Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.04.2005, Az.: L 3 KA 515/03
Eigenständiger Regelungsgehalt von Berichtigungen von Ziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ziffern) in Honorarabrechnungen; Wortlautauslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnungen; Mehrfacher Zuschlag für die Durchführung einer farbcodierten Duplex-Sonografie bei der Untersuchung verschiedener Körperregionen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.04.2005
- Aktenzeichen
- L 3 KA 515/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 15421
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2005:0427.L3KA515.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 12.11.2003 - AZ: S 16 KA 433/01
Rechtsgrundlagen
- § 75 Abs. 2 S. 2 SGB V
- § 45 Abs. 2 S. 1 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä)
- § 34 Abs. 4 S. 2 Ersatzkassenvertrag-Ärzte(EKV-Ä)
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Facharzt für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Angiologie, wendet sich gegen die sachlich-rechnerische Berichtigung von Leistungen der farbcodierten Duplex-Sonografie.
In den Anlagen 5 zu den Honorarbescheiden für die Quartale II und III/2000 setzte die Beklagte verschiedene sachlich-rechnerische Berichtigungen fest, darunter auch (in 811 bzw. 687 Fällen) die der EBM-Ziffer 689 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM). Diese lautet: "Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn. 668, 686 und 687 für die Durchführung als farbcodierte Duplex-Sonografie". Zur Begründung der Berichtigung führte die Beklagte aus, die Ziffer 689 sei gemäß der Leistungslegende nur einmal je Sitzung abrechnungsfähig. Mit seinen hiergegen eingelegten Widersprüchen vom 14. Dezember 2000 und 19. Februar 2001 wies der Kläger darauf hin, dass die Ziffer 689 keineswegs nur einmal je Sitzung abrechnungsfähig sei. Wie aus seinen Abrechnungsmodalitäten ersichtlich sei, stehe die Ziffer 689 als Ergänzungsziffer neben den Ziffern 668 und 687, was in beiden Fällen gerechtfertigt und ordnungsgemäß sei. Die Beklagte wies die Widersprüche gegen die Berichtigung der Gebührenziffer 689 EBM mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2001 (an den Kläger am 18. Mai 2001 abgesandt) zurück. Auch wenn in einer Sitzung zwei oder alle drei der in Ziffer 689 genannten Duplex-Untersuchungen farbcodiert durchgeführt würden, könne dieser Mehraufwand nur einmal berechnet werden. Dies ergebe sich aus der Tatsache der insgesamt einmaligen Geräte-Mehrleistung sowie der in der Legende gewählten "und"-Verbindung. Im Übrigen handle es sich bei der Gebührenordnungsnummer 689 um eine Leistung, die dem Praxisbudget angehöre. Dieses sei in den Quartalen II und III/2000 bereits voll ausgeschöpft. Eine Honorarnachvergütung könne nicht erfolgen.
Auch in der Anlage 5 der Honorarabrechnung des Quartals IV/2000 führte die Beklagte sachlich-rechnerische Berichtigungen durch, darunter unter anderem insgesamt 814-mal die der Ziffer 689. Den unter anderem diesbezüglich eingelegten Widerspruch des Klägers vom 16. Mai 2001 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2001, an den Kläger am 02. Juli 2001 abgesandt, zurück. Als Begründung wiederholte sie die Begründung aus dem Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2001.
Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2001 hat der Kläger gegen die Berichtigung der EBM-Ziffer 689 in den Quartalen II und III/2000 Klage erhoben, die am 6. Juni 2001 bei dem Sozialgericht (SG) Hannover eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2001 - am selben Tag bei dem SG eingegangen - hat er die Klage auf die Berichtigung der Ziffer 689 im Quartal IV/2000 erweitert. Zur Begründung hat der Kläger die Auffassung vertreten, die "und"-Verbindung zwischen den EBM-Nummern 668, 686 und 687 mache lediglich deutlich, dass der Zuschlag für die besondere Ausstattung des abrechnenden Vertragsarztes zu jeder farbcodiert durchgeführten Duplex-Untersuchung nach den Ziffern 668, 686 und 687 zu gewähren sei. Die Abrechnung des Zuschlags würde von der Beklagten auch nicht beanstandet werden, wenn der Vertragsarzt die Leistungen bei demselben Patienten nicht in einer Sitzung, sondern an verschiedenen Tagen farbcodiert ausführe. Schließlich werde mit der Zuschlagsziffer nicht nur eine einmalige Geräte-Mehrleistung abgegolten, vielmehr stünden die Nummern 668, 686 und 687 für verschiedene Leistungen in verschiedenen Körperregionen.
