Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 21.10.2009, Az.: 4 B 3652/09
Abstandsunterschreitung; Kolonaden; Tageslichtquotient; gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.10.2009
- Aktenzeichen
- 4 B 3652/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 44179
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2009:1021.4B3652.09.0A
Rechtsgrundlagen
- 13 NBauO
- 31. Abs. 2 BauGB
Amtlicher Leitsatz
Der Festsetzung "Kolonnaden" im Bebauungsplan kommt keine per se nachbarschützende Wirkung zu.
§ 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO fordert mindestens gleichwertige Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Vergleich zu abstandskonformer Bebauung.
Zur Bedeutung des Tageslichtquotienten bei der Beurteilung von Belichtungsverhältnissen
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 65 000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bauvorbescheid und eine Baugenehmigung, die die Antragsgegnerin der Beigeladenen für den 1. Bauabschnitt des Umbauvorhabens Kröpckecenter erteilt hat.
Die Antragsteller zu 1 und 2 sind Eigentümer des mit einem fünfgeschossigen Geschäftshaus bebauten Grundstücks Ständehausstraße 2-3 in Hannover-Mitte. Die Antragstellerin zu 3 betreibt als Mieterin im Erdgeschoss das Cafe "H." und in den Sommermonaten auf der Straßenfläche vor dem Cafe eine Aussenbewirtschaftung. Im ersten Obergeschoss befindet sich eine als Betriebsleiterwohnung genehmigte Wohnung, die übrigen Geschosse werden als Schulungs- und Praxisräume genutzt. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des seit 1962 rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. 283 in der 1986 rechtsverbindlich gewordenen 3. Änderungsfassung, der hier ein Kerngebiet festsetzt.
Dem Grundstück der Antragsteller im Norden gegenüber liegt das dreieckig geschnittene Kröpckecenter, das im Westen von der Karmarschstraße, im Nordosten von der Georgstraße und Südosten von der Ständehausstraße umschlossen wird. Es wurde 1972 auf der Grundlage des Bebauungsplanes der Beklagten Nr. 522 errichtet. Das Kröpckecenter ist ein unregelmäßig gestalteter Betonkomplex, der südlich und östlich der sogenannten Minus-Eins-Ebene der Niki-de-Saint-Phalle-Promenade, der früheren Passerelle, aufsteigt. In seinem südöstlichen Teil befindet sich ein bis zu zwölf Geschosse hoher Turm, zu den Seiten hin flacht der Baukomplex auf bis zu drei Geschosse ab.
Mitte der 80er Jahre wurde das Äußere des Gebäudes unter Beibehaltung der Baumasse verändert. Ein Teil der Waschbetonbrüstungen wurde aufgeschnitten und mit verglasten, wintergartenartigen Elementen versehen.
Seit 1992 existieren Pläne zur umfassenden Neugestaltung des Kröpckecenters. Mit der 1998 erfolgten 2. Änderung ihres Bebauungsplanes Nr. 522 bereitete die Antragsgegnerin die planungsrechtliche Grundlage für ein dem Umbauvorhaben der Beigeladenen zeitlich vorangehendes Neugestaltungsprojekt. Der Plan sieht einen fünfgeschossigen Baukörper vor, dessen Grundriss in etwa ein rechtwinkliges Dreieck bildet. Die Hypotenuse liegt an der Ostseite der Karmarschstraße, die Spitze des Dreieckes an der Ecke Ständehaus-/ Georgstraße. Die Bruttogeschossfläche wird auf 30 721 m2 erhöht. Die beiden unteren Geschosse sind entlang der Karmarsch- und der Georgstraße mit rund 3,5 m tiefen Kolonnaden vorgesehen, die sich ausgehend von der Karmarschstraße auf einer Länge von knapp 15 m auch in die Ständehausstraße hineinziehen. Zur Ständehausstraße wird die Baulinie um etwa 0,5 m vorgezogen. Die Straßenbreite der Ständehausstraße setzt der Plan mit 14 m fest. Eine Umgestaltung des Büroturmes sieht der Bebauungsplan Nr. 522 in der 2. Änderungsfassung nicht vor.
Die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes in der 2. Änderungsfassung war Gegenstand eines - erfolglosen - Normenkontrollantrages. Auf die den Beteiligten bekannte Entscheidung vom 26.09.00 des OVG Lüneburg (- 1 K 3563/99 -, vgl. auch BVerwG, Bes. v. 28.02.01, - 4 BN 11.01 -; BVerfG, Bes. v. 10.05.01, - 1 BvR 572/01 -) wird verwiesen.
Unter dem 25.09.98 erteilte die Antragsgegnerin der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Umgestaltung der ersten fünf Obergeschosse entsprechend den planungsrechtlichen Vorgaben. Die der Ständehausstraße zugewandte Fassade sollte vertikal durch schmale Stützen und Horizontalgliederungen aus hellem Sandstein errichtet werden, zwischen denen in den unteren beiden Geschossen Schaufenster und in den oberen drei Geschossen Glaslamellen angebracht werden sollten. Die Oberkante des vierten Obergeschosses sollte 21,28 m über dem Straßenniveau liegen.
Ein Antrag von Herrn I. auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen diese Baugenehmigung blieb letztlich erfolglos (OVG Lüneburg, Bes. v. 30.03.99, - 1 M 897/99 -; Bes. der Kammer v. 29.01.99, - 4 B 8136/98 -). Auf den Inhalt der Beschlüsse wird verwiesen.
