Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 01.07.2014, Az.: L 2/12 R 122/12

akute Behandlungsbedürftigkeit; Anoxerie; Bulimie; Erstattung; Fachklinik; Krankenhausbehandlung; Krankenkasse; Krankheit; Reha; Rehaklinik; Rentenversicherungsträger

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
01.07.2014
Aktenzeichen
L 2/12 R 122/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42414
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 26.03.2012 - AZ: S 14 R 356/10

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine die Rehabilitationszuständigkeit des Trägers der Rentenversicherung gemäß § 13 Abs. 2 Nr. SGB VI ausschließende Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ist anzunehmen, wenn die besonderen Mittel eines Krankenhauses insbesondere auch im Sinne von § 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V erforderlich sind, um eine Krankheit zu erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, weil nur auf diese Weise ein notwendiger komplexer Behandlungssatz Erfolg versprechend verwirklicht werden kann.

Tenor:

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 24. März 2012 wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin die Erstattung von 24.608,52 € für die von ihr geltend gemachten Kosten für die Behandlung der Versicherten I. J. begehrt.

Die Klägerin trägt 2/3 der erstinstanzlichen Kosten und die Kosten des Berufungsverfahrens in voller Höhe; die Beklagte trägt 1/3 der erstinstanzlichen Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der beklagte Rentenversicherungsträger wendet sich mit seiner Berufung gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Verurteilung, der klagenden Krankenkasse die von ihr geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 24.608,52 € für eine im Zeitraum 18. Februar bis 9. Juni 2009 durchgeführte stationäre Behandlung der am 10. März 1969 geborenen Versicherten I. J. zu erstatten.

Die Versicherte leidet seit dem 15. Lebensjahr an einer Anorexie. Diese geht seit etwa dem 17./18. Lebensjahr mit einer Bulimie einher (vgl. insbesondere den Entlassungsbericht der K. -Klinik vom 6. Juli 2009). Die Versicherte ist Mutter von drei in den Jahren 2000, 2004, und 2008 geborenen Kindern.

Aufgrund der Katabolie und des katabolen Eisenmangels war die Immunfunktion der Versicherten immer schwerer beeinträchtigt. Im zweiten Halbjahr 2008 kam es wiederholt im Zuge von Infekten zur Notwendigkeit stationärer Behandlungen (vgl. Entlassungsbrief der L. -Klinik vom 11. Februar 2009). Am 12. Januar 2009 wurde die Versicherte erneut zur stationären Behandlung in die Internistische Abteilung der Paracelsus-Klinik Y. aufgenommen, da sie nach mehrtägigem Erbrechen mit Übelkeit und Schluckbeschwerden bei Mandelschwellung nicht mehr essen und trinken konnte und eine starke körperliche Schwäche aufwies. Ihr Gewicht betrug bei der Aufnahme lediglich 31,4 kg (bei einer Körpergröße von 153 cm [nach anderen Messungen: 152 cm]). Die Klägerin fieberte; während der stationären Behandlung kam es zunächst noch zu einem weiteren Anstieg der Temperatur. Erst gegen Schluss der bis zum 6. Februar 2009 fortgesetzten stationären internistischen Behandlung konnte erreicht werden, dass die Versicherte über einige Tage hinweg fieberfrei blieb. Bei der Entlassung soll ihr Körpergewicht 34,6 kg betragen haben (wobei jedoch bei der Aufnahme in der K. -Klinik rund zwei Wochen später das Gewicht nur noch 30,90 kg betrug).

Am 6. Februar 2009 wandte sich die L. -Klinik an die Beklagte mit der Bitte, eine mit Beginn am 16. Februar 2009 vorgesehene „psychosomatische“ Anschlussheilbehandlung der Versicherten aufgrund der Diagnosen einer schweren Anorexie und einer Bulimie zu genehmigen. In der „Reha-Klinik K. -Klinik“ in M. sei ab dem 16. Februar 2009 eine Reservierung vorgenommen worden. Erforderlich sei insbesondere eine intensive Psychotherapie.

Die N. K. -Klinik ist nach eigenen - aktuellen - Angaben zum einen eine Fach- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Frauen und Männer) sowie zum anderen Krankenhaus für Akutpsychosomatik mit dem Schwerpunkt für Essstörungen; dabei weist die Klinik selbst ausdrücklich auf eine „enge Kooperation zwischen den Kliniken und Fachabteilungen“ hin (http://www.seepark-klinik.de/Home/Themen/Ueber-uns/Kurzportraet.aspx). Zum 01.01.2014 wurde die Klinik mit 60 vollstationären Betten und 6 teilstationären Behandlungsplätzen im Krankenhausplan des Landes Niedersachen aufgenommen. Mit den Krankenkassen wurde ein Vertrag nach § 109 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geschlossen (http://www.seepark-klinik.de/Home/Themen/Medizin/Akutpsychosomatik-Schwerpunkt-Essstoerungen/uebersicht.aspx).

Die N. K. -Klinik wird zusammen mit weiteren derzeit 51 medizinischen Einrichtungen (Krankenhäuser [Akut-Bereich], Rehakliniken, Pflegeheime und Medizinische Versorgungszentren) von der börsennotierten N. AG betrieben.

Der beratende Arzt der Beklagten setzte sich am 11. Februar 2009 mit der L. -Klinik telefonisch in Verbindung und erläuterte, dass nach den Vorgaben der Deutschen Rentenversicherung bei einem BMI von unter 15 keine Rehafähigkeit anzunehmen sei. Es wurde vereinbart, dass sich die Klinik wegen der erforderlichen weiteren Behandlung der Versicherten an die Krankenkasse, d.h. an die Klägerin, wenden werde.

