Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.04.2005, Az.: L 3 KA 373/03
Prüfung der Berechtigung eines Dermatologen zur Abrechnung dermatohistologischer Leistungen; Maßgebliche Kriterien der Definition des Facharztgebietes i.S.d. Weiterbildungsordnung (WBO); Bindung eines Arztes als Vertragsarzt an die Grenzen seines Fachgebietes
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.04.2005
- Aktenzeichen
- L 3 KA 373/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 15431
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2005:0427.L3KA373.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 25.06.2003 - AZ: S 16 KA 1524/00
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB X
- § 5 Abs. 5 WBO
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. Juni 2003 und der Bescheid der Beklagten vom 4. Juli 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 2000 werden geändert.
Es wird festgestellt, dass der Kläger zur vertragsärztlichen Abrechnung dermatohistologischer Leistungen dem Grunde nach bis zum 31. Januar 2002 berechtigt gewesen ist. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zu-rückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der seit Januar 1999 als Dermatologe mit Praxissitz in D. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, wonach ihm die Berechtigung zur Abrechnung dermatohistologischer Leistungen fehlen soll.
Am 22. April 1998 sprach die Bayerische Landesärztekammer dem Kläger das Recht zur Führung der Facharztbezeichnung Hautarzt zu.
Schon während der Weiterbildungszeit und anschließend als Facharzt war der Kläger in der Zeit vom 01. August 1997 bis zum 31. Dezember 1998 als stellvertretender Leiter des Histologielabors an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am E. tätig. Ausweislich einer Bescheinigung des Leiters dieses Histologielabors, Priv.Doz. Dr. F., vom 31. Dezember 1998 hat sich der Kläger in den Jahren 1994 bis 1998 mit allen üblichen histochemischen Färbemethoden vertraut gemacht; immunhistochemische Färbungen wandte er in umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungsreihen an. Insgesamt hat der Kläger während seiner Tätigkeit in diesem Universitätshistologielabor etwa 5.000 bis 6.000 Präparate persönlich untersucht und befundet.
Vor seiner Niederlassung in D. ließ sich der Kläger auf Anregung der Beklagten am 02. Dezember 1998 durch den beratenden Arzt Dr. G. und den Abrechnungsleiter H. beraten. In der Anfang 1999 gegründeten Praxis in D. richtete der Kläger mit Kosten von ca. 80.000 DM ein dermatohistologisches Labor ein. In den ersten Quartalen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit wurden dermatohistologische Leistungen nach den Ziffern 4900 ff. EBM ohne Beanstandungen von der Beklagten honoriert. Außer dem Kläger rechnete im Jahr 2000 im Zuständigkeitsbereich der Bezirksstelle D. der Beklagten nur noch eine weitere dermatologische Praxis, die Praxis Dres. I. und J., dermatohistologische Leistungen ab.
Mit Schreiben vom 29. März 2000 teilte die Bezirksstelle K. der Beklagten dem Kläger mit, dass ihr die Hauptgeschäftsstelle der Beklagten ausgehend von einer Stellungnahme der - zu 1. beigeladenen - Ärztekammer Niedersachsen mitgeteilt habe, dass histologische Untersuchungen nach dem Kapitel P I. des EBM für Hautärzte fachfremde Leistungen darstellen würden. Sollte der Kläger weiterhin derartige Leistungen abrechnen, würden seine Abrechnungen diesbezüglich ab dem Quartal II/2000 sachlichrechnerisch berichtigt.
In seinem Antwortschreiben vom 03. April 2000 wies der Kläger darauf hin, dass ihm vor der Niederlassung seitens der Beklagten - namentlich auch durch Dr. G. bei der Beratung im Dezember 1998 - versichert worden sei, dass histopathologische Leistungen nach den Ziffern 4900, 4902 und 4915 "als fachfremde Leistungen außerhalb des Hautarztbudgets anerkannt" seien (gemeint nach späteren Angaben des Klägers: als fachgebietszugehörige Leistungen außerhalb des Praxisbudgets zu honorieren seien) und deshalb von Dermatologen abgerechnet werden könnten. Im Hinblick auf diese Auskunft habe er sich zur Einrichtung des dermatohistologischen Labors entschlossen.
Mit "rechtsmittelfähigem Bescheid" vom 04. Juli 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er nur unter Vertrauensschutzgesichtspunkten noch dermatohistologische Leistungen bis zum Ende des Quartals, d.h. bis zum 30. September 2000, abrechnen dürfe. Ab dem 01. Oktober 2000 könne er solche Leistungen nicht mehr abrechnen. Die Ausführungen des Klägers über den Inhalt der Beratung durch Dr. G. könnten nicht als feststellender Verwaltungsakt mit Bindungswirkung für die Zukunft gewertet werden.