Nachdem die Antragsgegnerin die Baugenehmigung vom 25.09.98 um die zusätzliche Auflage ergänzt hatte, dass ein Tageslichtquotient D für die neu zu gestaltende Fassade für die Gebäudefront der Ständehausstraße für die Wohnung des Rechtsvorgängers des Antragstellers zu 2 entsprechend der geltenden DIN mit 3 1 % eingehalten wird, wies die Kammer die gegen die Baugenehmigung gerichtete Klage mit rechtskräftigem Urt. v. 21.11.02 (- 4 A 5617/00 -) ab. Auf den Inhalt dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
Nunmehr plant die Beigeladene den Umbau des Kröpckecenters, im Wesentlichen auf der Grundlage des Bebauungsplanes Nr. 522, 2. Änderung, aber mit einer abweichenden Fassadengestaltung, unter weitestgehender Schließung der Kolonnaden und unter Einbeziehung des Büroturmes. Kolonnaden sollen nur an den drei Gebäudeecken errichtet werden. Die Fassade soll durch eine Vielzahl schmaler senkrechter Stützen aus hellem Kalkstein gegliedert und die in den drei oberen Geschossen ursprünglich vorgesehenen Glaslamellen sollen durch hohe schmale Fensterflächen ersetzt werden. Die Bruttogeschossfläche wird auf 32 789 m2 erhöht. Die Oberkante des vierten Obergeschosses soll weiterhin 21,28 m über dem Straßenniveau liegen. An der Ständehausstraße soll die den Gebäuden Nr. 3 und 4 gegenüberliegende Gebäudefront um rd. 3 m hinter die Baulinie zurückspringen, um dort den Eingangsbereich für den Büroturm unterzubringen.
Die Antragsgegnerin erteilte mit Vorbescheid vom 02.04.09 entsprechend der Voranfrage der Beigeladenen eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 522, 2. Änderung, für die Erweiterung des Erd- und ersten Obergeschosses im Bereich der festgesetzten Kolonnaden unter Berücksichtigung der mit den gegenüberliegenden Grundstücksnachbarn getroffenen Vereinbarungen. Diese Befreiung modifizierte sie auf Widerspruch der Beigeladenen mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.09 dahingehend, dass die Zustimmungen der gegenüberliegenden Nachbarn berücksichtigt werden sollen.
Im Mai 2009 leitete die Antragsgegnerin das Verfahren zur vorhabenbezogenen 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 522 ein. Der Satzungsbeschluss des Rates der Antragsgegnerin ist für den 22.10.09 vorgesehen.
Unter dem 23.06.09 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Genehmigung für den 1. Bauabschnitt der Umgestaltung des Kröpckecenters (Umbau fünftes Untergeschoss - Passerelle / Umbau und Erweiterung Erdgeschoss - viertes Obergeschoss). Die Genehmigung enthält unter Nr. 24 die Auflage, die Fassade des Kröpckecenters in der Ständehausstraße nach Möglichkeit aus hellem Naturstein so zu gestalten, dass "der Tageslichtquotient dem Wert der geltenden DIN 5034 von 0,90 so nahe kommt, dass die nachteiligen Wirkungen für die Wohnung im ersten Obergeschoss des Gebäudes in der Ständehausstraße 2 so weit wie möglich kompensiert werden."
Mit Schreiben vom 07.08.09 und vom 20.08.09 erhoben die Antragsteller Widersprüche zunächst gegen die Baugenehmigung vom 23.06.09 und dann gegen den Vorbescheid vom 02.04.09 in der Fassung vom 18.08.09. Gleichzeitig beantragten sie, die sofortige Vollziehung der Bescheide auszusetzen. Diese Anträge lehnte die Antragsgegnerin unter dem 28.08.09 bzw. 02.09.09 ab. Über die Widersprüche ist bislang nicht entschieden.
Am 07.09.09 haben die Antragsteller um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, die erteilte Befreiung sei städtebaulich nicht vertretbar und umgehe unzulässigerweise eine erforderliche Planänderung. Das Umbauvorhaben verletze die Grenzabstandsvorschriften. Ohne die Kolonnaden könnten besondere baugestalterische oder städtebauliche Absichten, die geringere Abstände rechtfertigen könnten, nicht mehr verwirklicht werden. Die südlich der Ständehausstraße gelegenen Gebäude würden unzumutbar verschattet und veränderte Windverhältnisse in der Ständehausstraße beeinträchtigten die Plätze der Außengastronomie. Zudem seien erhebliche Erdarbeiten erforderlich, die gerade im Hinblick auf die vorhandene U-Bahnstation die Standfestigkeit ihrer Gebäude gefährdeten.
Mit Bescheid vom 12.10.09 ergänzte die Antragsgegnerin ihre Baugenehmigung um eine Ausnahmeentscheidung nach § 13 Abs. 1 NBauO und änderte die Nebenbestimmung Nr. 24 dahingehend ab, dass die aus hellem Naturstein gestaltete Fassade des Kröpckecenters "- soweit keine Fensterflächen vorhanden sind - in der Ständehausstraße im Bereich der Gebäude Ständehausstraße 2/3 einen Reflexionsgrad von mindestens 0,4 aufweisen muss."
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen den der Beigeladenen erteilten Vorbescheid vom 02.04.09 in der Fassung vom 18.08.09 und gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23.06.09 in der Fassung vom 12.10.09 anzuordnen,
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und ergänzt: Die erteilte Befreiung von der Verpflichtung des Bebauungsplanes Nr. 522, 2. Änderung, Kolonnaden zu errichten, könne Rechte der Antragsteller bereits deswegen nicht beeinträchtigen, weil der Bebauungsplan vor ihren Gebäuden entlang der Ständehausstraße nie Kolonnaden festgesetzt habe. Die Unterschreitung der vorgeschriebenen Grenzabstände sei erforderlich, um besondere städtebauliche Absichten verfolgen zu können. Die Belichtungsverhältnisse würden sich durch die Neuplanung der Beigeladenen nicht verschlechtern, zumal sich die Neuplanung hinsichtlich Abstand und Gebäudehöhe nicht von der 1999 rechtskräftig genehmigten Variante unterscheide. Entsprechendes gelte auch für den Windkomfort. Es sei durch Gutachten belegt, dass das Vorhaben der Beigeladenen insoweit nicht zu Verschlechterungen führe. Schäden an den Nachbargebäuden seien kaum zu befürchten, da die Baumaßnahme ohne Eingriff in den Baugrund oder das Grundwasser durchgeführt werde. Zur Sicherheit werde dennoch ein privatrechtliches Beweissicherungsverfahren durchgeführt.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
den Antrag abzulehnen.