Entsprechend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2009 gegenüber der Versicherten die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation mit der Begründung ab, dass aus Sicht der Beklagten eine psychiatrische Fachkrankenhausbehandlung vorrangig sei, dabei handele es sich nicht um Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der Bescheid wurde der Klägerin auf deren Bitte am Folgetag per Telefax übermittelt.

Die Klägerin bewilligte ihrerseits daraufhin der Versicherten eine Maßnahme in der K. -Klinik M., die in ihrem Schreiben vom 18. Februar 2009, mit dem sie einen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, zum einen als „Rehabilitationsmaßnahme“ und zum anderen als „Kurmaßnahme“ bezeichnet worden ist.

Die Versicherte wurde am 18. Februar 2009 in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in der Abteilung Zentrum für Essstörungen der N. K. -Klinik in M. stationär aufgenommen. Als Aufnahmegewicht wurden 30,9 kg verzeichnet.

Während der zunächst bis zum 9. Juni 2009 fortgesetzten stationären Behandlung konnte zwar die Häufigkeit des Erbrechens reduziert werden; ihr Auftreten konnte jedoch nicht gänzlich vermieden werden. Auch im Übrigen gab es Rückfälle. Trotz der fast viermonatigen Behandlung konnte das Körpergewicht der Klägerin lediglich auf 37 kg erhöht werden, so dass sie bei der Entlassung mit ihrem BMI weiterhin im anorektischen Bereich lag.

Im Zuge der stationären Behandlung in dem „hochstrukturierten Essstörungsbereich“ wurde die Versicherte zum einen tiefenpsychologisch und verhaltenstherapeutisch im Rahmen einer Bezugsgruppe behandelt. Eine „Psychoedukation“ der Essstörung (vgl. Entlassungsbericht vom 6. Juli 2009) erfolgte im Rahmen einer speziellen Gruppe für Patienten mit Anorexie. Bei den Mahlzeiten wurden die Versicherte  und die anderen betroffenen Patienten durch Ernährungsfachkräfte betreut, um eine Gewichtszunahme zu sichern. An der Symptomatik wurde „intensiv“ gearbeitet. Mit der „Bezugstherapeutin“ konnte ein tragfähiges „Arbeitsbündnis“ aufgebaut und gefestigt werden.

Da im Juni 2009 die Betreuung der Kinder nicht hinreichend geklärt war, empfahlen die Klinikärzte auch zum Zwecke der Erprobung des Erlernten im häuslichen Bereich eine mehrwöchige Pause, um im Anschluss daran die Behandlung in Form einer stationären Intervalltherapie fortzusetzen, bei der die Versicherte möglichst mit allen drei Kindern anreisen könne.

Die Kosten der Behandlung der Versicherten im Zeitraum 18. Februar bis 9. Juni 2009 hat die Klägerin mit insgesamt 24.608,52 € errechnet, davon entfielen 13.415,20 € auf die Kosten der Behandlung der Versicherten, 4.452 € auf die Versorgung ihres in die Klinik mit aufgenommenen jüngsten Kindes und die weiteren Kosten schwerpunktmäßig auf die Bereitstellung einer Haushaltshilfe (vgl. wegen der Einzelheiten die Aufstellung der Klägerin im Schreiben vom 21. Juli 2009).

Nachdem die Beklagte das Begehren der Klägerin auf Erstattung des Betrages von 24.608,52 € abgelehnt hatte und vorprozessual keine Verständigung erzielt werden konnte, hat die Klägerin am 13. Oktober 2010 die vorliegende Leistungsklage (S 14 R 356/10) erhoben. Diese ist vom Sozialgericht Bremen mit Beschluss vom 20. Mai 2011 mit dem vorliegenden Verfahren, in dem die Klägerin eines weiteres Erstattungsbegehren bezüglich der für eine Behandlung der Versicherten O. P. aufgewandten Kosten geltend gemacht hat, zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 24. März 2012, der Beklagten zugestellt am 28. März 2012, hat das Sozialgericht Bremen die Beklagte (neben einer - im Berufungsverfahren nicht mehr streitigen - Erstattung der für die Behandlung der Versicherten O. P. aufgewandten Kosten in Höhe von 12.522,50 €) zur Erstattung der für die Behandlung der Versicherten I. J. aufgewandten Kosten in Höhe von 24.608,52 € verurteilt. Die Beklagte sei vorrangig zur Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation verpflichtet. Es lasse sich auch keine fehlende Rehabilitationsfähigkeit feststellen. Unter Zugrundelegung der Behandlungsberichte der K. -Klinik lasse sich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht feststellen, dass die dortige Behandlung keine Rehabilitations-, sondern eine Krankenhausbehandlung dargestellt habe. Die Klinik habe wiederholt von einer „Rehabilitation“ gesprochen und auch rehabilitationstypische Abläufe beschrieben.

Mit ihrer am 27. April 2012 eingelegten Berufung greift die Beklagte diese Entscheidung an, soweit sie zur Erstattung der für die Behandlung der Versicherten I. J. aufgewandten Kosten in Höhe von 24.608,52 € verurteilt worden ist.

Der Sache nach stelle die streitbetroffene Behandlung keine Rehabilitations-, sondern eine Krankenhausbehandlung dar. Bei Aufnahme der Versicherten sei schon deshalb die Aufnahme in einem Fachkrankenhaus erforderlich gewesen, weil die Gefahr einer erneuten Entgleisung bestanden habe, wie sie der vorausgegangenen stationären internistischen Behandlung zugrunde gelegen habe. Bezeichnenderweise sei es selbst im Verlauf der 16wöchigen Langzeittherapie nicht gelungen, die Versicherte aus dem anorektischen Bereich zu bringen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 24. März 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit die Klägerin die Erstattung von 24.608,52 € für die von ihr geltend gemachten Kosten für die Behandlung der Versicherten I. J. begehrt.

