Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 24.01.2019, Az.: 4 A 6166/18

Aufenthaltsraum; Fenster; notwendiges Fenster; Schlafbox

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
24.01.2019
Aktenzeichen
4 A 6166/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 70073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für einen kurzfristigen Aufenthalt können fensterlose Aufenthaltsräume ("Schlafboxen") in einem Hotel baurechtlich zugelassen werden.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Baugenehmigung über die Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in eine Beherbergungsstätte zu erteilen.

Der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2018 und ihr Widerspruchsbescheid vom 14.09.2018 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in eine Beherbergungsstätte („BoxHotel“) ohne gastronomisches Angebot.

Die Klägerin bietet Übernachtungsmöglichkeiten unter effizienter Raumnutzung. Das Konzept ist darauf ausgerichtet, dass die Übernachtungsgäste in sogenannten Schlafboxen nächtigen. Diese Schlafboxen bietet die Klägerin in zwei Ausführungsvarianten an: Zum einen eine sogenannte Standardbox, in der im „Erdgeschoss“ ein Bett und ein Waschbecken existieren und im „Obergeschoss“, erreichbar über eine Treppe im Zimmer, ein weiteres Bett sowie eine Dusche vorhanden sind. Zum anderen eine so genannte Comfortbox, die neben den Bestandteilen einer Standardbox über ein 40 cm breiteres Bett im „Obergeschoss“ verfügt. Die Boxen können von bis zu zwei Personen genutzt werden.

Am 8. Dezember 2017 beantragte die Klägerin die Genehmigung der Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in einen Beherbergungsbetrieb mit dem oben beschriebenen Konzept ohne gastronomisches Angebot in dem Gebäude H...Straße 19. Auf der dortigen Erdgeschossfläche soll das BoxHotel 104 jeweils 3,58 m hohe Schlafboxen mit 208 Betten umfassen, wobei die Grundflächen der Standardbox 4,2m² und der Comfortbox bis 5,3 m² groß sein sollen. Die Schlafboxen haben Lichtöffnungen nur zu den nicht durchgängig von Tageslicht beleuchteten Fluren und werden durch ein Lüftungssystem mit Luft versorgt. Auf den Fluren des geplanten Objektes gibt es eine automatische Tageslichtsimulation. In den Schlafboxen ist eine oberhalb des Waschtisches angeordnete Leuchte vorgesehen, die durch den Gast manuell bedient werden kann und Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der Farbtemperatur und Lichtintensität bietet. Ein 2,6 m² großes Lichtbild dient ferner ebenfalls der Beleuchtung und simuliert eine Aussicht. Eine Hotelrezeption ist nicht vorgesehen, stattdessen soll der Check-in über eine App auf dem mobilen Endgerät des Gastes erfolgen. Lediglich am Wochenende und zu Messezeiten sind rund um die Uhr Ansprechpartner vor Ort. Das BoxHotel verfügt über keine Küche, auch nicht zur Selbstversorgung. Angeboten werden sollen lediglich Kaffee, Tee und Wasser.

Die Klägerin legte ein von der Beklagten geprüftes Brandschutzkonzept vor, das Rettungswege ohne Inanspruchnahme von Fenstern und eine Abweichung von bauordnungsrechtlichen Anforderungen vorsieht. Nach der Betriebsbeschreibung sollen Zielkunden des BoxHotels sein:

- Traveller, die das günstige Reisen mit Fernbussen nutzen und die die zu ihrem Anreisepreis verhältnismäßig hohen Kosten einer gewöhnlichen Hotelübernachtung scheuen,

- Kurzaufenthalte bei Fortbildungen, von Studenten und Lehrenden (WG-Suche, Vorträge, Präsenztage etc.)

- Fernpendler, die aus wirtschaftlichen Gründen bis zu 3 regelmäßige Übernachtungen in der Woche im BoxHotel einem angemieteten Appartement vorziehen,

- Fahrrad-und Motorradtouristen, die das BoxHotel als innerstädtische Alternative zu Pensionen sehen,

- übermüdete Reisende, die eine regenerative Schlafpause machen, zum Beispiel auf einer Skandinavien- oder Polen-Route,

- überregional beheimatete Gäste von Spätevents wie Stadtfeste, Konzerte…

- Geschäftsreisende, Kongressteilnehmer und Freiberufler, die als Selbstzahler günstige Übernachtung bevorzugen

- Messebesucher für ein bis zwei Übernachtungen, für die ein Hostel mit Mehrbettzimmern nicht infrage kommt,

- Messeaussteller und deren Montageteams.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2018 lehnte die Beklagte nach Anhörung den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Baugenehmigung ab. Das Vorhaben sei in der vorgelegten Form bauordnungsrechtlich nicht genehmigungsfähig. Die Maßnahme erfülle nicht die Anforderung, dass die Boxen über Fenster verfügen müssen, die unmittelbar ins Freie führen. Eine Abweichung hiervon könne ebenso wenig wie eine Erleichterung zugelassen werden, da dies die Möglichkeit eröffnen würde, fensterlose Gebäude und Kellergeschosse in Hotels umzuwandeln. Ebenfalls mit Bescheid vom 27. Juni 2018 setzte die Beklagte für die Bearbeitung des Bauantrags gegen die Klägerin Gebühren in Höhe von 2.131 € fest.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 6. Juli 2018 Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, bei den Schlafboxen handele es sich um keine Aufenthaltsräume, da diese nicht dazu geeignet seien, sich länger darin aufzuhalten. Sie sollten lediglich zum Schlafen und zu der grundlegenden Hygiene genutzt werden. Die geplante Baumaßnahme sei ein Sonderbau und deswegen eine Erleichterung zu gestatten. Das besondere Nutzungskonzept schließe eine Nachahmung durch andere Anbieter im Stadtgebiet aus. Es bedürfe der Regelung der Mindestraumhöhe nicht, da die Schlafboxen nicht als Aufenthaltsräume dienten, sondern nur zum Schlafen genutzt werden könnten und sollten. Zudem sei von den Gästen bewusst eine „höhlenartige Umgebung“ gewünscht, so dass Fenster diesem Zweck sogar entgegenstünden. Der Zweck von Fenstern wie ausreichende Belichtung, Belüftung und Brandschutz werde anderweitig von dem Vorhaben der Klägerin erfüllt.