Sie ergänzt, die Abstandsunterschreitung sei nie mit der offenen Kolonnadengestaltung gerechtfertigt worden. Insoweit hätten die Kolonnaden nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Daher sei die Schließung der Kolonnaden auch städtebaulich vertretbar. Mit der Nebenbestimmung Nr. 24 zur Baugenehmigung werde sichergestellt, dass der Tageslichtquotient in den Gebäuden der Antragsteller dem Wert der geltenden DIN-Vorschriften möglichst nahe komme.
In der mündlichen Verhandlung hat Prof. Dipl.-Ing. J. sein im Genehmigungsverfahren erstelltes Lichtgutachten erläutert. Hinsichtlich seiner Ausführungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Neben der Gerichtsakte waren die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Gegenstand der Entscheidungsfindung. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO auch insoweit zulässig, als sich die Antragsteller gegen die Vollziehung des Vorbescheides wenden. Denn zum Einen behält die im Bauvorbescheid getroffene Regelung ihre Wirksamkeit auch nach Erlass der entsprechenden Baugenehmigung und zum Anderen entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage des Nachbarn gegen einen Bauvorbescheid keine aufschiebende Wirkung (so OVG Lüneburg, Bes. v. 30.03.99, - 1 M 897/99 -). Die Zulässigkeit des Antrags scheitert auch nicht an den §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 6 VwGO. Die Antragsgegnerin hat die Anträge der Antragsteller über die Aussetzung der Vollziehung des Vorbescheides und der angefochtenen Baugenehmigung abschlägig beschieden. Zudem hat die Beigeladene bereits mit den Bauarbeiten begonnen. Der Beginn der Bauarbeiten wird allgemein als Vollstreckung i.S.d. § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO angesehen.
Hinsichtlich der entsprechend § 42 Abs. 2 NBauO erforderlichen Antragsbefugnis der Antragsteller legt die Kammer für ihre Entscheidung im Eilverfahren die Angaben des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aus der mündlichen Verhandlung zugrunde: Danach soll mit der ursprünglichen Bezeichnung der Antragstellerin zu 1 als K. stets die A. gemeint gewesen sein. Die B. soll als Rechtsnachfolgerin des ursprünglich als Antragsteller zu 2 bezeichneten N. in das Verfahren eingetreten sein. Eine O. existiere nicht. Da die beiden erstgenannten Gesellschaften als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen sind, wären sie als Eigentümer eines "über die Straße" benachbarten Grundstücks berechtigt, Verstöße gegen die Grenzabstandsvorschriften zu rügen. Letztlich kann die Kammer diesen Punkt jedoch ebenso dahingestellt sein lassen wie die Frage, ob die Antragstellerin zu 3 als Mieterin eines Ladenlokals die Verletzung von Nachbarrechten geltend machen kann (vgl. Große-Suchsdorf, Lindorf, Schmaltz, Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 72 Rn 8 ff).
Denn das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Nachbarn, von der Vollziehung der angegriffenen Baugenehmigung verschont zu bleiben, das Interesse des Bauherrn an ihrer Ausnutzung überwiegt. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist das Risiko des Nachbarn, die Folgen der Verwirklichung der angegriffenen Maßnahme trotz möglichen späteren Erfolges in der Hauptsache dulden zu müssen, mit dem Risiko des Bauherrn abzuwägen, die Verwirklichung des Vorhabens trotz möglicher späterer Klageabweisung aufschieben zu müssen. Bei der zwischen beiden Folgeabschätzungen vorzunehmenden Abwägung spielt die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs in der Regel eine entscheidende Rolle. Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung lässt sich hier absehen, dass die Rechtsbehelfe der Antragsteller keinen Erfolg haben werden.
Die Anfechtung eines Vorbescheides bzw. einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn kann nur dann zum Erfolg führen, wenn der Vorbescheid bzw. die Genehmigung rechtswidrig sind und der Nachbar dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Die Zulassung des Bauvorhabens durch die Bauaufsicht verletzt einen Nachbarn dann in seinen Rechten, wenn sie mit Vorschriften nicht vereinbar ist, die - zumindest auch - die Funktion haben, nachbarliche Rechte zu schützen. Das ist hier nicht der Fall; weder die mit dem angefochtenen Vorbescheid erteilte Befreiung noch die erteilte Baugenehmigung verletzen nachbarschützende Vorschriften.
Die Antragsteller werden sich nicht erfolgreich auf einen Verstoß gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften berufen können. Insbesondere verstößt das geplante Umbauvorhaben der Beigeladenen nicht gegen Festsetzungen im derzeit noch gültigen Bebauungsplan Nr. 522, 2. Änderung der Antragsgegnerin, die als solche nachbarschützend sind bzw. denen im Hinblick auf die der Beigeladenen mit dem angefochtenen Vorbescheid erteilte Befreiung zumindest unter dem Blickwinkel des Gebots der Rücksichtnahme nachbarschützende Wirkung zukommt.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die mit Vorbescheid vom 02.04./18.08.09 erteilte Befreiung von der Kolonnadenfestsetzung nicht bereits deswegen unwirksam, weil sie in der später ergangenen Baugenehmigung nicht ausdrücklich wiederholt worden ist. Nach den Regelungen der NBauO büßt ein Bauvorbescheid seine Wirksamkeit durch Erteilung der entsprechenden Baugenehmigung nicht ein, sondern bleibt als "abgesplitterter Teil" der Baugenehmigung daneben erhalten (vgl. Große-Suchsdorf, a.a.O., § 74 Rn 28). Zudem stellt der angefochtene Bauvorbescheid der Antragsgegnerin aber auch einen Befreiungsbescheid dar. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 1 BauGB muss nicht in der Baugenehmigung erteilt werden, sondern kann Gegenstand eines gesonderten Befreiungsbescheides oder eben auch Inhalt eines Bauvorbescheides sein (vgl. Große-Suchsdorf, a.a.O., § 86 Rn 27).