Die Klägerin, die von einer Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung abgesehen und „vorsorglich“ mit Schriftsatz vom 30. Juni 2014 für den Fall, dass die anberaumte mündliche Verhandlung „stattfinden“ werde, das Einverständnis „mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren“ (gemeint offenbar nach dem Sachzusammenhang: das Einverständnis mit einer sog. einseitigen mündlichen Verhandlung, wobei deren Zulässigkeit allerdings nicht von dem Einverständnis des nicht erschienenen Beteiligten abhängt, vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 126, Rn. 4) erklärt hat, beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach ist der Vortrag der Beklagten zum Vorliegen einer Krankenhausbehandlung unsubstantiiert. Im Ergebnis sei eindeutig von der Durchführung einer rehabilitativen Maßnahme auszugehen.

Der Senat, dem das Präsidium ab Januar 2014 die Bearbeitung des vorliegenden Rechtsstreits übertragen hat, hat mit Verfügung vom 22. Januar 2014 eine detaillierte Aufklärungsverfügung an die Klägerin gerichtet. Diese hat jedoch von einer inhaltlichen Beantwortung Abstand genommen.

Am 24. Juni 2014 hat die Klägerin ein Befangenheitsgesuch gegen den Senatsvorsitzenden angebracht. Dieses hat der Senat (ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters) mit Beschluss vom 25. Juni 2014, den Beteiligten noch am gleichen Tag per Telefax übermittelt, zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2014 hat die Klägerin daraufhin die Richter des Senates abgelehnt, die an dem Beschluss vom 25. Juni 2014 mitgewirkt haben. Dieses erneute Befangenheitsgesuch hat der Senat in der mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des beklagten Rentenversicherungsträgers ist begründet.

I.

Es liegen alle Voraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache in dem vorliegenden (knapp vier Jahre alt gewordenen) Rechtsstreit vor.

1. Soweit die Klägerin gegen den Senatsvorsitzenden ein Befangenheitsgesuch vorgebracht hat, ist dieses (ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters) mit (unanfechtbarem, vgl. § 177 SGG) Beschluss vom 25. Juni 2014 zurückgewiesen worden.

2. Soweit die Klägerin dies nachfolgend zum Anlass genommen hat, nunmehr die Richter abzulehnen, die an dem Beschluss vom 25. Juni 2014 mitgewirkt haben, ist dies, wie der Senat bereits mit dem in der mündlichen Verhandlung verkündigten Beschluss entschieden hat, unzulässig.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert namentlich, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Der Gesetzgeber      hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen (BVerfG, Beschluss vom 06. Mai 2010 – 1 BvR 96/10 –, juris, mwN).

In Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BVerfG vom 5.4.1990, BVerfGE 82, 30, 38 [BVerfG 05.04.1990 - 2 BvR 413/88]; BSG, Beschluss vom 18. Juli 2007 - B 13 R 28/06 R).

Dabei ist der maßgebliche Anknüpfungspunkt der Unvoreingenommenheit im Sinne der verfassungsrechtlich geforderten professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen zu interpretieren. Dieser Ausgangspunkt darf nicht etwa in dem Sinne missverstanden werden, dass ein Richter bereits dadurch voreingenommen sein könnte, dass er sich im Laufe des Verfahrens eine vorläufige Einschätzung bezüglich der Beurteilung einzelner für die zu treffende(n) Entscheidung(en) maßgeblicher Rechtsfragen gebildet hat oder dass sich anderen unter seiner Mitwirkung getroffenen Entscheidungen ggfs. Hinweise auf entsprechende Einschätzungen entnehmen lassen mögen.

Beispielsweise kann eine effektive Wahrnehmung der etwa den Sozialgerichten nach § 103 SGG übertragenen Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen letztlich nur auf der Basis einer vorläufigen Beurteilung erfolgen, welche (in Betracht zu ziehenden) tatsächlichen Umstände für die Entscheidung ausschlaggebend sein könnten. Nicht zuletzt das verbreitete Fachspruchkörperprinzip führt überdies dazu, dass jedenfalls bezogen auf einen Großteil der zu beurteilenden Streitgegenstände bereits andere Entscheidungen des Spruchkörpers ergangen sind, in denen bereits zu Rechtsfragen Stellung bezogen worden ist, die auch für weitere Streitverfahren Relevanz erlangen können.

Die Gerichte sind gerade von Verfassungs wegen zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten (Art. 20 Abs. 3, 92 GG) berufen. Die Wahrnehmung dieses Verfassungsauftrages als solche vermag natürlich nicht zugleich die Befangenheit der mitwirkenden Richter zu begründen. In diesem Zusammenhang kommt es als solches auch nicht darauf an, ob etwa bei vorausgegangenen Entscheidungen eines Spruchkörpers auch Gründe für eine anderweitige Entscheidung hätten sprechen können. Es ist geradezu typisch für einen ernsthaften Rechtsstreit, dass jeder der Streitbeteiligten gewichtige Gründe für seine jeweilige Auffassung anzuführen vermag; gleichwohl müssen die Gerichte gerade auch in solchen Streitigkeiten ausgehend von den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben in Abwägung der wechselseitigen Argumente eine Entscheidung treffen und damit Recht sprechen.