Zur Begründung seines mit Schreiben vom 12. Juli 2000 eingelegten Widerspruchs hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, dass das Vorgehen der Beklagten treuwidrig sei und das Gleichbehandlungsgebot missachte.
Mit Bescheid vom 12. September 2000 teilte die Bezirksstelle Oldenburg der Beklagten dem Kläger mit, dass die Kammerversammlung der Beigeladenen zu 1. im November 2000 über die Einführung einer Fachkunde beraten werde, die zur Durchführung und Abrechnung histologischer Untersuchungen insbesondere durch Hautärzte berechtigen würde. Da im Hinblick darauf zunächst von einer Bescheidung des Widerspruchs abgesehen werde, könne der Kläger dermatohistologische Leistungen nicht noch im vierten Quartal 2000 abrechnen.
Mit Bescheid vom 04. Dezember 2000 teilte die Bezirksstelle D. der Beklagten dem Kläger mit, dass sie dem Widerspruch nicht habe abhelfen können. Die Kammerversammlung der Beigeladenen zu 1. habe auf ihrer Sitzung am 25. November 2000 keine besondere Fachkunde für histologische Untersuchungen eingeführt. Die Einführung einer entsprechenden Fachkunde hätte die Möglichkeit eröffnet, derartige Leistungen "in die Gebietszugehörigkeit mit einzubeziehen". Es verbleibe damit bei den "engen Gebietsgrenzen", die sich aus der Weiterbildungsordnung ergäben.
Etwaige Äußerungen von Dr. G. in dem Beratungsgespräch seien nur als unverbindliche Mitteilungen einer Rechtsauffassung, nicht aber als feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren.
An der Fassung des diesem Bescheid zugrunde liegenden Beschlusses des Bezirksstellenvorstandes hat dessen Mitglied Dr. I. mitgewirkt, der ebenfalls dermatohistologische Leistungen abrechnet.
Im Jahre 2001 hat die Beklagte dermatohistologische Leistungen der Dermatologen Dres. I. und L. ungeachtet der von ihr angenommenen Fachfremdheit vergütet, da die Bezirksstelle D. Dr. L. im August 1990 schriftlich mitgeteilt hatte, dass gegen eine histopathologische Tätigkeit aus der eigenen Praxis heraus und auf Inanspruchnahme von einsendenden Ärzten keine Einwände bestünden. Des weiteren hat sie solche Leistungen des Hautarztes Priv.Doz. Dr. Dr. M. in Buchholz im Hinblick darauf honoriert, dass sie diesem die Abrechenbarkeit dermatohistologischer Leistungen mit Schreiben vom 29. Mai 1990 unter Hinweis darauf bestätigt hatte, dass die Weiterbildungsrichtlinien der Beigeladenen zu 1. vom 25. Februar 1989 auch feingewebliche Untersuchungen bei Hauterkrankungen umfassten.
Gegen den Bescheid vom 04. Dezember 2000 hat der Kläger am 22. Dezember 2000 Klage erhoben.
Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, dass eine Einordnung dermatohistologischer Leistungen als fachfremd schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Weiterbildungsordnung (WBO) der Beigeladenen zu 1. ausdrücklich die Vermittlung und den Erwerb von Kenntnissen über die Histologie von Hautkrankheiten zum Gegenstand der hautärztlichen Weiterbildung erkläre. Darüber hinaus schränke der angefochtene Bescheid den Kläger unzulässigerweise in seiner grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit ein. Gebietsgrenzen dürften unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und des Grundsatzes der Einheit des Arztberufes nicht eng ausgelegt werden.
Ergänzend hat sich der Kläger auf Stellungnahmen der Bayerischen und der Hessischen Landesärztekammer vom 14. Januar und vom 27. Februar 2003 berufen, wonach die Erbringung dermatohistologischer Leistungen für Hautärzte fachgebietskonform sei. Zur Stützung des Klagevorbringens hat er des weiteren Stellungnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen Schleswig-Holstein vom 10. Februar 2003, Nordbaden vom 07. Januar 2003 und Südwürttemberg vom 17. Dezember 2002 vorgelegt.
Aus medizinischer Sicht sei zudem festzuhalten, dass eine zuverlässige Befundung dermatologischer Symptome nach wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl. Kerl, Burg, Sterry und Wolff, Über Probleme, Verantwortung und Ziele in der Dermatopathologie, Der Hautarzt 1998, 533) dadurch gefördert werde, dass derselbe Arzt die Haut makroskopisch und mikroskopisch untersuche.
Schließlich könne er sich im Hinblick auf die Äußerungen von Dr. G. bei der Beratung von der Praxisgründung auf Vertrauensschutz berufen. Die Mitwirkung von Dr. I. im Ausgangs- und im Widerspruchsverfahren sei verfahrensrechtlich nicht statthaft gewesen.