Mit Bescheid vom 14. September 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Vorhaben der Klägerin erfülle die Anforderungen an Aufenthaltsräume nicht. Die Schlafboxen in dem geplanten Beherbergungsbetrieb stünden den Gästen sowohl tagsüber als auch nachts zur Verfügung. Solche Aufenthaltsräume müssten unmittelbar ins Freie führende Fenster haben. Bei den Schlafboxen handele sich auch nicht um Räume, bei denen der Einbau von Fenstern dem Nutzungszweck geradezu entgegenstehe oder bei denen ein Verzicht auf Tageslicht zwar nicht zwingend aber unbedenklich sei.

Erleichterungen hiervon könnten nicht gestattet werden. Das Bauvorhaben der Klägerin sei ein Sonderbau, denn es sei ein Beherbergungsbetrieb mit mehr als 12 Betten. Für Sonderbauten könnten Erleichterungen von dem Erfordernis von Fenstern vorgesehen werden, soweit es der Einhaltung von Vorschriften und Verordnungen wegen der besonderen Art oder Nutzung der baulichen Anlage oder wegen besonderer Anforderung nicht bedürfe. Beide Varianten seien nicht erfüllt. Die Beklagte entscheide nach pflichtgemäßen Ermessen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorlägen. Es bestände aber kein Rechtsanspruch auf Gestattung einer Erleichterung. Die Klägerin plane einen üblichen Beherbergungsbetrieb. Mit der Belichtung durch natürliches Tageslicht solle Gesundheitsschädigungen entgegengewirkt werden. Das Erfordernis von Fenstern sei aus Gründen gesunder Wohnverhältnisse notwendig. Das Erfordernis erfülle auch einen psychologischen und sozialen Zweck. Dieser könne nicht durch künstliches Tageslicht und ein leistungsstarkes Belüftungssystem ersetzt werden.

Die Zulassung einer Abweichung sei ebenfalls nicht möglich. Die Vorschrift fordere als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine Atypik. Die atypische bauliche Situation müsse gerade hinsichtlich des Schutzzwecks der Norm vorliegen, von der abgewichen werden solle. Das Interesse des Grundeigentümers an einer lukrativen Nutzung stelle keine Besonderheit dar. Die Klägerin verfolge überwiegend wirtschaftliche Gesichtspunkte.

Ebenfalls mit Bescheid vom 14. September 2018 setzte die Beklagte die Kosten für die Bearbeitung des Widerspruchs in Höhe von 3.196,50 € gegen die Klägerin fest.

Am 28. September 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wendet sich gegen die Einschätzung der Beklagten, dass sie mit den Schlafboxen Aufenthaltsräume bereithalte. Zum Aufenthalt seien die Schlafboxen weder aufgrund ihrer Größe noch ihrer Ausstattung geeignet. Die fehlenden Toiletten in den Boxen sowie das fehlende gastronomische Angebot verdeutlichten dies. Die Boxen seien einem Schlafwagenabteil in einem Zug vergleichbar. Auch hier erlaube die Ausstattung grundsätzlich keine lange Verweildauer am Stück, und es werde lediglich ein Teil der zur Lebensführung unerlässlichen Ressourcen angeboten. Längere Aufenthalte als wenige Tage würden sich für den Gast weder rentieren noch aufgrund des lediglich beschränkten Angebots von den Benutzern avisiert werden.

Selbst wenn es sich um Aufenthaltsräume handele, seien dies solche, die nicht dem Wohnen dienten. Diese müssten so beschaffen sein, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet werde. In den Boxen sei eine Lebensraumentfaltung aufgrund der geringen Größe nicht möglich. Die Klägerin plane gerade kein herkömmliches Hotel. Ihr Angebot sei mit den sogenannten Kapselhotels vergleichbar. Ein Hotelaufenthalt sei heutzutage überwiegend nicht mehr als Flucht vor dem Alltag und angenehme Erholung von einer eigenständigen Haushaltsführung gedacht, sondern nur ein Mittel zum Zweck.

Aufgrund der besonderen Ausgestaltung der geplanten Nutzung wäre eine Erleichterung zu gestatten. Für Sonderbauten sei dies möglich, soweit es der Einhaltung von Vorschriften und Verordnungen wegen der besonderen Art oder Nutzung der baulichen Anlagen oder Räume oder wegen besonderer Anforderung nicht bedürfe.

Dass die Schlafboxen unterhalb der Betten eine besondere lichte Höhe aufweisen müssten, sei nicht erforderlich. Das Konzept der Schlafboxen sei darauf ausgerichtet, ihrem Benutzer das Nötigste zu einem günstigen Preis zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehöre keine Bewegungsfreiheit. Für die Benutzer der Schlafboxen stelle dies gerade den Reiz an der Übernachtung dar.

Auch die Anforderung, dass die Schlafboxen unmittelbar ins Freie führende Fenster haben müssten, sei kein Hindernis. Damit würden drei Zwecke verfolgt. Fenster sollten eine ausreichende Belichtung sicherstellen, sie dienten dem Schutz vor Bränden (als Fluchtweg) und sollten eine Belüftung der Räume ermöglichen. Diese Zielsetzungen erfüllten die Schlafboxen auf andere Weise. Sie belichteten eine Tageslichtsimulation, es bestehe ein ausgeklügeltes Belüftungssystem. Es gebe ein Brandschutzkonzept. Schließlich werde von der Rechtsprechung auch auf dem psychologischen Aspekt von Fenstern abgestellt. Schlafboxen sollten aber gerade nicht der eigenständigen Lebensgestaltung dienen, sondern nur kurzzeitig zum Schlafen und „frisch machen“. In dem Sinne seien die Fenster gerade nicht „notwendig“. Im Übrigen sei es auch im Rahmen jeder herkömmlichen Hotelnutzung üblich, den Raum zu verdunkeln, um „schlafen zu gehen“.

