Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.09.2019, Az.: 7 U 298/19 (L)

Fortbestand eines Landpachtvertrages; Wahrung der Schriftform bei einem Landpachtvertrag; Hinreichende Bestimmbarkeit der Pachtflächen; Außerhalb einer Vertragsurkunde liegende Umstände

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.09.2019
Aktenzeichen
7 U 298/19 (L)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 53093
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nieburg - 04.04.2019 - AZ: 14 Lw 37/18

Amtlicher Leitsatz

Für die Wahrung der Schriftform bei einem Landpachtvertrag nach § 585 a BGB ist u. a. erforderlich, dass sich für einen Dritten aus der Vertragsurkunde ergibt, welche Flächen Pachtgegenstand sind (OLG Hamm, Urteil vom 13. März 2014, 10 U 92/13, Juris Rn. 41 m. w. N.). Als wesentliche Vertragsbedingung muss dies hinreichend bestimmbar in der Vertragsurkunde enthalten sein. Für die Bestimmbarkeit, die bei Vertragsabschluss gegeben sein muss, darf auch auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden und der ausschlaggebende Sachverhalt muss so genau bestimmt sein, dass bei seiner Verwirklichung kein Zweifel an der vertraglichen Vereinbarung verbleibt (vgl. BGH, NJW 2008, 2178 [BGH 07.05.2008 - XII ZR 69/06]; 2006, 139 [BGH 02.11.2005 - XII ZR 212/03]; 1999, 3257).

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichtes - Landwirtschaftsgericht - Nienburg vom 04. März 2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene landwirtschaftsgerichtliche Urteil sowie das vorliegende Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 1.000,00 €.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um den Fortbestand eines Landpachtvertrages.

Mit landwirtschaftlichem Pachtvertrag vom 01. Oktober 2016 pachtete der Kläger von dem Rechtsvorgänger des Beklagten, Herrn H. H., einen Teil der Flur 2, Flurstück Nr. 19/2, in H. Wegen des genauen Inhalts wird auf den schriftlichen Pachtvertrag vom 01. Oktober 2016 (Anlage K1, Bl. 4 - 5R) Bezug genommen.

Ein Katasterauszug vom 30. November 1992 weist für die Flur 2, Flurstück 19/2 eine Gesamtfläche von 32.224 m² mit 26.824 m² Grünland bzw. Ackerland und 5.400 m² Laubwald bzw. Holzung aus (Bl. 11 d. A.). Im Katasterauszug vom 11. Januar 2018 (Bl. 26 d. A.) ist bei gleicher Gesamtfläche (32.224 m²) 26.298 m² Ackerland sowie 5.926 m² Gehölz aufgeführt.

Am 2. Mai 2018 wurde der Beklagte Eigentümer der vorbezeichneten Fläche und kündigte mit Schreiben vom 18. September 2018 (Bl. 6 d. A.) das Pachtverhältnis zum 30. September 2020. Dieser Kündigung widersprach der Kläger schriftlich.

Er hat die Ansicht vertreten, eine vorzeitige Kündigung des Pachtvertrages sei nicht möglich, weil dieser unter Beachtung der Schriftform wirksam zeitlich befristet bis zum 30. September 2028 geschlossen worden sei. Die verpachtete Fläche sei aus dem schriftlichen Vertrag auch für Dritte zweifelsfrei hinreichend bestimmt bezeichnet. Der Kläger hat behauptet, die gesamte Ackerfläche des Flurstücks Nr. 19/2 der Flur 2 habe am 01. Oktober 2016 2,6 ha betragen. Ausdrücklich nicht verpachtet worden sei die auf dem Flurstück gelegene Waldfläche. Damit sei eine Identifizierung der gepachteten Fläche ohne weiteres möglich. Abweichende Flächenangaben der Katasterauszüge seien geringfügig, was in der Natur der Sache eines Waldes oder landwirtschaftlicher Flächen liege, die sich über Jahre nicht auf den Quadratmeter genau an einmal festgestellte Größen hielten.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass der mit dem Kläger abgeschlossene landwirtschaftliche Pachtvertrag über die Ackerfläche Gemarkung H., Flur 2, Flurstück Nr. 19/2, vom 1.10.2016 nicht durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 18.9.2018 zum Ablauf des 30.9.2020 beendet worden ist, sondern bis zum 30.9.2028 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die Kündigung des Pachtverhältnisses zulässig sei, weil es sich um einen unbefristeten Pachtvertrag gehandelt habe. Die Schriftform sei nicht gewahrt, weil aus dem Pachtvertrag nicht ersichtlich sei, welcher Teil der Ackerfläche verpachtet sei. Die im Vertrag aufgeführte Ackerfläche von 2,6 ha sei um 298 qm geringer als die tatsächlich auf der Grundfläche vorhandene Ackerfläche.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 4. März 2019, auf welches wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand Bezug genommen wird (B. 40 d. A.), hat das Amtsgericht Nienburg - Landwirtschaftsgericht - dem Klageantrag entsprechend den Fortbestand des Pachtverhältnisses festgestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Landpachtvertrag vom 01. Oktober 2018 um einen befristeten Vertrag mit einer Laufzeit von 12 Jahren bis zum 30. September 2028 handele, der nicht vorzeitig ordentlich gekündigt werden könne. Die Schriftform sei gewahrt, weil der gesamte Vertragsinhalt einschließlich aller Vereinbarungen, die Bestandteil des Pachtvertrages sein sollten, aus dem Vertrag heraus ersichtlich wären. Dies gelte auch für die Bezeichnung des Pachtgegenstandes in § 1 des Pachtvertrages, wonach die gesamte Ackerfläche mit 2,6000 ha Pachtgegenstand sei, nicht jedoch 6.224 m² Wald.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit welcher er sein erstinstanzliches Klageziel auf Klagabweisung weiterverfolgt. Hierzu wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Angabe des Pachtvertrages entsprechen nicht dem aktuellen Katasterauszug vom 1. Januar 2018.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Amtsgericht dem Klagebegehren entsprochen und die Fortdauer des Pachtverhältnisses festgestellt.

