Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.09.2019, Az.: 13 U 41/19 (Kart)

Fortsetzung eines zurückversetzten Verfahrens zum Abschluss eines neuen Wegenutzungsvertrages; Unklarheit der Vergabeunterlagen als nur unerheblicher Fehler

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
12.09.2019
Aktenzeichen
13 U 41/19 (Kart)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 33800
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 25.04.2019

Amtlicher Leitsatz

Die zum Kartellvergaberecht entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens zur Korrektur eines erheblichen Verfahrensfehlers durch den Auftraggeber sind entsprechend auf das Auswahlverfahren zum Abschluss eines Wegenutzungsvertrages nach §§ 46 f. EnWG zu übertragen.

Auch eine Unklarheit der Vergabeunterlagen kann im Einzelfall einen nur unerheblichen Fehler darstellen und die Zurückversetzung nicht rechtfertigen, wenn die Unklarheit für jeden Bieter offensichtlich war und als solche hätte gerügt werden können.

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 25. April 2019 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils im ersten Absatz wie folgt neu gefasst wird:

Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, es zu unterlassen, das Verfahren zum Abschluss eines neuen Wegenutzungsvertrages nach § 46 Abs. 2 EnWG für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Elektrizitätsversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet der Verfügungsbeklagten gehören, auf der Basis des Schreibens vom 14. Januar 2019 fortzusetzen.

Im Übrigen werden die Verfügungsanträge zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat dem hilfsweise gestellten Verfügungsantrag in der Sache zu Recht stattgegeben.

1. Der insoweit geltend gemachte Verfügungsanspruch steht der Verfügungsklägerin aus § 33 Abs. 1, 2, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 EnWG zu.

Grundsätzlich können Bewerbern um eine Wegenutzungskonzession hiernach Unterlassungsansprüche zustehen, wenn ihnen eine Rechtsverletzung droht. Als marktbeherrschende Anbieter der Wegenutzungsrechte in ihrem Gebiet sind die Gemeinden gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen. Genügt die Konzessionsvergabe den daraus folgenden Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12, juris Rn. 15 ff.).

a) Dem Verfügungsanspruch steht nicht nach § 47 Abs. 1 S. 1 EnWG entgegen, dass die Verfügungsklägerin die Rechtsverletzung nicht nach § 47 Abs. 2 EnWG bereits aufgrund des Schreibens der Verfügungsbeklagten vom 14. Dezember 2018 gerügt hatte, mit dem die Verfügungsbeklagte die schließlich vollzogene Vorgehensweise in Aussicht gestellt hatte.

Dabei kann offen bleiben, ob die Rügeobliegenheit überhaupt im Hinblick auf Rechtsverletzungen besteht, die - wie vorliegend - weder aufgrund einer Bekanntmachung i.S.d. § 47 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 46 Abs. 3 EnWG, noch aufgrund einer Mitteilung i.S.d. § 47 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 46 Abs. 4 S. 4 EnWG erkennbar waren und auch nicht im Rahmen der Auswahlentscheidung i.S.d. § 47 Abs. 2 S. 3 EnWG erfolgen. Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang insbesondere, ob § 47 Abs. 2 S. 2 EnWG auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbar ist, in dem die Gemeinde den Bietern nachträglich geänderte Verfahrensbestimmungen mitteilt.

Jedenfalls besteht die Rügeobliegenheit entsprechend der Auslegung von § 160 Abs. 3 S. 1 GWB (dazu: Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 Rn. 147 m.w.N.) nur im Hinblick auf bereits geschehene Rechtsverletzungen. Mögliches künftiges rechtswidriges Verhalten muss nicht gerügt werden. Vorliegend erfolgte die Rechtsverletzung erst mit der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens und der Eröffnung einer neuen Angebotsfrist durch Schreiben vom 14. Januar 2019, entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten nicht jedoch bereits mit Schreiben vom 14. Dezember 2018, mit dem die Verfügungsbeklagte das Verständnis der Bieter erfragt und ihre Absicht mitgeteilt hatte, im Falle eines Fehlverständnisses das Verfahren zurückzuversetzen. Insbesondere hatte die Verfügungsbeklagte damals nur eine Absicht mitgeteilt, ohne sich bereits abschließend dahingehend selbst zu binden, so dass auch für den Fall eines entsprechenden Fehlverständnisses eines Bieters noch nicht feststand, dass das Vergabeverfahren tatsächlich zurückversetzt werden würde.

b) Die erklärte Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe verletzte den Anspruch der Bieter auf ein diskriminierungsfreies Auswahlverfahren.