Neben einer bauordnungsrechtlichen Erleichterung sei auch eine Abweichung von den Vorgaben der Bauordnung denkbar. Sogenannte Netscapes oder Kapselhotels, die vorwiegend an Flughafen ständen, seien Schlafkabinen, die in der Regel neben einem Bett auch noch mit einem Arbeitsplatz und einem Entertainmentsystem ausgestattet sind. Auch sie kämen überwiegend ohne Personal aus. Sie böten in der Regel noch weniger Platz und Komfort als die Boxen der Klägerin. Die von der Beklagten geforderte Atypik sei dem Bauvorhaben der Klägerin auch inhärent. Die Schlafboxen würden mit Fenstern nicht funktionieren. Es wäre das „Höhlen- und Andersartige“ verloren, was die Gäste im Rahmen ihrer Kurzaufenthalte darin gerade zu schätzen wüssten. Fahrgäste, die in den Innenkabinen von Kreuzfahrtschiffen reisen oder übernachten müssen, würden überdies auch nicht gesundheitsschädlich untergebracht.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27. Juni 2018 nebst Gebührenbescheid vom gleichen Tag in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines medizinischen Labors in eine Beherbergungsstätte (BoxHotel) ohne gastronomisches Angebot auf dem Grundstück H... Straße 19, 30159 A-Stadt zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und vertieft die Gründe der angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.




Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung, ihre Versagung ist rechtswidrig (I.), die Gebührenbescheide der Beklagten sind deshalb rechtswidrig (II.). Die Entscheidungen der Beklagten verletzen die Klägerin in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

I. Gemäß § 70 Abs. 1 NBauO ist der Klägerin eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme, soweit sie genehmigungsbedürftig ist und soweit eine Prüfung erforderlich ist, dem öffentlichen Baurecht entspricht.

Die Änderung der bisherigen Nutzung eines medizinischen Labors in ein BoxHotel ist als Baumaßnahme in der Form der Nutzungsänderung genehmigungsbedürftig nach § 59 Abs. 1 NBauO i. V. mit § 2 Abs. 13 NBauO. Denn die Nutzung der baulichen Anlage wird durch eine neue ersetzt und für die angestrebte neue Nutzung gelten andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, sodass sie nicht nach § 60 Abs. 2 Nr. 1 NBauO genehmigungsfrei ist. Zur Annahme einer Nutzungsänderung führt bereits, dass der Betreiber objektive, vor allem in Maß und Zahl ausdrückbare Merkmale der baulichen Anlage ändert (Nds. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.11.2013 – 1 LA 49/13 -, NVwZ-RR 2014, 255: Nutzungsänderung bejaht bei Erhöhung der Bettenzahl eines Ferienhauses).

Das zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben entspricht dem öffentlichen Baurecht.

Seiner Genehmigung stehen weder die bauordnungsrechtlichen Vorgaben zu „notwendigen Fenstern“ (1.), der ausreichenden Grundfläche und Höhe von Aufenthaltsräumen (2.), „notwendigen Fluren“ (3.) noch des Brandschutzes entgegen (4.).

1. Das Erfordernis „notwendiger Fenster“ steht der Baugenehmigung nicht entgegen, da das Vorhaben der Klägerin diese Anforderung nicht erfüllen muss.

Nach § 43 Abs. 3 NBauO müssen Aufenthaltsräume unmittelbar ins Freie führende Fenster haben, so dass sie das erforderliche Tageslicht erhalten und zweckentsprechend gelüftet werden können (notwendige Fenster). Die Ausgestaltung der Fenster konkretisiert § 20 DVO-NBauO weiter.

Die einzelne Schlafbox ist ein Aufenthaltsraum. Aufenthaltsräume sind Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind (§ 2 Abs. 8 NBauO). Angesichts der Variationsbreite des Begriffs des „Raums“ (s. Wikipedia „Raum“) kann § 2 Abs. 8 NBauO damit nur einen umschlossenen Teil innerhalb eines Gebäudes – mit anderem Worten: ein Zimmer – ansprechen, so dass nicht die Raumhülle des BoxHotels insgesamt entscheidend ist, in die die jeweiligen Schlafboxen eingestellt werden.

Es genügt, dass der Raum objektiv zum Aufenthalt für mehrere Stunden täglich geeignet ist. Gefordert ist nicht die Qualität eines Wohnraums (Mann, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl. 2013, § 2 Rn. 102). Wenn die Klägerin meint, ein Aufenthaltsraum setze voraus, dass seine Ressourcen die Möglichkeit für ein langes Verweilen bieten und dies angesichts fehlender Toiletten in den Schlafboxen und fehlender gastronomischer Versorgung nicht gegeben sei, überzeugt das Argument nicht. Kennzeichen eines Aufenthaltsraums ist es nicht, die Gelegenheit für alle lebensnotwendigen Lebensvorrichtungen zu bieten. Die Eignung einer Küche oder eines Badezimmers zum Aufenthalt von Menschen kann etwa nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass sie keine Schlafmöglichkeit bieten.

Eine Schlafbox ist auch für den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt. § 2 Abs. 8 NBauO fordert keinen Daueraufenthalt (Mann, a.a.O. Rn. 101). Mehr als nur vorübergehend ist ein Aufenthalt auch dann, wenn er sich in Abständen immer wieder wiederholt und auch wenn er nur stundenweise in größeren zeitlichen Abständen erfolgt. Dies gilt für Wohn-, Arbeits- und Schlafräume, auch Hotelzimmer (Mann, a.a.O. Rn. 107; Spannowsky/Manssen, BeckOK BauordnungsR Bayern, 8. Ed. 1.9.2017, Art. 2 BayBO Rn. 65). Das Bereitstellen einer Schlafgelegenheit dient nicht nur dem vorübergehenden Aufenthalt (anders als etwa ein Badezimmer), da der Mensch wenigstens für die Dauer seines (meist Nacht-)Schlafes in der Schlafbox verweilen soll. Gegen einen „vorübergehenden Aufenthalt“ spricht auch nicht, falls Gäste – wie bei Hotelzimmern in Städten häufig – die Schlafbox nur für wenige Tage nutzen. Die Konzeption der Klägerin sieht eine möglichst durchgängige Belegung der Schlafboxen mit wechselnden Gästen sogar für mehrtägige Aufenthalte vor. Sie können auch zu jeder Tageszeit außerhalb des (Nacht-)Schlafs genutzt werden. Damit unterscheidet sich die Funktion der Schlafbox insoweit nicht von einem Raum in einem Beherbergungsbetrieb.

