Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 24.07.2014, Az.: L 15 AS 202/14 B ER

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
24.07.2014
Aktenzeichen
L 15 AS 202/14 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42413
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 11.06.2014 - AZ: S 22 AS 1056/14 ER

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Senat hält an seiner Auffassung fest (vgl bereits Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER = ZFSH/SGB 2014, 177), dass § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 Leistungen nach dem SGB 2 stets dann ausschließt, wenn kein anderweitiger Aufenthaltszweck als derjenige der Arbeitsuche ein Aufenthaltsrecht begründen kann, so dass auch solche Ausländer von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen sind, die kein materielles Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet haben, weil sie wirtschaftlich inaktiv sind, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen oder ein Daueraufenthaltsrecht zu haben (§ 2 Abs 2 Nrn 5 und 7 iVm § 4 S 1 und § 4a FreizügG/EU ).

2. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II folgt nicht aus Art 13 der Europäischen Sozialcharta (ESC). Die Rechte aus der ESC sind lediglich als Programmbestimmungen ausgestaltet und begründen keine individuellen Rechte. Die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkerrechtlichen Norm im innerstaatlichen Recht führt nicht ohne weiteres dazu, dass diese Norm auch ein subjektives Recht begründet. Wegen der eindeutigen anderslautenden Regelung in § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II kann die ESC auch nicht im Wege der Auslegung oder Ausfüllung von Regelungslücken zur Begründung eines SGB II Anspruches für Ausländer, die nur über einen Aufenthaltszweck zur Arbeitsuche verfügen, herangezogen werden.

3. Es gibt keine starre Grenze in Bezug auf Einkommen oder Arbeitszeit oberhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft (§ 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU) bejaht werden muss. Im konkreten Fall stellt eine Tätigkeit als Reinigungskraft bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 2,95 Stunden an einem Tag in der Woche und einem Verdienst zwischen 110,88 EUR und 114,79 EUR monatlich eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit dar und begründet keine Arbeitnehmereigenschaft.

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 11. Juni 2014 wird aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 11. Juni 2014 ist begründet.

Zu Unrecht hat das SG den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 21. Mai bis zum 31. Oktober 2014 zu gewähren.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Absatz 2 S. 2 SGG haben nicht vorgelegen, da die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Ihr Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ist nach § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Die Antragstellerin, die I. Staatsbürgerin ist, gehört zu diesem Personenkreis. Die Voraussetzungen für ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder gegebenenfalls dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz (vgl. hierzu Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R) liegen nicht vor. Insbesondere ist die Antragstellerin weder abhängig beschäftigt noch als Selbstständige erwerbstätig.

Das behauptete Beschäftigungsverhältnis der Antragstellerin seit dem 19. Juli 2013 ist nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr geht der Senat nach Würdigung der hierzu gemachten Angaben und der vorgelegten Unterlagen davon aus, dass dieses Beschäftigungsverhältnis lediglich zu dem Zweck fingiert worden ist, Leistungsansprüche nach dem SGB II zu erlangen. Die Arbeitnehmereigenschaft setzt die Ausübung einer auf Entgelt gerichteten Tätigkeit im Wirtschaftsleben für einen anderen voraus. Der Senat vermag bereits die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit durch die Antragstellerin nicht zu erkennen. Die Antragstellerin hat zwar vorgetragen, dass sie eine Tätigkeit bei der Firma J. K. als Reinigungskraft ausübe und hieraus eine monatliche Vergütung von 110,88 € bzw. ab Februar 2014 i.H.v. 114,79 € erziele. Sie hat hierzu im Verfahren einen Arbeitsvertrag sowie Lohnabrechnungen für die Monate Juli 2013 bis Februar 2014 vorgelegt. Hiermit ist jedoch die tatsächliche Ausübung dieser Tätigkeit nicht glaubhaft gemacht. Es fällt zunächst auf, dass die im Arbeitsvertrag vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 3,08 Stunden nicht mit der zumindest bis April 2014 (für die Zeit ab Mai 2014 liegen keinerlei Angaben zur Höhe des erzielten Arbeitslohnes bzw. zum Stundenumfang vor) nach den vorgelegten Lohnabrechnungen erbrachten Arbeitszeit übereinstimmt. Nach den vorgelegten Lohnabrechnungen betrug die wöchentliche durchschnittliche Arbeitszeit 2,85 Stunden. Nach den im gerichtlichen Verfahren vorgelegten „Quittungen“ ergibt sich eine wöchentliche Arbeitszeit von 2,95 Stunden (114,79 € : 9 € = 12,75 Stunden x 3 : 13 = 2,95).  Weiterhin hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass sie aus dieser Tätigkeit überhaupt Entgeltzahlungen erhalten hat. Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Quittungen belegen dies jedenfalls nicht. Bei der Lektüre dieser „Quittungen“ fällt zunächst auf, dass sie von der Antragstellerin nicht unterschrieben sind. Sie weisen vielmehr keinerlei Unterschrift auf. Auf dem Unterschriftenfeld findet sich lediglich die Ortsbezeichnung „Bremen“ sowie ein Stempelabdruck „J. K., L., UST.NR: 58-652.67964“. Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vortragen lässt, die Quittungen seien vom Arbeitgeber unterschrieben worden, so ist eine solche Unterschrift für den Senat nicht ersichtlich. Im Übrigen macht es auch keinen Sinn, dass der Arbeitgeber die Auszahlung des Lohnes bestätigt; vielmehr wäre es zu erwarten, dass die Antragstellerin als Empfängerin des Geldes den Erhalt quittiert.