Die Beklagte hat sich u.a. auf eine Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 24. Januar 2001 berufen, derzufolge ihr Vorstand im Jahre 1995 die Einführung einer Fachkunde "Dermatohistologie" abgelehnt habe. Zwischenzeitlich liege jedoch ein ausdifferenzierter Entwurf für einen "Befähigungsnachweis Dermatohistologie" vor, der auf dem Ärztetag beraten werden solle. Für eine "Zwischenlösung" im Sinne der Einführung einer Fachkunde sei kein Raum, da eine Zuordnung als nicht fachfremde Leistung sich aus der Muster-WBO 1992 mangels entsprechender Weiterbildungsinhalte nur schwerlich herleiten lasse.
Am 10. November 2001 beschloss die Kammerversammlung der Beigeladenen zu 1. eine Änderung der Nds. WBO, wonach im Abschnitt 11. Hau-t und Geschlechtskrankheiten unter Ziffer 11.A.5 eine weitere Fachkunde "Dermatohistologie" mit dem Inhalt "Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse und Erfahrungen und Fertigkeiten der normalen und pathologischen Histologie der Haut, ihrer Anhangsgebilde und der hautnahen Schleimhäute" eingeführt wurde. Die Weiterbildungszeit wurde auf ein Jahr festgelegt. Dem Beschluss der Kammerversammlung lag eine von ihren Ausschüssen Ärztliche Weiterbildung I. und II. Instanz am 24. Oktober 2001 beschlossene Empfehlung zugrunde. Diese Empfehlung ihrerseits basierte auf einer vom Justiziar der Beigeladenen zu 1. erarbeiteten Sitzungsvorlage. Letztere haben sich die Ausschüsse nach Mitteilung der Beigeladenen zu 1. einstimmig zu eigen gemacht. In dieser Sitzungsvorlage hieß es: "Zwischen allen beteiligten Kreisen besteht inzwischen Einvernehmen darüber, dass Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten bei entsprechender fachlicher Qualifikation Dermatohistologie betreiben dürfen. Im gemeinsamen Fachkundeausschuss der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist vor einigen Jahren die Einführung einer entsprechenden Fachkunde diskutiert und mit der Begründung verworfen worden, dass eine entsprechende Absprache zwischen den Berufsverbänden der Derma-tologen und der Pathologen bestehe. Dabei ist verkannt worden, dass eine solche privatrechtliche Vereinbarung im öffentlichrechtlichen System des Weiterbildungsrechts unerheblich ist. Eine Umsetzung in Satzungsrecht der Ärztekammer Niedersachsen war jedoch lange deswegen unmöglich, weil der Weiterbildungsgang von Seiten der Bundesärztekammer noch nicht formuliert war. Das ist nunmehr für einen zukünftigen Befähigungsnachweis geschehen. Aus der Sicht des Weiterbildungsausschusses kann die Dermatohistologie daher jetzt als Fachkunde eingeführt werden."
Die Änderungen der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 10. November 2001 sind im Nds. Ärzteblatt 2002, S. 53, bekannt gegeben worden und zum 01. Februar 2002 in Kraft getreten.
Mit Urteil vom 25. Juni 2003 hat das Sozialgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Erbringung dermatohistologischer Leistungen für einen Hautarzt nach den Vorgaben der WBO fachfremd sei. Das Vertrauen des Klägers in die künftige Abrechenbarkeit dermatohistologischer Leistungen sei nicht schutzwürdig. Ihm sei insbesondere keine weiterreichende Auslauffrist zuzubilligen gewesen. Er habe sich weniger auf den Fortbestand einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis, sondern in erster Linie auf eine fehlerhafte Auskunft verlassen; zudem sei ihm inzwischen die Möglichkeit zum Erwerb der Fachkunde Dermatohistologie eröffnet worden.
Gegen dieses ihm am 24. Juli 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. August 2003 Berufung eingelegt.
Der Kläger macht geltend, dass ihm Dr. G. als Prüfarzt im Dezember 1998 mündlich eine Sondergenehmigung zur Abrechnung von dermatohistologischen Leistungen erteilt habe. Eine solche Interpretation der Äußerungen von Dr. G. im Rahmen der damaligen Beratung sei schon deshalb geboten, weil bei dem Prüfarzt eine umfassende Kenntnis der Sachlage zu unterstellen sei.
Da seine Ausgrenzung aus dem Kreis der insgesamt vier in Niedersachsen dermatohistologisch tätigen Hautärzte weder der Form noch dem Inhalt nach rechtmäßig gewesen sei, begehre er die Wiedereinräumung seiner angestammten Rechte. Er beabsichtige nicht, die nunmehr eingeführte Fachkunde Dermatohistologie zu erwerben. Er verfüge ohnehin über eine hinreichende wissenschaftliche Qualifikation, über 70% seiner wissenschaftlichen Arbeiten habe er zu dermatopathohistologischen Fragen verfasst. Seine Qualifikation werde auch durch den Aufsatz N., O., P., Q., R., S. und T., "Immunohistochemical characterization of the perivascular infiltrate cells in tissues adjacent to stainless steel implants compared with titanium implants" (Arch. Orthop. Trauma Surg. Nr. 121, S. 223 ff.) belegt.