Die Schlafboxen haben die nach § 43 Abs. 3 NBauO notwendigen Fenster nicht. Nach § 43 Abs. 5 NBauO brauchen aber Aufenthaltsräume, die nicht dem Wohnen dienen, die Anforderung des § 43 Abs. 3 NBauO nicht erfüllen, soweit durch besondere Maßnahmen oder Einrichtungen sichergestellt wird, dass den Anforderungen des § 3 entsprochen wird und die Rettung von Menschen möglich ist.

Die Schlafboxen der Klägerin dienen nicht dem Wohnen. Zur Ausdeutung des Begriffs des Wohnens im Bauplanungsrecht knüpft die Rechtsprechung maßgeblich an eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit an, die durch die Möglichkeit eigenständiger Haushaltsführung und unabhängiger Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichnet ist. Dies setzt in Beherbergungsbetrieben vor allem eine eigene Kochgelegenheit für die Zubereitung von Speisen voraus, die eine gewisse Unabhängigkeit von der Inanspruchnahme von Gemeinschaftsräumen, wie Frühstücksraum, Speisesaal usw., gewährleistet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.03.1996 – 4 B 302/95 -, BRS 58 Nr. 56; Urteil vom 29.04.1992 – 4 C 43/89 –, BVerwGE 90,140; Beschluss vom 08.05.1989 – 4 B 78/89 -, NVwZ 1989, 1060; Beschluss vom 07.09.1984 – 4 N 3/84 -, BauR 1985, 173; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.07.2006 – OVG 2 S 2.06 –, juris, Rn. 8; OVG Greifswald, Urteil vom 19.02.2014 – 3 L 212/12 -, BauR 2015, 81; OVG NW, Beschluss vom 14.08.2007 – 10 A 1219/06 -, BauR 2007, 2033; Nds. OVG, Beschluss vom 14.03.1997 – 1 M 6589/96 -, Rn. 13, juris). Beschränkt sich eine Zimmernutzung dagegen auf eine reine Übernachtungsmöglichkeit, so ist der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen. Die Nutzungsform eines Beherbergungsbetriebs kann kein auf Dauer angelegter Wohnungsersatz sein, weil es an der Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung fehlt (vgl. HbgOVG, Beschluss vom 07.01.2000 – 2 Bs 344/99 -, BauR 2000, 1840). Die Kammer überträgt diese zum Bauplanungsrecht entwickelten Grundsätze auch auf den bauordnungsrechtlichen Begriff des Wohnens, wie ihn § 43 Abs. 5 NBauO anspricht, da es keine Anhaltspunkte dafür sieht, den Begriff des Wohnens im bauordnungsrechtlichen Sinne anders auszulegen (so wohl auch Nds. OVG, Beschluss vom 18.09.2015 – 1 ME 126/15 -, Rn. 10, juris).

Durch besondere Maßnahmen oder Einrichtungen ist im Sinne von § 43 Abs. 5 NBauO sichergestellt, dass den Anforderungen des § 3 NBauO entsprochen wird (a.) und die Rettung von Menschen möglich ist (b.).

a) § 3 NBauO bestimmt u. a. in Absatz 1 Satz 1, dass bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein müssen, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet wird, und regelt in Absatz 2 Satz 1, dass bauliche Anlagen den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse entsprechen müssen.

Die Anforderung unmittelbar ins Freie führender Fenster, die eine ausreichende Tageslichtbeleuchtung und Lüftung der Aufenthaltsräume sicherstellen sollen, dient sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse (Große-Suchsdorf, NBauO, 6. Auflage, § 43 Rn. 1). Neben der Gewährleistung von Belichtung und Belüftung der Aufenthaltsräume (aa.) sollen „notwendige Fenster“ gefahrenabwehrrechtlich unter Umständen als Rettungsweg im Brandfall dienen (bb.). Hinzu kommen allgemeine Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (cc.).

aa.) Die Belichtung und Belüftung der Schlafboxen ist in ausreichendem Maße durch technische Vorkehrungen gewährleistet, ohne auf Fenster angewiesen zu sein. Wegen den sich ständig verbessernden technischen Möglichkeiten des Wärme- und Feuchtigkeitsschutzes verliert die Anforderung einer natürlichen Belüftung an Gewicht (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 14.11.2003 – 2 B 6.02 –, Rn. 8, juris). Die Beklagte stellt die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin auch nicht in Frage. Hinsichtlich des Verlusts einer natürlichen Belichtung stellt das Gericht in Rechnung, dass die Schlafboxen schon ausstattungsbedingt (fast) nur dem Schlaf dienen und kaum weiteren Nutzungen dienen können. Damit sind sie – wie auch andere Räume, bei denen ein Verzicht auf Tageslicht zwar nicht zwingend, aber unbedenklich ist, wie Waren- oder Geschäftsräume, Schank- und Speisewirtschaften (Große-Suchsdorf, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl. 2013, § 43 Rn. 33) – nicht auf eine Belichtung durch Tageslicht angewiesen. Technische Einrichtungen und Lichtöffnungen zum Flur gewährleisten eine ausreichende Ausleuchtung durch Kunstlicht.

