Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.05.2009, Az.: 10 K 63/05

Qualifikation von Aufwendungen des Klägers für die Unterbringung in einem Altenstift als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG); Notwendigkeit der gesonderten Betrachtung einer außergewöhnlichen Belastung bei einer Unterbringung in einem Altenwohnheim infolge einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.05.2009
Aktenzeichen
10 K 63/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 33072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2009:0512.10K63.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 01.12.2009 - AZ: VI B 75/09

Amtlicher Leitsatz

Behandlung von Aufwendungen für die Unterbringung und Versorgung in einem Alten- und Pflegeheim

Einkommensteuer 2001

Tatbestand

1

Streitig ist noch, nachdem sich durch im Klageverfahren ergangene Änderungsbescheide zwei Streitpunkte erledigt haben, ob Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung in einem Altenstift als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abziehbar sind.

2

Die Klägerin beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2001 u.a. die Gewährung eines Behindertenpauschbetrags von 7.200 DM; angegeben war ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 v.H. sowie Blindheit/ständige Hilflosigkeit. Der Grad der Behinderung betrug zu diesem Zeitpunkt noch 80 v.H.; nach einer in einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2007 erzielten Einigung wurde dieser mit Wirkung ab dem 1. November 2001 im Hinblick auf eine fortscheitende demenzielle Entwicklung auf 90 v.H. (Einzel-GdB des demenziellen Syndroms 30 v.H.) und ab dem 17.05.2004 auf 100 v.H. festgestellt. Als Zusatzmerkmale sind eingetragen G (erhebliche Beeinträchtigung der Beweglichkeit im Straßenverkehr), B (ständige Begleitung erforderlich) und RF (Befreiung von Rundfunkgebühr).

3

Ferner beantragte die Klägerin einen Freibetrag nach § 33 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG von 1.200 DM (Aufwendungen wegen Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind) und machte sie als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG einen zusätzlichen Abzug von 1.740 DM für Privatfahrten bei Behinderung (3000 Km x 0,58 DM) sowie Aufwendungen für die Unterbringung in einem Altenstift mit 39.306 DM (Kosten 40.506 DM abzüglich nach § 33 a EStG geltend gemachter Betrag von 1.200 DM) geltend.

4

Der Beklagte (das beklagte Finanzamt - FA -) gewährte im letzten der im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheide schließlich einen Körperbehindertenpauschbetrag von 2.400 DM entsprechend dem zuletzt festgestellten GdB von 90 v.H., den Freibetrag von 1.200 EUR gemäß § 33 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG für in den Heimaufenthaltskosten enthaltene Dienstleistungen, versagte aber den Abzug der übrigen Heimkosten (39.306 DM), weil diese weder durch Krankheit noch durch Pflegebedürftigkeit verursacht seien. Die übrigen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend gemachten Aufwendungen (Fahrtkosten bei Behinderung 1.740 DM, Krankheitskosten von 1.250 DM, Kosten für Hilfsmittel 723 DM, sonstige Kosten 2.068 DM, zusammen 5.781 DM) seien nur in Höhe von 3.309 DM dem Grunde nach außergewöhnlich (1.740 DM, 1.250 DM, von den weiteren Aufwendungen 319 DM für Sehbehindertentelefon) mit der Folge, dass die zumutbare Eigenbelastung von 5.435 DM (5 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte) nicht überschritten sei und damit ein Abzug ausscheide.

5

Nachdem andere Streitpunkte durch die im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheide ihre Erledigung gefunden haben, macht die Klägerin weiterhin den Abzug der Heimkosten geltend. Insgesamt begehrt sie einen Abzug in Höhe von 37.180 DM (Heimkosten 39.306 DM zzgl. andere außergewöhnliche Belastungen in Höhe des vom FA anerkannten Betrags von 3.309 DM abzüglich zumutbare Eigenbelastung von 5.435 DM).