Die Auffassung der Beklagten könne auch deshalb nicht überzeugen, weil schon unter Berücksichtigung der anatomisch und funktionell engen Verflechtungen zwischen den oberen und den tiefer liegenden Schichten der Haut ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dermatopathologischen und dermatohistologischen Kenntnissen bestehe. Dementsprechend sei die Dermatohistologie während ihrer 150jährigen Geschichte stets als Bestandteil der Dermatologie angesehen worden. Vor diesem Hintergrund stelle sich auch die Frage, inwieweit mit der WBO, und sei es auch nur ungewollt, eine Wissenschaftsfeindlichkeit induziert werde.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. Juni 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 04. Juli 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. Dezember 2000 aufzuheben,
- 2.
festzustellen, dass er zur Abrechnung dermatohistologischer Leistungen dem Grunde nach ab 01. Januar 2001 weiterhin berechtigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Die zu 1. beigeladene Ärztekammer Niedersachsen beruft sich darauf, dass mit der Novelle der Muster-WBO im Jahre 1992 ein Glossar erstellt worden sei, wo-nach die bei den einzelnen Fachgebietsbeschreibungen in der Rubrik "Kenntnisse über" normierten Weiterbildungsgegenstände keinen Inhalt der späteren Gebietsausübung bilden, sondern lediglich der Abrundung des Wissens des Gebietsarztes dienen sollten. Da die WBO bei Hautärzten nur (einfache) Kenntnisse über "die Histologie bei Hautkrankheiten" verlange, seien histologische Untersuchungen als fachfremd zu beurteilen, zumal das pathologische Fachgebiet ausdrücklich auch histologische Untersuchungen umfasse. Bei Hautärzten könnten hinsichtlich des Hautorgans nicht die Fachkenntnisse etwa eines Pathologen vorausgesetzt werden.
Die WBO diene der Qualitätssicherung in der ärztlichen Berufsausübung. Es bedürfe einer sorgsamen Differenzierung bei der Ermittlung der Grenzen der jeweiligen Fachgebiete. Die Neueinführung einer Fachkunde könne zur Erweiterung des Fachgebiets führen und zugleich ein Mittel der Nachqualifikation darstellen.
Von einer früheren Einführung der Fachkunde Dermatohistologie habe die Beigeladene zu 1. mit Blick auf § 135 Abs. 2 SGB V abgesehen. Auch wenn sie diese Norm für verfassungswidrig erachte, sei sie als Verwaltungsbehörde daran gebunden. Um einen durch diese Vorschrift ermöglichten "Zugriff des Sozialrechts" auf Regelungen, die originär dem Landesrecht zugewiesen seien, zu verhindern, habe die Beigeladene eine bundeseinheitliche Regelung auf der Basis eines Vorschlags der Bundesärztekammer angestrebt. Dementsprechend sei die Zusatzausbildung Dermatohistologie in Niedersachsen erst eingeführt worden, als "vor dem Hintergrund der Überlegungen zu einer neuen Muster-WBO der Bundesärztekammer Konsens über deren Einführung" erzielt worden sei.
Während früher in dermatologischen Praxen mikroskopische Untersuchungen unter Zuhilfenahme einfacher Färbeverfahren häufig durchgeführt worden seien, würden heute entsprechende Untersuchungen ganz überwiegend nur noch in speziellen Instituten bzw. in dermatologischen Praxen mit ausgewiesenem histologischen Schwerpunkt vorgenommen.
Insbesondere bei der Frühdiagnostik zur Abklärung eines Verdachts auf maligne Tumore sei der Einsatz immunhistochemischer und anderer moderner Methoden erforderlich. Deren Einsatz bedinge besondere Kenntnisse und Erfahrungen, die bei einem "Hautarzt heutiger Prägung" nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden könnten.