bb.) Die Schlafboxen benötigen keine Außenfenster für den Brandfall. Grundsätzlich dienen notwendige Fenster im Brandfall als Rettungsweg, wenn z.B. die Fluchtwege im Gebäudeinnern nicht mehr erreichbar sind (OVG NW, Urteil vom 30.06.1983 - 11 A 2491/82 -, Rn. 8, juris; Große-Suchsdorf, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl. 2013, § 43 Rn. 13 f.) und damit die Möglichkeit besteht, dass die Feuerwehr durch Zugriff von außen Personen durch das Fenster zu retten vermag. Nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung soll das Bauvorhaben der Klägerin keine höheren Brandschutzanforderungen als z. B. ein Hochhaus erfüllen. In diesen dienten Fenstern ebenfalls im Brandfall nicht der Rettung von Menschen, da sie über Rettungsleitern der Feuerwehr nicht erreichbar seien. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Einschätzung der Brandschutzfachleute der Beklagten anzuzweifeln, für die Fenster im Bauvorhaben der Klägerin keine Bewandtnis haben.

cc.) Gegen die Zulassung von Schlafboxen ohne tageslichtbezogene Fenster sprechen schließlich auch nicht die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Fenster von Aufenthaltsräumen erfüllen neben technischen und biologischen vor allem die psycho-physische Funktion, dem Menschen auch gerade von seinem privaten Hauptlebensraum aus die „visuelle Partizipation“ an seiner natürlichen und sozialen Umwelt zu ermöglichen. Wenn das Gesetz damit auch nicht den „Blick in das Freie“ verlangt und deshalb Fenster besondere Anforderungen erfüllen müssen, so verlangt doch der Kontakt zum Tageslicht wenigstens nach der Partizipation am Tagesgeschehen außerhalb des Aufenthaltsraums, damit der Bewohner nicht das Gefühl des „Eingesperrtseins“ hinnehmen muss (vgl. OVG NW, Urteil vom 30.06.1983, a.a.O.; OVG NW, Beschluss vom 05.02.1998 - 10 A 3019/94 -, Rn. 7, juris; VG Köln, Urteil vom 18.06.2014 - 23 K 5908/11 -, BeckRS 2015, 40161; Urteil vom 26.03.2002 – 2 K 8038/99 –, Rn. 27, juris; OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 17.06. 2004 - 3 A 428/01.Z -, LKV 2005, 418 [OVG Brandenburg 17.06.2004 - 3 A 428/01/Z]; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12.09.2014 - 9 K 2342/13 -, BeckRS 2014, 57519 - vor diesem Hintergrund hält die Rechtsprechung auch mit Glasbausteinen zugesetzte Öffnungen für nicht ausreichend; ebenso BVerwG, Urteil vom 31.01.1997 – 1 C 20/95 –, Rn. 19, juris zur Arbeitsstättenverordnung).

Das Gericht geht davon aus, dass diese für den dauerhaften Aufenthalt in Aufenthaltsräumen entwickelten Grundsätze auf die von der Klägerin angebotenen Schlafboxen keine Anwendung finden. Gäste, die einen Aufenthalt in einer Schlafbox wählen, tun dies in Kenntnis der Beengtheit und tageslichtfreien Belichtung. Das in einem fensterlosen Raum zu besorgende Gefühl des „Eingesperrtsein“ stellt sich in diesem Fall nicht (sofort) ein. Es setzt eine zeitliche Dimension voraus und entsteht eher bei einem dauerhaften und/oder ständigen Aufenthalt in dem betroffenen Raum. Das Gefühl kommt in Schlafboxen nicht auf, weil sie ausstattungsbedingt zur Wäsche und Übernachtung benutzt werden und diese Nutzung nach der Betriebsbeschreibung des Vorhabens der Klägerin nur wenige Tage anhält. In diesen wenigen Tagen sollen die Gäste ihren Lebensmittelpunkt nicht in der Schlafbox finden. Wenn sie sich überhaupt in dem BoxHotel aufhalten, stehen Gästen für die Tagesgestaltung ansonsten andere gemeinsam zu nutzende Räumlichkeiten zur Verfügung. Nicht zu verkennen ist, dass sich auch unter dem Eindruck von Fernreisen in Länder, in denen fensterlose Schlafstätten in breitem Umfang angeboten werden, die gesellschaftliche Anschauung gewandelt hat. Die Bedürfnisse sind vielfältiger geworden. Der Wunsch nach einer kostengünstigen Unterbringung hat die Toleranz zur Hinnahme auch fensterloser Räume wachsen lassen.

Dass Menschen – wenn das von ihnen gewünscht wird – grundsätzlich ein kurzzeitiger Aufenthalt in einem Raum ohne Tageslichtkontakt zuzumuten ist, ist auch den Arbeitsschutzbestimmungen zu entnehmen. Nach Nr. 3.4 („Beleuchtung und Sichtverbindung“) des Anhangs zu § 3 Arbeitsstättenverordnung darf ein Arbeitgeber als Aufenthaltsräume solche Räume ohne ausreichendes Tageslicht (hierzu DIN 5034-1; VG Hannover, Beschluss vom 21.10.2009 – 4 B 3652/09 –, Rn. 52, juris; VG Köln, Urteil vom 27.02.2018 – 2 K 6783/17 –, Rn. 30, juris; Nds. OVG, Urteil vom 26.07.2017 – 1 KN 171/16 –, BauR 2017, 2115) betreiben, in denen sich Beschäftigte zur Verrichtung ihrer Tätigkeit regelmäßig nicht über einen längeren Zeitraum aufhalten müssen oder die vollständig unter der Erdgleiche liegen, soweit es sich dabei etwa um kulturelle Einrichtungen, um Verkaufsräume oder um Schank- und Speiseräume handelt.

