Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.12.2008, Az.: 6 U 65/08
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.12.2008
- Aktenzeichen
- 6 U 65/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 42443
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:1218.6U65.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 29.04.2008 - AZ: 5 O 128/07
Fundstellen
- BauR 2010, 1764-1765
- IBR 2010, 490
In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Piekenbrock, den Richter am Oberlandesgericht Volkmer und den Richter am Amtsgericht Voß auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2008 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. April 2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden und das diesem Urteil zugrunde liegende Verfahren insoweit aufgehoben, als das Landgericht zugunsten der Klägerin mehr ausgeurteilt hat, als die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt zu halten, was hiermit erklärt wird, und die Widerklage abzuweisen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache, auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen. Die weiter gehende Berufung wird unter Abweisung der Zahlungswiderklage zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin verlangt Werklohn aus gekündigtem Bauvertrag, die Beklagte widerklagend Schadensersatz wegen Nichterfüllung dieses Vertrages.
Die Parteien schlossen am 17. August 2006 den Vertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Wohnhauses mit Zahnarztpraxis auf dem Grundstück B.-straße in S. zum Pauschalpreis von brutto 400.000 €. In dem Vertrag heißt es, dass er "der Bestätigung der Geschäftsleitung" bedürfe. Sein Gegenstand sind die "Allgemeine(n) Vertragsbedingungen" der Klägerin, welche die Beklagte unterschrieb und die zwölf Abschlagszahlungen vorsehen, die erste in Höhe von 3 % des vereinbarten Entgelts "nach Grundlagenplanung (Vertragsbestätigung)", die zweite in Höhe von 7 % "nach Ausführungsplanung und Statik". Nr. 7.2 der Bedingungen legt den Beginn der Gewährleistungsfrist auf die Abnahme des Werkes, "spätestens jedoch mit dem Einzug des errichteten Hauses" fest. Gemäß Nr. 12.4 "gilt ansonsten die VOB in der neuesten Fassung."
Mit Rechnung vom 18. August 2006 bestätigte die Klägerin den Vertragsschluss und forderte den ersten Abschlag. Mit Schreiben vom 25. August 2006 übersandte die Klägerin der Beklagten Ausführungszeichnungen. Mit Schreiben vom 30. August 2006 kündigte die Beklagte den Vertrag "wegen mehrfacher Vertragsverletzung".
Die Klägerin hat die ersten beiden Abschläge in Höhe von zusammen 40.000 € nebst Zinsen gerichtlich geltend gemacht. - Die Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt sowie widerklagend Zwischenfeststellung, dass für ihre Kündigung ein wichtiger Grund vorliegt. Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe keine Planungsleistungen erbracht.
Das Landgericht hat in der Verhandlung vom 12. Februar 2008 darauf hingewiesen, dass die Klägerin eine Schluss-Rechnung erstellen müsse. Auf entsprechende Anträge hat es der Klägerin Frist bestimmt zum 26. Februar 2008, die Schluss-Rechnung vorzulegen, und der Beklagten Frist zur Stellungnahme zu dieser Schluss-Rechnung zum 11. März 2008. Die Schluss-Rechnung vom 13. Februar 2008 über 81.496,23 € ist am 27. Februar 2008 beim Landgericht eingegangen. Der Endbetrag ergibt sich aus dem in netto 336.134,45 € umgerechneten vereinbarten Werklohn abzüglich der kalkulierten und im einzelnen dargelegten Nettokosten von 267.650,22 €, in denen die Architektenleistungen mit 20.515 € enthalten sind, zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer. Das Landgericht hat der Beklagten auf fristgerechten Antrag die Erklärungsfrist bis 18. März 2008 verlängert. Mit an diesem Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte die von der Klägerin kalkulierten Kosten als zu niedrig bestritten und vorgetragen, die Klägerin habe mit den für den Einsatz bei ihr vorgesehenen Kräften anderweitig Gewinn erzielt.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben und sie insoweit ebenso abgewiesen wie die Widerklage. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe sich gegen das Verlangen der Klägerin nach deren Gewinn erst nach Schluss der Verhandlung gewandt; die Frist zur Stellungnahme auf die Schluss-Rechnung habe sich nicht auf die Kalkulation der Klägerin bezogen.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe der Senat sich zur näheren Sachdarstellung bezieht, wendet die Beklagte sich mit der Berufung. Sie verfolgt ihr Ziel der Klagabweisung weiter. Außerdem erhebt sie Widerklage auf Zahlung von 32.757,79 € nebst Zinsen, mit welcher sie Schadensersatz begehrt auf der Grundlage von ihr angenommener fristloser Kündigung des Vertrages mit der Klägerin aus wichtigem Grund. - Diese erstrebt Zurückweisung der Berufung, hilfsweise Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Sie verteidigt das angefochtene Urteil. - Die Parteien haben die Zwischenfeststellungswiderklage in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens verweist der Senat auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.