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und entweder Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde; in jedem Fall muss die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein. In welchem Maß § 31 Abs. 2 BauGB dem betroffenen Nachbarn Drittschutz vermittelt, hängt davon ab, ob die Befreiung eine bereits aus sich heraus Nachbarschutz vermittelnde Festsetzung des Bebauungsplans oder eine nicht nachbarschützende Festsetzung betrifft. Weicht ein Bauvorhaben von einer aus sich heraus drittschützenden Festsetzung des Bebauungsplans ab, so kann es nur zugelassen werden, wenn die Abweichung durch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB gerechtfertigt wird. Dabei hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (grundlegend: BVerwG, Bes. v. 08.07.98 - 4 B 64/98 -, NVwZ-RR 1999, S. 8 ff [BVerwG 08.07.1998 - BVerwG 4 B 64/98]). Wird dagegen eine Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplanes erteilt, dann hat der Nachbar (nur) ein subjektiv-öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen; unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme i.V.m. § 15 BauNVO entwickelten Maßstäben zu beantworten (vgl. BVerwG, Bes. v. 08.07.98, a.a.O.).
Die Antragsgegnerin hat - um der Beigeladenen die Schließung der Kolonnaden zu ermöglichen - das Überschreiten einer Baugrenze und das Überbauen einer mit Gehrechten zugunsten der Allgemeinheit zu belastenden Fläche im Befreiungswege zugelassen. Diesen Festsetzungen kommt, da sie nicht zu den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung zählen, keine per se nachbarschützende Wirkung zu. Die Frage der drittschützenden Wirkung hängt daher von der Auslegung des Bebauungsplans ab. Nachbarschutz besteht erst dann, wenn sich aus dem Bebauungsplan oder dessen Begründung eine solche Schutzfunktion für einen abgrenzbaren Personenkreis entnehmen lässt.
Nach der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 522, 2. Änderungsfassung der Antragsgegnerin geht die Kammer davon aus, dass die Festsetzung einer Baugrenze und eines Gehrechtes (Kolonnaden) in erster Linie städtebaulichen Belangen dienen und allenfalls private Interessen der Anlieger westlich der Karmarschstraße ausgleichen sollen. Denn die mit einem Gehrecht für die Allgemeinheit festgesetzte Kolonnadenfläche sollte das regengeschütze Flanieren vor den Schaufenstern ermöglichen, mit der öffentlichen Fläche unter der nördlichen Gebäudespitze die Platzsituation am Kröpcke vergrößern, kurze Wege zwischen den Fußgängerzonen in der Karmarsch- und der Georgstraße sicherstellen und die Sichtbeziehung aus der Rathenaustraße auf die Fassaden der unteren Geschosse der Gebäude auf der Westseite der Karmarschstraße erhalten. Selbst wenn die Kammer diese Begründung dahingehend interpretiert, dass die Antragsgegnerin mit der Kolonnadefestsetzung neben einer Neuordnung des dem Fußgängerverkehr zur Verfügung stehenden öffentlichen Raumes auch den Schutz wirtschaftlicher Interessen der Anlieger westlich der Karmarschstraße beabsichtigte, können sich die Antragsteller nicht darauf berufen. Denn ihre Gebäude südlich der Ständehausstraße können in keiner Weise von der geschützten Sichtbeziehung profitieren; sie gehören jedenfalls nicht zum abgrenzbaren Kreis der durch die Kolonnadenfestsetzung u. U. geschützten Personen.
Anhaltspunkte dafür, dass sich die im Befreiungswege genehmigte Schließung der Kolonnaden den Antragstellern gegenüber rücksichtslos i.S.d. § 15 Abs. 1 BauNVO auswirken wird, sind der Kammer nicht ersichtlich. Das Geschäftshaus der Antragsteller zu 1 und 2 weist zur Ständehausstraße hin eine Frontlänge von insgesamt 30 m auf. Der Bebauungsplan Nr. 522, 2. Änderung sah diesem Geschäftshaus gegenüber aber nur im südwestlichen Bereich auf einer Länge von ca. 2 m Kolonnaden mit einer Tiefe von 2,50 m vor, so dass auch nur dieser kleine Abschnitt von der erteilten Befreiung berührt werden kann. Durch die Schließung der Kolonnaden wird die Kubatur des fünfgeschossigen Bauvorhabens nicht verändert, die an dieser Stelle mit der des unter dem 25.09.98 rechtskräftig genehmigten Umbauvorhabens im Wesentlichen identisch ist. Dieser Baumasse aber kommt eine erdrückende Wirkung zulasten der Antragsteller nicht zu. Das OVG Lüneburg hat bereits in seinem Beschluss vom 30.03.99 (1 M 897/99) dazu ausgeführt:
"Das Vorhaben hat auf die Grundstücke der Antragsteller keine im Rechtssinne "erdrückende Wirkung". Eine solche hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 -, DVBl. 1981, 928 = BRS 38 Nr. 186), dem der Senat folgt, für einen Fall angenommen, in dem das hinzutretende Vorhaben im Verhältnis zum vorhandenen Baubestand grob unangemessen groß war; neben einem zweigeschossigen Familienhaus waren 12 Geschosse in einer Entfernung von 15 m bis 23 m entstanden. Hier beträgt der Abstand zwischen den vorhandenen Gebäuden und den hinzutretenden Bauteilen zwar ebenfalls nur rund 14 m. Erdrückende Wirkung hat dies aber deshalb nicht, weil auch die Gebäude der Antragsteller nach den genehmigten Bauzeichnungen rund 18 m, möglicherweise sogar 19 m, nach der nunmehrigen Behauptung der Antragsgegnerin zum Teil sogar rund 20 m über Straßengrund aufragen und das angegriffene Vorhaben diese Höhen nur um bis zu rund 4,6 m überschreiten wird. Angesichts dessen kann von einer grob unangemessenen Relation der Baumassen keine Rede sein. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Umstandes, dass der Büroturm von 12 Vollgeschossen zur Ständehausstraße hin bestehen bleiben soll. Dieser ist (nun einmal) bestandskräftig genehmigt. Es kann nicht angenommen werden, durch das Hervortreten der Fassade um 50 cm und eine Erhöhung der bislang zerklüfteten Fassade auf insgesamt 22,6 m über Straßengrund würde nun gleichsam das Fass zum Überlaufen gebracht und die Grundstücke an der Südostseite der Ständehausstraße einem Bauzustand ausgesetzt, der ihre Gebäude in grob unangemessener Weise regelrecht erdrückt, dass sie hinter dem neuen Kröpcke-Center regelrecht verschwinden werden.