Gegen diese Einschätzung spricht auch nicht der Einwand der Beklagten, § 47 Abs. 3 der Musterbauordnung beschreibe ein „Mindestmaß an Erträglichkeit“, was die Hinnahme fensterloser Räume angehe. Die Vorschrift lässt nicht nur das Fehlen von Fenstern bei Aufenthaltsräumen zu, deren Nutzung eine Belichtung mit Tageslicht verbietet, sondern ebenso bei „Verkaufsräumen, Schank- und Speisegaststätten, ärztlichen Behandlungs-, Sport-, Spiel-, Werk- und ähnlichen Räumen“. Damit stellt auch die Musterbauordnung vom Erfordernis von Fenstern Räume frei, in denen sich Personen in etwa so lange aufhalten wie in einer Schlafbox. Die Einbeziehung – wahrscheinlich hinsichtlich der Nutzungszeit – „ähnlicher Räume“ gibt einen Hinweis darauf, dass der Kreis der von der Musterbauordnung bezeichneten Räume nicht abschließend ist.

b.) Durch besondere Maßnahmen oder Einrichtungen ist im Sinne von § 43 Abs. 5 NBauO auch sichergestellt, dass die Rettung von Menschen möglich ist, obgleich die Schlafboxen keine Außenfenster besitzen. Das Gericht stellt die eigenen Bedenken zurück, ob nicht notwendige Fenster als gleichsam „3. Rettungsweg“ die Rettung etwa im Brandfall erleichtern können und in dem Sinn noch zusätzlich sichergestellt werden kann, dass die Rettung von Menschen durch Fenster ermöglicht wird. Die Brandschutzprüfer der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass Außenfenster bei dem Vorhaben der Klägerin nicht erforderlich seien. Sind Gäste in einem Brandfall daran gehindert, die Tür der Schlafbox zu nutzen, soll sich ihre Rettung so vollziehen, dass Brandmeldeanlagen besonders sensibel und damit frühzeitig einen Brand anzeigen. Den Gästen wird dann – wie die Hochhaussituation simuliert – angesonnen, in ihrer Box zu verharren und auf Hilfe zu warten. Diese Hilfe stellen dann Kräfte bereit, die nicht von Personal des BoxHotels, sondern nur von auswärts gestellt werden können. Angesichts der Fachkunde der Beklagten stellt das Gericht seine Zweifel an der Effektivität einer möglichen Rettung in der gebotenen Zeit zurück.

2. Soweit die Schlafboxen eine geringere Grundfläche als 6 m² haben und durch den Einbau eines Bettes und der Dusche im „Obergeschoss“ nicht durchgängig eine lichte Raumhöhe von mehr als 2,40 m erreichen sollen, widersprechen sie nicht den bauordnungsrechtlichen Vorgaben.

Grundsätzlich bestimmt § 43 Abs. 1 Satz 1 NBauO, dass Aufenthaltsräume eine lichte Höhe von mindestens 2,40 m über mindestens zwei Dritteln ihrer Grundfläche (Absatz 1 Satz 1) haben müssen. Der Einbau von Betten in die 3,58 m hohen Schlafboxen stellt ihre Möblierung dar und kann deshalb nicht so bewertet werden, als ob ein Zwischengeschoss eingezogen sei. Damit haben die Schlafboxen die erforderliche Raumhöhe.

Soweit § 43 Abs. 1 Satz 1 NBauO fordert, dass Aufenthaltsräume eine für ihre Benutzung ausreichende Grundfläche besitzen müssen, hat die Klägerin einen Anspruch auf Gestattung einer Erleichterung nach § 51 Satz 2 NBauO.

Die Anforderungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 NBauO präzisiert § 28 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO, wonach Aufenthaltsräume, ausgenommen Küchen, eine Grundfläche von mindestens 6 m² haben müssen. Die Schlafboxen sind 4,2 m² oder bis 5,3 m² groß. Die Fläche ist nicht noch deshalb kleiner, weil nach § 28 Abs. 1 Satz 2 DVO-NBauO Grundflächen von Raumteilen mit einer lichten Höhe von weniger als 2,20 m außer Betracht zu bleiben haben. Zwar führt das Vorhandensein der Betten im „Obergeschoss“ der Schlafboxen dazu, dass die Fläche darunter nicht die lichte Höhe von 2,20 m erreicht. Allerdings stellt sich diese Einschränkung als Folge der Möblierung der 3,58 m hohen Schlafboxen dar.

Die Vorgabe an die Mindestraumgröße nach § 28 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO bezieht sich auch auf die Schlafboxen. Das Gericht teilt die Auffassung der Klägerin nicht, dass die Bestimmung sich nur auf Aufenthaltsräume beziehe, die dem Wohnen dienen. Während § 42 Abs. 2 der NBauO 1973 die Grundflächenvorgabe von 6 m² noch selbst enthielt, entfiel diese in der NBauO 1986 und fand Aufnahme in § 28 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO (Große-Suchsdorf, NBauO, 5. Auflage, § 43 Rn. 12), denn (so der Regierungsentwurf LT-Drs. 10/3480, S. 63)

„Die bisherige Anforderung … an die Grundfläche von Aufenthaltsräumen hat insbesondere für Küchen zu unvertretbaren Erschwernissen geführt. Die Anforderung hat aber auch aus der Sicht gesunder Lebensverhältnisse keine nennenswerte Bedeutung, weil der Zuschnitt der Räume außer Betracht bleibt.“

Aus dem Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO folgt die von dem Kläger erkannte Einschränkung nicht, zumal § 28 Abs. 2 Satz 1 DVO-NBauO ausdrücklich eine Regelung zu Kellergeschossen trifft, „die dem Wohnen dienen“, und damit dem Verordnungsgeber bekannt gewesen sein muss, dass ein Unterschied zu Aufenthaltsräumen besteht, die dies nicht tun. Andrerseits zeigt die Vorschrift des § 43 NBauO eine Widersprüchlichkeit: während Aufenthaltsräume, die nicht dem Wohnen dienen, einerseits bestimmte Erleichterungen von den Vorgaben des § 43 Abs. 3 und 4 NBauO genießen können, lässt es andrerseits der Wortlaut der Vorschrift nicht zu, dass sich Erleichterungen auf die in § 28 DVO-NBauO fixierte Grundflächengröße „ohne nennenswerte Bedeutung“ beziehen.

