Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.09.2019, Az.: 3 U 97/19

Verwirkung des Widerrufsrechts hinsichtlich der zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages führenden Willenserklärung durch Prolongation des Darlehens

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.09.2019
Aktenzeichen
3 U 97/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 44556
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 20.06.2018 - AZ: 3 O 216/18

Fundstellen

  • VuR 2020, 119
  • ZIP 2020, 21

Amtlicher Leitsatz

1. Bei einem Darlehensvertrag kann mit dem Abschluss einer Prolongationsvereinbarung ein schutzbedürftiges Vertrauen bei dem Darlehensgeber entstehen, dass ein Verbraucher von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen werde (Umstandsmoment).

2. Insbesondere bei einer vorbehaltlosen Umsetzung einer Prolongationsvereinbarung kann Verwirkung eingetreten sein, wenn der Verbraucher das Darlehensverhältnis (zunächst) über das Ende der ursprünglichen Zinsbindung hinaus fortgesetzt und entsprechend der Konditionsanpassung nur noch den niedrigeren Zinssatz bezahlt hat.

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das am 20. Juni 2019 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrags aus Oktober 2005 über 161.000 €.

Die Klägerin schloss mit dem Kläger als Gesamtschuldner einen Darlehensvertrag über 161.000 € bei der Beklagten ab (Vertragsnummer 2 143 ...). Der Zinssatz von 4,100 % p. a. war bis zum 30. Dezember 2015 festgeschrieben und das durch eine Grundschuld gesicherte, endfällige Darlehen war durch einen zu diesem Zweck abgeschlossenen Bausparvertrag abzulösen. In der im Darlehensvertrag abgedruckten Widerrufsbelehrung heißt es auszugsweise wie folgt:

"Die Widerrufsfrist beginnt einen Tag nachdem der/die Darlehensnehmer/Gesamtschuldner ein Exemplar der Widerrufsbelehrung erhalten hat/haben und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags ausgehändigt wurde."

Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Darlehensvertrag vom 20./25. Oktober 2005 (Anlage K 1 - Anlagenband Kläger) und auf den Bausparvertrag vom 20./25. Oktober 2005 (Anlage B1 - Anlagenband Beklagte). Das Darlehen wurde entsprechend des Baufortschritts vom 20. Dezember 2005 bis zum 2. November 2006 vollständig ausgezahlt. Die Kläger zahlten die ab der jeweiligen Auszahlung geschuldete monatliche Zinsrate sowie den Bausparbeitrag. Mit Prolongationsvereinbarung vom 22. August 2013 vereinbarten die Parteien zur Fortführung des bisherigen Darlehens ab 1. Januar 2016 einen Zinssatz von 3,550 % p. a. mit einer Zinsbindung bis zum 31. Dezember 2025. Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Prolongationsvereinbarung vom 22. August 2013 (Anlage B2 - Anlagenband Beklagte). Ab dem 30. Dezember 2015 zahlten die Kläger die auf 476,29 € reduzierte monatliche Zinsrate. Insgesamt zahlten sie der Beklagten bis zum 30. März 2016 Vertragszinsen in Höhe von 67.233,38 €. Auf die Zahlungsaufstellung in der Klageerwiderung vom 20. Dezember 2018, Seite 4-7 (Bl. 25-28 d. A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13. April 2016 erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages und des Bausparvertrages. Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf das Widerrufsschreiben vom 13. April 2016 (Anlage B 3 - Anlagenband Beklagte). Die Beklagte antwortete daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 3. Mai 2016 und bot zur einvernehmlichen Darlehensablösung an, die Vorfälligkeitsentschädigung von 47.000 € auf 30.000 € zu reduzieren. Mit Schreiben vom 6. Juni 2016 erklärte die Klägerin (Anlage B3 - Anlagenband Beklagte):

"Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit widerrufe ich den vorbezeichneten Darlehensvertrag nebst zugehörigen Bausparvertrag und schließe mich insofern der Widerrufserklärung von Herrn H. J. auch bezüglich des angebotenen Ablösebetrages und des Vorbehaltes, unter welchem weitere Zahlungen erfolgen, ausdrücklich und vollinhaltlich an."