Die Antragstellerin hat auch nicht dargelegt, wie sie die Stelle gefunden hat und wie es zum Abschluss des Arbeitsvertrages gekommen ist. Um nähere Angaben hierzu hatte bereits der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 23. Mai 2014 gebeten, welcher der Antragstellerin auch zur Stellungnahme übersandt worden ist.

Auch nach der vom Hauptzollamt T. bei dem Betrieb J. K. bzw. bei dem beauftragten Buchführungshelfer durchgeführten Prüfung der Geschäftsunterlagen (vgl. Bl 159 Verwaltungsakte) lässt sich eine tatsächliche Beschäftigung der Antragstellerin gerade nicht belegen. Bei der Prüfung konnten für die Antragstellerin lediglich automatisiert erstellte Lohnabrechnungen vorgelegt werden. Quittungen über die Lohnauszahlungen waren nicht vorhanden. Auch Ausgangsrechnungen der angeblichen Auftraggeber für die Reinigungsarbeiten konnten nicht vorgelegt werden. Zudem hat das Hauptzollamt festgestellt, dass die pauschalierten Sozialversicherungsbeträge von Seiten des Herrn K. jedenfalls bis zum Prüftermin im Januar 2014 nicht abgeführt worden sind.

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner – Verwaltungsakte, Bl. 130 – angegeben hat, zu einem am 12. März 2014 durchgeführten Hausbesuch nicht selbst anwesend sein zu können, da sie einer Beschäftigung nachgehe. Mit der von der Antragstellerin abgegebenen eidesstattlichen Versicherung – sie arbeite jeden Montag – und der vorgelegten Stundenaufstellung – der ebenfalls nur Arbeitszeiten an Montagen aufweist – lässt sich diese Angabe jedenfalls nicht in Übereinstimmung bringen, da der 12. März 2014 kein Montag war.

Aber auch wenn die Tätigkeit der Antragstellerin für J. K. als tatsächlich ausgeübt anzusehen wäre, würde diese Tätigkeit keine Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU begründen.

Die arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Leistung nur weniger Arbeitsstunden und der geringe Lohn von 110, 88 € bzw. 114, 79 € sind zunächst ein Indiz dafür, dass es sich bei der Tätigkeit nicht um eine tatsächliche und echte, sondern um eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit handelt.

Den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) lässt sich allerdings keine bestimmte Grenze in Bezug auf Einkommen und Arbeitszeit entnehmen, unterhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden muss. Der EuGH hat immer deutlich gemacht, dass eine vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände letztlich den Gerichten der Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – Rs. C-14/09). Er selbst hat die unionsrechtlich autonom zu definierende Arbeitnehmereigenschaft eines Musiklehrers mit zwölf Wochenstunden Unterricht (Urteil vom 3. Juni 1986 – Rs. C-139/85) sowie die einer Studienreferendarin mit bis zu 11 Wochenstunden (Urteil vom 3. Juli 1986 - Rs. C-66/85) bejaht. In weiteren Verfahren ging es um eine wöchentliche Arbeitszeit, die zwischen 10 und 25 Stunden lag (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - Rs. C-294/06; Urteil vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-444/93).

Auch in der nationalen Rechtsprechung finden sich einzelne Entscheidungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft begründet wird. So wurden beispielsweise eine Tätigkeit von 5,5 Wochenstunden und später 36 Monatsstunden, sowie ein Entgelt von 154 € und danach 252 € (OVG Bremen, Urteil vom 28. September 2010 – 1 A 116/09), eine Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und ein Lohn von 650 DM in 1997 (VG München, Urteil vom 2. Februar 1999 – M 21 K 98.750) bzw. eine Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und ein Lohn von 100 € (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R) sowie eine Wochenarbeitszeit von 5,5 Stunden und ein Lohn von 175 € (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. März 2011 – OVG 12 B 15.10) als (gerade noch) ausreichend angesehen. Dagegen wurde eine Arbeitszeit von drei bis vier Stunden an einem Arbeitstag pro Woche „zu einem völlig belanglosen Entgelt“ (VG München, Urteil vom 2. Februar 1999 – M 21 K 98.750) und ein monatliches Entgelt von 300 Euro und eine Wochenarbeitszeit von 10 bis 12 Stunden (VG Darmstadt, Urteil vom 22. Februar 2008, InfAuslR 2008, 344 f.) als völlig unwesentlich angesehen.