Das SG hat die sachlich-rechnerischen Berichtigungen in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Mai und 25. Juni 2001 mit Urteil vom 12. November 2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die in den Quartalen II, III und IV/2000 erbrachten und abgerechneten Leistungen der Gebührenziffer 689 anzuerkennen. Die Klage sei zulässig. Insbesondere stehe der Zulässigkeit nicht entgegen, dass der Kläger auf Grund der Ausschöpfung seines Budgets voraussichtlich ohnehin keine höhere Vergütung zu beanspruchen habe. Zudem sei die Klage auch begründet. Die in der Gebührenziffer 689 EBM enthaltene "und"-Verbindung sei im Sinne einer bloßen Aufzählung zu interpretieren. Eine farbcodierte Duplex-Sonografie könne mit bestimmten Geräten gefertigt werden, die für die Farbcodierung ausgerüstet seien. Die Ziffer 689 EBM diene damit der Abgeltung des zusätzlichen Geräte-Aufwands in der Anschaffung und honoriere die höherwertige Qualität des Ultraschallgerätes mit einer besonderen Vergütung. Warum es vor diesem Hintergrund einen Unterschied machen solle, ob der Arzt an einem Tag oder an verschiedenen Tagen bei demselben Patienten die in der Gebührenziffer genannten Körperregionen mit dem höherwertigen Gerät untersuche, werde nicht klar. Jeder Einsatz des Gerätes rechtfertige somit auf Grund der mit der EBM-Ziffer 689 typisierend vergüteten Höherwertigkeit des Geräts den Ansatz der höheren Vergütung für jede der drei dort in Bezug genommenen Untersuchungen.
Gegen das ihr am 28. November 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2003 Berufung eingelegt, die am selben Tag bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen - Bremen eingegangen ist. Sie hält die Argumentation des SG für nicht zutreffend. Außerdem weist sie darauf hin, dass es Zweck sämtlicher Zuschlagsleistungen im EBM sei, einen bestimmten Mehraufwand abzudecken. Falle dieser nur einmal an oder sei er mit der einmaligen Berechnung eines Zuschlags abgegolten, so könne die Zuschlagsposition auch nur einmal berechnet werden. Dass vom Bewertungsausschuss Unterscheidungen gewollt seien, zeige sich in der unterschiedlichen Formulierung der einzelnen Zuschlagspositionen, bei denen ein "oder" die Berechnungsfähigkeit je Grundposition und ein "und" die nur einmalige Berechnungsfähigkeit bedeute. Letzteres gelte auch, wenn mehrere Grundleistungen am Tag abgerechnet würden, da der apparative Mehraufwand mit der einmaligen Berechnungsfähigkeit abgegolten sei.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12. November 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Beklagten fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Rechtsmittels. Ausweislich des von ihm überreichten Kontoauszugs der Bezirksstelle Hannover der Beklagten vom 14. Januar 2004 seien die Leistungen nach der streitgegenständlichen EBM-Nummer 689 für die Quartale II bis IV/2000 nachvergütet worden. Damit sei seinen Widersprüchen nach Vorlage des erstinstanzlichen Urteils abgeholfen worden. Im Übrigen verteidigt der Kläger das angefochtene Urteil und weist insbesondere darauf hin, dass der Zusatz "je Sitzung" in der Leistungslegende der EBM-Ziffer 689 nicht enthalten sei. Zudem vergüte diese nicht nur den Geräte-Mehraufwand, sondern auch eine höherwertige bzw. zusätzliche Leistung des Vertragsarztes.
Im dem vor dem Senat anhängigen Parallelverfahren L 3 KA 30/04 ist der dortige Kläger im Erörterungstermin vom 25. August 2004 zu Art und Umfang des mit der farbcodierten Durchführung von Duplex-Sonografien verbundenen Mehraufwandes gehört worden. Der Kläger des hiesigen Verfahrens hat sich die Ausführungen des dortigen Klägers zu Eigen gemacht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig.