Soweit ihre Ausschüsse Ärztliche Weiterbildung I. und II. Instanz auf ihrer Sitzung am 24. Oktober 2001 einstimmig festgestellt hätten, dass Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten bei entsprechender fachlicher Qualifikation Dermatohistologie betreiben dürften, handele es sich um "Privatmeinungen der Beteiligten", die im öffentlichen Recht ohne Belang seien. Die Absprache zwischen den Berufsverbänden der Dermatologen und der Pathologen, auf die sich ihre Ausschüsse Ärztliche Weiterbildung I. und II. Instanz bei der Beschlussfassung am 24. Oktober 2001 bezogen hätten, sei ihr unbekannt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Bezogen auf den Zeitraum ab dem 01. Februar 2002, d.h. ab Inkrafttreten der Änderung der Nds. WBO vom 10. November 2001 (Nds. Ärzteblatt 2002, S. 53) teilt der Senat die Rechtsauffassung der Beklagten, dass dermatohistologische Leistungen sich für Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten als fachfremde Leistungen darstellen, solange diese nicht die mit Wirkung zum 01. Februar 2002 eingeführte Fachkunde Dermatohistologie erworben haben. Demgegenüber umfasste das Gebiet der Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten nach der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung der Nds. WBO auch dermatohistologische Untersuchungen. Dementsprechend dringt der Kläger mit seinem Feststellungsbegehren für diesen Zeitraum durch, so dass die einen Abrechnungsausschluss für dermatohistologische Leistungen aufgrund ihrer Fachfremdheit für Hautärzte feststellenden angefochtenen Bescheide entsprechend abzuändern sind.
1.
Nach der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung der Nds. WBO umfasste das Gebiet der Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten auch dermatohistologische Untersuchungen.
Die Heilberufs- bzw. Kammergesetze der Länder und die auf der Grundlage von Ermächtigungen in diesen Gesetzen von der Ärztekammer der Länder erlassenen Weiterbildungsordnungen normieren die Verpflichtung derjenigen Ärzte, die - wie der Kläger - Gebietsbezeichnungen führen, ihre Tätigkeit auf dieses Fachgebiet zu beschränken. Für den Kläger folgt diese Verpflichtung aus § 22 der auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 des Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG) erlassenen WBO der Ärztekammer Niedersachsen vom 1. Oktober 1996.
Die Facharztgruppen sind ganz unterschiedlich abgegrenzt (vgl. BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr. 35). Sie können sich nach Schwerpunkten in der diagnostischen oder therapeutischen Methode unterscheiden (Chirurgie, diagnostische Radiologie, Transfusionsmedizin) oder danach, ob bestimmte näher umgrenzte Teile des menschlichen Körpers das Fachgebiet beschreiben (Augenheilkunde, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Urologie), aber auch nach ihrer Ausrichtung auf bestimmte Personenkreise, für deren Behandlung der Arzt Spezialkenntnisse erworben hat (Kinderarzt, Frauenarzt).
Die Bindung an die Grenzen seines Fachgebietes trifft den Arzt auch in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt (vgl. eingehend dazu BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 9 S 34 ff; BSGE 84, 290, 292 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 21 S 86; zuletzt U.v. 02. April 2003, B 6 KA 30/02 R). Da das niedersächsische Weiterbildungsrecht auf das "Führen" einer Gebietsbezeichnung abstellt, kommt es nicht darauf an, welche weiteren Gebietsbezeichnungen der jeweilige Arzt berufsrechtlich führen dürfte. Selbst ein Arzt, der berufsrechtlich berechtigt ist, mehrere Gebietsbezeichnungen zu führen, aber nur für ein Gebiet zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, darf in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt ausschließlich auf diesem Gebiet tätig werden (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 7 S 29; SozR 3-2500 § 115b Nr. 3 S 8; U.v. 02. April 2003 a.a.O.).
Die Entscheidung, ob eine Leistung für den jeweiligen Facharzt fachfremd ist, hängt in erster Linie von der Gebietsdefinition in der WBO ab (BSG, U.v. 02. April 2003, a.a.O.). Die WBOen der einzelnen Landesärztekammern orientieren sich an der MWBO, die von der Bundesärztekammer - der Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern - entsprechend den Beschlüssen des Deutschen Ärztetages bekannt gemacht wird. Die MWBO bezweckt, dass ebenso wie die ärztliche Ausbildung auch die Weiterbildung bundeseinheitlich geregelt wird und die von einem Bundesland erteilten Anerkennungen gleichermaßen in den anderen Bundesländern gelten (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 16 S 84 und U.v. 02. April 2003, a.a.O.).
Maßgebend für die Definition des Facharztgebietes im Sinne der WBO sind die Gegenstände, bezüglich derer "eingehende" Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten gefordert werden. Entsprechend der Auslegungsregelung des § 5 Abs. 5 letzter Halbsatz WBO bescheinigt eine Facharztanerkennung hingegen nicht den Nachweis der Befähigung zur Ausübung ärztlicher Tätigkeiten in Bereichen, bezüglich derer keine "eingehenden", sondern lediglich (einfache) Kenntnisse gefordert werden (vgl. Senatsurteile vom 18. August 2004 - L 3 KA 103/02 - und vom 09. Februar 2005 - L 3 KA 290/03 -).