Weder den Entscheidungen des EuGH, des BSG oder der anderen nationalen Gerichte lässt sich folglich eine bestimmte Grenze in Bezug auf Einkommen oder Arbeitszeit entnehmen, oberhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft bejaht bzw. unterhalb deren die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden muss. Feststellen lässt sich lediglich, dass die bisher entschiedenen Verfahren alle eine wöchentliche Arbeitszeit betreffen, die über derjenigen der Antragstellerin liegt.

Betrachtet man das erzielte Einkommen und die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit, so lässt sich die Tätigkeit lediglich als völlig untergeordnet und unwesentlich charakterisieren. So belief sich das Einkommen zuletzt auf 114,79 €, d.h. auf lediglich 14,75 % des der Antragstellerin nach dem SGB II zustehenden Bedarfs. Die wöchentliche Arbeitszeit ist mit  7,6 % der Arbeitszeit eines voll Erwerbstätigen (38,5 Wochenstunden) ausgesprochen gering.  Beides ist nicht ausreichend, um der Antragstellerin die Arbeitnehmereigenschaft zu vermitteln.

Auch aufgrund einer Gesamtbewertung kann die Tätigkeit trotz der geringen Arbeitszeiten nicht als tatsächlich und echt angesehen werden.  Die Antragstellerin arbeitet nach ihren Angaben seit Juli 2013 lediglich einmal pro Woche als Reinigungskraft. Es gibt – dies ist gerichtsbekannt – bei dem Arbeitgeber noch weitere I. Arbeiterinnen, die jeweils laut Arbeitsvertrag für 3,08 Stunden (einmal pro Woche) für J. K. als Reinigungskräfte tätig sind. Die Tätigkeit der Antragstellerin ist daher von nur geringem Gewicht für den Betriebsablauf des „Reinigungsgewerbes“ von Herrn K.. Es lässt sich auch nicht sagen, dass die Arbeitsleistung der Antragstellerin für ihren Arbeitgeber von mehr als unwesentlichem wirtschaftlichem Wert ist.

Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin kann sich mithin allenfalls aus dem Aufenthaltszweck der Arbeitsuche (§ 2 Absatz 2 Nr. 1 FreizügG/EU) ergeben. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob sie die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung tatsächlich beabsichtigt, weil die Beantragung von Leistungen nach dem SGB II sie gesetzlich verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitzuwirken (§ 2 Absatz 1 S. 1 und 2 SGB II). Bereits aus diesem Grunde ist die Antragstellerin als Arbeitsuchende anzusehen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, Az. B 4 AS 54/12 R, Rn. 30).

Im Übrigen erscheint es dem Senat weiterhin sinnwidrig, den von § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorgesehenen Leistungsausschluss einfachgesetzlich dahingehend auszulegen, dass er die positive Feststellung eines im streitgegenständlichen Leistungszeitraum fortbestehenden Aufenthaltsrechts zum Zweck der Arbeitsuche voraussetzt, da ein solches Verständnis EU-Bürger, die sich jedenfalls ohne anderweitig begründetes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik aufhalten, gerade dann erstmalig dem Regime des SGB II unterwirft, wenn sie ihre ursprüngliche Absicht, Arbeit zu suchen, aufgegeben haben oder sich ihre Arbeitsuche als gescheitert darstellt, weil keine Aussicht auf den Erhalt eines Arbeitsplatzes mehr besteht (Die Ausführungen des BSG in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2013, Az. B 4 AS 9/13 R, Rn. 19 - 20, 42 und 48 könnten allerdings in diesem Sinne verstanden werden; dagegen spricht jedoch, dass das BSG von den Ausführungen im Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 14 AS 23/10 R, Rn. 17 und im Urteil vom 30. Januar 2013, Az. B 4 AS 54/12, Rn. 4, 23 - 24, u. 30, die die Auffassung des erkennenden Senats stützen, bisher nicht abgerückt ist.) Die Anwendung des SGB II auf solche Ausländer wäre umso unverständlicher, als der Rechtsprechung des BSG die Annahme zugrunde liegt, dass selbst die der Unterhaltssicherung dienenden Leistungen des SGB II zugleich auf das Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt bezogen sind (BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, aaO, Rn. 33). Der Senat hält daher an seiner Auffassung fest, dass § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II den Leistungsbezug nach dem SGB II stets dann ausschließt, wenn kein anderweitiger Aufenthaltszweck als derjenige der Arbeitsuche ein Aufenthaltsrecht begründen kann, so dass auch solche Ausländer vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind, die kein materielles Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet haben, weil sie wirtschaftlich inaktiv sind, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen oder ein Daueraufenthaltsrecht zu haben (§ 2 Absatz 2 Nrn. 5 und 7 in Verbindung mit § 4 Absatz 1 und § 4a FreizügG/EU). Sie von der Anwendung des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auszunehmen, würde sich aus der Perspektive des nationalen Rechts als Verstoß gegen Art. 3 Absatz 1 GG darstellen, weil Gründe für eine leistungsrechtliche Bevorzugung solcher Ausländer nicht erkennbar sind. Sie ergeben sich auch nicht aus dem Europarecht. Zwar stellt das Fehlen eines primär- oder sekundärrechtlich verbürgten Aufenthaltsrechts keinen eigenständigen Rechtfertigungsgrund für eine Diskriminierung dar, solange sich ein EU-Bürger nur formal erlaubt in einem Mitgliedsstaat aufhält. Es bewirkt indessen umgekehrt auch keine Rechtsposition, die über diejenige eines aufenthaltsberechtigten EU-Bürgers hinausgeht (vgl. dazu Giegerich in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 9 Rn. 58 - 59; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. September 2013, Rs C-140/12 - Brey -, Rn. 44).

