Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 06.09.2019, Az.: 13 U 69/18

Spezifische gesundheitsbezogene Angabe; Zugelassener Health Claim

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
06.09.2019
Aktenzeichen
13 U 69/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 41691
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 24.05.2018 - AZ: 7 O 3/18

Fundstellen

  • GRUR-Prax 2019, 537
  • IPRB 2020, 59-60
  • ZAP EN-Nr. 731/2019
  • ZAP 2019, 1288

Amtlicher Leitsatz

1. Die Werbung mit der Aussage "kein zugesetzter Zucker" stellt eine nährwertbezogene Angabe dar, die gegen Art. 8 Abs. 1 HCVO i.V.m. deren Anhang verstößt, wenn dem Produkt Honig zum Süßen zugesetzt ist.

2. Bei der Aussage "Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge" handelt es sich um eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe i.S.v. Art. 10 Abs. 1 HCVO, die keinem zugelassenen Health Claim entspricht. Insbesondere kann sich die Verwenderin insoweit nicht auf einen Claim für Fructose stützen, weil gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10, 13 HCVO nur zu dem jeweiligen Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden dürfen, für die sie nach der Gemeinschaftsliste zugelassen sind, nicht jedoch zu dem Lebensmittelprodukt, das diese Elemente enthält, ohne den der zugelassenen Aussage zugrundeliegenden Zusammenhang mit der Substanz etc. herauszustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 - I ZR 232/15, juris Rn. 7 m.w.N.; Senatsurteil vom 22. Oktober 2015 - 13 U 123/14 -, juris Rn. 53 ff.).

3. Die Werbung "enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel" stellt ebenfalls eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe dar, die keinem zugelassenen Health Claim entspricht. Sie ist auch nicht deshalb als zulässig anzusehen, weil sie allgemein gehalten ist und das beworbene Produkt unstreitig verschiedene Vitamine und Mineralstoffe enthält.

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers sowie unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das am 24. Mai 2018 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Lüneburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "A. Vitalkost" zu werben:

a) "Kein zugesetzter Zucker",

b) "Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge",

c) "Enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel", ohne zugleich den Stoff/die Stoffe anzugeben, für den diese gesundheitsbezogene Angabe zugelassen wurde,

sofern dies jeweils geschieht, wie in der Anlage K 3 wiedergegeben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2018 zu zahlen.

3. Der Hilfsantrag der Beklagten auf Bewilligung einer Aufbrauchfrist wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der Unterlassungsansprüche durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von jeweils 20.000 € sowie eine Vollstreckung wegen der Kosten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung der Unterlassungsansprüche Sicherheit in jeweils gleicher Höhe und vor der Vollstreckung wegen der Kosten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird - zugleich gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung - auf 60.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere im Rahmen des lauteren Wettbewerbs, gehört. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das das Lebensmittel "A. Vitalkost" herstellt.

Die Beklagte bewarb dieses Lebensmittel in der Zeitschrift "P.", Heft 45/2017, dort S. 22 und 23, unter anderem mit den Aussagen:

"Kein zugesetzter Zucker",

"Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge", sowie

"Enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Anlage K 3 (Bl. 57 f. d.A.) Bezug genommen. Der Kläger hält die Werbung mit den vorgenannten Aussagen u.a. wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der VO (EG) Nr. 1924/2006 (im Folgenden: HCVO) für unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und der Beklagten die Verwendung der Aussage "Kein zugesetzter Zucker" untersagt, weil es sich um eine nährwertbezogene Angabe handele, die gegen Art. 8 Abs. 1 HCVO i.V.m. deren Anhang verstoße. Hinsichtlich der weiteren Werbeaussagen hat die Kammer die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Aussage über Honig sei von einem Health Claim für Fructose gedeckt. Die Werbung mit den enthaltenen Vitaminen und Mineralstoffen nehme allgemein auf die Inhaltsstoffe des Produktes Bezug und sei deshalb nicht unzulässig. Es wäre überzogen, von dem Werbenden die Nennung einzelner Inhaltsstoffe sowie der darauf bezogenen Health Claims zu verlangen. Wegen der weiteren Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich beide Parteien mit der wechselseitigen Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Kläger hält insbesondere an seiner Auffassung fest, dass die Werbeaussage über Honig von dem Health Claim für Fructose nicht gedeckt sei. Auch die Angabe zu den enthaltenen Vitaminen und Mineralstoffen sei unzulässig, weil dieser pauschale Hinweis gegen die HCVO verstoße. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf seine Berufungsbegründung (Bl. 186 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "A. Vitalkost" zu werben:

1. "Kein zugesetzter Zucker",

2. "Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge",

3. "Enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel", ohne zugleich den Stoff/die Stoffe anzugeben, für den diese gesundheitsbezogene Angabe zugelassen wurde,

sofern dies jeweils geschieht, wie in der Anlage K 3 wiedergegeben.