Entgegen der Ansicht des Klägers fehlt der Beklagten nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Rechtsmittels.
Aus dem vom Kläger überreichten Kontoauszug vom 14. Januar 2004 ergibt sich zunächst nicht, dass die Bezirksstelle Hannover der Beklagten die hier streitigen Leistungen nachvergütet hat. Nach dem Kontoauszug sind dem Kläger für die hier maßgeblichen Quartale folgende Positionen nachvergütet worden: "Ber. SOK Nachverg. 2/00 324,84 EUR", "Ber. SOK Nachverg. 3/00 348,90 EUR" und "Ber. SOK Nachverg. 4/00 328,22 EUR". Die in den Quartalen II bis IV/2000 vorgenommenen sachlich-rechnerischen Berichtigungen der Gebührenziffer 689 EBM haben dagegen nicht nur Leistungen zugunsten Versicherter sonstiger Kassen (SOK), sondern auch Leistungen zugunsten von Mitgliedern der Ersatz- und Primärkassen (EK, PK) erfasst. Zudem haben diese Berichtigungen einen Wert von 16.791,74 DM (= 8.585,48 EUR) im Quartal II/2000, 11.885,57 DM (= 6.077,00 EUR) im Quartal III/2000 und 15.591,94 DM (= 7.972,03 EUR) im Quartal IV/2000.
Doch selbst wenn die Bezirksstelle Hannover der Beklagten im Januar 2004 die hier streitigen Leistungen nachvergütet hätte, ergebe sich hieraus nichts zugunsten des Klägers.
Die am 19. Dezember 2003 eingelegte Berufung der Beklagten hatte nach § 154 Abs. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, da die Klage nach § 86 a keinen Aufschub bewirkt hat. Gemäß § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Klage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt diese jedoch in durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 85 Abs. 4 Satz 9 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung.
Die hier angefochtenen, in den Anlagen 5 zu den Honorarabrechnungen enthaltenen Berichtigungen der EBM-Ziffer 689 gehören zur Honorarfestsetzung im Sinne der Norm (vgl. auch Steinhilper, MedR 2003, S. 433, 434). Die Berichtigungen sind zunächst Verwaltungsakte im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), auch wenn sie mit den Honorarabrechnungen verbunden worden sind. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 27. November 2002 - L 3 KA 48/01), bedeutet die Verbindung nicht, dass die Berichtigungen lediglich als "Rechnungsposten" der Honorarbescheide angesehen werden können. Vielmehr kommt ihnen ein eigenständiger Regelungsgehalt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zu, weil die Beklagte mit ihnen verbindlich festgestellt hat, dass die Abrechnung der EBM-Ziffer 689 ihrer Auffassung nach nicht mit den vertragsärztlichen Gebührenordnungenübereinstimmt. Da das Honorar lediglich in dem berichtigten Umfang festgesetzt wird, sind sie selbstständiger Teil der Honorarfestsetzung. Eine etwa erfolgte Nachvergütung der hier streitigen Leistungen wäre in Ausführung des Urteils erfolgt, worin kein Anerkenntnis des klägerischen Anspruchs liegt (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage 2002, § 155 Rd.Nr. 4 a; BSGE 4, 253). Dass eine etwaige Nachvergütung lediglich in Ausführung des Urteils erfolgt wäre, wäre für den Kläger auch ohne Zweifel erkennbar gewesen, da die Beklagte mit der von ihr zuvor eingelegten Berufung deutlich gemacht hat, dass sie das klagezusprechende Urteil des Sozialgerichts für unzutreffend hält und an ihrem bisherigen Rechtsstandpunkt festhält.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 12. November 2003 ist zu Recht ergangen.
Die Klage gegen die in den Anlagen 5 zu den Honorarabrechnungen der Quartale II bis IV/2000 enthaltenen Berichtigungen der EBM-Ziffer 689 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15.Mai 2001 und 25. Juni 2001 ist als isolierte (Teil-) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG zulässig. Wenn der Kläger - und ihm folgend das SG im Tenor seiner Entscheidung - den Anfechtungsantrag undifferenziert auf alle Berichtigungen bezogen hat, ergibt sich aus der Formulierung des auf Ziffer 689 reduzierten Verpflichtungsantrages mit hinreichender Deutlichkeit, dass die angefochtenen Bescheide auch nur diesbezüglich angefochten werden sollten.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide beschwert (§ 54 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Umstand, dass sich die sachlich-rechnerischen Berichtigungen im Hinblick auf die behandelten Kassenpatienten nicht zuungunsten des Klägers auswirken, weil dieser sein Praxisbudget überschritten hat, ändert hieran nichts. Die Feststellung, dass die Abrechnung einer EBM-Ziffer in bestimmten Fällen rechtswidrig ist, wirkt über den bloßen Effekt einer möglichen Honorarverminderung hinaus. So bleibt es bei der Nichtberücksichtigung der korrigierten Leistungen auch dann, wenn die Honorarabrechnung eines Quartals wegen möglicher späterer Korrekturen anderer Honorarberechnungspositionen nachträglich zugunsten des Klägers geändert werden würde. Über das jeweils betreffende Quartal hinausgehend hat die Berichtigung außerdem Bedeutung, weil damit auch für die Zukunft das Abrechnungsverhalten des Klägers in gleich gelagerten Fällen gesteuert wird (so bereits Urteil des erkennenden Senats vom 27. November 2002 - L 3 KA 48/01 bei Überschreitung des Zusatzbudgets).
Die Klage ist auch begründet. Die die EBM-Ziffer 689 betreffenden sachlich-rechnerischen Berichtigungen in den Quartalen II bis IV/2000 sind rechtswidrig, sodass die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben waren und die Beklagte zur Nachvergütung verpflichtet ist.
Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Berichtigungen sind die auf der gesetzlichen Grundlage des § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V ergangenen Vorschriften des § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 Abs. 4 Satz 2 Ersatzkassenvertrag-Ärzte (EKV-Ä). Danach berichtigt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Im Hinblick auf die sonstigen Kostenträger folgt diese Befugnis aus ihren Sicherstellungsauftrag ausweitenden Vorschriften wie § 75 Abs. 3 oder Abs. 4 SGB V. Zur sachlich-rechnerischen Berichtigung gehört insbesondere die Übereinstimmung der ärztlichen Abrechnung mit den Vorgaben des EBM. Diese Vorgaben hat der Kläger in Hinsicht auf die dortige Ziffer 689 beachtet.
Ziffer 689 gewährt einen "Zuschlag zu den Leistungen nach den Nrn. 668, 686 und 687" für die Durchführung als "farbcodierte Duplex-Sonografie". Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger in den vorliegenden Quartalen die entsprechenden Untersuchungen als farbcodierte Duplex-Sonografie vollständig erbracht hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfolgte der mehrfache Ansatz der Nummer 689 zutreffend auch in den Fällen, in denen die zugrunde liegende duplex-sonografischen Untersuchungen der Gefäße der Extremitäten und des Körperstammes am selben Tag durchgeführt worden sind. Eine Regelung, die dies ausschließt, ist dem EBM nicht zu entnehmen.
Nach der überzeugenden Rechtsprechung des BSG ist für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnungen in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegende maßgeblich (vgl. zuletzt Urteil vom 8. September 2004 - B 6 KA 46/03 R - m.w.N.); denn das vertragliche Regelwerk dient dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen und es ist vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst, darin auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend ist es statthaft, zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende eine systematische Interpretation im Sinne der Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen vorzunehmen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt dagegen nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG a.a.O. m.w.N.).
Für die hier von der Beklagten - im Anschluss an die Kommentarliteratur (Wezel/Liebold, Handkommentar BMÄ, E-GO und GOÄ, Lsbls. - Stand: Juli 2004 -, Anm. zu Nummer 689; Kölner Kommentar zum EBM, Lsbls. - Stand: Juni 2004 - Anm. 1 zu Nummer 689) - vertretene Auffassung, der Zuschlag für die farbcodierte Duplex-Sonografie könne bei mehrfachen Duplex-Sonografien verschiedener Körperregionen (Ziffern 668, 686, 687) am selben Tag nur einmal abgerechnet werden, gibt der insoweit eindeutige Wortlaut der Ziffer 689 nichts her. Wenn sich die anders lautende Meinung auf den mehrdeutigen Sinngehalt des Wortes "und" beruft, kann dieser allenfalls darin bestehen, dass mit ihm entweder eine enumersative oder eine kumulative Verknüpfung mehrerer Begriffe gemeint sein kann (vgl. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 17). Bei der Annahme einer kumulativen Verknüpfung könnte der Zuschlag nach Nr. 689 jedoch nur in Ansatz gebracht werden, wenn in derselben Sitzung Duplex-Sonografien sowohl der Gefäße der Extremitäten als auch des Körperstammes und des Gehirns durchgeführt werden würden. Eine derart enge Auslegung, die der Ziffer 689 weitgehend ihre praktische Bedeutung nehmen könnte, wird aber auch von der Beklagten nicht vertreten.