Der Senat hat mit seinen Beschlüssen vom 15. November 2013 (u.a. zum Az. L 15 AS 365/13 B ER, veröffentlicht u. a. in juris und abrufbar auf der Homepage des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen) für seine Rechtsprechung geklärt, dass der Ausschluss arbeitsuchender - und nicht aufenthaltsberechtigter - EU-Bürger von unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II nicht gegen europäisches Recht verstößt und damit vom Senat anzuwenden ist. Soweit das BSG unterdessen mit Beschluss vom 12. Dezember 2013 in dem bei ihm anhängigen und nunmehr ausgesetzten Revisionsverfahren zum Aktenzeichen B 4 AS 9/13 R beschlossen hat, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Umfang des Gleichbehandlungsgebotes des Art 4 VO (EG) 883/2004, seinem Verhältnis zu dem in Art. 24 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG zugelassenen Ausschluss arbeitsuchender EU-Bürger von Leistungen der Sozialhilfe sowie zur Vereinbarkeit eines diesbezüglichen Leistungsausschlusses mit Art. 45 Absatz 2 AEUV und Art. 18 AEUV einzuholen, stellt dieses Vorgehen die Rechtsauffassung des erkennenden Senats sachlich nicht in Frage; denn anders, als es für eine Richtervorlage zum Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG in Bezug auf die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Norm gilt, setzt die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 AEUV nicht voraus, dass das vorlegende Gericht eine von ihm anzuwendende nationale Rechtsnorm für mit dem europäischen Recht unvereinbar hält. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist vielmehr ein Akt der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und der europäischen Judikative; sie dient im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung der Beteiligung des EuGH an der Rechtsentwicklung in den einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2002, Rs C-99/00 im 14. Absatz). Allein die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zur Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsnorm mit Gemeinschaftsrecht führt deshalb als solche nicht zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes; vielmehr ist in einem solchen Verfahren allein die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass der Gerichtshof die Unvereinbarkeit feststellt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. November 2003, Az. 8 B 11220/03, Leitsatz 1 und Rn. 9 - 12). Bei der Beurteilung der Frage, ob und ggf. mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit hiermit zu rechnen ist, ist jedes Gericht grundsätzlich frei und nicht an die Rechtsauffassung anderer Gerichte - auch die im Rechtszug übergeordneten - gebunden (BVerfG, Beschluss vom 3. November 1992, Az. 1 BvR 1243/88, Rn. 15; in dieser Entscheidung wird die Rechtspflege ausdrücklich als konstitutionell uneinheitlich verstanden). Auch deshalb begegnet es aus Sicht des Senats grundsätzlichen Bedenken, im Anordnungsverfahren die Rechtslage bezüglich der Vereinbarkeit von § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Europarecht allein deshalb als „offen“ zu behandeln, weil die Rechtsprechung namentlich der Landessozialgerichte in dieser Frage divergiert (in diese Richtung weisend allerdings BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, aaO, Rn. 30 ff).