II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Ferner beantragt die Beklagte hilfsweise,

ihr eine Aufbrauchfrist von sechs Monaten einzuräumen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Die Beklagte meint, die Angabe zu dem im Produkt enthaltenen Honig sei von dem Health Claim für Fructose gedeckt. Insbesondere sei die Beklagte nicht verpflichtet, in ihrer Werbung auf Fructose hinzuweisen, weil sich der Claim nicht auf Fructose in Alleinstellung beziehe, sondern auf ein nicht bezeichnetes Lebensmittel, dessen Saccharose- oder Glucosegehalt reduziert sei. Durch die Süßung des Produktes mit Honig sei der Gehalt hier etwa 50 % niedriger als bei Verwendung von Industriezucker, was sich aus der Zusammensetzung von Honig ergebe. Die Werbung betreffend die enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe durch die Aussage "enthaltene Vitamine und Mineralstoffe" zum Ausdruck gebracht, dass nur ein Teil der Stoffe über die ausgelobte Wirkung verfüge. Eine genauere Auflistung aller Stoffe sei als unverhältnismäßig anzusehen.

Mit ihrer eigenen Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage, soweit eine Verurteilung wegen der Angabe "kein zugesetzter Zucker" erfolgt ist, abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Aktivlegitimation des Klägers sei nicht nachgewiesen. Ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Angabe "kein zugesetzter Zucker" bestehe nicht, weil es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht um eine nährwertbezogene Angabe handele. Der Hinweis auf den fehlenden Zucker beziehe sich ausschließlich auf die Natürlichkeit der Zutaten. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf ihre Berufungsbegründung (Bl. 163 ff. d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet, diejenige der Beklagten hingegen unbegründet. Dem Kläger stehen die drei geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3 a UWG i.V.m. Art. 1 Abs. 3, Art. 3, Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 13 ff. VO (EG) Nr. 1924/2006 (im Folgenden: HCVO) zu (dazu nachfolgend 1.). In der Folge hat der Kläger auch Anspruch auf Erstattung seiner Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (dazu nachfolgend 2.). Der Beklagten ist schließlich auf ihren Hilfsantrag hin keine Aufbrauchfrist einzuräumen (dazu nachfolgend 3.).

1. Die Unterlassungsansprüche sind begründet.

a) Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Ihm gehört eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Dabei stehen sich Waren und Dienstleistungen ihrer Art nach - jedenfalls zum Teil - so nahe, dass der Absatz des einen Unternehmens durch ein wettbewerbswidriges Handeln des anderen Unternehmens beeinträchtigt werden kann. Dem Kläger gehören ausweislich der als Anlage K 1 vorgelegten Mitgliederliste mit Stand vom 2. Januar 2018 (Bl. 26 ff. d.A.) eine Vielzahl unter anderem von Herstellern und Vertreibern von Nahrungsergänzungsmitteln, weiter von Fitness- und Figur-Studios, von Apotheken, Ärzten, Heilpraktikern und Ernährungsberatern an.

Im Übrigen hat der Senat die Klagebefugnis des Klägers gerade im Verhältnis zur Beklagten in der Vergangenheit regelmäßig bejaht (vgl. nur Urteil vom 4. September 2018 - 13 U 37/18, nicht veröffentlicht, den Parteien bekannt). Gründe für eine abweichende Beurteilung im vorliegenden Fall bestehen nicht.

b) Die Regelungen der HCVO dienen dem Schutz der Verbraucher und stellen daher Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3 UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher i. S. d. § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12, juris Rn. 10 m.w.N.). Bei dem Produkt "A. Vitalkost" handelt es sich unstreitig um ein Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 a) HCVO, Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 178/2002.

c) Die vom Kläger angegriffenen Werbeaussagen stellen in dem in der Anlage K 3 (Bl. 57 f. d.A.) wiedergegebenen Zusammenhang jeweils unzulässige geschäftliche Handlungen i.S.v. § 2 Abs. 1 UWG dar. Insoweit gilt hinsichtlich der Unterlassungsanträge zu 1. bis 3. im Einzelnen Folgendes:

aa) Die Werbung mit der Aussage

"Kein zugesetzter Zucker"

(Klageantrag zu I.1.) stellt eine nährwertbezogene Angabe i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, 4 HCVO dar, die nach Art. 3 HCVO verboten ist, weil sie dieser Verordnung nicht entspricht, da sie nicht im Anhang zur Verordnung aufgeführt ist und den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen entspricht, § 8 Abs. 1 HCVO.