Dieser sich bereits nach der Aktenlage abzeichnende Eindruck wurde bei der Ortsbesichtigung des Senates erhärtet. ...
Danach kann ernstlich auch keine Rede davon sein, dass die Grundstücke der Antragsteller, namentlich die an der Südostseite der Ständehausstraße durch das angegriffene Vorhaben regelrecht "eingemauert" würden (vgl. dazu etwa OVG Saarlouis, Bes. v. 20.06.90 - 2 W 16.90 -, BRS 50 Nr. 118, S. 279)."
Dieser Bewertung schließt sich die Kammer auch unter Berücksichtigung des Umstands an, dass mit der nunmehr erteilten Befreiung eine etwa 2 m breite Schaufensterscheibe ca. 2, 50 m näher an das Gebäude Ständehausstraße 2 heranrückt. Eine mit dem Rücksichtnahmegebot nicht mehr zu vereinbarende erdrückende Wirkung entsteht dadurch nicht.
Eine Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften können die Antragsteller ebenfalls nicht erfolgreich rügen. Dies scheitert nicht bereits daran - hier folgt die Kammer der Wertung des OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 30.03.99 (1 M 897/99) -, dass das Geschäftshaus der Antragsteller selbst den Bauwich in Anspruch nimmt. Denn das Bauvorhaben der Beigeladenen wird die Straßenmittellinie der Ständehausstraße um etwa einem Meter weiter als das Gebäude der Antragsteller und damit nicht mehr gleichwertig überschreiten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Abstandsschatten des Umbauvorhaben der Beigeladenen ebenso wie der des 1998 genehmigten, insoweit nahezu identischen Vorhabens ihrer Rechtsvorgängerin die nach § 9 Abs. 1 NBauO maßgebliche Mittellinie der Ständehausstraße um 3,80 m überschreitet und so die nach §§ 7 ff NBauO vorgeschriebenen Grenzabstände nicht einhält. Nach Auffassung der Kammer war die Antragsgegnerin jedoch berechtigt, diese Abstandsunterschreitung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 NBauO zur Verwirklichung besonderer baugestalterischer und städtebaulicher Absichten ausnahmsweise zuzulassen. Dass Antragsgegnerin und Beigeladene mit dem Umbauvorhaben - soweit es hier im Streit steht - besondere baugestalterische und städtebauliche Absichten verfolgen und den Erfordernissen des Brandschutzes dennoch genügt wird, hat das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 30.03.99 (- 1 M 897/99 -, S. 24 bis 37 des Entscheidungsabdrucks) für das im Hinblick auf Höhe und Kubatur nahezu identische Umbauvorhaben der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bereits in aller Ausführlichkeit dargelegt. Hierauf nimmt die Kammer entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller werden diese die Abstandsunterschreitung rechtfertigenden besonderen baugestalterischen und städtebaulichen Absichten nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beigeladene nunmehr auf die ursprünglich vorgesehenen zweigeschossigen Kolonnaden entlang der Karmarsch- und der Georgsstraße verzichtet. Tragende Gestaltungsabsicht für das vor 10 Jahren verfolgte Umbauvorhaben war die Durchführung einer "Stadtreparatur" im zentralen Innenstadtbereich der Antragsgegnerin durch die Schließung des sog. Passerellenauges und durch Rückbesinnung auf die frühere Dreiecksform des fünfgeschossigen Conti-Blocks, um wieder klar definierte Straßen- und Platzräume entstehen zu lassen. Zudem sollte die vorhandene unruhig-düstere Fassadengestaltung durch eine klar gegliederte, glatte Fassade aus freundlichem Material ersetzt werden. Diesen gestalterischen und städtebaulichen Absichten wird aber auch das Umbauvorhaben der Beigeladenen gerecht. Die ursprünglich vorgesehenen Rundum-Kolonnaden stuft die Kammer dagegen nur als ein dem Zeitgeist der 1990er Jahre geschuldetes Planungsdetail ein, an dem modernen architektonischen Leitbildern folgend nicht mehr festgehalten werden soll, um die Erkennbarkeit und Einsehbarkeit der Schaufensterauslagen vom öffentlichen Straßenraum aus zu verbessern. Die der Kolonnade an der nördlichen Gebäudespitze weiter zukommende besondere gestalterische Aufgabe, die Wucht des hier nach Art eines Schiffsbugs vorragenden Gebäudes architektonisch abzumildern (vgl. OVG Lüneburg, Bes. v. 30.03.99, - 1 M 897/99 -, S. 27 des Entscheidungsabdrucks), kann auch das Umbauvorhaben der Beigeladenen erfüllen, das an allen drei Gebäudespitzen weiterhin zweigeschossige Kolonnaden - wenn auch nicht mehr in der ursprünglichen Tiefe - vorsieht.