Dementsprechend vermag eine (vermeintlich, ggfs. auch tatsächlich rechtsfehlerhafte) Vorentscheidung nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen. Dies bedingt zugleich dass ein darauf gestütztes Ablehnungsgesuch als unzulässig angesehen werden kann. Etwaige besondere über die Vorentscheidung hinausreichenden Umstände muss der Antragsteller daher in seinem Gesuch vortragen und glaubhaft machen (BVerfG, B.v. 02. Juni 2005 – 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01 –, NJW 2005, 3410 mwN; BGH, B. v. 22. November 2000 – 1 StR 442/00 –, NStZ-RR 2001, 258). Ebenso kann eine Besorgnis der Befangenheit regelmäßig auch nicht durch rechtliche Hinweise oder Anregungen begründet werden, solange nicht ausnahmsweise unsachliche Erwägungen erkennbar sind (BVerfG, B.v. 06. Mai 2010 – 1 BvR 96/10 –, juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist das erneute nunmehr gegen die Richterinnen am Landessozialgericht Josephi und Frankhäuser (und gegen den - zur Mitwirkung am vorliegenden Urteil allerdings gar nicht berufenen - Richter am Landessozialgericht Frerichs) gerichtete Befangenheitsgesuch der Klägerin vom 30. Juni 2014 als unzulässig zu bewerten. Die Klägerin begnügt sich letztlich mit der Darlegung ihrer persönlichen Einschätzung, dass die abgelehnten Richter in der zur Begründung herangezogenen Entscheidung vom 25. Juni 2014 das damals zu beurteilende Befangenheitsgesuch für begründet hätten erklären sollen. Mit einem solchen Vortrag werden von Seiten der klagenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft bereits im Ausgangspunkt keine nachvollziehbaren Bedenken in dem für die Prüfung des Befangenheitsgesuchs allein relevanten Sinne aufgezeigt, dass die nunmehr abgelehnten Richter die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen treffen würden.

Die Begründung des erneuten Befangenheitsgesuchs liest sich ohnehin in wesentlichen Teilen so, als ob die Klägerin eine - von der Prozessordnung gar nicht vorgesehene - Beschwerde gegen den Beschluss vom 25. Juni 2014 habe begründen wollen. Relevante Umstände, die die Besorgnis einer Befangenheit der an dem Beschluss mitwirkenden Richter zum Ausdruck bringen könnten, werden damit von vornherein nicht aufgezeigt.

Für die Prüfung der Zulässigkeit des erneuten Befangenheitsgesuchs bedurfte es insbesondere auch nicht der Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter nach Maßgabe es § 44 Abs. 3 ZPO. Eine entsprechende Stellungnahme des bzw. der abgelehnten Richter ist von vornherein entbehrlich, wenn sie zur weiteren Aufklärung des für die Beurteilung der Zulässigkeit und ggfs. Begründetheit des Ablehnungsgesuchs relevanten Sachverhalts nicht erforderlich ist (BSG, B.v. 18. Juni 2009 - B 12 R 8/09 B). Im Rahmen einer Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO hat ein abgelehnter Richter ohnehin nicht selbst das Befangenheitsgesuch zu bewerten, er hat sich vielmehr lediglich als Auskunftsperson vergleichbar einem Zeugen zu den Tatsachen zu äußern, die mit der Begründung eines Befangenheitsgesuchs (substantiiert) dargetan (und glaubhaft) gemacht worden sind (vgl. ebenfalls den o.g. BSG-Beschluss vom 18. Juni 2009). Dies bedeutet zugleich, dass die Einholung entsprechender dienstlicher Äußerungen entbehrlich ist, soweit das Befangenheitsgesuch sich - wie im vorliegenden Zusammenhang - seinerseits auf ohnehin aktenkundige Umstände, insbesondere auf eigene Verfügungen und vorausgegangene Entscheidungen des bzw. der abgelehnten Richter, bezieht.

3. Auch unter Berücksichtigung des nunmehrigen Vortrages der Klägerin, wonach es sie „in Kürze“ eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes vorlegen könne, gibt keinen Anlass zu einer - ohnehin letztlich nicht beantragten, vgl. auch das bereits angesprochene von der Klägerin vorsorglich erklärte „Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren“ - Vertagung des Rechtsstreits. Die Klägerin hat schon gar nicht substantiiert auch nur die (ernsthafte) Möglichkeit aufgezeigt, dass eine solche weitere Stellungnahme wesentliche neue Erkenntnisse beinhalten könnte. Dies wiegt umso schwerer, als die Klägerin zugleich hervorhebt, dass sie doch ihren Anspruch bereits „substantiiert dargelegt“ habe (vgl. etwa Schriftsatz vom 13. April 2014).

Überdies hat die Klägerin auch versäumt, substantiiert darzulegen, weshalb sie bei ernsthaftem Bemühen nicht in der Lage gewesen sein soll, eine entsprechende Stellungnahme bereits bis zur mündlichen Verhandlung vorzulegen. Insbesondere erschließt sich auch nicht, weshalb die Klägerin von einer inhaltlichen (substantiierten) Beantwortung der Aufklärungsverfügung des Senates vom 22. Januar 2014 Abstand genommen hat.

II.

In der Sache erweist sich die Berufung der Beklagten als begründet. Auf ihre Berufung ist der angefochtene Gerichtsbescheid hinsichtlich der ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der von Seiten der Klägerin für die Versicherte I. J. in Höhe von 24.608,52 € aufgewandten Kosten aufzuheben, da der Klägerin ein entsprechender Anspruch nicht zusteht.

Die Klägerin hat schon deshalb keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr in der geltend gemachten Gesamthöhe von 24.608,52 € aufgewandten Behandlungskosten gegen die Beklagte nach §§ 104, 105 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) oder § 14 SGB IX, da die Beklagte für die Erbringung dieser medizinischen Behandlungsmaßnahmen gar nicht zuständig war. Damit scheiden von vornherein Erstattungsansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten nach allen in Betracht kommenden rechtlichen Grundlagen und namentlich nach §§ 104, 105 SGB X und 14 SGB IX aus, wobei nur ergänzend darauf hinzuweisen ist, dass die Klägerin ohnehin die materielle Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt.