(1) Die vorgenannte Aussage stellt eine nährwertbezogene Angabe i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, 4 HCVO dar, weil mit dem Hinweis auf den fehlenden Zuckerzusatz zum Ausdruck gebracht wird, dass das Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund des Umstandes, dass ihm der Nährstoff Zucker nicht hinzugesetzt worden sei (Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 b) iii) HCVO).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Werbeaussage in Zusammenhang mit der "Natürlichkeit" der Zutaten von A. steht. Der Verordnung lässt sich bereits nicht entnehmen, dass das Verbot der Angabe "ohne Zuckerzusatz" sich nur auf die süßende Wirkung des Zuckers (o.a. Stoffe) bezieht. Vielmehr reicht es nach der Definition der nährwertbezogenen Angabe aus, dass die behauptete positive Eigenschaft des fehlenden Zuckerzusatzes nach Auffassung der Beklagten "nur" in der "Natürlichkeit" des Produktes besteht. Im Übrigen lässt sich diese "Natürlichkeit" aber auch - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verbraucherkreise nicht von der süßenden Wirkung des Zuckers und seines Ersatzes durch Honig trennen. Vielmehr besteht die "Natürlichkeit" nach Auffassung der Beklagten gerade darin, dass zum Süßen des Diätdrinks statt Zucker Honig zugesetzt ist (vgl. S. 4 der Klageerwiderung, Bl. 97 d.A., im ersten Absatz: "Es geht also nicht darum zu verschleiern, dass das Lebensmittel eine andere Süße, nämlich Honig enthält. Es geht der Beklagten vielmehr darum, mit diesem Hinweis die Natürlichkeit der süßenden Zutat Honig herauszustellen.").

(2) Die Werbung der Beklagten verstößt deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 HCVO i.V.m. deren Anhang, weil danach die Angabe, einem Lebensmittel sei kein Zucker zugesetzt worden, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, nur zulässig ist, wenn das Produkt keine zugesetzten Mono- oder Disaccharide oder irgendein anderes wegen seiner süßenden Wirkung verwendetes Lebensmittel enthält. Diese Voraussetzung ist bei dem Produkt der Beklagten, welches nach ihren eigenen Angaben zu 25 % aus Honig besteht, unstreitig nicht erfüllt. Denn bei Honig handelt es sich um ein anderes Lebensmittel, dass die Beklagte nach ihrem eigenen - oben unter (1) zitierten - Vorbringen zum Süßen des Diätdrinks einsetzt.

bb) Bei der Aussage

"Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge"

(Klageantrag zu I.2.) handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, 5 HCVO, die nach Art. 3 HCVO verboten ist, weil sie dieser Verordnung nicht entspricht, insbesondere deshalb, weil sie nicht gemäß dieser Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO, 13 f. HCVO aufgenommen ist.

(1) Die vorgenannte Aussage stellt eine gesundheitsbezogene Angabe i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, 5 HCVO dar, weil sie suggeriert, dass ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit - nämlich dem Blutzuckerspiegel - andererseits besteht. Der Begriff der "gesundheitsbezogenen Angabe" erfasst jeden Zusammenhang, der insbesondere eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (näher: BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 178/12, juris Rn. 16 m.w.N.). Maßgeblich ist dabei das Verständnis des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (BGH, a.a.O. Rn. 17).

(2) Es handelt sich in dem vorliegenden Zusammenhang auch um eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe i.S.d. Art. 10 Abs. 1 HCVO, die einen derart speziellen Wirkzusammenhang beschreibt, dass diese Aussage Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnte (dazu: BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 - I ZR 222/13, juris Rn. 25 m.w.N.). Die vorgenannte Aussage, die sich unter der Überschrift "Einfach A." und der Unterüberschrift "Kein zugesetzter Zucker" findet und die die Eigenschaften des Produktes beschreibt, suggeriert für die angesprochenen Verkehrskreise, dass mit dem Verzehr des Produktes der Beklagten ein positiver Effekt auf den Blutzuckerspiegel erzielt werde.