6

Nach dem Inhalt des im Klageverfahren vorgelegten Heimvertrags hatte die Klägerin ein Pauschalentgelt zu entrichten, das neben der Nutzung des Appartements, der Gemeinschaftsräume und des Bewegungsbades alle Dienstleistungen und allgemeinen Betreuungskosten einschließlich Personalkosten der Gesellschaft sowie deren Kapitalkosten, Abschreibungen und Verwaltungskosten sowie bei einfachen, vorübergehenden Erkrankungen (Akut-Erkrankungen) die leichte Pflege im Appartement nach Anweisung des Stiftsarztes bis zu 14 Tagen im Quartal abgelten sollte. Daneben waren die Kosten der Verpflegung bei Pflichtteilnahme am Mittagessen und gegebenenfalls des amtsberechtigten Fernsprechnebenstellenanschlusses, eines PKW-Einstellplatzes/Garage und ein Zuschlag für Zimmerservice gesondert zu berechnen.

7

Bei längeren Akut-Erkrankungen war die Krankenstation des Wohnstiftes aufzusuchen und ein besonderer Pauschalsatz für Akut-Kranke incl. Vollverpflegung zu zahlen, sofern nicht ein Krankenhausaufenthalt verordnet wurde oder anderweitige Pflegemöglichkeiten in Anspruch genommen wurden. (Tagessatz 119,60 DM). Bei Dauerpflege waren incl. Vollverpflegung zusätzlich nach Pflegestufen (G, I, II, III ) gestaffelte Entgelte zu entrichten für Pflegeleistungen, Unterkunft und Verpflegung und Investitionskosten; bei dauernder Aufnahme in der Pflegestation war die Klägerin berechtigt, ihr Appartement zu kündigen.

8

Nach den vorliegenden monatlichen Abrechnungen waren der Klägerin im Streitjahr lediglich Aufwendungen für das Grundentgelt, für Mittagessen und den Telefonanschluss entstanden.

9

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor, sie sei auf Grund ihrer Krankheiten und ihrer Behinderung, nämlich ihrer Augenerkrankung und damit verbundenen beschränkten Sehfähigkeit und ihrer fortschreitenden demenziellen Erkrankung auf die Unterbringung in einem Heim angewiesen. Sie sei "in Vorsorge ihrer Augenkrankheit" frühzeitig im Mai 1998 in das GDA-Wohnstift Hannover-Kleefeld (GDA = Gemeinschaft Deutscher Altenhilfe GmbH) gezogen, um sich im fortschreitenden Alter und bei weiterer Verminderung ihrer Sehfähigkeit zurechtfinden zu können. Schließlich sei noch die Demenz hinzugekommen, als sie bereits im Heim gewesen sei. Deshalb habe es keiner ärztlichen Einweisung bedurft, weil das GDA-Stift, in dem sie bereits wohnte, auch für Demenzkranke sehr gut geeignet sei, weil dort eine besondere Station für Demenzkranke vorhanden sei. Die Demenz sei durch das Sozialgericht für das Streitjahr 2001 festgestellt worden.

10

Die Klägerin beantragt,

außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 37.180 DM (zumutbare Eigenbelastung von 5.435 DM bereits abgezogen) zu berücksichtigen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Er ist der Auffassung, ein Abzug von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Altenheim als außergewöhnliche Belastung nach§ 33 EStG setze voraus, dass die Unterbringung nicht lediglich aus Altersgründen sondern durch Krankheit oder wegen Pflegebedürftigkeit verursacht sei, wobei die Aufwendungen in diesem Fall noch um eine Haushaltsersparnis zu kürzen seien. Die Unterbringung allein aus Altersgründen gehöre zu den Kosten der Lebensführung. Sie seien ihrer Art und dem Grunde nach schon deshalb nicht außergewöhnlich, weil sie anderen in vergleichbaren Verhältnissen lebenden Steuerpflichtigen ebenfalls erwüchsen und es insbesondere nichts Außergewöhnliches sei, wenn ein älterer Mensch in einem Altenheim wohne.

13

Dass die Klägerin krankheitsbedingt in das Wohnstift gezogen sei, sei weder konkret dargelegt noch nachgewiesen.