Die Kläger zahlten weiterhin die Vertragszinsen (Bl. 152 d. A.). Mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 lehnte der Prozessbevollmächtigte der Kläger das Vergleichsangebot der Beklagten ab und führte aufgrund des beabsichtigten Verkaufs des finanzierten Objekts aus:

"Ich bitte daher um zeitnahe Mitteilung, welcher Ablösebetrag inklusive Vorfälligkeitsentschädigung von meinen Mandanten zunächst ohne Präjudiz oder Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, die Rechte aus dem Widerruf weiterzuverfolgen und überzahlte Beträge im Nachgang heraus zu verlangen, zu zahlen, ggf. zu hinterlegen wäre, um die Verkaufsabwicklung nicht zu gefährden. (...) Vielleicht sollte der Verkauf aber auch noch einmal Anlass sein, ihre Rechtsposition zu überdenken. Dem Unterzeichner ist bekannt, dass sie zwischenzeitlich in Verfahren mit identischer Belehrung in der Berufungsinstanz vor dem OLG Celle anerkannt haben. Es wäre sicher die ökonomischere Lösung, sich diese Schritte zu ersparen, indem sie anerkennen, dass meine Mandantschaft aus dem Darlehen lediglich einen Betrag von 161.000 € abzüglich Bausparguthaben und abzüglich eines pauschalierten Nutzungsersatz in Höhe von 8.000 € schulden."

Die Beklagte bestritt mit Schreiben vom 6. Oktober 2017 eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung und bot als Vergleich eine auf 20.000 € reduzierte Vorfälligkeitsentschädigung an (Anlage Bk 2 - Bl. 141 d. A.). Ein Vergleich kam nicht zustande, gleichwohl verkauften die Kläger ihre Immobilie. Dazu übersandte die Beklagte ihnen mit Schreiben vom 12. Februar 2018 einen Vertrag zur Aufhebung des Darlehens gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 33.977,14 €. Auf das Schreiben vom 12. Februar 2018 wird Bezug genommen (Anlage B5 - Anlagenband Beklagte). Fast zeitgleich schrieb der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte an und erklärte zum Darlehenswiderruf und zu einem vorliegenden Treuhandauftrag:

"Ich erkläre für meine Mandantin, dass die Zahlung der darin aufgeführten Beträge wegen des ungeklärten, nach hiesiger Ansicht wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages unter dem Vorbehalt erfolgt, überzahlte Beträge zurückzufordern. Meine Mandanten haben ein Nutzungsersatzanspruch und schulden keine Vorfälligkeitsentschädigung."

Zum weiteren Inhalt wird Bezug genommen auf das Schreiben vom 13. Februar 2018 (Bl. 67 d. A.). Die Kläger übersandten der Beklagten den am 2. März 2018 von der Klägerin gegengezeichneten Aufhebungsvertrag zurück. Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Aufhebungsvertrag vom 9. Februar/2. März 2018 (Anlage B 5 - Anlagenband Beklagte). Den darin vereinbarten Betrag zahlten die Kläger, woraufhin die Beklagte das Darlehenskonto zum 7. Februar 2018 abrechnete und die Sicherheiten freigab.

Wegen des weiteren Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Kläger haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, der Widerruf sei wirksam erklärt worden. Die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, weil zum Fristbeginn auch auf einen schriftlichen Darlehensantrag Bezug genommen sei. Als Wertersatz schuldeten die Kläger nur bis zum Widerruf den Vertragszins, danach nur noch Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Aufgrund des Widerrufs habe die Beklagte auch die von den Klägern geleisteten Zahlungen auf den Bausparvertrag zurück zu gewähren und Nutzungsersatz zu zahlen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das Widerrufsrecht wegen ordnungsgemäßer, jahrelanger Bedienung des Darlehens und dessen Prolongation verwirkt und eine unzulässige Rechtsausübung sei. Hilfsweise hat sie die Aufrechnung mit "Ansprüchen auf Nutzungsersatz in Höhe des Vertragszinses von 4,1 % p. a. bis zum 31. Dezember 2015 und ab dem 1. Januar 2016 bis zur Rückzahlung in Höhe von 3,55 % p. a. für die Überlassung der Darlehensvaluta und sodann in Höhe der Darlehensvaluta von 161.000 €" erklärt (Bl. 49 d. A.).

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass das Widerrufsrecht verwirkt gewesen sei. Das Umstandsmoment liege vor, weil das Darlehen auf Wunsch der Kläger vorzeitig und vorbehaltlos aufgehoben worden sei und die Beklagte abschließend die Sicherheiten freigegeben habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Eine Verwirkung liege nicht vor, weil die Kläger das Darlehen einschließlich der Vorfälligkeitsentschädigung nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung zurückgezahlt hätten. Das landgerichtliche Urteil verstoße als Überraschungsentscheidung gegen Art. 103 Abs. 1 GG.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landgerichts Hannover, Geschäftsnummer 3 O 216/18, vom 20. Juni 2019 aufzuheben und die Berufungsbeklagte zu verurteilen, an die Kläger 54.424,06 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz per annum seit dem 7. März 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die zulässige Berufung nach derzeitiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für eine Zurückweisung der Berufung liegen ebenfalls vor.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Widerrufsrecht war im Zeitpunkt der Ausübung bereits verwirkt. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Der Senat weist auf Folgendes hin:

Die Kläger haben den Darlehensvertrag vom 20./25. Oktober 2005 nicht wirksam widerrufen.

1. Die Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge sind nach § 491 BGB (in der vom 1. August 2002 bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung) auf den Darlehensvertrag aus Oktober 2005 anwendbar.

2. Der Sache nach handelte es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um einen Verbraucherdarlehensvertrag, da die Kläger als Darlehensnehmer/Gesamtschuldner natürliche Personen und damit Verbraucher nach der Definition des § 13 BGB waren. Das Darlehen diente auch zur Finanzierung privater Zwecke.

3. Die zweiwöchige Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB (in der vom 8. Dezember 2004 bis 10. Juni 2010 geltenden Fassung; nachfolgend: a. F.) ist durch die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht in Gang gesetzt worden. Denn die den Klägern bei Abschluss des Darlehensvertrages erteilte Belehrung über ihr Widerrufsrecht war unwirksam. Sie genügte nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 BGB a. F., sodass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat.

a) Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. muss die Belehrung über das Widerrufsrecht umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, Rn. 31 m. w. N., juris).

Bei einem Vertrag, der wie der streitgegenständliche Verbraucherdarlehensvertrag schriftlich abzuschließen ist (§ 492 BGB in der vom 1. August 2002 bis zum 18. August 2008 geltenden Fassung), hängt der Fristbeginn davon ab, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F.) auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt wird (§ 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a. F.). Der Widerrufsbelehrung muss bei Schriftform des Vertrages deshalb eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a. F. trägt insofern dem mit der Belehrung verfolgten Ziel Rechnung, dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen zu führen. Nur wenn der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, wenn sich also die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht, kann er die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen (BGH, Urteil vom 10.3.2009 - XI ZR 33/08, Rn. 15, juris).

b) Eine diesen Maßgaben entsprechende Belehrung hat die Beklagte bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht erteilt.

Die vorliegend in der Widerrufsbelehrung von der Beklagten in Satz 2 verwendete Formulierung

"Die Widerrufsfrist beginnt einen Tag nachdem der/die Darlehensnehmer/Gesamtschuldner ein Exemplar der Widerrufsbelehrung erhalten hat/haben und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages ausgehändigt wurde."

ist fehlerhaft. Sie belehrt den Verbraucher über den nach § 355 Abs. 2 BGB a. F. maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig, weil sie das unrichtige Verständnis nahelegt, die Widerrufsfrist beginne - ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers - bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Beklagten zu laufen (vgl. BGH, Urteil vom 10.3.2009 - XI ZR 33/08, Rn. 16, juris). Dadurch, dass die Beklagte entgegen dem Gesetzestext und der Musterbelehrung in ihrer Widerrufsbelehrung lediglich auf "den" schriftlichen Darlehensantrag abstellte, hat sie nicht deutlich gemacht, dass allein die schriftliche Willenserklärung des Verbrauchers - als Angebot oder als Annahme - den Lauf der Widerrufsfrist in Gang zu setzen vermag. Die Beklagte lässt vielmehr jeden Darlehensantrag, mithin auch ihren eigenen für den Fristbeginn genügen. Nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a. F. beginnt die Frist aber nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher nicht seine eigene schriftliche Willenserklärung - als Antrag oder als Vertragsurkunde - zur Verfügung gestellt worden ist. Diese Unklarheit widerspricht dem Deutlichkeitsgebot hinsichtlich des Fristbeginns.

4. Die Gesetzlichkeitsfiktion von § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV (in der vom 2. September 2002 bis 16. Oktober 2010 gültigen Fassung; nachfolgend: BGB-InfoV a. F.) steht dem Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. nicht entgegen. Die Beklagte kann sich nicht auf das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV (in der vom 8. Dezember 2004 bis 31. März 2008 geltenden Fassung) berufen.

a) § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. knüpft die Gesetzlichkeitsfiktion an die Bedingung, dass "das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt wird". Nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. darf der Unternehmer allerdings, sofern er das vom Verordnungsgeber geschaffene Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet, "in Form und Schriftgröße von dem Muster abweichen und Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmens anbringen". Damit definiert § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. in den Grenzen der Verordnungsermächtigung die Grenze der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen. Entsprechend kann sich der Unternehmer auf die Schutzwirkung nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet, das dem Muster für die Widerrufsbelehrung in der jeweils maßgeblichen Fassung in den Grenzen des § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. sowohl inhaltlich als auch der äußeren Gestaltung nach vollständig entspricht. Unterzieht der Unternehmer dagegen das vom Verordnungsgeber entworfene Muster einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, die über das nach § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. Erlaubte hinausgeht, verliert er die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a. F. (BGH, Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 22 m. w. N., juris).

b) Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung weicht von der Musterbelehrung mehrfach und deutlich ab. Anders als im Muster hat die Beklagte nicht die vorgesehenen Zwischenüberschriften "Widerrufsrecht" und "Widerrufsfolgen" verwendet. Der Darlehensnehmer wird nicht persönlich angesprochen. Der Begriff "Textform" wird nicht durch den Klammerzusatz "z.B. Brief, Fax, E-Mail" erläutert. Die Formulierung zum Fristbeginn weicht im Muster ab ("Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung."). Auch die Formulierungen im Abschnitt zu den Widerrufsfolgen stimmen nicht überein ("Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind ...").

c) Durch die dargestellten Abweichungen hat die Beklagte in das Muster in einem Umfang eingegriffen, der den beispielhaft in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. aufgelisteten Abweichungen nicht mehr entspricht. Die Beklagte hat das Muster einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen, was zum Verlust des Vertrauensschutzes führt (vgl. BGH, Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 564/15, Rn. 24 - 25, juris).

5. Die Kläger haben ihr Widerrufsrecht vorliegend indes verwirkt (§ 242 BGB).

a) Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann in Widerspruch zu § 242 BGB stehen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 26. März 2019 - XI ZR 341/17 -, Rn. 16, juris).

Die Verwirkung schließt als Fall der unzulässigen Rechtsausübung die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn sich der Verpflichtete wegen der Untätigkeit des Anspruchsinhabers über einen gewissen Zeitraum hin ("Zeitmoment") bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen ("Umstandsmoment"). Zu dem Zeitablauf müssen mithin besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (ständige Rechtsprechung BGH, Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 501/15, Rn. 40 m. w. N., juris.).

aa) Der bloße Zeitablauf rechtfertigt den Einwand der Verwirkung nicht (BGH, Urteil vom 18.10.2001 - I ZR 91/99, Rn. 21, juris). Ein Zeitraum von 10 Jahren kann überdies als unschädlich anzusehen sein (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 352/02, Rn. 24, juris unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 2.7.2001 - II ZR 304/00, BGHZ 148, 201 ff.). Zeit- und Umstandsmoment können aber auch nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibt, desto mehr wird der Gegner in seinem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 393/16 -, Rn. 9, juris).

bb) Das Verhalten eines Kunden, der von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis hat, lässt grundsätzlich keinen Schluss darauf zu, er werde von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen (BGH, Urteil vom 20.5.2003 - XI ZR 248/02, Rn. 14, juris). Soweit dem Vertragsgegner bei einem Versicherungsvertrag vorzuwerfen ist, die Situation selbst herbeigeführt zu haben, indem er keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2014, IV ZR 76/11, Rn. 39, 40, juris, zur Widerspruchsbelehrung gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 5 VVG a.F.), ist dies bei einem Verbraucherdarlehen unbeachtlich (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16 Rn. 26; Beschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17). Verwirkung kann auch deshalb ausscheiden, weil ein Darlehensnehmer aufgrund der ihm erteilten Belehrung keinen Anlass zu der Annahme hatte, nach Ablauf der darin genannten Frist noch ein Widerrufsrecht zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2005 - II ZR 327/04, Rn. 25, juris zum Widerruf nach einem finanzierten Fondsbeitritt).

Demgegenüber kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für das Umstandsmoment der Verwirkung weder auf die Kenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand seines Widerrufsrechts noch auf das Vertrauen des Darlehensgebers an, der Darlehensnehmer habe in sonstiger Weise Kenntnis vom Fortbestand seines Widerrufsrechts erlangt. Dass der Darlehensgeber davon ausgeht oder ausgehen muss, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt vielmehr eine Verwirkung nicht aus (BGH, Urteil vom 02. April 2019 - XI ZR 687/17 -, Rn. 17, juris). Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagte "die Situation selbst herbeigeführt hat", weil sie eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erteilt hat (BGH, Urteil vom 12. März 2019 - XI ZR 9/17 -, Rn. 11, juris).

cc) Verwirkung kann auch eintreten, wenn der Darlehensgeber im Zuge der Verhandlungen über die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags keine Nachbelehrung erteilt hat. Die Nachbelehrung hat nicht den Zweck, den Darlehensnehmer in Fällen der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags vor der Entrichtung eines Aufhebungsentgelts zu bewahren. Der Darlehensgeber hat die Möglichkeit, nicht eine Verpflichtung zur Nachbelehrung. Die Verpflichtung, den Darlehensnehmer deutlich über sein aus § 495 Abs. 1 BGB folgendes Widerrufsrecht nach Maßgabe des bis zum 10. Juni 2010 geltenden Rechts zu belehren, ist keine Dauerverpflichtung, die ab dem Vertragsschluss als Verpflichtung zur Nachbelehrung gleichsam ständig neu entstünde. Mit der Präzisierung der Modalitäten einer Nachbelehrung im Zuge der Einführung des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) wollte der Gesetzgeber vielmehr befürchtete Härten für die Unternehmer aus der zeitgleichen Einführung des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB kompensieren (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 69/18 -, Rn. 20, juris). Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprochen und er es in der Folgezeit versäumt habe, den Verbraucher nachzubelehren (BGH-Urteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 41, vom 21. Februar 2017 - XI ZR 381/16, WM 2017, 806 Rn. 22 und vom 3. Juli 2018 - XI ZR 702/16, ZIP 2018, 1626 Rn. 15). Das gilt in besonderem Maße (aber nicht ausschließlich), wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH-Urteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 30) bzw. wenn die Parteien den Darlehensvertrag einverständlich beendet haben (BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - XI ZR 462/17 -, Rn. 10, juris).

dd) Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urteil vom 12.7.2016 - XI ZR 564/16, juris Rn. 39 m. w. N.). Ein wesentlicher Gesichtspunkt für eine Verwirkung ist, wenn die Bank im Zuge der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags die ihr gewährte Sicherheit freigegeben hat (BGH, Urteil vom 12. März 2019 - XI ZR 9/17 -, Rn. 11, juris)

ee) Zudem hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden (BGH, Urteil vom 02. April 2019 - XI ZR 687/17 -, Rn. 19, juris; BGH, Urteile vom 16.10.2018, - XI ZR 45/18 und XI ZR 69/18), dass der Umstand, dass die Darlehensgeberin mit Leistungen des Darlehensnehmers nach Beendigung des Darlehensvertrages gearbeitet hat, ein Umstand ist, der bei der Entscheidung über die Verwirkung des Widerrufsrechts zu veranschlagen ist. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Rückabwicklung für das verpflichtete Kreditinstitut - insbesondere wenn es sich bei diesem um eine Bausparkasse handelt - nicht mehr zumutbar, zumal es für den Tatbestand der Verwirkung gerade auch auf das Verhalten des Verpflichteten ankommt und auch dieses unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu prüfen und beurteilen ist (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23.1.2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 ff.).

b) Die danach vorzunehmende umfassende Abwägung aller Umstände ergibt, dass die Kläger im konkreten Fall ihr Widerrufsrecht verwirkt haben. Neben dem "Zeitmoment" liegt insbesondere auch das "Umstandsmoment" für eine Verwirkung vor, weil bei objektiver Beurteilung die Beklagte sich darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, die Kläger werden ihr Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen.

aa) Das Zeitmoment ist bei dem im Oktober 2005 geschlossenen Darlehensvertrag zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs im April/Juni 2016 erfüllt.