In ihrer Ausnahmeentscheidung vom 12.10.09 führt die Antragsgegnerin weiter an, mit dem nunmehr entwickelten Konzept "Turm aus dem Block" werde auch der bisher gestaffelte Turmaufbau mit seiner abweisenden Waschbetonfassade in den Gebäudeblock integriert. Die im Zentrum der Stadt singulär gebliebene Höhenentwicklung solle durch eine Erweiterung der unteren Turmgeschosse, eine gestaffelte Kubatur zur Turmspitze hin und eine mit den unteren Geschossen harmonierende Fassadengestaltung eine überhöhte Mitte der Stadt als identitätsstiftendes Merkmal schaffen. Ob diese Gestaltungsabsichten derart besonders sind, dass sie die im Turmbereich eintretende Abstandsüberschreitung vom immerhin rd. 16 m - der Abstandsschatten nimmt dann neben der kompletten Ständehausstraße auch etwa die Hälfte der südlich angrenzenden Gebäude in Anspruch - rechtfertigen können, kann die Kammer offen lassen, da weder der angefochtene Vorbescheid noch die Baugenehmigung die Turmgeschosse betreffen.
Die Antragsgegnerin ist im Rahmen der nach § 13 NBauO getroffenen Ausnahmeentscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass trotz der Abstandsunterschreitung der unteren fünf Geschosse den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse im Geschäftshaus der Antragsteller zu 1 und 2 noch mindestens gleichwertig entsprochen werden kann, § 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO. Mit der von den Antragstellern gerügten Verschlechterung der Belichtungssituation insbesondere für die Wohnung im Gebäude Ständehausstraße 2 hat sich die Kammer ausführlich in ihrem Urteil vom 21.11.02 (4 A 5617/00) auseinander gesetzt, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Die damals gewonnene Erkenntnis, dass durch eine hinreichend helle Fassadengestaltung auch bei Umbau der unteren fünf Geschosse des Kröpckecenters ein Tageslichtquotient > 1 in der Betriebsleiterwohnung und damit eine für Wohn- und Arbeitsräume in jedem Fall ausreichende Belichtung gewährleistet werden kann, wird jedoch durch das im Genehmigungsverfahren vorgelegte Gutachten "Zur Frage der Tageslichtverhältnisse in der Ständehausstraße in Hannover" von Prof. Dipl.- Ing. J. (März 2009) grundlegend in Frage gestellt.
Auf der Basis dieses Gutachtens, das von den Antragstellern substantiiert nicht in Frage gestellt worden ist, geht die Kammer für die Veränderung der Besonnungssituation davon aus, dass die Räume im Gebäude Ständehausstraße 2-3 aufgrund der geographischen Lage Hannovers und der Ausrichtung der Fassaden in der Ständehausstaße nach Nordnordwesten auch dann nicht ausreichend besonnt würden, wenn das Baugrundstück der Beigeladenen vollständig unbebaut wäre (S. 4 des Gutachtens). Das Umbauvorhaben der Beigeladenen kann also auf die Besonnung der Räume in den Gebäuden der Antragsteller keinen Einfluss haben.
Ihre im Urteil vom 21.11.02 noch vorgenommene Einschätzung, dass der nach DIN 5034 Teil 1 Nr. 4.3.1.1 (Helligkeit in Wohnräumen) als ausreichend angenommene Tageslichtquotient von 0,9 in der Raummitte der betroffenen Wohnräume allein durch eine hinreichend reflektierende Fassadengestaltung des Umbauvorhabens erreicht werden kann, kann die Kammer allerdings nicht mehr aufrechterhalten. Denn der 1999 beauftragte Dipl.-Ing Steck hatte bei seiner Begutachtung die nach der geltenden DIN 5034 Teil 3 vorgeschriebenen Minderungsfaktoren für Verglasung, Versprossung und Verschmutzung sowie die sog. Indirektkomponente, sprich den durch Mehrfachreflexion an den Raumerschließungsflächen bedingten Indirektanteil des Lichts, außer Acht gelassen und zudem - nicht DIN-konform - nur den Raummittelpunkt betrachtet. Berücksichtigt man diese Faktoren, lässt sich ein angemessener Tageslichtquotient nur erreichen, wenn neben einer optimal reflektierenden Fassadengestaltung durch die Beigeladene in der im Gebäude der Antragsteller zu 1 und 2 gelegenen Wohnung ein den Anforderungen an eine ausreichende Sichtbeziehung nach DIN 5034 Teil 1 entsprechendes Fenster eingebaut und ein Anstrich der Wohnungswände mit moderner weißer Farbe vorgenommen wird (S. 7 des Gutachtens, Anlage S. 10). Ohne die beiden letztgenannten, in die Sphäre der Antragsteller fallenden Maßnahmen verschlechtert sich der Tageslichtquotient in der Wohnung am Bezugspunkt Zimmermitte von derzeit 0,91 auf 0,50 (S. 3 und 8 des Anhangs zum Gutachten), was darauf zurückzuführen ist, dass mit dem Umbauvorhaben der Beigeladenen der Himmelslichtanteil für die Wohnung weitgehend verloren geht.
§ 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO verlangt jedoch nicht, dass auch bei Unterschreitung des Grenzabstandes Belichtungsverhältnisse entstehen, die den Vorschriften der DIN 5034 entsprechen. Denn der in der DIN 5034 definierte Tageslichtquotient ist kein absoluter Maßstab in dem Sinne, dass jede Unterschreitung des geforderten Tageslichtquotienten zu ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen führen würde. Der Tageslichtquotient dient der Kammer vielmehr als Vehikel, um Tageslicht beschreibbar und damit Beleuchtungsverhältnisse vergleichbar zu machen. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO sind nämlich Beleuchtungsverhältnisse zu vergleichen, denn Satz 2 fordert grundsätzlich für die zugelassene Abstandsunterschreitung mindestens gleichwertige Wohn- und Arbeitsverhältnisse, wie sie bei Einhaltung der Abstände bestehen würden. Die von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen bislang stets angestellten Vergleiche zwischen der Belichtungssituation bei bestehender Bebauung, 1999 geplanter Bebauung und nunmehr geplanten Bebauung sind dagegen im Rahmen des § 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO nicht relevant. Nach Auffassung der Kammer muss die bei zugelassener Abstandsunterschreitung entstehende Belichtungssituation grundsätzlich mindestens gleichwertig derjenigen Situation sein, die der betroffene Nachbar vorfinden würde, wenn das Baugrundstück abstandskonform bebaut werden würde; das Bauvorhaben der Beigeladenen also eine Traufhöhe von 14 m an der Ständehausstraße nicht überschreiten würde (vgl. OVG Lüneburg, Bes. v. 30.03.99, - 1 M 897/99 -, S. 32 des Entscheidungsabdrucks; Urt. v. 22.10.08, - 1 KN 215/07 -).