Das in Art. 20 Absatz 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip und die aus ihm abzuleitende - über den in Art. 19 Absatz 4 GG gewährleisteten Rechtsschutz des Bürgers gegen hoheitliche Eingriffsakte hinausgehende - Verpflichtung der Gerichte, im Rahmen des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs auf allen Gebieten des Rechts und gegenüber jedermann effektiven Rechtsschutz durch den gesetzlichen Richter zu gewährleisten, erfordert vielmehr eine eigenständige und grundsätzlich abschließende inhaltliche Auseinandersetzung mit den entscheidungserheblichen Rechtsfragen, vorliegend also insbesondere mit den für und gegen die Europarechtskonformität des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sprechenden Gesichtspunkten (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 22. August 2013, Az. 1 BvR 1067/12, Rn. 30 - 31; vgl. zum Erfordernis selbständiger gerichtlicher Beurteilung auch den stattgebenden Kammerbeschluss vom 26. August 2013, Az. 2 BvR 371/12, Rn. 41- 42 und 53). Diese hat der Senat hinsichtlich der zum Entscheidungszeitpunkt bestehenden Rechtslage in seinem veröffentlichten Beschluss vom 15. November 2013 im Verfahren L 15 AS 365/13 B ER unternommen, auf dessen Gründe er verweist. Der seither vom BSG gefasste Beschluss über die Einholung einer Vorabentscheidung hat demgegenüber neue Sachargumente für die Unvereinbarkeit des Leistungsausschlusses arbeitsuchender EU-Bürger mit dem europäischen Recht nicht zutage treten lassen. Soweit vielmehr in der Rechtsprechung der Sozialgerichte (vgl. etwa BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, Az. B 4 AS 54/12 R, Rn. 25) auf der Grundlage des Urteils des EuGH vom 4. September 2009 (Rs C-22/08 - Vatsouras / Koupatantze) bezweifelt worden ist, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II überhaupt um Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) handelt, ist diese europarechtliche Fragestellung - wohl auch nach der im Beschluss vom 12. Dezember 2013 zum Ausdruck kommenden Ansicht des BSG -  durch das Urteil des EuGH vom 19. September 2013 (Rs C-140/12 - Brey -, Rn 58 ff) positiv geklärt worden (BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, Az. B 4 AS 9/13 R, Rn. 41; vgl. auch Thym, Sozialleistungen für und Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern, NZS 2014, 81, 83). Überdies ist davon auszugehen, dass auch die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots des Art. 4 VO (EG) 883/2004 auf die unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen nach Art. 70 dieser Verordnung, von der sich der Senat bislang ohnehin nicht hat überzeugen können (vgl. Beschluss vom 15. November 2013, aaO, Rn. 42 ff), einer Einschränkung von Leistungsansprüchen nach der Entscheidung des EuGH vom 19. September 2013 (Rs C-140/12 - Brey -, Nrn. 38 ff und 57), ebenfalls nicht grundsätzlich entgegenstehen würde (so wohl jetzt auch BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, Rn. 40; Thym, aaO, S. 84 unter Bezugnahme auf die EuGH-Rechtsprechung). Zu erwarten ist hiernach von der Vorabentscheidung des EuGH auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung am ehesten eine durch Rückbeziehung auf das Primärrecht zu rechtfertigende Harmonisierung zwischen dem Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 und der Zulassung von Leistungseinschränkungen durch Art. 24 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG (vgl. Thym, aaO, S. 84; so im Ansatz auch EuGH, Rs C-140/12 - Brey -, Nr. 57), zumal diese Richtlinie einen Ausschluss arbeitsuchender EU-Bürger von Sozialhilfeleistungen im Zusammenhang der Erwägungsgründe 20 und 21 bereits ausdrücklich als Einschränkung des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit versteht und als solche zulässt.

Der EuGH hat dabei in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Primärrecht (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Rs C-22/08, Vatsouras / Koupatantze, bei juris Nrn. 36 - 38 mit weiteren Nachweisen) bereits entschieden, dass sich europarechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger gem. § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II lediglich im Hinblick auf die in Art. 39 EG (nunmehr Art. 45 AEUV) vorgesehene Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben können, soweit diese nach Art. 39 Absatz 2 EG (nunmehr Art. 45 Absatz 2 AEUV) zur Gleichbehandlung bei der Gewährung von Leistungen zur Arbeitsmarktintegration führt, es den Mitgliedsstaaten jedoch unbenommen bleibt, die Gewährung auch solcher Beihilfen davon abhängig zu machen, dass eine tatsächliche Verbindung zum Arbeitsmarkt des jeweiligen Mitgliedsstaates bzw. ein gewisser Grad an Integration besteht (so auch Thym, aaO, S. 88).