Einer Zuständigkeit der Beklagten steht bereits die Ausschlussvorschrift des § 13 Abs. 2 SGB VI entgegen. Nach dieser Regelung darf ein Träger der Rentenversicherung - ungeachtet seiner sich grundsätzlich aus §§ 9, 15 SGB VI ergebenden Zuständigkeit auch für Leistungen der medizinischen Rehabilitation - nicht erbringen: (Nr. 1) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in der Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit einer Krankheit, es sei denn, die Behandlungsbedürftigkeit tritt während der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ein, sowie (Nr. 2) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation anstelle einer sonst erforderlichen Krankenhausbehandlung und (Nr. 3) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die dem allgemein anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse nicht entsprechen.

Die streitbetroffenen Krankenbehandlungsmaßnahmen sind in einer Phase akuter Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung erbracht worden, ohne dass es sich um einen Zeitraum der Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gehandelt hat. Darüber hinaus ist die gewährte Maßnahme auch anstelle einer sonst erforderlichen Krankenhausbehandlung gewährt worden. Da die Ausschlussvorschrift des § 13 Abs. 2 SGB VI eingreift, hilft es der Klägerin auch nicht weiter, dass die Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 SGB VI erfüllt hatte.

1. Akut im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI ist jedenfalls ein (regelmäßig plötzlich auftretender, schnell und heftig verlaufender) Zustand, der - im Gegensatz zu einem chronischen Krankheitsgeschehen (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl., unter "akut") - durch (intensive) ärztliche Bemühungen relativ kurzfristig behoben oder wesentlich gebessert werden kann. Kurzfristig sind jedenfalls Zeiträume von wenigen Wochen (BSG, Urteil vom 06. Mai 1998 – B 13 RJ 11/97 R –, SozR 3-2600 § 13 Nr 1, BSGE 82, 143-150, SozR 3-2600 § 15 Nr 2). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Leistungen der medizinischen Rehabilitation als Leistungen zur Teilhabe schwerpunktmäßig der Minderung und Beseitigung von Behinderungen zu dienen bestimmt sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX), wobei eine Behinderung grundsätzlich eine mehr als sechsmonatige Beeinträchtigung der körperlichen, seelischen oder geistigen Leistungsfähigkeit voraussetzt (vgl. § 2 Abs. 1 SGB IX).

Auch im Rahmen chronischer Erkrankungen kann ein „akuter Behandlungsbedarf“ auftreten. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ohne zeitnahe Behandlungsmaßnahmen eine weitere Verschlechterung und/oder Folgeschäden drohen. Akut behandlungsbedürftig ist jedenfalls ein Zustand, der - im Gegensatz zu einem chronischen Krankheitsgeschehen als solchem - zeitnahe ärztliche Behandlungen oder Überwachung erfordert (BSG, Urteil vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 27/98 R –, SozR 3-2600 § 13 Nr 3). Insbesondere der Umstand, dass die Behandlung einer Erkrankung nicht einmal um einige Wochen hinausgezögert werden kann, rechtfertigt die Annahme eines „akuten“ Behandlungsbedarfs.

Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus den von der Klägerin eingeholten medizinischen Unterlagen eindeutig die Notwendigkeit einer zeitnahen ärztlichen stationären Behandlung der Versicherten bezogen auf den streitbetroffenen Zeitraum ihrer Behandlung in der K. -Klinik von Februar bis Juni 2009. Die Versicherte hatte sich unmittelbar zuvor in mehrwöchiger stationärer internistischer Behandlung befunden, nachdem sie bei einem ohnehin seit vielen Jahren bereits gravierend geminderten Gewicht an weiteren - letztlich als Folgeerkrankungen der langjährigen Anorexie und Bulimie zu wertenden - schwer wiegenden Leiden erkrankt war, aufgrund derer sie an der Nahrungsaufnahme gehindert war, über Wochen hinweg unter Fieberschüben litt und insgesamt sehr geschwächt war.

Im Rahmen der mehrwöchigen internistischen Behandlung konnten zwar diese zusätzlichen Krankheitserscheinungen erfolgreich bekämpft werden; damit wurde aber letztlich nur die Grundlage geschaffen, um eine Therapie der Anorexie und der Bulimie und damit der eigentlichen Grunderkrankungen überhaupt erst ernsthaft in Angriff nehmen zu können. Die Dringlichkeit der sich erst anschließenden Behandlung der schweren (letztlich psychiatrischen) Grunderkrankung, die durch die Kombination einer Anorexie mit einer Bulimie geprägt war, ergab sich im vorliegenden Fall bereits aus dem Ausmaß und der Chronizität des langjährigen - in nicht wenigen Fällen für die Erkrankten im Ergebnis sogar mit letalen Gefahren verbundenen - Krankheitsbildes.

Die Dringlichkeit wurde noch dadurch erhöht, dass bei einer mehrwöchigen oder gar mehrmonatigen Therapiepause zwischen der internistischen Behandlung und der im Anschluss an diese erforderlichen weiteren psychiatrisch-psychosomatischen Behandlung der Anorexie die naheliegende Gefahr bestanden hätte, dass die Bereitschaft der Versicherten zur Aufnahme dieser Behandlung ermüdet wäre und sie in ihre vorausgegangene langjährige Hinnahme des Krankheitsgeschehens und damit in eine letztlich wiederum krankheitsbedingte Lethargie zurückgefallen wäre. Damit drohte der Erfolg verspielt zu werden, dass es den behandelnden Ärzten insbesondere im Rahmen der Anfang 2009 durchgeführten mehrwöchigen internistischen Behandlung (vor dem Hintergrund vorausgegangener wiederholter stationärer internistischer Behandlungen im zweiten Halbjahr 2008) mit vielen Mühen im Ergebnis gelungen war, die Motivation der Versicherten zur zeitnahen Aufnahme einer entsprechenden spezifischen Anorexie- und Bulimiebehandlung zu festigen.

Auch die von der Klägerin eingeholte Stellungnahme der internistischen Klinik belegt anschaulich diese Dringlichkeit einer Behandlung: Dr. Q. hat in dieser von der Klägerin erbetenen Stellungnahme vom 18. Februar 2009 ausdrücklich und einleuchtend hervorgehoben, dass es geradezu „fatal“ wäre, wenn die Weiterbehandlung der Versicherten auch nur um wenige Wochen oder gar Monate hinausgezögert würde. An der Notwendigkeit einer weiteren stationären Therapie könne kein Zweifel bestehen. Im Rahmen der letzten stationären internistischen Behandlung sei es auch vor dem Hintergrund der vorausgegangenen gehäuften stationären internistischen Behandlungen mit sehr viel Gesprächsaufwand und „auch einem gewissen Drängen“ gelungen, die Bereitschaft der Versicherten zur Aufnahme einer stationären Behandlung in einer „spezialisierten Einrichtung zur Behandlung von Essstörungen“ zu wecken. Eine Verzögerung dieser Behandlung drohe die Erfolge dieser Überzeugungsarbeit zunichte zu machen.

Damit ist im Ergebnis gerade der „akute“ Behandlungsbedarf anschaulich und einleuchtend dargelegt worden. Auch eine Verzögerung der Behandlungsaufnahme um nur wenige Wochen hätte die Gefahr schwer wiegender Gesundheitsschäden bis hin letztlich auch zu letalen Risiken mit sich gebracht. Bezeichnenderweise macht auch der Entlassungsbericht der L. -Klinik vom 11. Februar 2009 deutlich, dass von dort aus nachdrücklich darauf hingewirkt wurde, dass eine zunächst für Ende März 2009 vorgesehene Aufnahme in der K. -Klinik wegen der akuten Dringlichkeit der Behandlung auf den 16. Februar 2009 vorverlegt wurde.

Letztlich kann auch das eigene Verhalten der Klägerin nur in dem Sinne gewertet werden, dass sie sich der Dringlichkeit des akuten Behandlungsbedarfs bewusst war und sich gerade aufgrund ihrer zur umgehenden Bewilligung der streitbetroffenen Maßnahme entschlossen hat. Die Klägerin hat den Behandlungsbedarf selbst als so dringend und damit als so akut angesehen, dass sie von dem an sich nach § 10 SGB IX erforderlichen Abstimmungsverfahren Abstand genommen und unverzüglich nach Erhalt der ablehnenden Entscheidung der Beklagten ihrerseits die streitbetroffene Maßnahme so schnell bewilligt hat, dass die Versicherte diese nur sechs Tage nach der Ablehnung einer rehabilitativen Maßnahme durch die Beklagte bereits antreten konnte.

2. Darüber hinaus ist die streitbetroffene Behandlungsmaßnahme an die Stelle einer sonst erforderlichen Krankenhausbehandlung getreten. Dabei ist für die rechtliche Bewertung allein darauf abzustellen, ob die Versicherte im streitbetroffenen Zeitraum überhaupt einer Krankenhausbehandlung im Rechtssinn bedurfte. War dies der Fall, ist es für das Fehlen einer Zuständigkeit der Beklagten letztlich ohne Relevanz, ob die erforderliche Krankenhausbehandlung in einer psychiatrischen Klinik im engeren Sinne, in einer Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder sonst in einer für die Behandlung von Essstörungen spezialisierten Klinik zu erbringen war (wobei durchaus auch psychiatrische Kliniken sowie Kliniken für psychosomatischen Medizin und Psychotherapie teilweise einen Schwerpunkt in der Behandlung von Essstörungen aufweisen; vgl. nur beispielsweise http://www.psychosomatik.uni-bonn.de/station/behandlungsschwerpunkte; http://aerzteinformationen.auf-der-bult.de/kinder-und-jugendpsychiatrie-psychotherapie-und-psychosomatik/schwerpunkte/).

Versicherten mit einem schweren psychiatrischen Leiden ist ein Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung zuzubilligen, wenn nur auf diese Weise ein notwendiger komplexer Behandlungsansatz Erfolg versprechend verwirklicht werden kann, d.h. wenn es auf das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams aus etwa Diplom-Psychologen, Sozialpädagogen, Ergo-, Bewegungs- und sonstigen Therapeuten sowie psychiatrischem Krankenpflegepersonal unter fachärztlicher Leitung ankommt (BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 20/07 R –, SozR 4-2500 § 39 Nr 15, SozR 4-2500 § 109 Nr 12).

Im Vordergrund der Diskussion muss immer der Anspruch des Versicherten auf umfassende Krankenbehandlung stehen, wobei gerade auch den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen ist (§ 27 Abs 1 Satz 3 SGB V; vgl. BSG, Urteil vom 10. April 2008, aaO).

Für eine ärztliche Entscheidung, Behandlungsverfahren ambulant oder stationär durchzuführen, sind nach der Rechtsprechung vor allem Risikoabwägungen ausschlaggebend. Dabei kommt es insbesondere auf den Gesundheitszustand des Versicherten an, aber auch andere Faktoren können eine Rolle spielen. Selbst in Fallgestaltungen, in denen eine medizinische Versorgung nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse (anders als im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang) in der Regel ambulant vorgenommen wird, kann gleichwohl auf Grund besonderer Gegebenheiten des Einzelfalles eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich sein (BSG, Urteil vom 10. April 2008, aaO). In diesem Rahmen muss der  Krankenhausarzt eine (medizinische) Prognose abgeben und zukunftsorientiert beurteilen, ob die besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich sind, um eine Krankheit zu erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (BSG, Urteil vom 10. April 2008, aaO).

Für die Rechtsfrage, wie in diesem Zusammenhang der Rechtsbegriff der „besonderen Mittel eines Krankenhauses“ zu konkretisieren ist, sind insbesondere auch die Vorgaben des § 107 SGB V zu berücksichtigen: Während Krankenhäuser nach § 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V (mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem, Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal) darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (oder Geburtshilfe zu leisten); sind Rehabilitationseinrichtungen nach § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V darauf ausgerichtet, (fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von besonders geschultem Personal), den Gesundheitszustand der Patienten (nach einem ärztlichen Behandlungsplan) vorwiegend durch Anwendung von Heilmitteln einschließlich Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Sprachtherapie oder Arbeits- und Beschäftigungstherapie, ferner durch andere geeignete Hilfen, auch durch geistige und seelische Einwirkungen, zu verbessern und den Patienten bei der Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte zu helfen.

Im vorliegenden Fall stimmen die Beteiligten zu Recht darin überein, dass die Versicherte bei ihrer Aufnahme im Februar 2009 einer stationären Behandlung bedurfte. Unterschiedlich beurteilt wird lediglich die Frage, ob diese stationäre Behandlung in einem Krankenhaus zu erbringen war oder ob auch eine Aufnahme in eine Rehabilitationsklinik ausgereicht hätte. Diese Frage ist im vorliegenden Fall im Sinne der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung zu beantworten.

Dabei ist ausschlaggebend für die Beurteilung dieser Notwendigkeit, ob nach medizinischem Erfahrungswissen ausgehend von dem konkreten Krankheitsbild des einzelnen Versicherten die erforderliche Behandlung in ihrer tatsächlich notwendigen Ausprägung rechtlich als "Krankenhausbehandlung" im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI zu qualifizieren ist. Bei der Auslegung dieses Rechtsbegriffs sind die erläuterten Vorgaben des § 107 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 SGB V heranzuziehen. Unerheblich für die Auslegung des § 13 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI ist hingegen, unter welcher Bezeichnung die Einrichtung auftritt und welche konkreten Vereinbarungen sie hinsichtlich der Vergütung ihrer Leistungen mit dem Sozialleistungsträger getroffen hat.

Insbesondere können in diesem Zusammenhang verbale Kennzeichnungen der Maßnahmen schon deshalb nicht ausschlaggebend sein, weil weder im Allgemeinen noch im juristischen Sprachgebrauch trennscharf zwischen rehabilitativen Behandlungen und Krankenhausbehandlungen unterschieden wird. Bezeichnenderweise weist § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V den Krankenhäusern auch ausdrücklich die Aufgabe der „Frührehabilitation“ zu. Ebenfalls nicht unbezeichnend wird im vorliegenden Zusammenhang auch gerne von „Fachkliniken“ (so auch in der Nachfrage der Klägerin an das einweisende Krankenhaus vom 17. Februar 2009) gesprochen und damit ein Begriff verwandt, der sowohl in Bezug auf Rehabilitationskliniken als auch im Hinblick auf Krankenhäuser (vgl. nur beispielsweise: http://www.schoen-kliniken.de/ptp/kkh/lor/) gebräuchlich ist.

§ 13 Abs. 2 SGB VI verfolgt das Ziel einer sachgerechten Aufgabenverteilung zwischen Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern. Diese Aufteilung ist entsprechend den gesetzlichen Zielvorgaben nach sachlichen Kriterien vorzunehmen, die ihrerseits auch nicht zur Disposition eines der beteiligten Sozialleistungsträger oder gar von auf dem Markt (vielfach mit dem Ziel der Gewinnoptimierung) agierenden Anbietern medizinischer Leistungen steht. Für letztere mag es durchaus wirtschaftliche Anreize geben, unter der Rechtsform einer Rehabilitationsklinik Leistungen anzubieten, die materiell-rechtlich als Krankenhausbehandlung im Sinne der erläuterten gesetzlichen Vorgaben und der dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu qualifizieren sind. Dazu können insbesondere Erwägungen einer bestmöglichen Auslastung vorhandener Kapazitäten verbunden mit einer Optimierung der Gewinnsituation den Ausschlag geben; in Betracht kommen ggfs. auch Zielvorstellungen im Sinne einer jedenfalls mittelfristigen Umwandlung zumindest einzelner Abteilungen der zunächst als Rehabilitationseinrichtung geführten Klinik in ein Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V, welches entsprechende Versorgungsverträge mit den Krankenkassenverbänden abschließt. Ebenso mag es Fallgestaltungen geben, in denen Rehabilitationskliniken zur Vermeidung eines Versorgungsnotstandes den ihnen von Rechts wegen zugewiesenen Rehabilitationsauftrag in dem Sinne überschreiten, dass sie materiell-rechtlich als Krankenhausbehandlung zu qualifizierende therapeutische Maßnahmen erbringen.

Ein entsprechender Marktauftritt einzelner Kliniken lässt die gesetzlichen Abgrenzungskriterien zwischen den Rehabilitationszuständigkeiten der Rentenversicherungsträger und den Krankenbehandlungsaufgaben der Krankenkasse jedoch unberührt.

Soweit der Gesetzgeber in § 13 Abs. 4 SGB VI vorgesehen hat, dass die Träger der Rentenversicherung mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Näheres zur Durchführung von § 13 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 vereinbaren, hilft dies im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter. Die entsprechende Vereinbarung vom 21. Januar 1993 gibt letztlich nur den Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI wieder ohne inhaltliche Kriterien für die erforderliche Abgrenzung zu benennen.

Auch anderweitig vermochte die klagende Fachkörperschaft keine Richtlinien oder auch nur eine ständige einheitliche Verwaltungspraxis für eine Abgrenzung von rehabilitativen Maßnahmen und Krankenhausbehandlungen aufzuzeigen, und zwar weder in Bezug auf eine Anorexie als solche und erst recht nicht bezogen auf kombinierte Krankheitsbilder in Form einer mit einer Bulimie einhergehenden Anorexie, wie dies bei der Versicherten festzustellen sind.

Im vorliegenden Fall bestehen nach Auffassung des Senates im Ergebnis keine Zweifel, dass bei Aufnahme der Versicherten im Februar 2009 eine erfolgversprechende Behandlung nur im Rahmen eines komplexen Behandlungsansatzes im Sinne der erläuterten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erreichen war. Bei der Umsetzung dieses Ansatzes kam es ausschlaggebend auf das Zusammenwirken eines multiprofessionellen Teams aus Diplom-Psychologen, pädagogischem Personal, Ergo-, Bewegungs- und sonstigen Therapeuten sowie Krankenpflegepersonal unter fachärztlicher Leitung an. Gerade der von der Klägerin vorgelegte Behandlungsbericht über die mehrmonatige stationäre Behandlung der Versicherten belegt im Ergebnis die tatsächliche Umsetzung eines solchen komplexen Behandlungsansatzes und dessen Notwendigkeit.

Die Versicherte ist nach Maßgabe des Entlassungsberichts in dem „hochstrukturierten Essstörungsbereich“ auf der Basis eines „Arbeitsbündnisses“ mit der „Bezugstherapeutin“ insbesondere durch intensive psychotherapeutische Unterstützung und durch kontinuierliche intensive Betreuung im Sinne einer „Psychoedukation“ der Essstörung durch entsprechend qualifiziertes Fachpersonal behandelt worden. Ergänzt wurde die auf diesem Weg eingeleitete „intensive Bearbeitung“ der Krankheitsfolgen durch therapeutische Maßnahmen aus den Bereichen konzentrative Bewegungstherapie, Ergotherapie, Kunsttherapie, autogenes Training sowie durch krankengymnastische Maßnahmen und gruppentherapeutische Angebote in einer Kreativwerkstatt.

Ungeachtet dieser stringent ausgerichteten stationären fachärztlich geleiteten und insbesondere durch intensive psychotherapeutische Betreuung geprägten Behandlung konnte im Laufe der Monate nur ein erster - wenngleich wichtiger - Teil der Behandlung der schwer wiegenden (und bereits seit vielen Jahren chronifizierten) Erkrankung realisiert werden. Es konnte zwar eine gewisse Gewichtszunahme erzielt werden, hingegen hatten die Bemühungen zur Vermeidung des Erbrechens nur eingeschränkten Erfolg, obwohl auch diese ein wesentliches Element des - durch die Kombination einer Anorexie mit einer Bulimie geprägten - Krankheitsbildes darstellten. Im Ergebnis stand für die behandelnden Ärzte auch nach der mehrmonatigen intensiven Therapie fest, dass eine alsbaldige Fortsetzung im stationären Rahmen nach einer (möglichst nur wenigen Wochen ausmachenden) Therapiepause im häuslichen Umfeld unerlässlich war.

Im vorliegenden Fall ist gerade auch angesichts der Chronizität und Komplexität des Krankheitsbildes im Ergebnis nichts dafür ersichtlich, dass bei vorausschauender Betrachtung im Zeitpunkt der Aufnahme der Versicherten in die K. -Klinik ein erheblich geringerer Aufwand zu veranschlagen war als sich im Ergebnis als erforderlich erwies. Bezeichnenderweise ist bereits im AHB-Antrag der L. -Klinik die Notwendigkeit einer „intensiven Psychotherapie“ hervorgehoben worden; die Einleitung und Durchführung einer intensiven Psychotherapie gehört aber gar nicht zu den nach § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V den Rehabilitationskliniken zugewiesenen Aufgaben.

Soweit ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Internisten Dr. Q. ein wesentlicher Aspekt für die Auswahl der K. -Klinik M. auch der Umstand war, dass dort eine Mitaufnahme des seinerzeit erst acht Monate alten jüngsten Kindes der Versicherten ermöglicht werden konnte, handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der für die vorstehend erläuterte rechtliche Einordnung nach den gesetzlichen Vorgaben nicht relevant ist. Berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten bezüglich der Ausgestaltung einer Maßnahme wie hier der medizinischen Behandlung bzw. Rehabilitation iS des § 26 SGB IX ist in dem von § 9 SGB IX aufgezeigten Rahmen unabhängig davon Rechnung zu tragen, ob diese Maßnahme nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 SGB VI vom Rentenversicherungsträger oder von der Krankenkasse durchzuführen ist.

Bei dieser Ausgangslage sieht der Senat auch keinen Raum für die Annahme, dass nach anfänglicher Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung im Rechtssinne im Laufe des mehrmonatigen Aufenthalts sich der Charakter der Maßnahme im Sinne eines Überganges zu einer rehabilitativen Maßnahme gewandelt haben könnte. Ungeachtet der erzielten ohnehin nur begrenzten Gewichtszunahme blieb der Gesundheitszustand der Versicherten weiterhin fragil, so dass der akute Behandlungsbedarf fortbestand. Auch haben sich an der Ausrichtung und Intensität der Behandlung ausweislich des Entlassungsberichts im Laufe des streitbetroffenen Zeitraums keine in diesem Zusammenhang rechtlich relevanten Veränderungen ergeben.

Nur ergänzend ist daher anzumerken, dass die Klägerin unter der eventuellen Annahme eines Überganges von einer Krankenhausbehandlung zu einer rehabilitativen Behandlung auf jeden Fall auch versäumt hätte, den beklagten Rentenversicherungsträger über den unter einer solchen Annahme dann anzunehmenden erst nach Aufnahme der stationären Behandlung in M. eingetretenen Rehabilitationsfall zu unterrichten. Damit hatte dieser gar nicht die Möglichkeit auf einen solchen eventuellen Rehabilitationsfall zu reagieren und entsprechende Leistungen anzubieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 VwGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.