Die Abweichung ist aber nach § 51 Satz 2 NBauO hinzunehmen. Nach § 51 Satz 1 NBauO können an einen Sonderbau nach § 2 Abs. 5 NBauO im Einzelfall besondere Anforderungen gestellt werden, soweit die Vorschriften der §§ 4 bis 50 NBauO und der zu ihrer näheren Bestimmung erlassenen Verordnungen nicht ausreichen, um sicherzustellen, dass der Sonderbau die Anforderungen des § 3 erfüllt. Nach § 51 Satz 2 NBauO können Erleichterungen gestattet werden, soweit es der Einhaltung von Vorschriften und Verordnungen nach § 51 Satz 1 wegen der besonderen Art oder Nutzung baulicher Anlagen oder Räume oder wegen besonderer Anforderungen nicht bedarf. § 51 Satz 3 NBauO bezeichnet u. a. beispielhaft, worauf sich die Erleichterungen erstrecken können.

Das BoxHotel ist ein Sonderbau. Zu diesen Bauten gehören nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 NBauO Beherbergungsstätten mit mehr als 12 Betten. Das BoxHotel soll 208 Betten bereitstellen.

Die Abweichung der Schlafboxen von den Vorgaben zur Grundfläche ist nach § 51 Satz 2 NBauO hinzunehmen. § 43 Abs. 1 Satz 1 NBauO i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO lässt es zu, dass es der Einhaltung der Mindestgrundfläche von 6 m² wegen der besonderen Art oder Nutzung der baulichen Anlage oder Räume nicht bedarf, d. h. dass die Grundanforderungen in § 3 NBauO auch bei Abweichung von diesen Vorschriften gewahrt bleiben (Wiechert, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 51 Rn. 3).

Die Vorgabe, dass ein Aufenthaltsraum eine bestimmte Grundfläche aufweisen muss, dient der Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse (Große-Suchsdorf, NBauO, 6. Auflage, § 43 Rn. 1). Dies ist bei einer kurzfristigen Nutzung einer Schlafbox (selbst auf einer Grundfläche von 4,2 bis 5,3 m²) gewährleistet.

Gäste, die einen Aufenthalt in einer Schlafbox wählen, tun dies in Kenntnis (laut Klägerin: sogar mit dem Wunsch nach) der räumlichen Beengtheit und dem Bewusstsein, sie ausschließlich zur Wäsche und Übernachtung benutzen zu müssen. Nach der Betriebsbeschreibung des Vorhabens der Klägerin soll das BoxHotel seinen Gästen nur für wenige Tage ein Quartier geben und diese Gäste sollen in dieser Zeit ihren Lebensmittelpunkt nicht in der Schlafbox finden. Wenn sie sich überhaupt in dem BoxHotel aufhalten, stehen Gästen für die Tagesgestaltung ansonsten andere gemeinsam zu nutzende Räumlichkeiten zur Verfügung. Das Gericht geht davon aus, dass Menschen dann grundsätzlich ein kurzzeitiger und in der Regel auf die Stunden des Schlafs beschränkter Aufenthalt in einem sehr beengten Raum – wenn das von ihnen gewünscht wird – zuzumuten ist, ohne dass sie gesundheitliche Einschränkungen hinnehmen müssen. Diesen Gästen steht außerhalb der Schlafboxen in dem BoxHotel eine große Nutzfläche zur Verfügung. Eine Schlafbox ist ersichtlich im ganz Wesentlichen darauf eingerichtet, nur als Schlafstatt zu dienen. Dafür ist ein Gast nicht auf großen Bewegungsspielraum im Raum angewiesen.

Das Gericht verpflichtet die Beklagte zur Erteilung der Abweichung, obgleich deren Zulassung wie oben ausgeführt in das Ermessen der Beklagten gestellt ist. Die Beklagte problematisierte in den angefochtenen Bescheiden die fehlende Grundflächengröße der Schlafboxen nicht und prüfte insofern nicht die Zulassung einer Abweichung. In der mündlichen Verhandlung berief sich die Beklagte zwar darauf, dass den Schlafboxen die Mindestgrundfläche von 6 m² fehle, setzte sich aber nicht mit dem Einwand der Klägerin auseinander, dass die besondere Beschaffenheit der Schlafboxen es erlaube, sie in ein „Unter-“ und ein „Obergeschoss“ aufzuteilen und so in der Addition rechnerisch eine größere Fläche als 6 m² zu erreichen (die dann allerdings nicht in ausreichendem Maße die erforderliche lichte Höhe aufweisen würde). Die gesetzliche Vorgabe zur Mindestgrundflächengröße hat „keine nennenswerte Bedeutung“ und kann deshalb keine strikte Befolgung erwarten. Die Schlafboxen lassen es zu, dass sich Personen auf mehr als 6 m² Raum aufhalten können. § 43 Abs. 1 Satz 1 NBauO fordert nur eine für ihre Benutzung ausreichende Grundfläche der Schlafbox. Die Benutzung der Schlafbox besteht im Bereitstellen einer Schlafstatt und einer Waschgelegenheit. Weitere dem Aufenthalt dienende Nutzungen muss der Gast außerhalb der Schlafbox verrichten. Wenn nun § 28 Abs. 1 Satz 1 DVO-NBauO von Aufenthaltsräume, ausgenommen Küchen, eine Grundfläche von mindestens 6 m² verlangt, nimmt die Vorschrift offensichtlich nicht solche monofunktionalen Räume wie Schlafboxen in den Blick. Abgesehen von dem formalen Bestehen auf der Grundflächengröße von 6 m² ist dem Gericht auf Seiten der Beklagten kein Gesichtspunkt ersichtlich, der gegen die Zulassung der Abweichung von der Grundflächengröße sprechen könnte.