14

Erfolge eine Heimunterbringung jedoch wegen Pflegebedürftigkeit, seien die Aufwendungen abzüglich der Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung abziehbar, und zwar ab dem Zeitpunkt der Feststellung mindestens der Pflegestufe I im Sinne des § 14 SGB XI und unabhängig davon, ob die Pflegebedürftigkeit erst nach Umzug in das Altenheim eingetreten sei. Der Nachweis der Pflegebedürftigkeit sei durch eine Bescheinigung der soziale Pflegekasse oder des privaten Versicherers oder nach § 65 Abs. 2 EStDV zu erbringen. Durch die Feststellung eines GdB von 90 und der Zusatzmerkmale G (erhebliche Beeinträchtigung der Beweglichkeit im Straßenverkehr), B (ständige Begleitung erforderlich) und RF (Befreiung von der Rundfunkgebühr) sei dagegen eine Pflegebedürftigkeit nicht nachgewiesen.

15

Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Regelungen mit dem GDA-Stift und die Höhe und Zusammensetzung der Heimkosten wird auf den mit der Gemeinschaft Deutsche Altenhilfe GmbH geschlossenen Vertrag nebst Anlagen und die monatlichen Abrechnungen des Streitjahres Bezug genommen, wegen der im sozialgerichtlichen Verfahren stattgefundenen Einigung auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2007. Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts auf Antrag und mit Einwilligung der Klägerin beigezogen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist unbegründet.

17

1.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418 ).

18

Zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung rechnen regelmäßig auch die Kosten für die altersbedingte Unterbringung in einem Altersheim (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280 [BFH 24.02.2000 - III R 80/97], BStBl II 2000, 294, m.w.N.). Allerdings kann auch im Falle der Heimunterbringung der Tatbestand des § 33 EStG ausnahmsweise erfüllt sein, wenn der dortige Aufenthalt ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist. Denn zu den Krankheitskosten gehören nicht nur die Aufwendungen für medizinische Leistungen im engeren Sinn, sondern auch solche für eine krankheitsbedingte Unterbringung (BFH-Urteil in BFHE 191, 280 [BFH 24.02.2000 - III R 80/97], BStBl II 2000, 294 ).

19

a)

Hat sich ein Steuerpflichtiger aus Altersgründen für eine Heimunterbringung entschieden und ist er nur in dem bei Personen seines Alters üblichen Umfang pflegebedürftig, sind nur die Aufwendungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen, die für die Unterbringung in der Pflegestation eines Heims anfallen oder die dem Steuerpflichtigen zusätzlich zu dem Pauschalentgelt für die Unterbringung und eine eventuelle Grundpflege infolge Krankheit oder Pflegebedürftigkeit entstehen. Eine Aufteilung des Pauschalpreises in übliche als Kosten der Lebensführung zu behandelnde Unterbringungskosten und außergewöhnliche Krankheits-/ Pflegekosten kommt nicht in Betracht. Der einzelne Heimbewohner kann mithin bei altersbedingter Unterbringung in einem Altenwohnheim Beträge nicht als Krankheitskosten geltend machen, die im Wege von Solidarbeiträgen infolge der Mischpreiskalkulation des Heimträgers von der Gemeinschaft sämtlicher Heimbewohner aufgebracht werden (BFH-Urteil inBFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, unter II. 2. c).

20

b)

Bei Übersiedlung in ein Altenwohnheim infolge einer Krankheit oder Pflegebedürftigkeit, nicht aber wenn bei altersbedingter Unterbringung in einem Altenheim während des Aufenthalts Krankheit oder Pflegebedürftigkeit hinzu treten, gelten diese Einschränkungen hingegen nicht, d.h. in diesen Fällen sind nicht nur die Krankheits- bzw. Pflegekosten, sondern auch die Mehrkosten für Unterbringung und Verpflegung bzw. das Pauschalentgelt abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

21

(zu diesen Rechtsprechungsgrundsätzen siehe insbesondere die BFH-Urteile vom 18. April 2002 III R 15/00, BFHE 199, 135, BStBl II 2003, 70 [BFH 18.04.2002 - III R 15/00] und vom 10. Mai 2007 III R 39/05, BFHE 218/136, BStBl II 2007, 764 m.w.N.).

22

c)

Abweichend hiervon lässt die Finanzverwaltung allerdings die Aufwendungen auch dann zum Abzug zu, wenn die Krankheit oder Pflegebedürftigkeit erst nach dem Einzug in das Heim eintritt (vgl. Nichtanwendungserlass vom 20. Januar 2003, BStBl I 2003, 89 zu demBFH-Urteil vom 18. April 2002 III R 15/00), jedoch nur, wenn mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S. der §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch (SGB ) XI (mindestens Pflegestufe 1) festgestellt ist.

23

d)

Nach dem BFH-Urteil vom 10.Mai 2007 III R 39/05 (BFHE 218/136, BStBl II 2007, 764) können darüber hinaus unabhängig davon, ob der Umzug in ein Alten- und Pflegeheim ausschließlich krankheitsbedingt war, gesondert in Rechnung gestellte Pflegeaufwendungen unterhalb der Pflegestufe I (sog. Pflegestufe 0) als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn das Heim mit einem Sozialhilfeträger für pflegebedürftige Personen der sog. Pflegestufe 0 für täglich erforderliche Pflegeleistungen von weniger als 45 Minuten Pflegesätze vereinbart hat.

24

2.

Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen der Klägerin für ihre Unterbringung in dem Wohnstift keine außergewöhnliche Belastung.

25

a)

Ein Abzug unter dem Gesichtspunkt einer ausschließlich durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit veranlassten Unterbringung in dem Wohnstift scheidet aus, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Umzugs in das Wohnstift im Mai 1998 einerseits offenkundig nicht pflegebedürftig war, andererseits der Umzug auch nicht durch Krankheit verursacht war. Diese Überzeugung konnte der Senat allein aus den vorliegenden Unterlagen gewinnen.

26

aa)

Die Augenkrankheit der Klägerin war noch nicht so weit fortgeschritten, dass sie sich nicht mehr selbst versorgen konnte. So hat die Klägerin auch selbst vorgetragen, sie sei "in Vorsorge ihrer Augenerbkrankheit frühzeitig" in das Wohnstift gezogen, "um sich im fortschreitenden Alter und bei weiterer Verminderung ihrer Sehfähigkeit zurechtfinden zu können". Ob die Augenkrankheit und hinzugetretene Demenz inzwischen so weit fortgeschritten sind, dass ein erst jetzt stattfindender Umzug in das Wohnstift oder ein Umzug erst im Streitjahr ausschließlich durch Krankheit veranlasst wäre bzw. gewesen wäre, mag offen bleiben. Jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Umzugs im Mai 1998 war eine Demenz noch nicht gegeben - nach dem der Einigung vor dem Sozialgericht zugrunde liegenden Befundberichten wurde erst seit dem Jahr 2000 eine mäßige Konzentrations- und Merkschwäche festgestellt - und die Augenkrankheit noch nicht so weit fortgeschritten, dass diese allein es unumgänglich gemacht hätte, ein Wohnstift zu beziehen. Letzteres ist von der Klägerin schließlich auch nicht einmal behauptet worden.

27

bb)