Ergänzend sind die Richtlinien zur WBO zu berücksichtigen. Bei diesen handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die einerseits norminterpretierenden Charakter haben, soweit sie nähere Festlegungen zu den unbestimmten Rechtbegriffen "gründliche und eingehende Weiterbildung" treffen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 30 S 151).
Selbst wenn die WBO positiv den Inhalt eines bestimmten Fachgebiets beschreibt, wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass insbesondere beim Zusammentreffen mit rein diagnostischen ärztlichen Fachdisziplinen einzelne ärztliche Aufgaben kraft expliziter Regelung gleichermaßen in die Zuständigkeit anderer Fachgebiete fallen können. Auf diese Weise sind aus übergeordneten medizinischen Gründen auch Gebietsüberschneidungen und Mehrfachzuständigkeiten denkbar (BSG, NZS 2002, 611). Angesichts der Vielgestaltigkeit der dem Arzt in seiner täglichen Praxis unterkommenden Behandlungsfälle kann ohnehin eine starre Grenze zwischen den einzelnen ärztlichen Fachgebieten nicht gezogen werden, vielmehr muss dem Vertragsarzt aus dem Bedürfnis der Praxis eine gewisse Toleranzbreite zugestanden werden (BSG SozR 2200 § 368a Nr. 20).
Bei der Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete ist überdies die Wertentscheidung des Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG zu berücksichtigen (BSG, U.v. 02. April 2003 a.a.O., m.w.N.). Einschränkungen wegen der Fachgebietsgrenzen können deshalb abgewehrt werden, wenn sie nicht auf einer sachgerechten Abgrenzung beruhen und/oder dem einzelnen Arzt keine ausreichende wirtschaftliche Lebensgrundlage belassen (vgl. BVerfGE 33, 125, 167 [BVerfG 25.04.1972 - 1 BvL 14/71]; daran anknüpfend BSGE 62, 224, 228 f [BSG 27.10.1987 - 6 RKa 34/86] = SozR 2200 § 368a Nr. 19 S 67 f; BSGE 68, 190, 192 f [BSG 13.03.1991 - 6 RKa 20/89] = SozR 3-2500 § 95 Nr. 1 S 3 f; BSG, U. v. 5. Februar 2003 - B 6 KA 15/02 R -).
Das Fachgebiet Haut- und Geschlechtskrankheiten nach Abschnitt IV. Ziffer 11 A der Nds. WBO in der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung umfasste die Erkennung, Behandlung, Prävention und Rehabilitation von Erkrankungen der Haut und der Unterhaut, der hautnahen Schleimhäute und der Hautanhangsgebilde sowie der hierzu gehörenden allergologischen Diagnostik und Therapie, die dermatologische Onkologie, die Geschlechtskrankheiten und die nichtvenerischen Erkrankungen der äußeren Geschlechtsorgane, die Gefäßerkrankungen der Haut, den analen Symptomenkomplex und die Andrologie.
Als Inhalt und Ziel der Weiterbildung sah die WBO vor: Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Diagnostik, Differentialdiagnostik und Therapie der Erkrankungen des Hautorgans einschließlich seiner Anhangsgebilde, der hautnahen Schleimhäute, der Gefäßerkrankungen der Haut, der dermatologischen Proktologie, der gebietsbezogenen Allergologie, der Andrologie, der Sexualstörungen, der Geschlechtskrankheiten und nichtvenerischen Erkrankungen der äußeren Geschlechtsorgane, den gebietsbezogenen Laboruntersuchungen und der dermatologischen Strahlenbehandlung einschließlich des Strahlenschutzes sowie der Indikationsstellung und Durchführung der operativen Dermatologie und Kryotherapie. Vermittlung und Erwerb von Kenntnissen über Methoden zur Erkennung peripherer Durchblutungsstörungen.
Hierzu gehörten nach der WBO in der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung im Gebiet Haut- und Geschlechtskrankheiten 1. Eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in - Anatomie, Physiologie, Pathologie, Pathophysiologie und Immunologie der Haut, deren Anhangsgebilde und der sichtbaren Schleimhäute - der Allergologie ... - Gewerbe- und Umweltdermatologie einschließlich der Toxikologie des Gebietes - Operativer Dermatologie und Hautkryotherapie ... - der Methodik und Durchführung des Grundleistungslabors des Gebietes sowie der Bewertung der Befunde - der Probenentnahme und sachgerechten Probenbehandlung ... - der Pharmakologie ... 1.1 Vermittlung und Erwerb von Kenntnissen über - die Histologie bei Hautkrankheiten ... Die vorstehend erläuterte Definition des Gebietes eines Facharztes für Haut- und Geschlechtskrankheiten der WBO in der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung war im Ergebnis in dem Sinne zu interpretieren, dass dieses auch dermatohistologische Untersuchungen, also mikroskopische Untersuchungen von Hautmaterial nach vorheriger Anfärbung, umfasste.