Schon wegen der Eindeutigkeit der Leistungslegende der EBM-Ziffer 689 beruft sich die Beklagte zu Unrecht auf die systematische Auslegung unter Berücksichtigung vergleichbarer Zuschlagsziffern. Diese ergäbe im Übrigen nicht die behauptete Regelmäßigkeit, wonach die jeweilige Leistungslegende eine "und"-Verbindung bei nur einmaliger Abrechenbarkeit des Zuschlags aufweise, während bei der Möglichkeit einer Mehrfachabrechnung die Verbindung mit "oder" gewählt werde. Vielmehr weist der EBM eine Vielzahl von Formulierungsmöglichkeiten auf, wenn er im Rahmen einer Zuschlagsziffer mehrere Grundpositionen in Bezug nimmt. Neben "und" (vgl. etwa auch Ziffern 388 oder 1160) und "oder" (vgl. Ziffern 198 oder 682) sind auch die Wörter "bis" (Ziffer 619), "und/oder" (Ziffer 768), eine einfache, durch Kommata abgetrennte Aufzählung (z.B. Ziffern 80 ff.) oder eine Kombination mehrerer Möglichkeiten (Ziffer 765) in Gebrauch. Eine Regelmäßigkeit derart, dass sich aus der Wahl der sprachlichen Fassung jeweils ein besonderer Bedeutungsgehalt ergibt, ist dabei nicht ersichtlich.
Will der Bewertungsausschuss eine Einschränkung der Berechnungsfähigkeit der Zuschlagsleistung zum Ausdruck bringen, ordnet er dies vielmehr im Rahmen der Leistungslegende ausdrücklich an, wie dies bei der EBM-Ziffer 5467 geschehen ist ("Der Zuschlag nach Nummer 5467 ist zusätzlich zu einer anderen Leistungsposition nur einmal berechnungsfähig."). Einen derartigen Zusatz enthält die Nummer 689 jedoch nicht.
Schließlich kann auch dem von Wezel/Liebold a.a.O. offensichtlich vertretenen Ansatz nicht gefolgt werden, der Zuschlag nach Nummer 689 diene (nur) der Abgeltung der Geräte-Mehrleistung bei farbcodierter Durchführung der Duplex-Sonografie. Auch hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt im Wortlaut der Leistungslegende oder in evtl. ergänzenden Berechnungshinweisen, sodass davon ausgegangen werden muss, dass der Zuschlag auch den insoweit entstehenden zeitlichen Mehraufwand abgilt. Dieser ist jedoch beträchtlich, wie der Kläger des Parallelverfahrens L 3 KA 30/04 überzeugend - und von der Beklagten nicht bestritten - bei seiner Anhörung im Erörterungstermin vom 25. August 2004 mitgeteilt hat. Danach beansprucht sowohl der eigentliche Untersuchungsprozess als auch die anschließende Auswertung der Untersuchungsergebnisse ein vielfaches der Zeit, die für eine einfache Duplex-Sonografie aufgewendet werden muss, weil die farbcodierte Duplex-Sonografie eine weitaus genauere Abbildung der Gefäßbegrenzungen und damit eine akribische Suche nach evtl. Veränderungen ermöglicht. Da sich dieser Zeitaufwand bei der Untersuchung verschiedener Körperregionen summiert, ist es auch sachlich gerechtfertigt, den entsprechenden Zuschlag mehrfach zu gewähren, wenn die Leistungen nach den Nummern 668, 686 bzw. 687 im Rahmen derselben Sitzung erbracht werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung).
Der Senat misst der Rechtssache im Hinblick auf die o.a. anders lautende Kommentarliteratur grundsätzliche Bedeutung zu und hat deshalb gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.