Davon abgesehen ist der Senat der Auffassung, dass in den Fällen, in denen ältere Menschen in ein Altersheim ziehen, eine krankheitsbedingte Unterbringung durch ein amtsärztliches, zumindest aber fachärztliches Zeugnis nachzuweisen ist. Nach ständiger Rechtssprechung (vgl. BFH-Urteile vom 07.Juni 2000 III R 54/98, BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94, [BFH 07.06.2000 - III R 54/98] vom 01. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 [BFH 01.02.2001 - III R 22/00] in Bestätigung der Rechtsprechung seit 1992) ist nämlich bei Aufwendungen, die ihrer Art nicht eindeutig und unmittelbar der Linderung oder Heilung einer Krankheit oder Behinderung dienen, ein amtsärztliches Zeugnis erforderlich, in dem die medizinische oder behinderungsbedingte Notwendigkeit der Maßnahme festgestellt wird; denn in diesen Fällen fehlt Verwaltung und Gerichten regelmäßig die Fachkunde, diese Abgrenzung vorzunehmen. Hierdurch soll die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile verhindert werden, mit der bei Aufwendungen zu rechnen ist, die auch dem Bereich der allgemeinen Lebensführung zugerechnet werden können. Diese Gefahr besteht nicht nur bei Kuraufwendungen, zu deren Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung in der Regel ein zuvor ausgestelltes amtsärztliches Zeugnis verlangt wird, sondern auch, wenn ein Umzug ins Altenheim ansteht. Denn viele ältere Menschen entscheiden sich hierfür nicht erst, wenn ein Umzug wegen Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit unumgänglich ist. Der BFH hat zwar im Urteil vom 23. Mai 2002 III R 24/01 (BFHE 199, 296, BStBl II 2002, 567 [BFH 23.05.2002 - III R 24/01]) in dem dortigen Fall kein amtsärztliches Zeugnis für erforderlich gehalten; dies betraf aber insofern einen nicht vergleichbaren Sonderfall, als es dort um die Unterbringung eines jungen, arbeitsfähigen Menschen in einem betreuten Heim ging, solche Menschen aber in der Regel entweder allein oder mit anderen, etwa Ehegatten oder Familienangehörigen, leben; außerdem ergab sich die Notwendigkeit der Unterbringung daraus, dass der Sozialhilfeträger Eingliederungshilfe gemäß § 39 BSHG gewährt hatte. Auch in anderen Fällen, in denen nach der Rechtsprechung regelmäßig ein amtsärztliches Zeugnis verlangt wird, verzichtet diese dann auf ein solches, wenn andere, insbesondere staatliche oder im Gesundheitswesen verantwortliche Stellen, z.B. Krankenkassen, Beihilfestellen u.a. nach Prüfung Erstattungen oder Zuschüsse leisten.

28

b)

Es kann im Übrigen offen gelassen werden, ob sich aus dem Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung vom 20. Januar 2003 (BStBl I 2003, 89) ein Rechtsanspruch auf Abzug der Heimkosten abzüglich einer Haushaltsersparnis für den Fall ergeben kann, dass zwar der Umzug in das Heim lediglich altersbedingt war, jedoch in der zeitlichen Folge Pflegebedürftigkeit eintritt und mindestens ein Schweregrad der Pflegebedürftigkeit i.S. der §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch (SGB ) XI (mindestens Pflegestufe 1) festgestellt ist. Denn es fehlt bereits an einer festgestellten Pflegebedürftigkeit. In diesem Falle hätte die Klägerin auch die entsprechenden Pflegesätze zahlen müssen. Nach den vorliegenden Abrechnungen wurde ihr aber nur das Pauschalentgelt für das Appartement berechnet. Entsprechend hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung auch bekundet, dass zur Zeit die Einstufung in die Pflegestufe 1 betrieben wird, hierüber allerdings noch nicht entschieden ist.

29

c)

Schließlich sind der Klägerin nicht einmal Aufwendungen für (gesondert berechnete) Pflegeleistungen der Pflegestufe 0 erwachsen, die allerdings nur bei gesonderter Berechnung nach dem o.a. BFH-Urteil vom 10. Mai 2007 III R 39/05 (BFHE 218/136, BStBl II 2007, 764) abziehbar wären.

30

d)

Auch soweit mit dem Pauschalentgelt Pflegeleistungen (z.B. bei Erkrankung bis zu 2 Wochen je Quartal) abgegolten werden, können diese nicht etwa im Schätzungswege abgegrenzt und abgezogen werden. Diese werden nämlich infolge der Mischpreiskalkulation des Heimträgers von der Gemeinschaft sämtlicher Heimbewohner im Wege von Solidarbeiträgen aufgebracht und sind aus diesem Grunde nicht abziehbar (BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158/380, BStBl II 1990, 418).

31

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO). Obwohl das FA einem Teil des Klagebegehrens teilweise zugunsten der Klägerin durch den im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheid vom 09.02. 2009 entsprochen hat, waren ihr die Kosten ganz aufzuerlegen, weil das FA insgesamt nur zu einem geringen Teil (nach der Rechtsprechung unter 5 v.H.) unterlegen ist.

32

4.

Die Revision war weder wegen grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen, da die zu entscheidenden Rechtsfragen ausreichend höchstrichterlich geklärt sind.