B.
Die Berufung ist in dem aus der Formel dieses Urteils ersichtlichen Umfang begründet, im übrigen unbegründet.
I.
Das Verfahren im ersten Rechtszuge leidet an einem wesentlichen Mangel (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte könne sich nicht mehr damit verteidigen, dass die Preiskalkulation der Klägerin nicht richtig sei und sie - die Klägerin - mit den für ihr - der Beklagten - Bauvorhaben vorgesehenen Kräften anderweitig Gewinn erzielt habe. Die Ansicht des Landgericht, die Beklagte habe dieses Verteidigungsmittel nach Schluss der Verhandlung vorgebracht (§ 296 a Satz 1 ZPO), trifft nicht zu.
1. Das Verfahren des Landgerichts in der Verhandlung vom 12. Februar 2008 hat zu keinem Schluss der Verhandlung geführt. Das Landgericht hat verfahrensfehlerhaft der Beklagten bereits eine Frist zur Erklärung bestimmt auf eine Erklärung der Klägerin, die in der Verhandlung noch nicht vorlag, sondern welche die Klägerin erst gemäß § 139 Abs. 5 ZPO nachbringen sollte. Diese Verfahrensweise sieht das Gesetz in § 128 Abs. 2 ZPO nicht im Verfahren auf mündliche Verhandlung, sondern nur im Verfahren ohne mündliche Verhandlung vor, für das die Zustimmung der Parteien nicht vorlag und welches das Landgericht nicht angeordnet hatte.
2. Davon abgesehen war es bei dem Verständnis der Fristbestimmung zugunsten der Beklagten am 12. Februar 2008, wie das Landgericht es hat, ein Verfahrensfehler, der Beklagten die Erklärungsfrist nur zu der erwarteten Schluss-Rech- nung der Klägerin zu bestimmen und nicht auch zu der Kalkulation der Klägerin. Solange die Schluss-Rechnung nicht vorlag und die Klägerin ihren Anspruch nicht auf diese statt auf vereinbarte Abschläge stützte, hatte die Beklagte keinen Grund, sich gegenüber der von der Klägerin vorgetragenen Kalkulation zu verteidigen.
II.
Zur Höhe des Anspruchs der Klägerin ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach Anspruch auf Werklohn aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag (§ 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B).
a) Die Kündigung des Vertrages seitens der Beklagten vom 30. August 2006 ist als grundlose Kündigung nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B auszulegen, nicht als solche aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB.
aa) Das Verlangen der Klägerin nach den ersten beiden Abschlägen machte der Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht unzumutbar.
(1) Die Vertragsbedingungen, welche die Beklagte in ihrem Schreiben vom 16. August 2006 genannt hat, sind unmaßgeblich. Die Beklagte hat nach diesem Schreiben, nämlich am 17. August 2006 der Klägerin ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss mit anderem Inhalt gemacht, namentlich zu den Zahlungsbedingungen der Klägerin, die sie unterschrieben hat, welches die Klägerin angenommen hat, indem sie mit Rechnung vom 18. August 2006 die "Vertragsbestätigung" aussprach.
(2) Bauantrag und Baugenehmigung gehören, anders als die Beklagte meint, nicht zu den Leistungen, welche die Klägerin für den vereinbarten Pauschalpreis von 400.000 € zu erbringen hatte. Vielmehr hatte die Beklagte diese Leistungen selbst schon vor Vertragsschluss mit der Klägerin erbracht. Sie hat den Bauantrag bereits am 18. Juli 2006 bei dem Landkreis Rotenburg eingereicht.