A.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung (§ 256 ZPO), dass der Pachtvertrag fortbesteht, weil der Beklagte den Pachtvertrag am 18. September 2018 schriftlich gekündigt hat (Bl. 6 d. A.). Er hält auch im Rechtsstreit an der Wirksamkeit seiner Kündigung fest.

B.

Die Klage ist auch begründet.

1. 1. Die Kündigung vom 18. September 2018 ist unwirksam. Der Landpachtvertrag vom 1. Oktober 2016 wurde zeitlich befristet mit einer Vertragslaufzeit von 12 Jahren bis zum 30. September 2028 geschlossen. Er kann daher nicht nach § 594 a BGB vor Ablauf der vereinbarten Pachtzeit ordentlich gekündigt werden.

2. 2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Pachtvertrag nicht mangels Wahrung der Schriftform gemäß § 585 a BGB als Vertrag für unbestimmte Zeit anzusehen. Aus dem schriftlichen Pachtvertrag vom 01. Oktober 2016 ist für jeden, auch für Dritte, ohne weiteres erkennbar, dass dem Kläger die gesamte Ackerfläche des Flurstücks 19/2 der Flur Nr. 2 verpachtet wurde, soweit sich darauf kein Wald befindet.

a) a) Formbedürftig nach § 585 a BGB ist der gesamte Vertragsinhalt einschließlich aller Vereinbarungen, die Bestandteil des Pachtvertrages sein sollen. Hierzu gehören die vollständige Bezeichnung der Vertragsparteien, des Pachtgegenstandes, der Pachtzeit und der Höhe der Pacht. Entscheidend für die Wahrung der Schriftform ist, dass sich für einen Dritten aus der Vertragsurkunde selbst ergibt, welche Flächen Pachtgegenstand sind (OLG Hamm, Urteil vom 13. März 2014, 10 U 92/13, juris Rn. 41 m.w.N.). Dabei ist allgemein anerkannt, dass nicht nur formfrei, sondern auch formbedürftige Verträge der Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen zugänglich sind. Zu berücksichtigen sind alle Umstände - auch außerhalb der Vertragsurkunde liegende - wenn diese zur Erforschung des Vertragsinhalts geeignet sind und wenn der einschlägige Wille der Parteien in der Urkunde zum Ausdruck gekommen ist. Von der Berücksichtigung derartiger Umstände ist erst abzusehen, wenn der beurkundete Text den rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien nicht ansatzweise erkennen lässt (BGH, NJW-RR 2010, 821 [BGH 11.02.2010 - VII ZR 218/08]). Diese Grundsätze gelten auch für Miet-und Pachtverträge (BGH NJW 1999, 3257, 3259 zum Mietrecht).

Das für Miet- und Pachtverträge aufgestellte Schriftformgebot soll in erster Linie sicherstellen, dass ein Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes (§ 566 Abs. 1, § 593 b BGB) auf Seiten des Vermieters/Verpächters in ein mehr als ein bzw. zwei Jahre geschlossenes Miet- bzw. Pachtverhältnis eintritt, dessen Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen kann (BGH, NJW 2008, 2178 m. w. N.). Daneben dient die Schriftform dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden zwischen den (ursprünglichen) Vertragsparteien sicherzustellen und diese von einer unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen (sog. Beweis- und Warnfunktion, vgl. BGH NJW 2008, 2178, 2179 m w. N.). Diesem Schutzzweck des Schriftformgebots steht nicht entgegen, dass die wesentlichen vertraglichen Vereinbarungen der Vertragsurkunde nicht vollständig bestimmt enthalten sein müssen. Auch im Rahmen der Schriftform ist es ausreichend, dass der Inhalt der wesentlichen Vertragsbedingungen hinreichend bestimmbar in der Vertragsurkunde enthalten ist (BGH, a. a. O; BGH, NJW 2006, 139, 140; BGH NJW 1999, 3257, 3259 [BGH 07.07.1999 - XII ZR 15/97]). Für die Bestimmbarkeit, die bereits bei Vertragsabschluss gegeben sein muss, darf dabei auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden (BGH, a. a. O, BGH NJW 2006, 139, 140 [BGH 02.11.2005 - XII ZR 212/03]). Hierfür genügt es, dass der ausschlaggebende Sachverhalt so genau bestimmt ist, dass bei seiner Verwirklichung kein Zweifel an der vertraglichen Vereinbarung verbleibt (BGH NJW 2008, 2178, 2179 [BGH 07.05.2008 - XII ZR 69/06]). Dass sich möglicherweise die Bestimmbarkeit nachträglich durch Zeitablauf erschweren kann, ist unbeachtlich, weil hierdurch die bei Vertragsabschluss gewahrte Form nicht mehr infrage gestellt werden kann. Nachteile die sich hieraus für einen späteren Grundstückserwerber ergeben können, hat dieser hinzunehmen (BGH NJW 1999, 3257, 3259). Denn der Erwerber ist ohnehin gehalten, sich bei seinem Verkäufer/Verpächter nach dem Vorhandensein und Inhalt vorhandener Miet- bzw. Pachtverträge zu erkundigen.

b) b) Danach erweist sich die Vertragsurkunde vom 1. Oktober 2016 als hinreichend bestimmt. Verpachtet wurde von dem in H., Gemarkung H. belegenen, Flurstück 19/2 der Flur Nr. 2: "Ackerland 2,6000 ha". In § 2 des Vertrages ist ausdrücklich aufgeführt, das 6.224 m² Wald nicht mit verpachtet sind. Unter Zugrundelegung einer Gesamtfläche von 32.224 m², die sich aus beiden Katasterauszügen vom 30. November 1992 und vom 11. Januar 2018 ergibt, verbleibt rechnerisch die Größe von genau 2,6000 ha Ackerland, die der Kläger gepachtet hat. Betrachtet man die tatsächlichen Gegebenheiten des Flurstücks (Auszug aus der Liegenschaftskarte Bl. 28 d. A. und Auszug aus der LandMap Niedersachsen, Bl. 76 d. A.), handelt es sich um eine Ackerfläche mit einem darin liegenden Waldstück. Aus der Unterscheidung zwischen Wald und Ackerland in den vertraglichen Vereinbarungen folgt deshalb unzweifelhaft, dass dem Kläger die gesamte Ackerfläche des Flurstücks 19/2 der Flur Nr. 2 verpachtet wurde. Also die gesamte nicht von Wald bedeckte Fläche.

Dem entspricht auch der vereinbarte Pachtpreis: 384,62 €/Hektar/jährlich X 2,6 ha = 1.000,- € Gesamtpacht jährlich.

Dabei kommt es mit dem Amtsgericht nicht darauf an, ob die Ackerfläche bei Vertragsschluss am 01. Oktober 2016 tatsächlich auf den Quadratmeter genau 26.000 m² betrug und ob sich durch Neuvermessungen, z. B. durch digitale Vermessung von Luftbildern, nachträglich Veränderungen oder Meßungenauigkeiten ergeben. Es handelt sich um Naturflächen, die sich insbesondere bei dem Waldbestand nicht auf wenige Quadratmeter genau vermessen lassen und durch den Bewuchs stetigen Veränderungen unterliegen. Während der Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 30. November 1992 (Bl. 11 d. A.) 26.824 m² Ackerland und 5.400 m² Laubwald bzw. Holzung, mithin 32.224 m² Gesamtfläche ausweist, ergibt der Auszug des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung vom 11. Januar 2018 bei gleicher Gesamtfläche (32.224 m²) nunmehr 26.298 m² Ackerland und 5.926 m² Gehölz. Die vom Beklagten angenommene - auf letzterem Auszug basierende - Abweichung gegenüber dem Pachtvertrag ist mit 298 m² (=1,15 % der angegebenen Ackerfläche) marginal. Der vom Beklagten hierzu erhobene Einwand, dies entspreche einem etwaigen Weg von 100 m Länge bei 3 m Breite, ist rein hypothetisch und entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Einen solchen Weg gab und gibt es auf der Fläche nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 1, 2, § 711 und § 713 ZPO i. V. m. § 544 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 41 Abs. 1 GKG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.