(3) Diese gesundheitsbezogene Aussage entspricht keinem zugelassenen Health Claim. Insbesondere ist sie nicht durch den Claim für Fructose gedeckt, der die Angabe zulässt:

"Der Verzehr von Lebensmitteln, die Fructose enthalten, führt zu einem geringeren Glukoseanstieg im Blut im Vergleich zu Lebensmitteln, die Saccharose oder Glucose enthalten."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesgerichtshofs dürfen gesundheitsbezogene Angaben nach Art. 10, 13 HCVO nur zu dem jeweiligen Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden, für die sie nach der Gemeinschaftsliste zugelassen sind, nicht jedoch zu dem Lebensmittelprodukt, das diese Elemente enthält, ohne den der zugelassenen Aussage zugrundeliegenden Zusammenhang mit der Substanz etc. herauszustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 - I ZR 232/15, juris Rn. 7 m.w.N.; Senatsurteil vom 22. Oktober 2015 - 13 U 123/14 -, juris Rn. 53 ff.). Entsprechendes gilt im vorliegenden Fall, in dem die Beklagte die gesundheitsbezogene Angabe nicht für die Substanz Fructose, sondern für das Lebensmittel Honig als Bestandteil des Produktes A. gemacht hat. Für Honig gibt es eine Vielzahl eigener Health Claims, die jedoch (noch) nicht zugelassen sind. Ein zugelassener Claim betreffend den Anstieg des Blutzuckerspiegels existiert für Honig also nicht.

Zwar hängt die Zulässigkeit der Verwendung einer gesundheitsbezogenen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 HCVO grundsätzlich nicht davon ab, dass die verwendete Angabe mit einer zugelassenen Angabe wörtlich übereinstimmt. Bei der Prüfung, ob eine verwendete gesundheitsbezogene Angabe mit einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe gleichbedeutend ist, ist aber grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Die Annahme einer inhaltlichen Übereinstimmung zwischen zugelassener und verwendeter Angabe setzt jedenfalls voraus, dass die zugelassene Angabe und die verwendete Angabe hinsichtlich des Nährstoffs, für die die Angabe zugelassen wurde bzw. verwendet wird, übereinstimmen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 - I ZR 222/13, juris Rn. 51 ff.). Daran fehlt es hier aus den vorgenannten Gründen, weil die die zugelassene Angabe sich auf Fructose bezieht und die Beklagte sie für Honig verwendet hat.

Aus dem Umstand, dass die zugelassene Angabe nach dem vorgenannten Health Claim von "Lebensmitteln, die Fructose enthalten", spricht, folgt hier nichts anderes. Denn die Beklagte hat in der streitgegenständlichen Werbeaussage keinen Bezug zwischen dem Lebensmittel Honig und der darin enthaltenen Fructose hergestellt, wie es z.B. mit einer Formulierung wie "Die in Honig enthaltene Fructose lässt den Blutzuckerspiegel deutlich langsamer ansteigen..." möglich gewesen wäre. Anders als das Landgericht meint, kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass dem durchschnittlichen Verbraucher bekannt ist, dass Honig hauptsächlich aus den beiden Zuckerarten Fructose und Glucose besteht, wobei der Fructoseanteil leicht höher ist. Darauf, ob "die Zusammensetzung von Honig auf vielen Ebenen abrufbar und gerichtsbekannt" ist, wie das Landgericht weiter ausführt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Allerdings ergibt sich aus dem von der Beklagten selbst vorgelegten Auszug aus einem Lebensmittellexikon (Bl. 106 d.A.), dass unterschiedliche Arten von Honig in ihrer Zusammensetzung grundlegend voneinander abweichen und dass es sogar Arten gibt, die zu fast 100% aus Saccharose bestehen.

Der Senat hat im Übrigen bereits in den Verfahren 13 U 123/14 und 13 U 47/15 entschieden, dass die Beklagte für ihr Produkt nicht mit der Angabe "reguliert nachweislich den Blutzuckerspiegel" werben darf.

cc) Die Werbung

"enthaltene Vitamine und Mineralstoffe unterstützen den normalen Energiestoffwechsel"

(Klageantrag zu I.3.) stellt aus den o.g. Gründen ebenfalls eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe dar, weil sie dem Verzehr von A. einen positiven Einfluss auf den Stoffwechsel zuschreibt.

