauf der Kläger in seinem Schriftsatz vom 208.07.2005 zutreffend hinweist); unschädlich ist es hingegen, wenn Pflegepersonal in unvermeidbare oder gebotener Weise die für die zu betreuenden Personen bereitgehaltenen Geräte mitnutzen (vgl. Hahn/Vesting-Siekmann, a.a.O., RN 33 unter Hinweis auf die Entscheidung des VGH Mannheim vom 15.11.1991 - 14 S 1921/89 -). Die Vorschrift differenziert hingegen - wie der Beklagte aber wohl meint - nicht danach, aus welchen Gründen der begünstigte Personenkreis Rundfunksendungen empfängt, ob dies zum Vergnügen geschieht oder um Informationen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu erhalten, zu denen zweifellos auch solche gehören, die im Schulunterricht verarbeitet werden - wie es hier geschieht -. Sie differenziert auch nicht danach, ob der begünstigte Personenkreis die Programmauswahl jeweils selbst trifft oder ob dies durch Betreuungspersonal geschieht; der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass dem von ihm betreuten Personenkreis die Programmauswahl aus therapeutischen Gründen nicht uneingeschränkt überlassen werden darf. Diese Handhabung lässt nicht etwa die Betreuer als die in Wahrheit Begünstigten erscheinen; diese sind lediglich Vermittler von Informationen, die den Patienten nützen. Dass Rundfunkempfangsgeräte, die in erster Linie dem Schulunterricht dienen, nicht von der Rundfunkgebührenbefreiung ausgeschlossen sein sollen, ergibt sich im Übrigen auch aus § 5 Abs. 10 RGebStV in der derzeit gültigen Fassung, wonach Geräte, die von Rechtsträgern öffentlicher Schulen zu Unterrichtszwecken zum Empfang bereitgehalten werden, unter bestimmten Voraussetzungen von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien sind.
Der Beklagte, der sich ausdrücklich auf die oben zitierte Entscheidung des VGH München vom 18.04.2002 beruft, missversteht offenbar deren Zielrichtung: dem Gericht ging es ausschließlich um eine nähere Bestimmung des Einrichtungsbegriffs und um den Ausschluss von Radios in Kraftfahrzeugen von der Rundfunkgebührenbefreiung (andere Auffassung ist insoweit im übrigen das OVG Lüneburg, vgl. dessen Urteil vom 21.09.1999 - 10 L 2704/99 - NdsVBl 2000, Seite 85).
Die Verpflichtung des Beklagten ist für den gesamten vom Kläger begehrten Zeitraum auszusprechen. Gemäß § 5 Abs. 7 S. 2 i.V.m. § 6 Abs. 6 RGebStV in der zur Zeit gültigen Fassung kann die Befreiung auf 3 Jahre befristet werden, wenn eine Änderung der Umstände möglich ist, die dem Befreiungstatbestand zugrunde liegen; der streitbefangene Zeitraum ist kürzer als drei Jahre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die von dem Beklagten hilfsweise begehrte Zulassung der Berufung spricht das Gericht nicht aus, weil das Urteil weder von einer Entscheidung eines höheren Gerichts abweicht noch die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 a Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO). Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache fehlt schon deshalb, weil die Auffassung des Gerichts durchaus als in der Rechtsprechung herrschend bezeichnet werden kann (vgl. etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 21.09.199 - a.a.O.; OVG Koblenz, Urteil vom 28.03.2002 - 12 A 11623/01 - NVWZ-RR 2003, Seite 280, VG Hannover, Urteil vom 01.03.2004 - 6 A 5293/02 - Urteil des VG Braunschweig vom 21.06.2005 - 5 A 322/04 - beide zitiert nach der Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG).