Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 30.01.2002, Az.: 8 A 388/00

Abwasser; Abwasserbeseitigungssatzung; allgemeine Handlungsfreiheit; Anschlusskanal; Anschlusszwang; Benutzungszwang; dezentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage; dringendes öffentliches Bedürfnis; Duldungsverfügung; Eigentum; Gewässerschutz; Infektionen; Kleinkläranlage; Klärwerk; Niederschlagswasser; Schmutzwasser; Schmutzwasserbeseitigung; zentrale Schmutzwasserbeseitigung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
30.01.2002
Aktenzeichen
8 A 388/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41747
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Keine Erledigung der Verfügung auf Duldung der Herstellung des Grundstücksanschlusses nach Durchführung der Bauarbeiten.

2. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Anschlusszwanges lässt sich von derjenigen der Duldungsverfügung nicht trennen.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Verfügung der Beklagten, durch die ihm aufgegeben wurde, die Erstellung des Anschlusskanals für die Schmutzwasserbeseitigung einschließlich des Revisionsschachtes auf seinem Grundstück zu dulden.

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Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks, A.-Str., Flur 1, Flurstück 23/4, Gemarkung G.. Er betreibt auf diesem Grundstück eine Kleinkläranlage, durch die das in seinem Haushalt gebrauchte Wasser unter Einsatz bewachsener Bodenfilter gereinigt wird. Das gereinigte Wasser verwendet er zur Bewässerung seines Gartens und in der Tierhaltung. Die in der Anlage anfallenden Feststoffe kompostiert er und setzt sie als Dünger im Garten ein. Im Hinblick auf seine Kleinkläranlage sah und sieht der Kläger keinen Bedarf für einen Anschluss seines Grundstücks an eine zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage. Dies teilte er der Beklagten am 19. August 1999 mit und bat sie zugleich, ihn von dem in ihrer Abwasserbeseitigungssatzung angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang zu befreien. Die Beklagte, die im Jahre 1999 eine zentrale Schmutzwasserkanalisation für den Ortsteil G. herstellte, mochte jedoch auf einen Anschluss auch des Grundstücks des Klägers nicht verzichten, der seinerseits nicht bereit war zu erklären, dass er mit der Durchführung der Anschlussarbeiten auf seinem Grundstück einverstanden sei.

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Mit Bescheid vom 29. November 1999 gab die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung dem Kläger auf, die Erstellung eines Anschlusskanals für die Schmutzwasserbeseitigung einschließlich des Revisionsschachtes auf seinem Grundstück durch die Firma August Reiners, Braunschweig, zu dulden. Zur Begründung dieser Verfügung führte sie im Wesentlichen aus, dass sich aus dem in den §§ 3 und 4 ihrer Abwasserbeseitigungssatzung (ABS) angeordneten Anschluss- und Benutzungszwang in Verbindung mit der Bestimmung des § 9 Ziff. 3 ABS ein Recht ergebe, einen Anschlusskanal einschließlich Revisionsschacht auf dem Grundstück des Klägers verlegen zu lassen. Da der Kläger nicht bereit sei, sein Einverständnis damit zu erklären, dass sein Grundstück im Zuge der Durchführung der für den 07. Dezember 1999 vorgesehenen Arbeiten betreten werde, sei eine Duldungsverfügung notwendig.

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Ein Antrag des Klägers auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde mit Beschluss der Kammer vom 06. Dezember 1999 - 8 B 675/99 - abgelehnt.