Es spricht vor diesem Hintergrund kaum etwas dafür, dass von der Vorabentscheidung des EuGH Auswirkungen auf die Leistungsansprüche von solchen EU-Bürgern erwartet werden können, die als Arbeitsuchende keine tatsächliche Verbindung zum Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut haben. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschluss des BSG vom 13. Dezember 2013 seinerseits auf einer Fallgestaltung beruht, in der sich die anspruchstellende EU-Bürgerin vor ihrer letzten Einreise im Juni 2010 und dem daran anschließenden Aufenthalt bereits in den neuzehnhundertneunziger Jahren in der Bundesrepublik aufgehalten hat und während dieses Aufenthalts in den Jahren 1994, 1998 und 1999 die zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kinder geboren worden sind. Demgemäß zielt die vom BSG beschlossene Vorlage beim EuGH im Kern auf die Fragestellungen ab, ob § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II insoweit gegen Europarecht verstößt, als er EU-Bürger auch unter solchen besonderen Umständen (BSG, aaO, Rn. 43 - 44 zu Vorlagefrage 2) von Leistungen nach dem SGB II ausschließt, sofern sich nur ihr Aufenthaltsrecht aus dem Zweck der Arbeitsuche herleitet, und ob die zeitlichen Wirkungen eines solchen Leistungsausschlusses bei mehrjährigem Aufenthalt zur Arbeitsuche einer Begrenzung bedürfen (BSG, aaO, Rn. 48 zu Vorlagefrage 3). Selbst wenn - entgegen der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung - der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II insoweit gegen EU-Recht verstoßen würde, als er arbeitsuchende EU-Bürger mit feststellbarer Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt (oder mit einem gewissen anderweitigen Grad der Integration) von unterhaltssichernden Leistungen ausschließt, bliebe dieser Umstand auf den Leistungsanspruch arbeitsuchender EU-Bürger ohne eine solche Verbindung ohne Einfluss. Es ist in der Rechtsprechung des EuGH im Grundsatz geklärt, dass die etwaige Kollision mitgliedsstaatlichen Rechts mit dem EU-Recht nicht zur Unwirksamkeit der mitgliedsstaatlichen Rechtsvorschriften, sondern lediglich zu ihrer auf den Gegenstand der Kollision begrenzten Unanwendbarkeit führt. Dies bedeutet, dass unionsrechtswidriges innerstaatliches Recht aus der Perspektive des Unionsrechts gültig bleibt und nur insoweit unanwendbar ist, als das Unionsrecht selbst Geltung verlangt (so Ehlers in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 11 Rdnr. 39 u.H.a. EuGH, Rs C-184/89 - Nimz - Slg 1991, I-297, Rdnr. 19 ff; vgl. auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 5. Aufl. 2011, § 10 Rn. 32, S. 158). Aus der vom BSG in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2013 zitierten Entscheidung des EuGH vom 22. Juni 2011 (Rs C-399/98 - Landtovà -) ergibt sich nichts Gegenteiliges. In Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung in der Entscheidung vom 7. Februar 1991 (Rs C-184/89 - Nimz -) hat der EuGH die Folgen der Nichtanwendbarkeit des nationalen Rechts in Fällen einer dem EU-Recht widersprechenden Diskriminierung erneut dahingehend konkretisiert, dass die Angehörigen einer rechtswidrig benachteiligten Gruppe dieselbe Behandlung zu erfahren haben wie die Angehörigen der im Vergleich privilegierten Gruppe, solange die Gleichbehandlung beider Gruppen nicht auf andere Weise hergestellt wird (Urteil vom 7. Februar 1991, aaO, Nr. 17 - 18; Urteil vom 22. Juni 2011, Nr. 51). Dafür, dass die Gleichbehandlung mit einer im Vergleich privilegierten Gruppe auch auf die Angehörigen einer Gruppe auszudehnen ist, die nach dem nationalen Recht ohne Verstoß gegen EU-Recht und demzufolge rechtmäßig mit geringeren Rechten ausgestattet ist, ergeben die genannten Entscheidungen nichts. Die Antragstellerin kann sich danach auf eine hypothetisch unterstellte Unvereinbarkeit von § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit dem EU-Recht, soweit diese auf dem Ausschluss von arbeitsuchenden EU-Bürgern mit feststellbarer Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt - oder in Fällen fehlender wirtschaftlicher Aktivität auf einer gewissen Integration - beruhen würde, nicht berufen, weil sie bei ihrem der Arbeitsuche dienenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland - wie festgestellt - noch keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt aufgebaut hat.

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Absatz 1 GG i.V.m. Art. 20 Absatz 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG dem Grunde nach unverfügbar ist und durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden muss (vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 15. November 2013). Soweit sich aus diesem Umstand besondere Anforderungen an die Ausgestaltung jedes gerichtlichen Anordnungsverfahrens ergeben, dessen Gegenstand unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05, Rn. 24 - 26), bewegt sich allerdings die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in den Anwendungsfällen des § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in einem Spannungsfeld zwischen dem Erfordernis grundrechtsbezogener Folgenabwägung für den Fall einer nicht abschließend feststellbaren Sach- und Rechtslage (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005, aaO) und der verfassungsrechtlichen Bindung an ein vom Deutschen Bundestag in dem hierfür vorgesehenen Verfahren verabschiedetes Gesetz, denen die Fachgerichte bei der Beurteilung des Anordnungsanspruchs nach Art. 20 Absatz 3 GG unterliegen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 7. November 2005, Az. 1 BvR 1178/05, Rn. 11). Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, einstweiligen Rechtsschutz zur Wahrung grundrechtlich geschützter Positionen zu gewähren, wenn das Gericht, wie vorliegend der Senat, bei der Beurteilung des Anordnungsgrundes im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu dem Ergebnis gelangt, dass die anwendbaren Rechtsnormen des einfachen Rechts nicht bzw. nicht in entscheidungserheblicher Weise gegen höherrangiges Recht verstoßen und daher ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht zu erwarten ist (vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Juni 2002, Az. 1 BvR 575/02 Rn. 44 -  46).