Ein Zeitraum von 10 Jahren und ca. 5 Monaten ist im Rahmen des Zeitmomentes erheblich. Dabei ist auf die Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Widerruf abzustellen (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2018 - XI ZR 298/17). Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist keine Festlegung einer Mindestdauer des Zeitmomentes in diesem Kontext zu entnehmen; vielmehr hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass ein solches Mindest-Zeitmoment weder aus den gesetzlichen Verjährungshöchstfristen abzuleiten ist (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017, WM 2017, 2247 [BGH 10.10.2017 - XI ZR 393/16], zit. nach juris Rz. 9; Beschluss vom 31. Januar 2018, WM 2018, 614 [BGH 23.01.2018 - XI ZR 298/17], zit. nach juris Rz. 11) noch aus den Fristen der regelmäßigen Verjährung (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 455/16, zit. nach juris Rz. 21).

Darüber hinaus ist auch ausdrücklich bei Zeiträumen, die noch unterhalb von sechs Jahren liegen, oder auch bei noch kürzeren Zeiträumen das Zeitmoment bejaht worden (BGH, Beschluss vom 14. März 2017, XI ZR 160/16, juris; Hanseatisches OLG Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 1 U 8/18, WM 2018, 14, 56 [BGH 10.10.2017 - II ZR 353/15]).

bb) Zweifelhaft ist, ob das Umstandsmoment - wie vom Landgericht angenommen - durch die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrages und die Freigabe der Sicherheit begründet worden ist.

Zwar enthält die Aufhebungsvereinbarung keinen Vorbehalt der Rechte, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Die Kläger haben aber bereits im Vorfeld der Aufhebungsvereinbarung und Zahlung hinreichend deutlich gemacht, dass sie an ihren geltend gemachten Rechten aufgrund des Darlehenswiderrufes festhalten wollen. Letztlich bedarf dies aus den nachfolgenden Gründen keiner Entscheidung.

cc) Das Umstandsmoment lag im zugrundeliegenden Fall aus anderen Gründen bereits spätestens im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs im April 2016 vor, d. h. es lagen besondere, auf dem Verhalten der Kläger beruhende Umstände vor, die das Vertrauen der Beklagten rechtfertigten, die Kläger würden ihr Recht nicht mehr geltend machen. Soweit die Kläger eine Überraschungsentscheidung des Landgerichts rügen, beruht diese im Ergebnis nicht auf der von ihnen gerügten Argumentation im angefochtenen Urteil.

(1) Für das Umstandsmoment spricht zunächst, dass die Kläger über 10 Jahre lang den Darlehensvertrag durchgeführt und die geschuldeten Vertragszahlungen fortwährend geleistet haben. Darauf allein kann eine Verwirkung aber nicht beruhen.

(2) Entscheidend für ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten im vorliegenden Fall ist vor allem, dass die Kläger im August 2013 die Vereinbarung zur Darlehensprolongation abgeschlossen und diese im Januar 2016 umgesetzt haben. Es bestand eine Zinsbindung für ca. zehn Jahre, die die Kläger bereits ca. acht Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages um weitere zehn Jahre im Anschluss an die ursprüngliche Zinsbindung verlängert haben. Dabei ist auch eine Konditionenanpassung (Reduktion des Zinssatzes von 4,100 % auf 3,550 %) erfolgt.

Mit dem Abschluss dieser Prolongationsvereinbarung haben die Kläger zum Ausdruck gebracht, über die vereinbarte 10-jährige Zinsbindung hinaus am Darlehensvertrag festhalten zu wollen. Dadurch ist ein schutzbedürftiges Vertrauen bei der Beklagten entstanden, dass die Kläger von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen würden.

Dieses Vertrauen haben die Kläger dadurch bestätigt, dass sie die Prolongationsvereinbarung (zunächst vorbehaltlos) umgesetzt haben. Über das Ende der ursprünglichen Zinsbindung zum 31. Dezember 2015 hinaus haben sie das Darlehen (zunächst) fortgesetzt und entsprechend der Konditionsanpassung nur noch den niedrigeren Zinssatz für Januar 2016 bezahlt.

(3) Dieses Vertrauen der Beklagten ist berechtigt und schutzbedürftig. Aufgrund des gebildeten Vertrauens hat sich die Beklagte auf den Bestand des Darlehensvertrages eingerichtet und nicht unerhebliche Dispositionen getätigt.