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Am 27. Dezember 1999 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Duldungsverfügung. Zur Begründung dieses Rechtsbehelfs machte er geltend: Es begegne rechtlichen Bedenken, ihm die Duldung des Baues des Anschlusskanals einschließlich Revisionsschacht aufzugeben, obwohl auf seinem Grundstück weder gegenwärtig noch in Zukunft Abwasser zur Abgabe anfalle. Er erzeuge dort vielmehr fachkundig Nutzwasser und Kompost, die er dringend auf seinem landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Anwesen benötige. Dem stehe kein anerkennenswertes öffentliches Interesse gegenüber, sein Grundstück an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage anzuschließen. Der Anschluss sei nicht erforderlich, um diese Anlage möglichst kostengünstig herstellen zu können. Es dürfe bei der Kalkulation solcher Baumaßnahmen nicht davon ausgegangen werden, dass jedermann die zentrale Anlage tatsächlich in Anspruch nehme. Im Übrigen könnten fiskalische Gründe, denen Gründe des Naturschutzes entgegenstünden, verwaltungsrechtlichen Zwang nicht rechtfertigen. Zu Unrecht gehe die Beklagte auch davon aus, ihre Maßnahme diene dem Schutz der Volksgesundheit. Denn aus wissenschaftlichen Untersuchungen gehe eindeutig hervor, dass Kleinkläranlagen, in denen bewachsene Bodenfilter verwendet würden, eine Reinigungsleistung erbrächten, die derjenigen einer zentralen Kläranlage zumindest vergleichbar sei. Im Gegensatz zu zentralen Kläranlagen seien bewachsene Bodenfilter zusätzlich noch wirksam gegen Krankheitserreger und Fäkalindikatoren. Dagegen fördere die heutige Klärwerkstechnik eine Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien und aus dem Anschluss ergebe sich von Bauernhöfen an die Kanalisation eine Verschleppungsmöglichkeit von Tierseuchen durch das Abwasser. Um erforderliche Innovationen in Gang zu setzen und vielgestaltige Lösungen der Abwasserproblematik zu ermöglichen, sei ein flexiblerer Umgang mit dem Anschluss- und Benutzungszwang erforderlich.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 08. August 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Diese Entscheidung begründete sie wie folgt: Entgegen der Auffassung des Klägers falle auf seinem Grundstück Abwasser auf Dauer an, weil Abwasser jedes im Haushalt benutzte Frischwasser sei. Das Abwasser falle mithin an, bevor es der Kleinkläranlage des Klägers zugeführt werde. Ob diese dezentrale Anlage effektiver oder ökologisch sinnvoll sei, könne dahinstehen. Sie, die Beklagte, habe sich nämlich entschieden, ihre gesetzliche Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung mit ihrer zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage zu erfüllen und dafür in rechtmäßiger Weise einen Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet. Die Duldungsverfügung sei lediglich zu dem Zweck erlassen worden, die Durchführung der inzwischen abgeschlossenen Herstellungsarbeiten auf dem Grundstück des Klägers zu ermöglichen. Davon unabhängig zu beantworten sei die Frage, ob der Kläger verpflichtet sei, sich an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage anzuschließen. Darüber habe man mit Bescheid vom 07. Juni 2000 entschieden und den Antrag des Klägers auf Befreiung von dem Anschluss- und Benutzungszwang abgelehnt.

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Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 15. August 2000 hat der Kläger am 14. September 2000 den Verwaltungsrechtsweg beschritten.

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Zur Begründung seiner Klage vertieft er sein Vorbringen in den Verwaltungsverfahren. Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 GG des Grundgesetzes (GG) und die Eigentumsfreiheit nach Art. 14 GG  und § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches gewährleisteten ihm Rechte, das in seinem Haushalt benutzte Wasser entsprechend seiner Lebensphilosophie seiner Kleinkläranlage zuzuführen, um auf diese Weise Kompost und Nutzwasser als Produktionsmittel zu gewinnen. In diese Rechtspositionen greife der mit der Duldungsverfügung zum Tragen gebrachte Anschluss- und Benutzungszwang in unzulässiger Weise ein. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die von der Beklagten angewendeten wasserrechtlichen Regelungen nicht einschlägig seien. Sie träfen deshalb auf seinen Fall nicht zu, weil auf seinem Grundstück Abwasser zur Abgabe nicht anfalle. Gemäß § 2 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) sei Abwasser das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte und das bei Trockenwetter damit zusammen abfließende Wasser (Schmutzwasser) sowie das von Niederschlägen aus dem Bereich von bebauten und befestigten Flächen abfließenden und gesammelte Wasser (Niederschlagswasser). Nach dieser Definition, die auch im vorliegenden Zusammenhang maßgeblich sei, sei Abwasser nur das abfließende Schmutzwasser. Von seinem Anwesen fließe Schmutzwasser jedoch nicht ab. Im Übrigen sei Abwasser nur solches Wasser, dessen man sich entledigen wolle. Seines für die Wiederaufbereitung und Weiterverwendung auf seinem Grundstück bestimmten Schmutzwassers wolle er sich aber nicht entledigen. Es falle mithin kein Abwasser an, das von der gemeindlichen Abwasserbeseitigungssatzung erfasst werden könnte. Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung finde eine weitere Stütze in § 2 Abs. 2 Nr. 6 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG). Diese Norm bestimme nämlich, dass die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht für Stoffe gälten, sobald diese in Gewässer- oder Abwasseranlagen eingeleitet oder eingebracht würden. Im Umkehrschluss könne daraus gefolgert werden, dass ein durch die Verwendung im Haushalt entstandenes Schmutzwasser zunächst einmal Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sei und noch nicht Abwasser im Sinne wasserrechtlicher Regelungen.  Nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG seien die Erzeuger und Besitzer von Abfällen vorrangig verpflichtet, diese zu verwerten. Diesem Gebot folge er, indem er das durch die Verwendung in seinem Haushalt lediglich kurzzeitig anfallende Schmutzwassers zur Wasseraufbereitung seiner Kleinkläranlage zuführe. Er genüge damit gesetzlichen Vorschriften, die abweichendem Satzungsrecht der Beklagten vorgingen. Im Übrigen könne die Duldungsverfügung aber auch dann keinen Bestand haben, wenn man wasserrechtliche Regelungen für einschlägig halte. Denn der von der Beklagten zur Rechtfertigung der Duldungsverfügung herangezogene Anschluss- und Benutzungszwang habe nicht angeordnet werden dürfen. § 8 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) lasse es nämlich nur dann zu, dergleichen vorzuschreiben, wenn ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür festgestellt werden könne. Das scheide hier jedoch aus, weil mit der Wiederaufbereitung des in seinem Haushalt kurzzeitig anfallenden Schmutzwassers durch die Kleinkläranlage keine Gefahren für Mensch und Umwelt verbunden seien. Vielmehr reinige die Anlage das Wasser so nachhaltig, dass es danach den Anforderungen der EG - Badegewässerrichtlinie entspreche. Damit erziele sie eine hygienisierende Wirkung, die diejenige der heutigen Klärwerkstechnik übertreffe und einen den Anforderungen des § 1a Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) entsprechenden Umgang mit dem Wasser ermögliche. Die Klärwerkstechnik biete keinen Schutz vor übertragbaren Infektionskrankheiten, die sich über den Wasserweg ausbreiten könnten, weshalb sie § 41 des Seuchenrechtsneuordnungsgesetzes nicht genüge. Außerdem könne die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Beklagten dem Gebot des § 4 Abs. 7 der Verordnung über die Behandlung von kommunalem Abwasser (Komm. Abwasser VO) nicht gerecht werden. Zumindest die Gleichwertigkeit der von ihm verwendete Kleinkläranlage sei im Übrigen auch rechtlich bereits festgeschrieben. Das ergebe sich aus dem in § 18a des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) enthaltenen Hinweis, dass dem Wohl der Allgemeinheit auch die Beseitigung häuslichen Abwassers durch dezentrale Anlagen entsprechen könne. Diese Vorschrift stehe ihrerseits im Einklang mit Art. 20a GG, der die Staatsgewalt zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und damit zur Förderung jener nachhaltigen Entwicklung verpflichte, die auch von den Vereinten Nationen zum Leitbild erhoben worden sei. Ungeachtet des Umstandes, dass hiernach bereits der Anschluss- und Benutzungszwang nicht habe angeordnet werden dürfen, seien jedenfalls die Voraussetzungen für eine Befreiung gegeben. Denn der Tatbestand, dass der Anschluss des Grundstücks unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls unzumutbar sei, liege vor. Auch insoweit müsse nämlich berücksichtigt werden, dass die Reinigungswirkung seiner Kleinkläranlage den gesetzlichen Vorgaben genüge, die einzuhalten eine zentrale Kläranlage nicht vermöge.

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Der Kläger beantragt,

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die Duldungsverfügung der Beklagten vom 29. November 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 09. August 2000 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie tritt dem Klage mit der Erwägung entgegen, der angefochtenen Bescheid habe sich mit der Durchführung der beabsichtigten Arbeiten auf dem Grundstück des Klägers erledigt. Im Übrigen bezieht sie sich auf ihren Widerspruchsbescheid sowie die höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung, durch die die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen sämtlich bereits in ihrem Sinne geklärt seien.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, weil sich die Duldungsverfügung der Beklagten nicht dadurch erledigt hat, dass die Arbeiten zur Erstellung des Anschlusskanals und des Revisionsschachts auf dem Grundstück des Klägers inzwischen abgeschlossen sind. Mit der Durchführung dieser Arbeiten gegen den Willen des Klägers wurde nämlich die Duldungsverfügung vollzogen. Die Vollziehung eines Verwaltungsaktes führt aber nicht zu dessen Erledigung, wenn durch sie ein jederzeit wieder rückgängig zu machender Zustand entsteht (Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 113 RdNr. 81). Ein solcher Zustand ist im vorliegenden Falle deshalb gegeben, weil auf dem Grundstück des Klägers Teile der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage verlegt wurden, die durch erneute bauliche Maßnahmen entfernt werden könnten. Dagegen wäre dem Kläger der Einwand, Anschlusskanal und Revisionsschacht seien zu Unrecht auf seinem Grundstück verlegt worden, abgeschnitten, erlangte der angefochtene Verwaltungsakt Bestandskraft.

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Die Klage ist unbegründet, weil die Duldungsverfügung der Beklagten vom 29. November 1999 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

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Gemäß § 8 Nr. 2 NGO können die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis durch Satzung für die Grundstücke ihres Gebietes den Anschluss an die Kanalisation vorschreiben (Anschlusszwang), wenn sie ein dringendes öffentliches Bedürfnis dafür feststellen. Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes "Anschlusszwang" lässt sich herleiten, dass die Durchsetzung eines rechtmäßig angeordneten Anschlusszwangs durch Verwaltungsakt und nötigenfalls durch eine sich daran anschließende Verwaltungsvollstreckung erfolgen darf. Im vorliegenden Falle lag in Gestalt der §§ 3 und 9 Ziff. 1 und 3 der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten vom 11. Mai 1993 (Amtsblatt für den Landkreis Wolfenbüttel Nr. 18 vom 21. Mai 1993) in der Fassung der Ersten Änderungssatzung vom 04. Dezember 1995 (Amtsblatt für den Landkreis Wolfenbüttel Nr. 44 vom 14. Dezember 1995) - ABS - eine rechtmäßige Anordnung des Anschlusszwanges vor. Der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung steht nicht entgegen, dass § 18a Abs. 1 Satz 2 WHG bestimmt, dass dem Wohl der Allgemeinheit auch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprechen kann. Denn der Landesgesetzgeber hat dies nicht zum Anlass genommen, dem Grundstückseigentümer eine Wahlmöglichkeit einzuräumen, ob er sein Grundstück an den öffentlichen Schmutzwasserkanal anschließen will oder das anfallende Abwasser einer grundstückseigenen Abwasserbehandlungsanlage zuführt. Durch § 149 Abs. 4 Satz 1 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) wird vielmehr ausschließlich der Gemeinde die Entscheidung eröffnet, in welchem Teil ihres Gebietes die Nutzungsberechtigten der Grundstücke das häusliche Abwasser durch Kleinkläranlagen zu beseitigen haben (Nds. OVG, Beschluss vom 17.09.2001 - 9 L 829/00 -). Bei der Entscheidung darüber, wie sie die Abwasserbeseitigungspflicht ausgestalten, steht den Gemeinden ein Ermessenspielraum zu (Nds. OVG, Urteil vom 22.01.1997 - 9 L 4525/95 -, NSTZ-N 1997, 182), wobei allerdings das zentrale Entsorgungssystem als der Regefall, die dezentrale Abwasserbeseitigung als Ausnahme ins Auge zu fassen sein wird (vgl. etwa § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Komm. Abwasser VO). Dafür, dass dieser Ermessenspielraum im vorliegenden Falle überschritten wäre, ist nichts ersichtlich. Das in § 8 Nr. 2 NGO für die Anordnung eines Anschlusszwanges vorausgesetzte dringende öffentliche Bedürfnis lässt sich insbesondere nicht mit der Behauptung in Abrede stellen, dass eine Abwasserbeseitigung über zentrale Entsorgungssysteme gegen § 41 des Infektionsschutzgesetzes oder § 4 Abs. 7 Komm. Abwasser VO verstoße und deshalb unzulässig sei. Es gilt nämlich Folgendes: In Deutschland sowie in weiten Teilen Europas bildet die zentrale Kanalisation eine funktionierende Infrastruktur, die technisch, organisatorisch und rechtlich abgesichert ist. Allein sie macht es möglich, Abwasser unterschiedlichster Qualität und Quantität weitgehend problemlos fortzuschaffen. Die genannten Normen stehen daher der zentralen Abwasserbeseitigung als solcher nicht entgegen, sondern gehören gerade zu den Vorschriften, die Anforderungen an diese Abwasserbeseitigung aufstellen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 22.01.1997 - 9 L 4525/95 -, NSTZ-N 1997, 182 (183)). Sogar wenn die zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Beklagten in ihrem Betrieb einzelnen rechtlichen Anforderungen nicht genügen würde, könnte der Kläger daraus für sein Anliegen nichts herleiten. Denn solche Verstöße hätte nicht ohne weiteres die Ungültigkeit der Abwasserbeseitigungssatzung und den Wegfall des Anschluss- und Benutzungszwanges zur Folge. Vielmehr wäre es zunächst die Aufgabe der Wasserbehörden, durch Nebenbestimmungen zur Einleitungserlaubnis der Beklagten oder auch nachträglich (vgl. §§ 12 Abs. 2 NWG, 4 Abs. 5 Komm. Abwasser VO) darauf hinzuwirken, dass etwa erforderliche Maßnahmen ergriffen und in angemessenen Fristen durchgeführt werden. Dagegen liegt es nicht in der Kompetenz des Klägers, gleichsam selbst über die Einhaltung von Umweltstandards durch die Beklagte zu wachen,  und aus etwaigen Rechtsverstößen eigenmächtig die Konsequenz zu ziehen, sich der ihm unliebsamen Anschlusspflicht zu entledigen.