Die WBO verlangt(e) gerade eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in Anatomie, Physiologie, Pathologie und Pathophysiologie der Haut. Mit dieser umfassenden Beschreibung wurden schon nach dem Wortsinn mangels anderweitiger Einschränkungen auch die mikroskopischen Strukturen der Haut und ihre Untersuchungen erfasst. Namentlich eröffnete der Wortsinn der Gebietsdefinition keinen Raum für eine klare Abgrenzung der Pathologie der Haut, bezüglich derer ausdrücklich eingehende Kenntnisse gefordert wurden, von dem Bereich der Histologie der Haut. Bezeichnenderweise weist die Beigeladene zu 1. selbst darauf hin, dass inhaltlich der bessere Begriff "Dermatopathologie" sei. Vor diesem Hintergrund kann die Annahme einer Fachfremdheit dermatohistologischer Untersuchungen auf der Grundlage der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Fassung der WBO nicht darauf gestützt werden, dass diese bezogen auf die Histologie der Haut nur einfache Kenntnisse verlangt hat.
Für die vorstehend erläuterte Interpretation der WBO spricht überdies, dass die Beigeladene zu 1. ausdrücklich darauf hinweist, dass früher in dermatologischen Praxen mikroskopische Untersuchungen unter Zuhilfenahme einfacher Färbeverfahren, also histologische Untersuchungen, häufig durchgeführt worden seien. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die betreffenden Fachärzte damit jeweils die Grenzen ihres Fachgebietes überschritten haben könnten. Die Beigeladene zu 1. macht selbst nicht geltend, dass sie jemals berufsrechtliche Maßnahmen gegen einen Dermatologen wegen einer etwaigen Berufsfremdheit dermatohistologischer Untersuchungen auch nur eingeleitet hätte. Auch vor diesem Hintergrund vermag der Senat der erläuterten Fassung der WBO nicht mit der für die Annahme einer Beschränkung des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG erforderlichen Klarheit eine Entscheidung des Normgebers zu entnehmen, wonach dermatohistologische Leistungen für Hautärzte als fachfremd anzusehen und deren Durchführung mithin diesen zu untersagen sein könnte.
Dementsprechend handelte es sich bei dermatohistologischen Untersuchungen für Hautärzte nach der bis zum 31. Januar 2002 geltenden Rechtslage um fachgebietszugehörige Leistungen. Der Umstand, dass auch Pathologen solche Untersuchungen erbringen dürfen, gebietet schon deshalb keine anderweitige Beurteilung, weil dem in der WBO normierten Facharztsystem Gebietsüberschneidungen und Mehrfachzuständigkeiten eigen ist (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung des BSG).
2.
Mit der Einführung einer neuen Fachkunde Dermatohistologie (Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse und Erfahrungen und Fertigkeiten der normalen und pathologischen Histologie der Haut, ihrer Anhangsgebilde und der hautnahen Schleimhäute) mit Wirkung zum 01. Februar 2002 hat sich hingegen die vorstehend erläuterte Rechtslage geändert. Seit Inkrafttreten dieser Änderung der WBO umfasst das Fachgebiet der Haut- und Geschlechtskrankheiten nicht mehr dermatohistologische Leistungen, solange der Facharzt nicht die neue Fachkunde Dermatohistologie erworben hat.
§ 22 der auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 HKG erlassenen WBO der Ärztekammer Niedersachsen schreibt vor, dass ein Arzt, der eine Facharztbezeichnung führt, grundsätzlich nur in diesem Gebiet tätig werden darf. Unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges der WBO und der mit ihr angestrebten Sicherung und Verbesserung der Qualität der ärztlichen Versorgung interpretiert der Senat die erläuterte Regelung des § 22 dahingehend, dass ein Facharzt Tätigkeiten, die Gegenstand einer in der WBO eigens ausgewiesenen Fachkunde sind, nur nach Erwerb dieser Fachkunde vornehmen darf. Soweit die WBO für bestimmte Fachgebiete Fachkunden vorsieht, ist das "Gebiet" im Sinne von § 22 WBO nicht einheitlich zu interpretieren; vielmehr führt der Erwerb einer Fachkunde zu einer Erweiterung der Grenzen des Gebietes, innerhalb derer der Arzt berufsrechtlich und damit auch in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt tätig werden darf.
Somit beinhaltet die Aufnahme einer Fachkunde zugleich eine normative Entscheidung der Kammerversammlung der Beigeladenen zu 1., wonach die von der Fachkunde erfassten Gegenstände der ärztlichen Tätigkeit nicht (mehr) zum Gebiet im engeren - bereits durch die Facharztprüfung als solche begründeten - Sinne zählen. Eine Zugehörigkeit zum Gebiet vermittels dessen Erweiterung wird vielmehr erst dadurch begründet, dass der betroffene Arzt seinerseits die Fachkunde erwirbt.