Grundsätzlich folgt aus dem auf § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB beruhenden Diskriminierungsverbot, dass die Gemeinde die von ihr selbst vorab festgelegten Verfahrensbestimmungen einzuhalten hat, was allgemein ausschließt, Angebote zu berücksichtigen, die nach Ablauf der Angebotsfrist eingegangen sind. Die Verfügungsbeklagte hat hier das Auswahlverfahren auch nicht in zulässiger Weise in den Stand vor Ablauf der Angebotsfrist zurückversetzen können, um einen Verfahrensfehler zu korrigieren.

aa) Für das Kartellvergabeverfahren entspricht es allgemeiner Auffassung, dass der Auftraggeber auch bei fortbestehender Vergabeabsicht nicht grundsätzlich daran gehindert ist, ein Vergabeverfahren aufzuheben oder - was als Teilaufhebung zu werten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Januar 2015 - Verg 29/14, juris Rn. 23; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. März 2017 - 11 U 10/17, juris Rn. 33) - in einen früheren Stand zurückzuversetzen. Unabhängig davon, ob sich der Auftraggeber hierdurch möglicherweise schadensersatzpflichtig macht, ist eine solche Aufhebung grundsätzlich wirksam. Unwirksam ist eine (Teil-) Aufhebung aber dann, wenn die Aufhebung nur zum Schein erfolgte, um andere Bieter zu diskriminieren, oder aber kein nachvollziehbarer Grund für die Aufhebung besteht (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 25 m.w.N.; Voppel in: Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, 4.Aufl., § 63 Rn. 12 ff. m.w.N.).

Eine Zurückversetzung des Verfahrens zur Fehlerkorrektur ist grundsätzlich zulässig, wenn ein öffentlicher Auftraggeber vor Zuschlagserteilung einen erheblichen Fehler in den Vergabeunterlagen feststellt (OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 23).

bb) Diese Grundsätze sind entgegen der Auffassung der Verfügungsklägerin entsprechend auf das Auswahlverfahren zum Abschluss von Wegenutzungsverträgen nach §§ 46 f. EnWG zu übertragen (wohl ebenso: KG, Urteil vom 4. April 2019 - 2 U 5/15 Kart, juris Rn. 110 ff., dort allerdings auf "gravierende" Fehler eines Auswahlverfahrens bezogen). Wesentlicher Unterschied zwischen beiden Rechtsregimen ist zwar, dass der öffentliche Auftraggeber im Vergaberecht grundsätzlich frei ist, seine Beschaffungsabsicht aufzugeben, so dass er schon deshalb dort nicht grundsätzlich daran gebunden sein kann, ein einmal begonnenes Vergabeverfahren mit einer Zuschlagserteilung abzuschließen (auf diesen Gesichtspunkt maßgeblich abstellend: OLG Düsseldorf a.a.O. Rn. 25). Demgegenüber unterliegt die Gemeinde betreffend den Abschluss von Wegenutzungsverträgen nach § 46 Abs. 1 EnWG einem Kontrahierungszwang. Wesentliche Unterschiede ergeben sich hieraus für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Zurückversetzung des Auswahlverfahrens zur Fehlerkorrektur (bei Aufrechterhaltung der Beschaffungsabsicht) aber nicht. Maßstab ist jeweils gleichermaßen, ob diese Zurückversetzung gegen das Diskriminierungs- und Willkürverbot verstößt und dem Transparenzgebot genügt.

cc) Die Verfügungsbeklagte hatte vorliegend zwar einen Fehler in den Verfahrensunterlagen festgestellt, den sie durch die Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Angebotsabgabe und durch die Überarbeitung des Vertragsentwurfes unter § 21 Abs. 1 korrigiert hat. Dieser Fehler war aber nicht erheblich und rechtfertigt die Rückversetzung deshalb nicht, weil er für jeden Bieter offensichtlich war, damit für die Bieter Anlass bestand, ihn zu rügen, und Bieter zudem die Möglichkeit hatten, die Zustimmung der Verfügungsbeklagten dazu einzuholen, ein Angebot abzugeben, das dem ersichtlichen Willen der Verfügungsbeklagten entsprach. Für die Zurückversetzung des Verfahrens bestand damit kein hinreichend nachvollziehbarer Grund.

(1) Die Vergabeunterlagen enthielten allerdings betreffend die Möglichkeit, Kündigungsrechte anzubieten, eine Unklarheit. Die Verfügungsbeklagte hatte einerseits erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass es den Bietern möglich sein sollte, vertragliche Kündigungsrechte zur Gewährleistung der aus § 1 EnWG folgenden Ziele anzubieten. Andererseits hatte sie unter § 21 Abs. 1 des der Aufforderung zur Abgabe des verbindlichen Angebots (sog. best and final offer) beigefügten Vertragsentwurfes mit Stand vom 18. Dezember 2017 (Versionsnr. B.3.V2) keine durch eine grüne Markierung hervorgehobene Möglichkeit für die Bieter vorgesehen, solche Kündigungsrechte in den Vertragsentwurf einzuarbeiten und damit der Verfügungsbeklagten anzubieten.

Das Transparenzgebot verlangt, dass alle für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Umstände den Bietern so bekannt gemacht werden, dass sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt deren genaue Bedeutung verstehen und in gleicher Weise auslegen können (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - X ZR 78/07, juris Rn. 10; Urteil vom 3. April 2012 - X ZR 130/10, juris Rn. 9; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Januar 2015 a.a.O. Rn. 29). Bieter müssen deutlich und sicher erkennen können, welche Erklärungen von ihnen abzugeben sind (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 - X ZR 155/10, juris Rn. 7).

Dafür, ob die vorformulierten Vergabeunterlagen diesen Anforderungen genügen, ist der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter, also eines abstrakt bestimmten Adressatenkreises maßgeblich (BGH, Urteil vom 3. April 2012, a.a.O. Rn. 10). Kommen nach einer Auslegung nach den vorstehenden Grundsätzen mehrere Verständnismöglichkeiten in Betracht oder können Unklarheiten oder Widersprüche nicht aufgelöst werden, geht dies zu Lasten der Gemeinde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2018 - Verg 52/17, juris Rn. 54), die - sofern sie den Fehler erkennt - das Defizit der Vergabeunterlagen ausgleichen und den Bietern die Gelegenheit geben muss, die fraglichen Erklärungen nachzureichen (Lausen in: jurisPK-VergabeR, 5. Aufl., § 29 VgV Rn. 18).

Hiernach waren die Verfahrensunterlagen mit Stand vom 18. Dezember 2017 im Hinblick auf den bezeichneten Gesichtspunkt nicht hinreichend eindeutig:

(a) Zutreffend hat das Landgericht zwar gesehen, dass es den Bietern nach den Verfahrensunterlagen erkennbar möglich sein sollte, Kündigungsrechte zur Gewährleistung der Ziele nach § 1 EnWG anzubieten. Nach Teil A.7.2.3. Nr. (6) der Wettbewerbsunterlagen sollte das Angebot "Sanktionsmöglichkeiten (z.B. Vertragsstrafen und Kündigungsrechte der Stadt für den Fall beinhalten" können, dass Zielwerte nicht erreicht werden, was durch das folgende optisch hervorgehobene Beispiel bestätigt wird. Weiter sah der gelb unterlegte Einschub in § 21 Abs. 3 lit. a) des Vertragsentwurfes - der Kündigungsfristen betraf - vor, dass die Verfügungsbeklagte dort "die vom Bieter angebotenen Kündigungsrechte zur Gewährleistung der § 1 EnWG-Ziele" ergänzte.