Diese dem Grundstücksnachbar grundsätzlich zustehenden Belichtungsverhältnisse können die Antragsteller zu 1 und 2 jedoch nicht einfordern, weil ihre Gebäude selbst den geforderten Grenzabstand von 1/2 H zur Mitte der Ständehausstraße nicht einhalten. Sie können daher nur Wohn- und Arbeitsverhältnisse verlangen, wie sie entstehen würden, wenn das Bauvorhaben der Beigeladenen den vorgeschriebenen Grenzabstand nur in gleicher Weise wie sie selbst überschreiten würde, wobei die Kammer bei der Berechnung der Abstandsunterschreitung für das Gebäude der Antragsteller noch von der "alten", größeren Breite der Ständehausstraße ausgeht, weil es sich um Bestand handelt. Für die Antragsteller zu 1 und 2 ist bei der Bewertung im Rahmen des § 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO also der Vergleich zwischen der Belichtungssituation bei zugelassener Abstandsunterschreitung und der Belichtungssituation bei Bebauung des Baugrundstücks mit einer maximalen Traufhöhe von 19,50 m.
Hierzu hat der Gutachter Prof. Dipl.- Ing. J. in der mündlichen Verhandlung für die Kammer nachvollziehbar folgendes ausgeführt: Da durch die Auflage Nr. 24 zur Baugenehmigung sichergestellt wird, dass die zur Ständehausstraße gewandte Fassade des Kröpckecenters einen Reflexionsgrad von mindestens 0,4 aufweist, wird mit der von der Beigeladenen geplanten Bebauung in den gegenüberliegenden Wohnräumen ein Tageslichtquotient erreicht, der den in der dem Lichtgutachten beigefügten Tabelle 1 (zweite Spalte) genannten Wert von 0,27/0,23 um ca. 10 bis 15 % übersteigen wird und etwa den Wert 0,3 erzielt. Bei einer Bebauung des Baugrundstücks mit einer Traufhöhe von 19,5 m und einer Fassade mit einem mittleren Reflexionsgrad von 0,2 - eine hellere Fassade könnten die Antragsteller bei abstandskonformer Bebauung nicht verlangen - würde in den Wohnräumen gegenüber ein Tageslichtquotient erreicht, der 10 bis 15 % unter 0,4 bis 0,5 liegt, als etwa bei 0,39. Die somit maßgeblichen Tageslichtquotienten sind 0,3 für die geplante Bebauung und 0,39 für die von den Antragstellern auch ohne Ausnahmeentscheidung hinzunehmende Bebauung. Diese Werte hält die Kammer ohne weiteres für mindestens gleichwertig i.S.d. § 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO, weil das menschliche Auge nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters in der mündlichen Verhandlung Unterschiede von 0,1 bei den Tageslichtquotienten kaum wahrnehmen kann und für eine Verdopplung der Helligkeit etwa eine Vervierfachung des Tageslichtquotienten erforderlich wäre. Einer noch weitergehenden wertenden Betrachtung, in die u. U. das gewählte Fassadenmaterial oder sie besondere Qualität der Gestaltung einbezogen werden müssten, bedarf es daher nicht (vgl. dazu OVG Lüneburg, Bes. v. 30.03.99, - 897/99 -, S. 36 des Entscheidungsabdrucks).
Die Kammer geht zumindest für ihre Entscheidung im Eilverfahren davon aus, dass diese anhand der im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung angestellte Vergleichsbetrachtung in vergleichbarer Weise auch für die im Gebäude der Antragsteller vorhandenen Praxis- und Schulungsräume zutreffen wird. Da die von den Antragstellern auch ohne Ausnahmeentscheidung hinzunehmende Bebauung mit 19,5 m etwa genau so hoch sein dürfte wie das Gebäude der Antragsteller zu 1 und 2 mit 20, 2 m, werden auch in den Räumen im dritten und vierten Obergeschoss vergleichbare Belichtungssituationen entstehen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann die Schutzwürdigkeit dieser Räume gegenüber Wohnräumen nicht geringer eingestuft werden. Denn § 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO verlangt gleichwertige gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Auch die DIN 5034 differenziert insoweit nicht, sondern gilt für alle Aufenthaltsräume einschließlich der Arbeitsräume (Pkt. 1 der DIN 5034), soweit die Arbeitsräume Abmessungen aufweisen, die mit denen von Wohnräumen vergleichbar sind (Pkt. 3.1.2 DIN 5034).
Ob gleichwertige Belichtungsverhältnisse im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 NBauO in den beiden oberen Geschossen des Gebäudeteils Ständehausstraße 3 noch gewährleistet werden können, wenn auch die Turmgeschosse umgebaut werden, erscheint fraglich, bedarf aber im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, da die Baugenehmigung für die Turmgeschosse bislang nicht Streitgegenstand ist.