Dementsprechend beinhaltet die zum 01. Februar 2002 wirksam gewordene Einführung einer Fachkunde Dermatohistologie zugleich die Regelung, dass das Gebiet der Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten keine dermatohistologischen Untersuchungen umfasst, solange der jeweilige Facharzt - wie der Kläger im vorliegenden Verfahren - diese Fachkunde nicht erworben hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorstehend erläuterte Interpretation sind nicht ersichtlich. Durch die Einführung von Fachkunden ggfs. begründete Beschränkungen des Gebietes, innerhalb dessen sich die betroffenen Fachärzte auch ohne Zusatzqualifikation betätigen dürfen, berühren nicht den Kernbereich des jeweiligen Fachgebietes im herkömmlichen Sinne. Die damit ohnehin nur in begrenztem Umfang festzustellende Betroffenheit der Berufsausübungsfreiheit begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da sie der Sicherung und Verbesserung der Qualität der ärztlichen Versorgung dient und damit als sachlich gerechtfertigt anzusehen ist.
Durch die Übergangsregelung des § 23 Abs. 6 WBO hat die Beigeladene zu 1. auch in angemessenem Umfang den berechtigten Interessen derjenigen Ärzte Rechnung getragen, die die von einer neu eingeführten Fachkunde erfassten Tätigkeiten bereits zuvor ausgeübt hatten. In diesem Zusammenhang muss der Senat sich nicht weiter mit der Frage befassen, ob die Beigeladene zu 1. diese Bestimmung im Falle des Klägers in jeder Hinsicht zutreffend interpretiert und angewandt hat, da es dem Kläger freigestanden hätte, etwaige Fehler in der Normanwendung zur (verwaltungs-)gerichtlichen Überprüfung zu stellen.
Einen Anspruch auf vollständige Aufhebung der angefochtenen Bescheide hat der Kläger auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Dr. I. an der Widerspruchsentscheidung vom 04. Dezember 2000 mitgewirkt hat.
Zwar darf gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 SGB X in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann. Auch kann im Fall der Verletzung dieser Norm der entsprechende Verwaltungsakt nichtig sein (Umkehrschluss aus § 40 Abs. 3 Nr. 2 SGB X; vgl. hierzu Krasney in Kasseler Kommentar, Loseblattsammlung Stand: Dezember 2004, § 16 SGB X Rd.Nr. 15). Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch nicht erfüllt.
Dr. U., dessen Praxis histologische Leistungen erbringt, profitiert allenfalls mittelbar von der Entscheidung. Unmittelbarkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB X liegt nur dann vor, wenn die Tätigkeit oder Entscheidung einerseits und der Vor- oder Nachteil andererseits die beiden einzigen Glieder der möglichen Kausalkette sind (Hauck in Hauck/Noftz, SGB X, Loseblattsammlung Stand: November 2004, § 16 Rd.Nr. 18a). Allein durch die Entscheidung, den Kläger von der Erbringung dermatohistologischer Leistungen wegen Fachfremdheit auszuschließen, hat Dr. I. jedoch noch keinen Vorteil erlangt. Ein Vorteil wäre ihm erst dann zugeflossen, wenn sich Patienten oder Ärzte entschieden hätten, bei ihm histologische Leistungen vornehmen zu lassen, die ansonsten der Kläger erbracht hätte.
Die angefochtenen Bescheide könnten jedoch insoweit wegen Mitwirkens einer Person, gegen die die Besorgnis der Befangenheit besteht, gegen § 17 SGB X verstoßen und auf Grund dessen wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig sein (vgl. hierzu BSGE 66,20, 23) [BSG 26.10.1989 - 6 RKa 25/88]. Ob dies der Fall ist, kann jedoch dahin stehen. Die Aufhebung eines wegen Verstoßes gegen § 17 SGB X rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann der Betroffene nämlich nicht beanspruchen, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 42 Abs. 1 SGB X; vgl. hierzu Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, Loseblattsammlung Stand: November 2004, § 17 Rd.Nr. 9). Dies ist hier für den Zeitraum ab 01. Februar 2002 aus den oben dargelegten Gründen der Fall.
Auf die vom Kläger geltend gemachten Äußerungen des beratenden Arztes Dr. G. kann sich der Kläger im vorliegenden Verfahren schließlich schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil der vom Kläger selbst angeführte beratende Charakter des damaligen Gesprächs deutlich machte, dass nur Auskünfte über bestehende Vorgaben für die seinerzeit in Aussicht genommene vertragsärztliche Tätigkeit erteilt, nicht aber rechtliche Regelungen im Sinne des § 31 SGB X getroffen werden sollten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der im vorliegenden Rechtsstreit noch maßgeblichen bis zum 01. Januar 2002 geltenden Fassung.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).