Die Kläger haben bis zum Widerruf des Darlehens ca. 67.000 € an Vertragszinsen aus dem Darlehensverhältnis an die Beklagte gezahlt. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass eine Bank unmittelbar mit vereinnahmten Geldern wirtschaftet (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - XI ZR 462/17 -, Rn. 13, juris; BGH, Beschluss vom 05. Juni 2018 - XI ZR 577/16 -, Rn. 4, juris). Dies gilt insbesondere für die Beklagte als Bausparkasse, die neben dem Bauspargeschäft gemäß § 4 BauSparKG die dort genannten Geschäfte betreiben darf. Auf eine wirtschaftliche Verwendung ihrer Gelder ist sie angewiesen, weil sie durch das Bauspargeschäft laufend Bauspareinlagen entgegennimmt und Bauspardarlehen zu gewähren hat (vgl. § 1 Abs. 1 BauSparKG).

(4) Als Argument für eine Verwirkung liegt indes nicht vor, dass der Darlehensvertrag bereits vor dem Widerruf beendet worden wäre und die Sicherheiten entsprechend freigegeben gewesen wären (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. März 2019 - XI ZR 9/17 -, Rn. 11, juris). Die Kläger haben den laufenden Darlehensvertrag widerrufen, bevor dieser beendet bzw. die Beklagte Sicherheiten freigegeben hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schließt die Annahme von Verwirkung bei noch nicht beendeten Verbraucherdarlehensverträgen indes nicht grundsätzlich aus (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, juris). Vielmehr wird lediglich angenommen, dass gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein kann, wobei dies keine Ausschließlichkeit bedeutet und jeweils im Einzelfall die jeweiligen vertrauensbildenden Umstände zu erwägen sind.

So hat beispielsweise das Kammergericht Berlin in einem Fall Verwirkung angenommen, in dem eine Haftentlassung aus dem Darlehen für einen von zwei Darlehensnehmern vereinbart worden war und der Darlehensvertrag mit dem verbliebenen Darlehensnehmer zu geänderten Konditionen fortgesetzt wurde (KG Berlin, Urteil vom 10. April 2019 - 26 U 49/18 -, Rn. 35 - 38, juris).

(5) Einer Verwirkung steht die unterbliebene Nachbelehrung beim Abschluss der Prolongationsvereinbarung nicht entgegen. Die Argumentation des Bundesgerichtshofs zur Unschädlichkeit einer unterbliebenen Nachbelehrung bei einer vorzeitigen Vertragsaufhebung (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 - XI ZR 462/17 -, Rn. 10, juris) gilt hier gleichermaßen. Das gleiche gilt für die fehlende Kenntnis der Kläger vom Widerrufsrecht und, dass das Widerrufsrecht aufgrund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung der Beklagten unbefristet war.

Gegen eine Verwirkung spricht auch nicht, dass nach Art. 229 § 38 Abs. 3 EGBGB das Widerrufsrecht der Kläger zum 21. Juni 2016 erloschen wäre. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass er mit dieser Regelung nicht der Frage vorgreifen wolle, ob in den Jahren 2002 bis 2010 entstandene Widerrufsrechte zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits verwirkt sein könnten (Bundestags-Drucksache 18/7584, Seite 147).

(6) In der Zusammenschau und Gesamtabwägung aller Umstände musste die Beklagte nach der Prolongation im Januar 2016 nicht mehr mit einem Widerruf rechnen. Das Vertrauen der Beklagten ist schutzbedürftig und überwiegt die Belange der Kläger. Eine fortbestehende Widerrufsmöglichkeit des Darlehensvertrages ist weniger gewichtig, nachdem das Darlehen mit 10-jähriger Zinsbindung nach acht Jahren vorzeitig um weitere zehn Jahre prolongiert worden ist, die Kläger über den Ablauf der Zinsbindung zum 31. Dezember 2015 hinaus ihr Widerrufsrecht nicht ausgeübt haben und die Beklagte mit den eingenommenen Zahlungen der Kläger gewirtschaftet hat.

III.

Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses oder auch die Berufung zurückzunehmen.

Gleichzeitig wird die der Beklagten mit Verfügung vom 29. August 2019 gesetzte Frist zur Berufungserwiderung von Amts wegen bis zum 15. November 2019 verlängert, damit sie die Entscheidung des Senats über das weitere Vorgehen abwarten kann.