Unzutreffend ist allerdings die Wertung des Landgerichts, die Verfügungsbeklagte habe damit klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihr gerade auf die Einräumung von Kündigungsrechten für den Fall angekommen sei, dass festgelegte Zielwerte nicht erreicht würden. In Teil A.7.2.3 Nr. (1) der Wettbewerbsunterlagen hat die Verfügungsbeklagte die Bieter zwar aufgefordert, ihr eine effektive Kontrolle der Zusagen der Bieter zu ermöglichen; im Falle der Nichteinhaltung solle sie effektive Abhilfe- und Sanktionsmöglichkeiten insbesondere auch betreffend die Umsetzung der Ziele des § 1 Abs. 1 EnWG haben. Die danach gewünschten Sanktionsmöglichkeiten beschränken sich jedoch nach Teil A.7.2.3. Nr. (6) ausdrücklich nicht auf Kündigungsrechte; diese waren neben Vertragsstrafen nur exemplarisch als Sanktionsmöglichkeiten bezeichnet.

(b) Obwohl damit erkennbar die - wertungsrelevante - Möglichkeit bestehen sollte, entsprechende Kündigungsrechte anzubieten, begründeten der bei der Auslegung der Wettbewerbsunterlagen maßgeblich zu berücksichtigende Wortlaut und die Systematik Zweifel daran, dass eine solche Möglichkeit tatsächlich bestand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts waren die Bieter nicht hinreichend klar aufgefordert, entsprechende Kündigungsmöglichkeiten in die §§ 13-17 des Vertrages aufzunehmen.

(aa) Nach Teil A.3.3 Nr. (5) der Wettbewerbsunterlagen waren nur grün markierte Stellen des Vertragsentwurfs vom Bieter als Bestandteil seines Angebots zu ändern, zu konkretisieren oder zu ergänzen. Zu anderen Stellen hätten Formulierungen ohne vorherige Zustimmung der Verfügungsbeklagten nicht unterbreitet werden dürfen; insoweit waren allenfalls Verhandlungsvorschläge möglich. Nach allgemeinen Grundsätzen war ein Verstoß hiergegen mit dem Ausschluss des entsprechenden Angebots sanktioniert. Aus dem Diskriminierungsverbot folgt allgemein, dass nur diejenigen Angebote zu werten sind, die die geforderten Erklärungen enthalten und in jeder Hinsicht miteinander vergleichbar sind (BGH, Urteil vom 7. Januar 2003 - X ZR 50/01, juris Rn. 32; Schneevogl in: jurisPK-VergabeR, 5. Aufl., § 97 GWB Rn. 59 m.w.N.). Ausfluss des Diskriminierungsverbots ist deshalb das - im Vergaberecht ausdrücklich in § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV geregelte - grundsätzliche Verbot, nicht zugelassene Änderungen und Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorzunehmen.

(bb) Nach der erkennbar durch den vorformulierten Vertragsentwurf vorgegebenen Regelungssystematik waren Kündigungsrechte u.a. zur Sanktionierung unterschiedlicher Vertragspflichten konzentriert in § 21 Abs. 1 zusammengefasst. Dort war unter lit. c) - f) grün hinterlegt auch die Möglichkeit vorgesehen, verschiedene Kündigungsrechte zur Absicherung unterschiedlicher vertraglicher Zusagen anzubieten. Das Angebot von Kündigungsrechten zur Gewährleistung der Ziele nach § 1 EnWG war dort jedoch nicht vorgesehen. Für eine solche Konzentration der Regelung der Kündigungsrechte in § 21 Abs. 1 sprach weiter, dass auch die Kündigungsfristen - und zwar ausdrücklich auch betreffend Kündigungsrechte zur Gewährleistung der § 1 EnWG-Ziele - einheitlich in § 21 Abs. 3 geregelt sein sollten.

Es wäre zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen, solche Kündigungsrechte unmittelbar unter §§ 13-17 des Vertragsentwurfes, wo an den entsprechend grün markierten Stellen Angebote des Bieters zur Umsetzung der Ziele nach § 1 EnWG eingefügt werden konnten, anzubieten. Dies war nach der vorgegebenen Systematik aber nicht naheliegend. Auch unter Berücksichtigung der Erläuterungen in Teil A.7.2.3 der Wettbewerbsunterlagen entsprach es ersichtlich der Vorstellung der Verfügungsbeklagten, dort beispielsweise bestimmte Zielwerte oder sonstige Konkretisierungen der allgemeinen Ziele anzubieten, Sanktionsmöglichkeiten aber auch diesbezüglich unter §§ 20 f. zu regeln. Hierfür spricht auch, dass als Sanktionsmöglichkeiten - wie dargestellt - formal gleichwertig Vertragsstrafen und Kündigungsrechte angesehen wurden, die auch formal vergleichbar - getrennt von den inhaltlichen Regelungen zur Umsetzung der § 1 EnWG-Ziele in Teil IV des Vertragsentwurfes - in Teil V aufgenommen waren. Anders als die Aufzählung auch optional anzubietender Kündigungsrechte in § 21 Abs. 1 sah die Aufzählung möglicher Vertragsstrafenvereinbarungen in § 20 Abs. 1 aber ausdrücklich als letzten Unterpunkt unter lit. e) die Möglichkeit vor, weitere Vertragsstrafen zur Gewährleistung der § 1 EnWG-Ziele anzubieten. Unter Berücksichtigung der bezeichneten Regelungssystematik konnten gerade aus dem Vergleich von § 20 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 des Vertragsentwurfes Zweifel daran folgen, ob es tatsächlich möglich war, Kündigungsrechte zur Gewährleistung der Ziele des § 1 EnWG anzubieten.

(2) Trotz dieser vermeidbaren Unklarheit war die vorgenommene Zurückversetzung des Verfahrens unzulässig. Es handelte sich bei dieser Unklarheit nicht um einen erheblichen Fehler der Vergabeunterlagen. Der Widerspruch der Gestaltung des Vertragsentwurfs zu dem erkennbaren Willen der Verfügungsbeklagten lag für alle Bieter auf der Hand. Bieter, die entsprechende Kündigungsrechte anbieten wollten, hatten die Möglichkeit, die Unklarheit zu rügen oder das Einverständnis der Verfügungsbeklagten mit einem entsprechenden Angebot einzuholen. Sollte ein Bieter hiervon bewusst oder mangels hinreichend sorgfältigen Studiums der Wettbewerbsunterlagen abgesehen haben, wäre er schon mangels einer entsprechenden Rüge gehindert, den Transparenzmangel gegenüber der Verfügungsbeklagten geltend zu machen. In dieser Situation ist eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens, die andere Bieter benachteiligen kann, nicht gerechtfertigt.

(a) Bieter, die sich aufgrund dieser Unklarheit an dem Angebot von Kündigungsrechten zur Gewährleistung der Ziele nach § 1 EnWG gehindert sahen, konnten nach Teil A 3.3 Nr. (5) der Wettbewerbsunterlagen eine Zustimmung der Stadt einholen, ein solches Kündigungsrechte auch ohne eine durch eine grüne Markierung hervorgehobene ausdrückliche Option etwa unter § 21 Abs. 1 des Vertragsentwurfs anzubieten.

Sie wären darüber hinaus nach § 47 Abs. 1, 2 S. 1 EnWG gehalten gewesen, diese Unklarheit gegenüber der Verfügungsbeklagten zu rügen. Mangels einer solchen Rüge hätte jedenfalls die S. B. GmbH nicht die Möglichkeit gehabt, das Vergabeverfahren mit Aussicht auf Erfolg gerichtlich anzugreifen. Es stand damit nicht konkret zu befürchten, dass das Verfahren aufgrund der Unklarheit der Wettbewerbsunterlagen aufgrund eines solchen Vorgehens verzögert würde, was die Zurückversetzung hätte rechtfertigen können (zu diesem Gesichtspunkt: OLG Frankfurt, Urteil vom 31. März 2017 - 11 U 10/17, juris Rn. 39). Zwar wird vertreten, dass weder Kartell- noch Aufsichtsbehörden aufgrund der unterbliebenen Rüge gehindert wären, einen Fehler und die daraus folgende mögliche Nichtigkeit des Konzessionsvertrages zu thematisieren und gegen den nichtigen Konzessionsvertrag vorzugehen (so: Kupfer NVwZ 2017, 428, 432; Czernek EnWZ 2018, 99, 104; ein abweichendes Ergebnis resultierte möglicherweise bei Annahme einer materiell-rechtlichen Präklusionswirkung, die angenommen wurde von: OLG Brandenburg, Urteil vom 20. März 2018 - 6 U 4/17 Kart, juris Rn. 49). Angesichts der Offenkundigkeit des Fehlers des Vertragsentwurfes und der dargestellten - auf der Hand liegenden - Möglichkeiten von Bietern, die sich aufgrund dieses Fehlers an einem entsprechenden Angebot gehindert sahen, dennoch ein interessengerechtes Angebot abzugeben, lag ein Eingreifen der Kartell- und Aufsichtsbehörden nach Überzeugung des Senats aber fern.

Es besteht deshalb unter Abwägung der wechselseitigen Interessen kein billigerweise zu berücksichtigendes Interesse der Verfügungsbeklagten, das Verfahren nicht auf Grundlage der eingegangenen Angebote zum Abschluss zu bringen, sondern es in den Stand vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Angebote zurückzuversetzen.

(b) Ob die Zurückversetzung des Verfahrens nur zum Schein erfolgt ist, insbesondere um in diskriminierender Weise den Auftrag der S. B. GmbH zukommen zu lassen, kann danach offenbleiben.

2. Ein Verfügungsgrund braucht nach § 47 Abs. 5 S. 3 EnWG nicht glaubhaft gemacht zu werden.

III.

Der Senat hat den Tenor des angefochtenen Urteils klarstellend neu gefasst, ohne jedoch in der Sache über die vom Landgericht intendierte Entscheidung hinauszugehen. Die mit Schreiben vom 14. Januar 2019 vorgenommene Zurückversetzung des Verfahrens zum Abschluss eines neuen Wegenutzungsvertrages war unzulässig. Der Verfügungsbeklagten ist zu untersagen, dieses Verfahren entsprechend den Ankündigungen in diesem Schreiben fortzusetzen. Der Tenor des landgerichtlichen Urteils könnte seinem Wortlaut nach aber darüber hinaus dahin verstanden werden, dass es der Verfügungsbeklagten auch untersagt wäre, das Vergabeverfahren aus anderen - hier nicht streitgegenständlichen - Gründen zurückzuversetzen, worüber jedoch in der Sache nicht entschieden ist. Eine solche Möglichkeit - sei sie auch nicht naheliegend - ist jedoch grundsätzlich offen zu halten.

Diese Untersagung bleibt allerdings hinter dem Hauptantrag der Verfügungsklägerin zurück, der die Möglichkeit einer solchen anderweitigen Zurückversetzung gerade ausgeschlossen hätte. Deshalb sind die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Übrigen zurückzuweisen, soweit das Landgericht ihnen nicht stattgegeben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, § 97 Abs. 1. Dass vorliegend eine solche anderweitige Zurückversetzung konkret in Betracht käme, ist nicht ersichtlich, sodass es sich um eine eher theoretische Möglichkeit handeln dürfte und das Interesse an einer über den Hilfsantrag hinausgehenden Verpflichtung entsprechend dem Hauptantrag in wirtschaftlicher Hinsicht gering zu bewerten ist.