Wenn die Zulassung einer Abweichung auch in das Ermessen der Beklagten gestellt ist, folgt daraus zwar grundsätzlich, dass der Bauherr regelmäßig keinen Anspruch auf die Zulassung besitzt, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen kommt dem Ermessen im Falle des § 51 Satz 2 NBauO die Bedeutung zu, die Abweichung bei solchen Fallgestaltungen auszuschließen, die durch die in der Vorschrift vorgegebenen Ermessenschranken noch nicht hinreichend erfasst werden. Dies spricht zwar dagegen, von einem sog. intendierten Ermessen auszugehen. Will die Baubehörde die Abweichung aber ablehnen, muss sie in ihrer Begründung die maßgeblichen Gesichtspunkte für ihre Ermessensbetätigung nachvollziehbar darlegen. Hinsichtlich einer Abweichung von den Vorgaben zur Grundfläche enthalten die Bescheide der Beklagten keine Aussagen. Die Beklagte prüfte lediglich eine Abweichung von den Vorgaben für notwendige Fenster im Rahmen des § 51 Satz 2 NBauO. Das Gericht geht damit von einer Reduktion des Ermessens und somit dem Anspruch auf die Gestattung der Abweichung aus, da in der Gestattung die einzig denkbare fehlerfreie Ermessensausübung liegt (vgl. zu allem: Hornmann HBO, 3. Aufl. 2019, HBO § 73 Rn. 37-40).

3. Das Bauvorhaben der Klägerin besitzt letztlich die bauordnungsrechtlich verlangten „notwendigen Flure“.

Nach § 36 NBauO müssen Flure und Gänge, über die Rettungswege aus Aufenthaltsräumen oder aus Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen zu Ausgängen in notwendige Treppenräume oder, wenn ein Treppenraum nicht erforderlich ist, zu notwendigen Treppen oder ins Freie führen (notwendige Flure), sowie Ausgänge in solcher Zahl vorhanden und so angeordnet und ausgebildet sein, dass sie für den größten zu erwartenden Verkehr ausreichen und ihre Nutzung im Brandfall ausreichend lang möglich ist. § 17 Abs. 2 DVO-NBauO ergänzt, dass notwendige Flure mindestens 1,25 m breit sein müssen (Satz 1) und eine Folge von weniger als drei Stufen in einem notwendigen Flur nicht vorhanden sein darf (Satz 2). In dem Vorhaben der Klägerin ist jedoch vor dem Treppenraum 2 im Bestand eine ca. 13 cm hohe Stufe vorhanden, so dass eine Abweichung vorliegt (Brandschutzkonzept S. 16).

Die Abweichung ist aber nach § 51 Satz 2 NBauO hinzunehmen. Eine Erleichterung hinsichtlich der Anforderungen an notwendige Flure kann die Beklagte zulassen, soweit es der Einhaltung von Vorschriften des § 36 NBauO wegen der besonderen Art oder Nutzung der baulichen Anlage oder Räume nicht bedarf, d. h. wenn die Grundanforderungen in § 3 NBauO auch bei Abweichung von dieser Vorschrift gewahrt bleiben (Wiechert, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 51 Rn. 3). Damit muss zwar (neben der „Sonderbau“-Voraussetzung) eine zweite Tatbestandsvoraussetzung des
§ 51 Satz 2 NBauO erfüllt sein muss, damit der Beklagten das Ermessen eröffnet ist, über die Erleichterung zu entscheiden. Dies ist aber auch der Fall, denn die Vorgabe des § 36 NBauO dient dazu, einen Ausgang für den größten zu erwartenden Personenverkehr zu gewährleisten, der im Brandfall ausreichend lang genutzt werden kann. Diese Vorgabe stellt eine ca. 13 cm hohe Treppenstufe nicht in Frage. Die Existenz von Treppen(stufen) steht schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 36 NBauO der Anlage von Rettungswegen grundsätzlich nicht entgegen. Zwar darf eine Folge von weniger drei Treppenstufen in einem notwendigen Flur nicht vorhanden sein (§ 17 Abs. 2 Satz 2 DVO-NBauO). Dies besagt jedoch nicht, dass eine einzelne Stufe nicht hinzunehmen ist.

Dem Gericht ist nicht ersichtlich, welcher Gesichtspunkt seitens der Beklagten gegen die Abweichung sprechen könnte, zumal sie dem Brandschutzkonzept der Klägerin trotz der dort darin als Problem bezeichneten Treppenstufe zugestimmt hat. Das Gericht geht damit von einer Reduktion des Ermessens und somit dem Anspruch auf die Gestattung der Abweichung aus, da in der Gestattung die einzig denkbare fehlerfreie Ermessensausübung liegt.

4.) Brandschutzbelange stehen der Zulassung des Bauvorhabens auch nicht entgegen. Welche Anforderungen an die Erforderlichkeit brandschutzrechtlicher Maßnahmen gestellt werden dürfen, richtet sich nach dem polizeirechtlichen Theorem des gleitenden Maßstabs der Schadenswahrscheinlichkeit. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes zu stellen sind. Weil hier mit Leben und Gesundheit Rechtsgüter höchsten Ranges bedroht sind, Feuer jederzeit ausbrechen können und ruinöse Folgen zu haben geeignet sind, reicht mithin schon eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ des Brandeintritts und damit verbundener Gefahren für Leib und Leben von Menschen aus (vgl. dazu im Einzelnen Nds. OVG, Beschluss vom 17. 07.2013 – 1 LA 24/12 -, V.n.b.; OVG NW, Beschluss vom 20.02.2013 - 2 A 239/12 -, DWW 2013, 231; OVG NW, Beschluss vom 11.01.2008 - 10 A 1277/07, BauR 2008, 977; OVG NW, Urteil vom 21.09.2012 - 2 A 182/11 -, BauR 2013, 218).

Die Beklagte hält das von der Klägerin vorgelegte Brandschutzkonzept für ausreichend. Das Gericht vermag es trotz seines bereits skizzierten Unwohlseins angesichts der Fachkompetenz der Beklagten nicht beanstanden.

II. Der Gebührenforderungen in den Bescheiden vom 27. Juni 2018 und 14. September 2018 für die Bearbeitung des Bauantrags und des Widerspruchs stützen sich auf die Ablehnung des Baugesuchs der Klägerin und den Misserfolg ihres Widerspruchs. Mit der Aufhebung der Ablehnung der Baugenehmigung und des Widerspruchsbescheids ist den Forderungen die materielle Grundlage entzogen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.