Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.12.2010, Az.: 3 A 2100/09

VdK; Vertretungsbefugnis; Sozialverband; Zurückweisung; Wohngeld

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
14.12.2010
Aktenzeichen
3 A 2100/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 48031
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Vertretungsbefugnis des VdK Sozialverbands oder seiner Mitarbeiter, die die Prozessvertretung nicht als zugelassene Rechtsanwälte übernommen haben, in einem wohngeldrechtlichen Verfahren.

Tenor:

Frau A. sowie die Herren B., C., D., E., F. und G. werden als Bevollmächtigte des Klägers zurückgewiesen.

Gründe

Die von dem Kläger mit Vollmacht vom 19. Oktober 2010 bevollmächtigten Personen Frau A. sowie die Herren B., C., D., E., F. und G. sind gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zurückzuweisen, da sie nicht nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 VwGO vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt sind.

§ 67 VwGO, hier anzuwenden in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2449), wurde durch Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes vom 12. Dezember 2007 (- RBerNG - , BGBl. I, S. 2840) grundlegend umgestaltet. Durch das RBerNG wurde zum einen die Befugnis, außergerichtliche Dienstleistungen zu erbringen, neu geregelt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen - RDG - ) und zum anderen in den gerichtlichen Verfahrensordnungen die Befugnis, Beteiligte in sog. Parteiprozessen vertreten zu können, präzisiert und eingegrenzt (vgl. zur Entstehungsgeschichte Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage, § 67 Rn. 1 ff.).

Nach dem hier allein in Frage kommenden § 67 Abs. 2 VwGO sind die Bevollmächtigten des Klägers nicht vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt.

Hierbei ist aufgrund der eindeutig formulierten Vollmacht davon auszugehen, dass der Kläger nicht den Sozialverband VdK … e.V. (im Folgenden: VdK) als Vereinigung bevollmächtigte, sondern die in der Vollmacht genannten natürlichen Personen, die lediglich unter dem Briefkopf des VdK (und wohl als dessen Mitarbeiter) handeln.

Gemäß § 67 Abs. 2 VwGO sind in Verfahren vor dem Verwaltungsgericht neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen Hochschule mit Befähigung zum Richteramt nur solche Personen vertretungsbefugt, die in § 67 Abs. 2 Satz 2 VwGO abschließend aufgezählt sind. Hierzu gehören die vom Kläger bevollmächtigten Personen nicht.

Die in der Vollmacht aufgeführten Personen handeln weder als Rechtsanwälte oder Rechtslehrer im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO, noch kommt für sie eine Vertretungsbefugnis nach § 67 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 VwGO in Betracht, da die Mitarbeiter des VdK nicht unentgeltlich handeln (vgl. § 6 Nr. 4 der Satzung des VdK). Eine weitere Vertretungsbefugnis ist neben den aufgezeigten Möglichkeiten für natürliche Personen - außer für volljährige Familienangehörige - nach § 67 Abs. 2 VwGO nicht vorgesehen, so dass die Bevollmächtigten des Klägers zwingend nach § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO zurückzuweisen sind.

Selbst wenn man aufgrund der äußeren Form der Vollmacht, die den genannten natürlichen Personen unter dem Briefkopf des VdK erteilt wurde, eine Bevollmächtigung des VdK annehmen würde, wäre dessen Vertretungsbefugnis in der hier vorliegenden wohngeldrechtlichen Angelegenheit nicht gegeben.

Die Tatbestände des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 - 4 VwGO liegen ersichtlich nicht vor. Der VdK ist jedoch entgegen seiner Einschätzung auch nicht nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO vertretungsbefugt. Nach dieser Vorschrift sind vertretungsbefugt Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder. Der VdK ist weder eine Gewerkschaft noch eine Vereinigung von Arbeitgebern. Er kann daher auch nicht einem Zusammenschluss derartiger Verbände angehören. Die mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2010 vorgetragene Erwägung, der VdK sei nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO vertretungsbefugt, da er einen Zusammenschluss mit einer den Gewerkschaften vergleichbaren Ausrichtung darstelle, ist unzutreffend und beruht auf einem Fehlverständnis des gesetzlichen Wortlautes des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO. Aus dem Gesetzestext geht eindeutig und zweifelsfrei hervor, dass ausschließlich Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände vertretungsbefugt sind (1.) für ihre Mitglieder oder (2.) für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder. Geregelt ist also die Vertretungsbefugnis der Gewerkschaften bzw. der Arbeitgebervereinigungen und ihrer Zusammenschlüsse, die sich nicht nur auf die eigenen Mitglieder, sondern auch auf andere Verbände oder Zusammenschlüsse erstrecken kann (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 20. EL, § 67 Rn. 55). Nicht umfasst ist jedoch eine Legitimation anderer Verbände als Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen, so dass der hier auftretende VdK sich nicht auf § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO berufen kann (vgl. zur fehlenden Legitimation weiterer Verbände als den gesetzlich aufgeführten auch BR-Drs. 623/06, S. 206, zur Änderung des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG, welcher inhaltlich § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO weitgehend entspricht).

Auch ist der VdK nicht nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 VwGO vertretungsbefugt. Danach sind vertretungsbefugt Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten. Zwar ist der VdK ausweislich des § 2 seiner Satzung eine Vereinigung im genannten Sinn. Der Kläger ist anscheinend auch Mitglied des Verbandes und schwerbehindert. Er könnte sich daher grundsätzlich vom VdK in den im Gesetz vorgesehenen Angelegenheiten vertreten lassen. Allerdings tritt der VdK hier in einer wohngeldrechtlichen Angelegenheit auf, die weder zu einer Angelegenheit der Kriegsopferfürsorge noch des Schwerbehindertenrechts zählt und nach Auffassung der Kammer auch nicht damit in Zusammenhang steht (ebenso in Bezug auf § 67 Abs. 1 Satz 4 VwGO a.F., der folgenden Wortlaut hatte: „In Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts sind vor dem Oberverwaltungsgericht als Prozessbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Vereinigungen der Kriegsopfer und Behinderten zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind“, Nds. OVG, Beschluss vom 25. Mai 2000 - 4 L 2385/99 - juris, aus welchem hervorgeht, dass die Wohngeldbewilligung keine in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung stehende Angelegenheit darstellt; zur Bestimmung einer solchen Angelegenheit vgl. auch OVG Hamburg, Urteil vom 12. Februar 1999 - 4 Bf 104/96 - juris).

Dieses Ergebnis wird gestützt durch einen Vergleich des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 VwGO mit § 73 Abs. 2 Satz Nr. 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die zuletzt genannte Regelung lautet: „Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder.“ Da in § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. SGG der Nachsatz des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 VwGO … „in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten“ fehlt, wird deutlich, dass die Vertretungsbefugnis von Vereinigungen wie dem VdK vor den Sozialgerichten umfassender ist als die stark eingeschränkte Vertretungsmöglichkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Letztlich sieht selbst der VdK seine Vertretungsbefugnis nicht in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 VwGO begründet. Auch aus der Satzung des VdK geht nicht hervor, dass die Vertretung vor Verwaltungsgerichten in wohngeldrechtlichen Angelegenheiten von den Aufgaben des Sozialverbands umfasst ist.

Da der VdK somit in diesem wohngeldrechtlichen Verfahren nicht gemäß § 67 Abs. 2 VwGO vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt ist, wäre auch dieser bei der Annahme seiner Bevollmächtigung aufgrund der zwingenden Vorschrift des § 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 67 Abs. 3 Satz 1 VwGO).