(3) Sollten Ausführungsplanung und Statik, wie die Beklagte behauptet, nicht vorgelegen haben, als die Klägerin von ihr den zweiten Abschlag forderte, begründete dieses kein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund. Die Beklagte war rechtlich ausreichend dadurch geschützt, dass sie die zweite Zahlungsrate zurückbehalten durfte, bis die Klägerin die bis zu dieser Rate geschuldete Leistung erbrachte, und der Klägerin eine angemessene Frist zur Leistung bestimmen konnte, nach deren ergebnislosem Ablauf sie sich vom Vertrage hätte lösen können.
bb) Die übrigen Kündigungsgründe, welche die Beklagte anführt, sind schon deshalb unbeachtlich, weil die Beklagte versäumt hat, der Klägerin eine Frist zur Abhilfe zu bestimmen, ehe sie kündigte (§ 314 Abs. 2 Satz 1 BGB). - Die Fremdvergabe von Leistungen war der Klägerin erlaubt. Die Beklagte hat selbst mit Schreiben vom 2. September 2006 bei der Klägerin beanstandet, dass diese ihr noch "keine Handwerkerliste vorgelegt" habe.
b) Der Werklohnanspruch der Klägerin ist fällig.
aa) Die Schluss-Rechnung der Klägerin ist prüffähig (§ 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B). Der Gewinn der Klägerin aus dem Vertrag mit der Beklagten, den diese allein geltend macht, ergibt sich aus der Differenz zwischen vereinbartem Preis und ersparten Leistungen, welche die Klägerin in dem von ihr vorgelegten Kalkulationsblatt 20060705 vom 31. Juli 2006 (Anlagen zum Schriftsatz vom 5. November 2007 - Bl. 198 - 208 d.A.) ausreichend dargestellt hat. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte der Klägerin keinen Anspruch für nicht erbrachte Leistungen zugesteht, war diese nicht gehalten, die von ihr kalkulierten Mengen durch Aufmaße und Zeichnungen zu belegen und die von ihr kalkulierten Einheitspreise nach Lohn-, Materialanteil und Gemeinkosten weiter aufzuschlüsseln.
bb) Außerdem ist § 16 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOB/B unwirksam.
(1) Die Vorschrift unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die Parteien haben die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart. Nr. 7.2 der "Allgemeine(n) Vertragsbedingungen" der Klägerin, welche die Parteien in den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag einbezogen haben, regelt den Beginn der Gewährleistungsfrist abweichend von der VOB/B. Nach dieser beginnt sie sechs Werktage nach Beginn der Benutzung des Werkes durch dessen Besteller (§ 12 Nr. 5 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 4 Abs. 3 Halbs. 1 VOB/B) , nach Nr. 7.2"spätestens ... mit dem Einzug in das errichtete Haus".
(2) Die eingangs bezeichnete Klausel ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von welcher sie abweicht, nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Sie kann den Zeitpunkt der Fälligkeit des Werklohns über den gesetzlich vorgeschriebenen der Abnahme (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB) hinaus zum Nachteil des Werkbestellers verschieben. Dadurch ist es möglich, dass die Fälligkeit erst im Jahre nach der Abnahme eintritt und die Verjährung des Werklohnanspruchs sich um ein Jahr verlängert (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
cc) Die Prüffähigkeit der Schluss-Rechnung ist nicht Voraussetzung für die Fälligkeit des Werklohns aus einem Vertrage, der den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs unterliegt. Diese Ansicht ist abzulehnen. Die für sie angeführten Gründe (vgl. Ingenstau-Korbion/Locher, VOB, 16. Aufl., B § 16 Rn. 14) gehen ins Leere, weil es an einer entsprechenden Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch fehlt.
2. Zuerst wird die Klägerin sich mit Substanz zu der Behauptung der Beklagten erklären müssen, sie - die Klägerin - habe in der für die Beklagte vorgesehenen Bauzeit mit den für dieses Bauvorhaben vorgesehenen Kräften anderweitig Gewinn erzielt. Alsdann wird Sachverständigenbeweis zu erheben sein zur Richtigkeit der Kalkulation der Klägerin und möglicherweise Zeugen- und Sachverständigenbeweis zur Frage anderweitigen Gewinns der Klägerin. Diese streitigen Punkte beeinflussen als infolge Aufhebung des Vertrages ersparte Kosten und anderweitigen Erwerb die Höhe des der Klägerin gegen die Beklagte zustehenden Werklohns (§ 8 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 VOB/B).
III.
Der Antrag auf Zurückverweisung der Sache an das Landgericht liegt vor. Die Klägerin hat ihn in der Verhandlung vor dem Senat am 18. November 2008 hilfsweise gestellt.
Die Verhandlung war nicht wiederzueröffnen. Für diese Verfahrensweise gibt es keinen Grund.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Die Abwendungsbefugnis (§ 711 Satz 1, 2 ZPO) war nicht auszusprechen. Weder dieses Urteil noch dasjenige des Landgerichts, soweit es fortbesteht, haben einen vollstreckungsfähigen Inhalt. - Die Bedeutung des Ausspruchs beschränkt sich auf § 775 Nr. 1 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen.