Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.07.2014, Az.: L 2 R 437/13

Altersrente; Nichterteilung von Renteninformationen und Rentenauskünfte; Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.07.2014
Aktenzeichen
L 2 R 437/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 39577
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0722.L2R437.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hildesheim - 13.09.2013 - AZ: S 30 R 281/12

Redaktioneller Leitsatz

1. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch neben der gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung in § 27 SGB X (soweit einschlägig) anwendbar ist.

2. Der Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf.

3. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 109 SGB VI ganz bewusst eine turnusmäßige Erteilung von Renteninformationen und -auskünften in relativ engen zeitlichen Abständen vorgesehen.

4. Dabei hat er sich erkennbar von der Lebenserfahrung leiten lassen, dass im Alltag der Versicherten mit den üblicherweise zu bewältigenden vielfältigen Problemen eine Auskunft der Rentenversicherung auch schon einmal in den Hintergrund geraten kann, so dass deren Wiederholung die Chance einer Aufnahme der Informationen und ihrer sachgerechten Umsetzung deutlich erhöht.

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13. September 2013 und der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2012 werden geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, die dem Kläger zugesprochene Regelaltersrente unter entsprechender Neuberechnung der Rentenhöhe bereits ab dem 1. Januar 2007 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die frühere Gewährung einer Altersrente.

Der im August 1938 geborene Kläger war seit 1975 Universitätsprofessor an der Universität J ... Ausweislich des maschinellen Kontenspiegels forderte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn in den Jahren 1985 und 1989 auf, Angaben im Rahmen der Kontenklärung zu machen. Am 2. März 1990 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Versicherungsverlauf die bis dahin bekannten Zeiten mit. Es ergaben sich 33 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen (Kopie des Versicherungsverlaufs vom 2. März 1990).

Im Jahre 1999 führte die Bezügestelle des Landes Niedersachsen eine Klärung betreffend die Berücksichtigung von Vordienstzeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten durch und stellte mit Bescheid vom 6. Oktober 1999 und Änderungsbescheid vom 8. Dezember 1999 die Vordienstzeiten, in denen der Kläger in den Jahren 1965, 1966/1967, 1968 bis 1970, 1973, 1974 bis September 1975 Angestellter der Universität Göttingen war, fest.

Mit Bescheid vom 8. August 2003 setzte das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung die Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz für die Zeit ab 1. Oktober 2003 fest. In dem Bescheid wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass u.a. der Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. ein Anspruch darauf zur Kürzung der Versorgung führen könne und der Empfänger verpflichtet sei, die Beantragung solcher Leistungen, den Beginn der Zahlung sowie die Erfüllung der rentenrechtlichen Wartezeit unter Beifügung des Bewilligungsbescheides nebst Anlagen umgehend mitzuteilen.

Im Rahmen einer Überprüfung des Landesrechnungshofes im Jahre 2010 wurde der Kläger aufgefordert, eine Erklärung über den Bezug einer Altersrente abzugeben. Der Kläger legte daraufhin mit einem Schreiben vom 1. Dezember 2010 u.a. eine Kopie der Versicherungskarte Nr. 1, ausgestellt am 29. März 1966, betreffend die Zeit vom 1. März 1966 bis 31. Mai 1970 vor.

Nachdem die Bezüge- und Versorgungsstelle bei der OFD Niedersachsen mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 die Beklagte um Übersendung eines Rentenbescheides gebeten hatte, forderte die Beklagte den Kläger im Rahmen nun wieder aufgenommenen Kontenklärung mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 auf, Unterlagen bezogen auf die Zeit von 1955 bis 1972 und ab Oktober 1975 vorzulegen. Mit Schreiben vom 14. Januar 2011 legte der Kläger bei der Beklagten erstmals die Kopie der Versicherungskarte Nr. 1 und in der Folgezeit das Original dieser Versicherungskarte vor. Nach Aufforderung durch die Beklagte legte der Kläger dann den Formantrag auf Gewährung der Versichertenrente vor. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 25. März 2011 dem Kläger ab 1. Januar 2011 Regelaltersrente in Höhe von 375,82 EUR zuzüglich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag und stellte fest, dass 72 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten belegt und damit die Anspruchsvoraussetzungen ab 27. August 2003 für den Anspruch auf Regelaltersrente erfüllt waren. Da der Antrag jedoch erst nach dem Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf dieses Monats gestellt worden sei, werde die Rente erst ab dem Antragsmonat gewährt.

Mit dem dagegen am 20. April 2011 eingelegten Widerspruch verwies der Kläger darauf, er habe seinerzeit alle Unterlagen mit Hilfe des Universitäts-Kuratoriums zusammengestellt und dem Niedersächsischen Ministerium mitgeteilt. Daraus sei dann seine Pension berechnet worden. Er habe bis Ende 2010 nie eine Aufforderung erhalten, einen Rentenanspruch geltend zu machen. Dies sei ihm auch nicht bewusst gewesen. Da ihm mittlerweile die OFD ein Schreiben übersandt habe, laut dem er einen Überzahlungsbetrag von 23.107,10 EUR zahlen solle, bitte er um Prüfung, ob ihm nicht bereits ab Oktober 2003 die Rente der Beklagten zustehe (Bescheid der OFD vom 6. April 2011). Der Kläger verwies dann im weiteren Verlauf auf den Widerspruchsbescheid der OFD vom 12. September 2011, gegen den er Klage erhoben hat (den Erstattungsbescheid bestätigendes Urteil des VG J. erging am 27. November 2012, 4 A 53/12).

Der Kläger machte nun einen Herstellungsanspruch geltend und verwies darauf, die Beklagte habe ihn nicht auf die Möglichkeit und das Erfordernis der Beantragung der Regelaltersrente hingewiesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21. Mai 2012 zurück. Aufgrund der Rentenantragstellung am 17. Januar 2011 erhalte der Kläger gemäß § 99 SGB VI die Regelaltersrente seit 1. Januar 2011. Ein früherer Rentenbeginn könne auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet werden. Sie habe weder die Beratungspflicht des § 14 SGB I noch die Hinweispflicht des § 115 Abs 6 SGB VI verletzt. Anlass für eine allgemeine Beratung habe nicht bestanden. Eine Verpflichtung gemäß § 115 Abs. 6 SGB VI zum Hinweis auf einen möglichen Leistungsbezug habe nicht bestanden, da nach dem maschinell geführten Konto bis Dezember 2010 nur 33 Monate Pflichtbeitragszeiten gespeichert waren. Damit sei die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten für die Regelaltersrente nicht erfüllt gewesen und habe kein Anlass zur Beratung bestanden.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Juni 2012 Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er könne nicht verstehen, warum die Beklagte sein Konto nicht ordnungsgemäß geführt habe und ihn nicht ordnungsgemäß beraten habe. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass der Kläger selbst die Versicherungskarte erst 2011 vorgelegt habe, so dass sie erst ab diesem Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Regelaltersrente zu erkennen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. September 2013 die Klage abgewiesen. Ein Beratungsverschulden liege nicht vor. Die Anspruchsvoraussetzungen seien nicht ohne weiteres aus dem Versicherungskonto ersichtlich gewesen.

Gegen dieses ihm am 8. Oktober 2013 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 4. November 2013 eingelegten Berufung. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und ist der Auffassung, dass die Beklagte die Pflicht gehabt habe, ihn im Zusammenhang mit der Vollendung des 65. Lebensjahres auf die Möglichkeit der Stellung eines Rentenantrages bzw. einer erneuten Kontenprüfung hinzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 13.09.2013 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2012 abzuändern und 2. die Beklagte zu verurteilen, ihn im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob er die gesetzliche Regelaltersrente auch in der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 31.12.2010 erhalten hätte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die während des Berufungsverfahrens beigeladene Oberfinanzdirektion Niedersachsen stellt keinen Antrag. Sie verweist darauf, dass die Feststellung einer möglichen Rentenberechnung bei Überprüfung der Erwerbsbiographie und Beurteilung der Ruhegehaltsfähigkeit von Vordienstzeiten nicht zu ihren Aufgaben gehöre. Ihr Rückforderungsbescheid vom 6. April 2011 sei bestandskräftig geworden. Die monatliche Aufrechnung habe mit Ablauf des Zahlmonats September 2013 geendet.

Außer den Gerichtsakten haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Beigeladenen vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Zustimmung aller Beteiligten (vgl. Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 30. April 2014, der Beklagten vom 2. Mai 2014 und der Beigeladenen vom 5. Mai 2014) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufnahme der Regelaltersrentenzahlungen ab dem 1. Januar 2007, auch wenn er den nach § 99 SGB VI erforderlichen Antrag erst im Januar 2011 gestellt hat. Eine Rente aus eigener Versicherung wird nach § 99 Abs. 1 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Dier Kläger kann jedoch unter Berücksichtigung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, so gestellt zu werden, als ob er den erforderlichen Rentenantrag bereits zu einem früheren Zeitpunkt gestellt hätte. Der Herstellungsanspruch hat seine Wurzel im Folgenbeseitigungsanspruch, der auf Restitution gegenüber rechtswidrigem Verwaltungshandeln gerichtet ist (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1980 12 RK 34/80 -, BSGE 51, 89).

In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch neben der gesetzlichen Wiedereinsetzungsregelung in § 27 SGB X (soweit einschlägig) anwendbar ist. Der Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf (BSG, Urteil vom 06. Mai 2010 - B 13 R 44/09 R -, SozR 4-1200 § 14 Nr. 13).

Im Einzelnen setzt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund des Gesetzes oder eines Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht insbesondere zur Beratung und Auskunft (§§ 14, 15 SGB I) verletzt hat. Ferner ist erforderlich, dass zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können. Die Korrektur durch den Herstellungsanspruch darf dem jeweiligen Gesetzeszweck nicht widersprechen (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 4 AS 166/11 R -, SozR 4-4200 § 7 Nr 31 mwN). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Beklagte hat seit 2005 fortlaufend ihre sich aus der - die allgemeinen Aufklärungs- und Beratungspflichten nach §§ 13 ff. SGB I konkretisierenden - Vorschrift des § 109 SGB VI ergebende Verpflichtung missachtet, dem Kläger (jährlich) Renteninformationen und (alle drei Jahren) Rentenauskünfte zu erteilen. Nach § 109 Abs. 1 SGB VI sind die Rentenversicherungsträger verpflichtet, den Versicherten, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, jährlich eine schriftliche Renteninformation zu erteilen. Nach Vollendung des 55. Lebensjahres wird diese alle drei Jahre durch eine Rentenauskunft ersetzt. Besteht ein berechtigtes Interesse, kann die Rentenauskunft auch jüngeren Versicherten erteilt werden oder in kürzeren Abständen erfolgen. Dabei hat die Renteninformation insbesondere zu enthalten (vgl. Abs. 3)

1. Angaben über die Grundlage der Rentenberechnung, 2. Angaben über die Höhe einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die zu zahlen wäre, würde der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung vorliegen, 3. eine Prognose über die Höhe der zu erwartenden Regelaltersrente, 4. Informationen über die Auswirkungen künftiger Rentenanpassungen, 5. eine Übersicht über die Höhe der Beiträge, die für Beitragszeiten vom Versicherten, dem Arbeitgeber oder von öffentlichen Kassen gezahlt worden sind.

Die Rentenauskunft hat insbesondere zu enthalten (vgl. Abs. 4):

1. eine Übersicht über die im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten, 2. eine Darstellung über die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte mit der Angabe ihres derzeitigen Wertes und dem Hinweis, dass sich die Berechnung der Entgeltpunkte aus beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten nach der weiteren Versicherungsbiografie richtet, 3. Angaben über die Höhe der Rente, die auf der Grundlage des geltenden Rechts und der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten ohne den Erwerb weiterer Beitragszeiten (a) bei verminderter Erwerbsfähigkeit als Rente wegen voller Erwerbsminderung, (b) bei Tod als Witwen- oder Witwerrente, (c) nach Erreichen der Regelaltersgrenze als Regelaltersrente zu zahlen wäre, 4. auf Antrag auch die Höhe der Beitragszahlung, die zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters erforderlich ist, und über die ihr zugrunde liegende Altersrente; diese Auskunft unterbleibt, wenn die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine vorzeitige Rente wegen Alters offensichtlich ausgeschlossen ist, 5. allgemeine Hinweise zur Erfüllung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch.

Die vorstehend erläuterten Vorgaben des § 109 SGB VI sind mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz -- AVmG) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I, 1310) mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingeführt worden, so dass deren Umsetzung in der Verwaltungspraxis der Rentenversicherungsträger jedenfalls bis Ende 2004 (entsprechend auch der tatsächlichen Verwaltungspraxis, vgl. Verbandskommentar, § 109 SGB VI, Rn. 2) erwartet werden konnte. Den vorstehend erläuterten gesetzlichen Verpflichtungen ist die Beklagte jedoch nicht nachgekommen. Obwohl der Kläger in ihrem Datenbestand bereits seinerzeit mit Beitragszeiten und damit als Versicherter erfasst war, hat sie ihm in den Jahren ab 2004 weder eine Renteninformation noch eine Rentenauskunft erteilt. Diesbezüglich trägt die Beklagte zur Erläuterung vor, dass sie einen "Ausschlussgrund" annehme, wenn - nach Maßgabe der im Versicherungskonto jeweils gespeicherten Daten - die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten noch nicht erfüllt sei und der Informationsgehalt einer Auskunft für den Versicherten "ins Leere" laufen würde (vgl. zu einer entsprechenden Verwaltungspraxis auch Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 4. Aufl., § 109, Rn. 18). Mit diesem Ansatz vermag die Beklagte jedoch nicht durchzudringen. Vielmehr ist festzuhalten, dass dem Gesetzeswortlaut ein solcher "Ausschlussgrund" unbekannt ist. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut fordert der Gesetzgeber vielmehr die turnusmäßige Erteilung von Renteninformationen und -auskünften an alle Versicherte nach Vollendung des 27. bzw. 55. Lebensjahres. Dabei lässt sich schon in tatsächlicher Hinsicht nichts dafür objektivieren, dass bei Versicherten, die nach Maßgabe der im Versicherungskonto jeweils erfassten Daten noch nicht die allgemeine Wartezeit (im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB VI) erfüllt haben, die Erteilung einer entsprechenden Information bzw. Auskunft ohne Informationsgehalt sein könnte und damit gewissermaßen "ins Leere" laufen würde. Dementsprechend lässt sich erst recht nichts dafür objektivieren, dass eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Verwaltungspraxis in dem von der Beklagten befürworteten Sinne eine verlässliche Konkretisierung des gesetzgeberischen Regelungswillens und damit eine sachgerechte Interpretation letztlich im Sinne einer sog. teleologischen Reduktion (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Dezember 2013 - B 2 U 17/12 R -, SozR 4-2700 § 73 Nr 1) der gesetzlichen Vorgaben darstellen könnte. Natürlich muss der Inhalt der Auskunft der bislang (nach Maßgabe des bereits gespeicherten Datenbestandes) fehlenden Erfüllung der allgemeinen Wartezeit angepasst werden (weshalb eine in solchen Fallgestaltungen zu erteilende Auskunft teilweise auch als eine sog. "Wartezeitauskunft" bezeichnet wird, vgl. ebenfalls Verbandskommentar, aaO.). Insbesondere beträgt natürlich die Höhe der zu erwartenden Altersrente bei Nichterfüllung der allgemeinen Wartezeit (vorbehaltlich einer Fallgestaltung der vorzeitigen Wartezeiterfüllung gemäß § 53 SGB VI) null Euro. Gerade eine solche Auskunft, wonach bislang die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung fehlen (und mit der zugleich die gesetzlichen Möglichkeiten zur künftigen Herbeiführung ihrer erläutert werden), kann für die betroffenen Versicherten von großer Relevanz sein. Zunächst kann und soll eine entsprechende Auskunft, wie insbesondere auch der vorliegende Sachverhalt verdeutlicht, den Versicherten auch dazu motivieren, die vollständige Erfassung der rentenrechtlichen Zeiten im Versichertenkonto zu überprüfen. Vor allem aber stellt sich für die Versicherten vielfach die Frage, ob sie, was in vielen Fällen durchaus auch noch nach Erreichen der Regelaltersgrenze wirtschaftlich sinnvoll sein kann, durch die Zahlung freiwilliger Beiträge noch die Voraussetzungen für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit herbeiführen wollen. Einen (durchaus erheblichen) Informationsgehalt hat eine solche Auskunft auch im Hinblick auf Überlegungen zur Sicherstellung einer anderweitigen Absicherung insbesondere für das Alter. Die Renteninformation soll nach den gesetzgeberischen Zielvorgaben die Versicherten insbesondere auch in die Lage versetzen, Notwendigkeit und Umfang einer ergänzenden Altersvorsorge besser einschätzen zu können (vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drs. 764/00, S. 118). Gerade aber eine Auskunft des Rentenversicherungsträgers, wonach - jedenfalls nach den bislang erfassten Daten - keine Rentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwarten sind, kann dem Versicherten besonders nachdrücklich die Notwendigkeit einer anderweitigen Altersvorsorge vor Augen führen, zumal auf Seiten der Versicherten diesbezüglich zunächst durchaus Fehlvorstellungen im Sinne der irrigen Annahme einer von Gesetzes wegen fehlenden Rentenanwartschaft in Betracht zu ziehen sind. Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass sie dem Kläger letztmalig im Jahr 1990 einen Versicherungsverlauf übersandt habe. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 109 SGB VI ganz bewusst eine turnusmäßige Erteilung von Renteninformationen und -auskünften in relativ engen zeitlichen Abständen vorgesehen. Dabei hat er sich erkennbar von der Lebenserfahrung leiten lassen, dass im Alltag der Versicherten mit den üblicherweise zu bewältigenden vielfältigen Problemen eine Auskunft der Rentenversicherung auch schon einmal in den Hintergrund geraten kann, so dass deren Wiederholung die Chance einer Aufnahme der Informationen und ihrer sachgerechten Umsetzung deutlich erhöht. Dies gilt umso mehr, als mit zunehmender Nähe zum Renteneintritt (und erst recht mit Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsleben) die Aufmerksamkeit der Versicherten für Fragen der finanziellen Absicherung des Ruhestandes erfahrungsgemäß deutlich zunimmt.

Im Ergebnis geht der Senat unter Würdigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch davon aus, dass sich der Kläger, wenn er entsprechend den erläuterten gesetzlichen Vorgaben von der Beklagten eine Renteninformation oder Rentenauskunft 2004 (oder jedenfalls in den Folgejahren) erhalten hätte, sich sachgerecht verhalten und zeitnah unter Darlegung der Unvollständigkeit des Datenbestandes um die Gewährung einer Altersrente nachgesucht hätte.

Auch wenn der Kläger so zu stellen ist, als ob die Beklagte die ihr aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte, steht ihm unter Berücksichtigung der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X, der nach der Rechtsprechung auch im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs entsprechend anzuwenden ist (BSG, Beschluss vom 25. August 2009 - B 3 KS 1/09 B -, SozR 4-5425 § 8 Nr. 1), die Rente nur rückwirkend für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme zu. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an berechnet, in dem der Antrag gestellt wurde. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger im Januar 2011 gestellt, so dass die Leistungen ab 1. Januar 2007 gemäß §§ 63 ff SGB VI neu zu berechnen und zu gewähren sind.

Bei der Berechnung der Rentenhöhe hat die Beklagte zugunsten des Klägers in Anwendung des § 77 Abs. 2 Nr. 2b einen erhöhten Zugangsfaktor in Ansatz gebracht, und zwar hat sie für jeden Kalendermonat, für den der Kläger die Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze trotz erfüllter Wartezeit nicht in Anspruch genommen hat, den Zugangsfaktor um 0,005 erhöht. Im Rahmen der (entsprechend dem klägerischen Begehren) unter Heranziehung des 1. Januar 2007 als Rentenbeginn vorzunehmenden Rentenneuberechnung ist natürlich zu Lasten des Klägers einzustellen, dass damit eine Verminderung der Zahl der Kalendermonate einhergeht, für die der Kläger die Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze trotz erfüllter Wartezeit nicht in Anspruch genommen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.