Dies gilt im vorliegenden Verfahren auch deshalb, weil die Rechtsauffassung des Senats die Antragstellerin in Bezug auf die Sicherstellung ihres grundrechtlich gewährleisteten Existenzminimums nicht rechtlos stellt. Vielmehr eröffnet die Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 15. November 2013 (aaO, Rdnr. 66 ff) näher dargelegt hat, einen Anspruch auf die zur Wahrung einer menschenwürdigen Existenz erforderlichen Nothilfeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), der allerdings wegen seiner Abhängigkeit von einer auf den Einzelfall bezogenen Ermessensentscheidung beim Sozialhilfeträger gesondert geltend zu machen ist. Hierdurch unterscheidet sich die vorliegend vom Senat zu entscheidende Fallgestaltung von derjenigen, die der Entscheidung des BVerfG vom 12. Mai 2005 zugrunde lag; die dort streitentscheidenden Zweifel der Fachgerichte an der Bedürftigkeit der Antragsteller (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 10 - 11 sowie 29 - 30) waren nämlich prinzipiell geeignet, jeden Anspruch auf bedarfsabhängige Sozialleistungen auszuschließen und damit für den Fall einer unzureichenden tatsächlichen Sachaufklärung zu einer Verletzung des Anspruchs auf Sicherung des grundrechtlich gewährleisteten Existenzminimums zu führen. Demgegenüber hat das BVerfG in demselben Verfahren die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, soweit der Sozialhilfeträger Leistungen nach dem SGB XII unter Hinweis auf bestehende Erwerbsfähigkeit abgelehnt hatte und von den Sozialgerichten auch insoweit einstweiliger Rechtsschutz verweigert worden war. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass bei ungeklärter Erwerbsfähigkeit das Existenzminimum durch den alternativen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hinreichend gewährleistet werde (BVerfG, aaO, Rn. 31).

Der genannte Anspruch auf Nothilfeleistungen beinhaltet nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats aber im Regelfall nur die Übernahme der Kosten für die Rückreise in das Heimatland sowie des bis dahin erforderlichen Aufenthalts (Überbrückungsleistungen). Nur für den Fall, dass die Rückkehr vorerst nicht möglich ist, sind längerfristige Leistungen zu erbringen, die das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum sichern (Senatsbeschluss vom 15. November 2011 - L 15 AS 365/13 B ER - Rn. 66). Hinsichtlich solcher Nothilfeleistungen bedarf es gegenwärtig keiner vorläufigen gerichtlichen Regelung. Vielmehr beansprucht die Antragstellerin laufende Leistungen in Form von Arbeitslosengeld II zur Finanzierung ihres Aufenthalts in Bremen. Auch hat sie bislang nichts dafür vorgetragen, dass ihr die Rückkehr nach Polen derzeit nicht zumutbar wäre. Es ist danach Sache der Antragstellerin, den Anspruch auf Nothilfeleistungen unter Darlegung ihrer persönlichen Situation und ihrer Zukunftspläne bei dem Sozialhilfeträger geltend zu machen.

Einer Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistungsgewährung nach §§ 40 Absatz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Absatz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 SGB III steht bereits entgegen, dass die Antragstellerin eine derartige, im Ermessen des Antragsgegners stehende Leistung bei diesem nicht beantragt hat. Soweit ein solcher Antrag gestellt würde, wären sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffer 1) des § 328 Abs. 1 S. 1 SGB III (Anhängigkeit eines Verfahrens beim EuGH) als auch der Ziffer 2) (Anhängigkeit eines Verfahrens beim BSG) erfüllt. Dies führt indes noch nicht ohne weiteres zur Verpflichtung des Antragsgegners, vorläufige Leistungen zu gewähren. Vielmehr steht die Leistungsgewährung in derartigen Fällen im Ermessen des Leistungsträgers, wobei nicht bereits der Umstand, dass Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums beantragt sind, eine Ermessensreduzierung auf Null begründet. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat insoweit auf seinen veröffentlichten Beschluss vom 26. März 2014 (Az. L 15 AS 16/14 B ER, Rn. 11/12).

Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II folgt für die Antragstellerin auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953. Polen gehört schon nicht zu den Unterzeichnern dieses Abkommens. Im Übrigen hat die Bundesregierung am 19. Dezember 2011 einen Vorbehalt erklärt, wonach sie keine Verpflichtung übernimmt, die im SGB II in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen, wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden (vgl. BGBl. II 2012, Seite 144). Der genannte Vorbehalt unterliegt weder völkerrechtlichen noch verfassungsrechtlichen Bedenken (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 29. November 2013 – L 15 AS 374/13 B ER; so auch BSG, Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R - Rn. 23).

Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II folgt für die Antragstellerin schließlich auch nicht aus Art. 13 der Europäischen Sozialcharta (ESC) von 1961. Die zum 1. Juli 1999 in Kraft getretene revidierte Fassung hat die Bundesrepublik nicht ratifiziert, so dass lediglich auf die Fassung aus 1961 abgestellt werden kann.

Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts kann sich die Antragstellerin nicht auf Art. 13 ESC als unmittelbar geltendes Bundesrecht berufen. Die Rechte der Sozialcharta, dies gilt insbesondere für das Recht auf Fürsorge nach Art. 13 ESC, sind lediglich als Programmbestimmungen ausgestaltet, die von den Vertragsparteien in ihr nationales Recht umgesetzt werden müssen (Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 5 Rdn. 63). Dies folgt insbesondere aus Teil III des Anhangs zur ESC. Dieser Anhang ist nach Art. 38 ESC verbindlicher Bestandteil der Charta selbst. Danach enthält die Charta „rechtliche Verpflichtungen internationalen Charakters…, deren Durchführung ausschließlich der in ihrem Teil IV vorgesehenen Überwachung unterliegt“. Diese Überwachung ist in Art. 21 bis 29 ESC geregelt und sieht lediglich Berichts-, Prüfungs- und Empfehlungsverfahren auf zwischenstaatlicher Ebene vor (vgl. Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 18. Dezember 1992 –  7 C 12.92; Ehlers, a.a.O., Rdn. 64). Aus den Bestimmungen der ESC lassen sich daher keine individuellen Rechte ableiten (BSG, Urteil vom 3. November 1993 – 14b REg 6/93; BVerwG, Beschluss vom 5. März 1996 – 8 B 2/96 und Urteil vom 18. Dezember 1992 –  7 C 12.92; Bundesarbeitsgericht <BAG>, Urteil vom 24. März 2004 – 5 AZR 303/03; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. September 2010 – L 12 SB 34/09; Giegerich in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Bd. VI/1, Europäische Grundrechte I, 2010, S. 554; Ehlers, a.a.O., Rdn. 64; Tewocht in: BeckOK Ausländerrecht, § 27 AufenthG Rdn. 16; Dienelt in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Vor §§ 53-56 AufenthG Rdn. 180; Nowak in: Heselhaus/Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 30 Rdn. 16). Die ESC ist strukturell so gekennzeichnet, dass sie keine einklagbaren subjektiven Rechte gewährleistet, sondern nur völkerrechtliche Verpflichtungen im zwischenstaatlichen Bereich auferlegt, die ausschließlich im Wege der Staatenberichtspflicht nach Teil IV der ESC durchgesetzt werden sollen (Giegerich, a.a.O, S. 554).

An einer das Begehren der Antragstellerin stützenden Umsetzung der ESC in die innerstaatliche Rechtsordnung mit der Folge der Gewährung von unmittelbaren subjektiven Rechte aus Art. 13 ESC fehlt es. Insbesondere begründet – anders als das SG wohl meint - das Gesetz zur Europäischen Sozialcharta vom 19. September 1964 (BGBl. II 1964 S. 1261) keine Gewährung eines subjektiven einklagbaren Rechts aus Art. 13 ESC. Dieses Gesetz dokumentiert vielmehr lediglich, dass die Europäische Sozialcharta als völkerrechtlicher Vertrag die nach Art. 59 Abs. 2 GG gebotene Zustimmung der innerstaatlich zuständigen Gesetzgebungsorgane gefunden hat. Die ausdrückliche Beschränkung des Kreises der Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II macht im Gegenteil deutlich, dass die Bundesrepublik eine die Angehörigen der ESC-Signaturstaaten umfassende Umsetzung gerade nicht vornehmen wollte. Insofern ist zwischen innerstaatlicher Geltung von völkerrechtlichen Vertragsnormen, unmittelbarer Anwendung und Begründung von subjektiven Rechten durch eine unmittelbar anwendbare Norm zu unterscheiden. Die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkerrechtlichen Norm im innerstaatlichen Recht bedeutet keineswegs ohne weiteres, dass diese Norm auch ein subjektives Recht begründet (Körner, NZA 2014, 425, 429 f.).

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass die Regelung des Art. 13 ESC als Auslegungshilfe für die einschlägige Norm des § 7 SGB II herangezogen wird. Um eine völkerrechtskonforme Ausfüllung beispielsweise des der Behörde zur zweckentsprechenden Einzelfallregelung gesetzlich eingeräumten Ermessens oder die Ausfüllung einer Regelungslücke handelt es sich hier nicht, sondern darum, entgegen dem Umsetzungsvorbehalt in Teil III des Anhangs zur ESC den von der Bundesrepublik festgelegten Kreis von Leistungsempfängern nach dem SGB II durch Richterspruch zu erweitern. Wegen der eindeutigen anderslautenden Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II kann die ESC auch nicht etwa im Wege der Auslegung oder Ausfüllung von Regelungslücken (vgl. hierzu Körner, NZA 2014, 425, 429 f. mwN; BAG, Urteil vom 12. September 1983 – 1 AZR 342/83) zugunsten der Antragstellerin herangezogen werden, da anderenfalls der Rahmen vertretbarer Auslegung verlassen würde.

Im Übrigen zeigt auch der Vorlagebeschluss des BSG vom 12. Dezember 2013 (B 4 AS 9/13 R), dass das BSG an seiner bislang vertretenen Rechtsposition, wonach es sich bei den Regelungen der ESC nicht um Rechtssätze handelt, die einer unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Recht zugängig sind, festhält. Anderenfalls hätte das BSG – sofern man nicht unterstellen wollte, dass das BSG diese „Anspruchsgrundlage“ übersehen hat – bereits eine Leistungsgewährung aus dem ESC herleiten müssen und eine Vorlage an den EuGH wäre entbehrlich gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).