Die Antragsteller können nicht mit Erfolg gelten machen, das genehmigte Bauvorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil es die ohnehin schon in der Ständehausstaße herrschende Zugluft noch unzumutbar verstärke. Der Abwehranspruch der Antragsteller zu 1 und 2 ist hier darauf beschränkt, in ihren Gebäuden noch gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse vorzufinden (so OVG Lüneburg, Bes. v. 30.03.99 - 1 M 897/99 -), weil dem Bauvorhaben zugewandte Freiflächen auf dem Grundstück der Antragsteller zu 1 und 2 nicht vorhanden sind. Dem im Bauleitverfahren zur 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 522 eingeholten Gutachten der P., Aachen " Windkanaluntersuchungen zum Windkomfort am Center am Kröpcke in Hannover"(2009) entnimmt die Kammer, dass sich die Zugluftsituation in der Ständehausstraße gegenüber der 1998 rechtskräftig genehmigten Umbauvariante verbessern und die vom Menschen noch als behaglich empfundene Windgeschwindigkeit von 5 m/sek (entspricht der Windstärke 3, schwache Brise) nur an etwa 80 Tagen im Jahr überschritten wird. Bedenkt man dabei, dass 1. eine Überschreitung des Behaglichkeitsgrenzwertes nicht erst angenommen wird, wenn der Wind den ganzen Tag über so stark weht, und 2. für Straßen und Bürgersteige ungefähr 72 Überschreitungstage im Jahr als tolerabel angesehen werden, kann die Kammer keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der unter Berücksichtigung des Umbauvorhabens der Beigeladenen durch die Ständehausstraße wehende Wind das gesunde Wohnen und Arbeiten in den Gebäuden der Antragsteller gefährden könnte.
Aus der von der Antragstellerin zu 3 in den Sommermonaten durchgeführten Außenbewirtschaftung kann ein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht ebenfalls nicht hergeleitet werden. Denn die Außengastronomie ist nicht baugenehmigt, sondern wird von der Antragsgegnerin nur über befristete Sondernutzungserlaubnisse und Baugenehmigungen zur Aufstellung von Windschutzanlagen bewilligt. Daraus kann die Antragstellerin zu 3 eine öffentlich-rechtliche Position zur Abwehr erhöhter Zugluft nicht herleiten (so OVG Lüneburg, Bes. v. 30.03.99, - 1 M 897/99 -).
Eine Verletzung der Antragsteller zu 1 und 2 in ihren Rechten ist auch insoweit nicht erkennbar, als sie sich auf eine Gefährdung der Standfestigkeit ihres Geschäftshauses durch das Bauvorhaben der Beigeladenen berufen. Insoweit stützen sie sich auf § 1 Abs. 7 NBauO, wonach Baumaßnahmen so durchzuführen sind, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet wird (Satz 1) und dabei unzumutbare Belästigungen nicht entstehen dürfen (Satz 2). Bezogen auf die von den Antragstellern zu 1 und 2 befürchteten Setzungsschäden an ihren Gebäuden wird diese Verpflichtung durch § 18 Satz 3 NBauO konkretisiert, wonach die Standsicherheit anderer Anlagen bei einem Bauvorhaben nicht gefährdet werden darf. Allerdings verpflichtet diese Regelung die Bauaufsichtsbehörde nicht, bereits im Baugenehmigungsverfahren durch entsprechende Auflagen sicherzustellen, dass die Tragfähigkeit des Baugrundes nicht gefährdet wird (vgl. Große-Suchsdorf, a.a.O., § 72 Rn 68 unter Hinweis auf VGH Mannheim, Bes. v. 19.12.96, - 8 S 3190/96 -, BRS 59 Nr. 107). Es spricht Überwiegendes für die Auslegung, wonach § 18 Satz 3 NBauO nur die Bauausführung betrifft. Eine generelle Verpflichtung, auf die Auswirkungen von Baumaßnahmen in jedem Fall bereits bei der Baugenehmigung Bedacht zu nehmen, besteht indes nicht. Anderes mag gelten, wenn mögliche Schäden bereits bei Erteilung der Baugenehmigung absehbar sind, etwa bei der Verwendung gemeinsamer Bauteile oder wenn ein Bauvorhaben in besonders geringem Abstand zu einem bereits Bestehenden ausgeführt werden soll, weil damit zwangsläufig durch die Baumaßnahmen und die Bauausführung andere Gebäude betroffen sind (vgl. Bes. der Kammer v. 03.09.04, - 4 B 4217/04 -, auch Bes. der 12. Kammer des erkennenden Gerichts vom 24.03.2004 - 12 B 255/04). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Nach der Stellungnahme des Ingenieurs Q. vom 11.09.09 ist die Umbaumaßnahme der Beigeladenen nicht mit der Erstellung einer Baugrube verbunden, so dass eine Hauptgefahr für die benachbarte Bebauung entfällt. Wegen des unter dem Kröpckecenters liegenden U-Bahnknotenpunktes müssen die Lastveränderungen über die sechs Untergeschosse abgefangen werden. Da sich Lastveränderungen in großer Tiefe günstig auf das Setzungsverhalten auswirken, ist für die Gebäude der Antragsteller zu 1 und 2 allenfalls mit Setzungen im Millimeterbereich zu rechnen. Die Gefahr erheblicher Schäden oder gar der Standsicherheit besteht daher nicht, so dass für die Antragsgegnerin keine Veranlassung bestand, diese entfernte Möglichkeit bereits in der Baugenehmigung zu regeln. Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene die Bauarbeiten mit einem privatrechtliches Beweissicherungsverfahren auf ihre Kosten begleitet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt das Gericht den Streitwertkatalog der Bausenate des Nds. OVG nach dem 01.01.2002 zugrunde und bewertet die von den Antragstellern zu 1 und 2 geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Geschäftshauses mit 50 000 €. Dazu sind noch 15 000 € für die von der Antragstellerin zu 3 gerügte Beeinträchtigung ihres Gastronomiebetriebes zu addieren. Da das hier vorliegende Eilverfahren die Hauptsache weitgehend vorweg nimmt, sieht die Kammer davon ab, diesen Wert zu halbieren.