Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.08.2019, Az.: 20 W 17/19
Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Eintragungsantrags in ein Vereinsregister; Bestellung von Delegierten oder Vertretern eines Vereins; Zuständigkeit der Mitgliederversammlung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 26.08.2019
- Aktenzeichen
- 20 W 17/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 68595
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2019:0826.20W17.19.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - 06.08.2019 - AZ: VR 130018
Rechtsgrundlagen
- § 32 BGB
- § 40 BGB
- § 374 Nr. 4 FaF
- § 382 Abs. 3 FaF
- § 58 Abs. 1 FaF
- § 59 Abs. 1 FaF
- § 63 Abs. 1 FaF
- § 64 Abs. 1 FaF
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Für die Bestellung von Delegierten oder Vertretern eines Vereins ist die Mitgliederversammlung zuständig, es sei denn, die Satzung weist die Auswahl ausdrücklich dem Vorstand zu.
- 2.
Werden die Mitgliedschaftsrechte der unmittelbaren Mitglieder eines Vereins in der Delegiertenversammlung durch Delegierte wahrgenommen, dann ist zur Wahrung der Mitwirkungsrechte und zur kollektiven Willensbildung auf Ebene der Vereinsmitglieder des Vereins maßgeblich, dass die Delegierten und nicht lediglich die Mitgliedsvereine oder deren Vorsitzende die Einladung zur Delegiertenversammlung fristgerecht erreicht.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 6. August 2019 - Aktenzeichen VR 130018 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Beschwerdewert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Zurückweisung seines Eintragungsantrags in das ihn betreffende Vereinsregister.
Der Antragsteller hat beim Amtsgericht Lüneburg (im Folgenden Registergericht) die Eintragungen der Neufassung seiner Satzung beantragt (Anmeldung vom 25. Mai 2018, Bl. 1 ff. Registerband II - im Folgenden: RB II).
Mit Beschluss vom 17. Oktober 2018 (Bl. 42 RB II), dem Antragsteller zugestellt am 20. Oktober 2018 (Bl. 43 RB II), hat das Registergericht den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass die für den Beschluss über die Satzungsneufassung zuständigen Delegierten (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 f) der Satzung, zur gültigen Fassung vgl. Bl. 99 RB I) nicht innerhalb der in der Satzung bestimmten dreiwöchigen Frist zur Delegiertenversammlung geladen (§ 13 Nr. 1 der Satzung) und mangels Wahl durch die Mitgliederversammlung ihrer Entsendungsvereine nicht ordnungsgemäß bestimmt wurden (vgl. Hinweis des Registergerichts vom 27. September 2018, Bl. 37 f. RB II; Nichtabhilfebeschluss vom 6. August 2019, Bl. 103 ff. RB II).
Gegen den Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20. November 2018, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag (Bl. 44 RB II), Beschwerde eingelegt. Er begründet diese wie folgt:
Maßgeblich für die ordnungsgemäße Ladung der Delegierten sei der form- und fristgerechte Zugang beim Mitgliedsverein. Damit sei auch der form- und fristgerechte Zugang beim gesetzlichen Vertreter bewirkt. In die Regelungen zur Bestellung der Delegierten könne der Antragsteller aufgrund der Vereinsautonomie der Mitgliedsvereine nicht eingreifen. Im Übrigen habe bei 21 Mitgliedsvereinen der erste Vorsitzende und bei acht Vereinen der zweite Vorsitzende an der Abstimmung auf der Delegiertenversammlung mitgewirkt. Mangels anderweitiger Satzungsregelungen des Antragstellers und der Mitgliedsvereine spreche nichts dagegen, dass der jeweilige Vorstand die Mitgliedsvereine in der Delegiertenversammlung vertrete (Bl. 63 RB II).
Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 103 ff. RB II) und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 374 Nr. 4, § 382 Abs. 3, § 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1, § 63 Abs. 1, § 64 Abs. 1 FamFG).
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Der Beschluss des Registergerichts, die Neufassung der Satzung nicht im Vereinsregister einzutragen, ist rechtlich zutreffend. Die am 4. März 2018 durchgeführte Abstimmung über die Neufassung der Satzung in der Delegiertenversammlung ist mangels ordnungsgemäßer Delegiertenbestimmung (1.), zumindest jedoch aufgrund nicht rechtzeitiger Ladung der Delegierten (2.) nichtig. Für eine abweichende Regelung aufgrund Gewohnheitsrechts sind keine Anhaltspunkte ersichtlich (3.). Auch eine Vertretung der Delegierten durch die Vorsitzenden der Mitgliedsvereine ist nicht gegeben (4.).
1. Die Abstimmung über die Satzung ist nichtig, weil bei zahlreichen Mitgliedern des Antragstellers die Delegierten nicht ordnungsgemäß bestimmt wurden.
Die Delegiertenversammlung ist eine Vertreterversammlung (§ 40 Satz 1, § 32 Satz 1 BGB), für die die gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen über die Mitgliederversammlung im Zweifel entsprechend gelten (Otto in: Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rn. 766 m.w.N.; Notz in: beck-online-Großkommentar BGB, Stand: 15.9.2018, § 32 Rn. 280 m.w.N.). Für die Bestellung von Delegierten oder Vertretern ist die Mitgliederversammlung zuständig, es sei denn die Satzung weist die Auswahl ausdrücklich dem Vorstand zu (statt aller: Ellenberger in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 30 Rn. 5). Da ausweislich Anlage I zum Nichtabhilfebeschluss bei 13 Mitgliedsvereinen des Antragstellers die Delegiertenwahl nicht geregelt ist, sind die Delegierten in diesen Vereinen durch die Mitgliederversammlung zu wählen. Das ist vorliegend nicht geschehen. Der erste Vorsitzende des Antragstellers hat mitgeteilt, dass die Delegierten anlassbezogen auf die Einladung von den jeweiligen Mitgliedsvereinen ernannt und um Teilnahme gebeten werden (Bl. 36 RB II). Lediglich bei einem Mitgliedsverein war die Wahl der Delegierten Tagesordnungspunkt der letzten Mitgliederversammlung (vgl. Anlage I zum Nichtabhilfebeschluss, Bl. 107 ff. RB II).
2. Zumindest wurden die Delegierten nicht rechtzeitig geladen. Auch für die Einberufung der Delegiertenversammlung, insbesondere die Frist, gelten die Regeln für die Mitgliederversammlung (Notz, a.a.O., Rn. 280 m.w.N.; Leuschner in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 32 Rn. 73 m.w.N.; Ellenberger in: Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 32 Rn. 1; Otto in: Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl. 2016, Rn. 766 m.w.N.). Adressat der Einberufung sind die Delegierten (Notz, a.a.O., § 32 Rn. 280).
Ausweislich § 7 Nr. 2 der Satzung des Antragstellers werden die Mitgliedschaftsrechte der unmittelbaren Mitglieder in der Delegiertenversammlung durch die Delegierten wahrgenommen. Dann ist aber zur Wahrung der Mitwirkungsrechte und zur kollektiven Willensbildung auf Ebene der Vereinsmitglieder des Antragstellers maßgeblich, dass die Delegierten und nicht lediglich die Mitgliedsvereine oder deren Vorsitzende die Einladung fristgerecht erreicht (zum Zweck des § 32 BGB vgl. Notz, a.a.O., Rn. 3; Leuschner, a.a.O., Rn. 1).
Das ist nicht geschehen. Die den Mitgliedsvereinen am 10. Februar 2018 übersandten Einladungen (vgl. Bl. 22 RB II) hätten zur Einhaltung der Zweiwochenfrist (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 der Satzung des Antragstellers) spätestens am 11. Februar 2018 den bis dahin von der Mitgliederversammlung zu wählenden Delegierten zugegangen sein müssen. Der Zeitraum zwischen dem 10. und 11. Februar 2018 kann angesichts der Ladungsfristen für die Mitgliederversammlungen der Mitgliedsvereine (vgl. Anlage I zum Nichtabhilfebeschluss, Bl. 107 ff. RB II: Ladungsfristen regelmäßig acht oder 14 Tage) nicht ausreichend gewesen sein, die Delegierten "anlassbezogen auf die Einladung" (vgl. Bl. 36 RB II) hin durch die Mitgliederversammlung zu wählen.
3. Vorliegend bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine abweichende Regelung aufgrund längerer anderweitiger Praxis und Akzeptanz der Mitglieder (Observanz).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass fehlendes Satzungsrecht ergänzt werden kann durch eine Verfahrensweise, die alle Mitglieder über einen längeren Zeitraum - wie Satzungsrecht - übereinstimmend akzeptieren (ausführlich OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Dezember 1984 - 9 U 107/83, juris, Rn. 54 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Mitglieder der Mitgliedsvereine des Antragstellers über einen längeren Zeitraum geduldet haben könnten, dass die Delegierten nicht wie grundsätzlich vorgesehen durch die Mitgliederversammlung gewählt werden, sind jedoch nicht ersichtlich. Gegen eine solche gewohnheitsrechtliche Satzungsergänzung der Mitgliedsvereine spricht schon, dass ein Mitgliedsverein die Wahl der Delegierten zum Kreisschützentag bewusst als Tagesordnungspunkt für seine Mitgliederversammlung vorgesehen hatte (vgl. Schützengilde des Kirchspiels Wietzendorf, Bl. 107 RB II).
4. Entgegen der Ansicht des Antragstellers werden der Legitimationsmangel und der Ladungsmangel schließlich nicht durch die Mitwirkung von 21 ersten Vorsitzenden und acht zweiten Vorsitzenden bei der satzungsgebenden Versammlung des Antragstellers geheilt. Zum einen regelt § 7 Nr. 2 der Satzung, dass die Delegierten die Mitgliedsvereine in der Mitgliederversammlung des Antragstellers vertreten und nicht der Vorstand (so explizit auch Steinbeck in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 5, 4. Aufl. 2016, § 5 Rn. 21). Zum anderen haben die 29 Vorstände angesichts der großen Zahl an Delegierten (vgl. hierzu Bl. 32, 54 ff. RB II) keine relevantes Stimmgewicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG; § 22 Abs. 1 GNotKG.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 36 Abs. 2, Abs. 3 GNotKG.