Diese gesundheitsbezogene Angabe entspricht ebenfalls keinem zugelassenen Health Claim. Ein solcher wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Werbung nicht deshalb als zulässig anzusehen, weil sie allgemein gehalten ist und weil das Produkt der Beklagten unstreitig verschiedene Vitamine und Mineralstoffe enthält. Aus der HCVO und der hierzu ergangenen, vorstehend angeführten Rechtsprechung ergibt sich gerade, dass die Beklagte, wenn sie ihr Produkt mit einem positiven Einfluss auf die Gesundheit - hier den Energiestoffwechsel - bewerben will, diese Wirkung an einem zugelassenen Claim für einen konkreten Produktbestandteil (z.B. Vitamin C) festmachen muss. Wenn die Beklagte gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO sogar Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur zulässigerweise anbringen darf, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, so kann die Beklagte erst recht nicht die Voraussetzungen für die Zulässigkeit spezifischer gesundheitsbezogener Angaben gemäß § 10 Abs. 1 HCVO dadurch umgehen, dass sie diese spezifische Werbeaussage verallgemeinert.

2. Der Kläger hat auch Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die geltend gemachte Kostenpauschale von 178,50 €, deren Höhe nicht beanstandet ist, begegnet im Hinblick auf den vorliegenden Streitwert sowie im Hinblick auf die nähere Darlegung der Kostenermittlung durch den Kläger (vgl. S. 24 f. der Klageschrift, Bl. 24 f. d.A.) keinen Bedenken.

3. Der Beklagten ist auf ihren Hilfsantrag im Hinblick auf ihre Produktverpackungen unter Abwägung der wechselseitigen Interessen nach § 242 BGB keine Aufbrauchfrist zu gewähren.

Eine solche Aufbrauchfrist ist (ggf. auch von Amts wegen) einzuräumen, wenn dem Schuldner durch ein unbefristetes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstünden und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung der Wettbewerbswidrigkeit nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1973 - I ZR 98/72, juris Rn. 23; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 8 Rdnr. 1.88 ff.).

Hier hat die Beklagte schon die sie treffenden Nachteile nicht konkret dargelegt. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die auf dem Etikett des Produktes abgedruckte Aussage

"A. enthält weder Füllstoffe, Aromen und Konservierungsmittel noch raffinierten Zucker"

von dem Verbot der Werbung mit "kein zugesetzter Zucker" erfasst wird. Dies macht der Kläger auch nicht geltend.

Selbst wenn man von einer Kerngleichheit der Aussagen ausginge, so lägen zwar gewisse Nachteile für die Beklagte auf der Hand und wären daher nicht gesondert darlegungsbedürftig. Wenn sich das Verbot - jedenfalls mittelbar - auf eine Aussage auf der Produktverpackung bezöge, müssten noch nicht ausgelieferte Verpackungen ausgetauscht oder zumindest umetikettiert werden. Die Beklagte hat aber insoweit u.a. nicht dargelegt, wie viele Verpackungen bereits hergestellt sind. Jedenfalls die Umetikettierung bereits hergestellter Verpackungen dürfte zudem keinen unzumutbaren Aufwand darstellen (so auch Senatsurteil vom 6. Oktober 2015 - 13 U 123/14, juris Rn. 122).

Darüber hinaus wurde die Beklagte auf den Klageantrag zu I.1. bereits in der Vorinstanz zur Unterlassung verurteilt und konnte sich daher jedenfalls insoweit auf einen ihr ungünstigen Ausgang des Berufungsverfahrens einstellen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O., Rn. 123 m.w.N.). Schließlich sind die Interessen der Allgemeinheit an einer kurzfristigen Durchsetzung dieses Verbots im vorliegenden Fall auch nicht nur von untergeordneter Bedeutung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die für die Vollstreckung der Unterlassungsaussprüche anzuordnende Sicherheitsleistung bemisst sich nach dem bei einer Vollstreckung drohenden Schaden (vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2015 - 13 U 25/14, juris Rn. 48). Den bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens drohenden Schaden schätzt der Senat für die Unterlassungsgebote auf jeweils 20.000 €.

Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

Den Streitwert hat der Senat unter Berücksichtigung seiner Entscheidungen in vergleichbaren Fällen wegen anderer Werbeaussagen der Beklagten mit 20.000 € pro Werbeaussage, mithin mit insgesamt 60.000 €, bemessen.