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Ohne Erfolg führt der Kläger gegen die Anordnung des Anschlusszwanges auch die Grundrechte der Art. 2 Abs. 1 und 14 Abs. 1 Satz 1 GG ins Feld. Denn die allgemeine Handlungsfreiheit steht unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung, die Eigentumsfreiheit unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung. Die Niedersächsische Gemeindeordnung und die Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten schränken auf dieser Grundlage die grundrechtlichen Positionen des Klägers in rechtmäßiger Weise ein. Auch aus Art. 20a GG lässt sich nichts für die Unzulässigkeit der Anordnung eines Anschlusszwanges entnehmen. Bei der Anwendung dieser Vorschrift, die lediglich eine Staatszielbestimmung enthält, darf nämlich berücksichtigt werden, dass die Errichtung und der Betrieb einer zentralen gemeindlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage mit Blick sowohl auf die Gewährleistung des Gewässerschutzes als auch auf die Wirtschaftlichkeit einer solchen Einrichtung grundsätzlich nur bei einem Anschluss möglichst aller Grundstücke des Einzugsgebiets sinnvoll sind. Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund, dass die Gemeinde ihre zentrale Entwässerungsanlage so dimensionieren muss, dass sämtliche Grundstücke im Einzugsgebiet angeschlossen werden können. Denn bei einem Defekt oder der Stilllegung einer privaten Kläranlage muss das Grundstück zur Gewährleistung des Gewässerschutzes an die vorhandene öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen werden. Verzichtete man für Grundstücke mit privaten Kläranlagen auf einen Anschlusszwang, so fielen die Kosten für die erforderliche vorsorgliche Überdimensionierung entweder der Gemeinde oder den Eigentümern der an die zentrale Anlage angeschlossenen übrigen Grundstücke zur Last. Dies ließe sich aber sachlich nicht rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 19.12.1997 - BVerwG 8 B 234.97-, NuR 1998, 483 (484)). Nach alledem bestehen gegenüber der Anordnung des Anschlusszwanges keine Bedenken.

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Erfolglos wendet der Kläger ferner ein, dass er diesem in § 3 Ziff. 1 ABS normierten Anschlusszwang nicht unterliege, weil auf seinem Grundstück Abwasser nicht anfalle. Dabei kann dahin stehen, ob der von ihm zugrunde gelegte enge abgabenrechtliche Abwasserbegriff des § 2 Abs. 1 AbwAG überhaupt einschlägig ist. Denn selbst wenn man diesen engen Abwasserbegriff zu Grunde legt, fällt auf dem Grundstück des Klägers deshalb dauerhaft Abwasser an, weil dort durch den häuslichen Gebrauch in seinen Eigenschaften verändertes Wasser anfällt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17.09.2001 - 9 L 829/00 -). Der maßgebliche Zeitpunkt für den Anfall des Abwassers ist nämlich bereits der Augenblick, in dem das in seinen Eigenschaften veränderte Wasser in einem Rohrsystem gesammelt wird, um es zur grundstückseigenen dezentralen Abwasserbehandlungsanlage zu leiten. Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers kommt es insoweit auf seinen subjektiven Willen, sich des Schmutzwassers endgültig zu entledigen, nicht an (vgl. Nds. OVG Beschl. v. 17. 09. 2001 - 9 L 829/00 -, VG Meiningen, Urt. v. 05. 04. 2000 - 2 K 613/98.Me -, ThürVGRspr 2001, 95 ff. - zitiert nach Juris). Unzutreffend ist schließlich auch die Argumentation des Klägers mit der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG. Denn die Rechtsbegriffe des Abfalls und des Abwassers schließen sich als solche nicht aus. Für die Abwasserbeseitigung im Wege der Direkteinleitung (in Gewässer) oder der Indirekteinleitung (in Abwasseranlagen) gilt allerdings speziell und abschließend das wasserrechtliche Regime der §§ 7a, 18a und 18b WHG und der Abwasserverordnung; ergänzend tritt für die Benutzung kommunaler Abwasseranlagen das Satzungsrecht der zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände hinzu (Breuer in: Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Stand 01. August 2000, Bd. II, § 2 KrW-/AbfG, RdNr. 78). Selbst wenn das Schmutzwasser des Klägers also zunächst auch Abfall sein sollte, steht dieser Umstand der vorrangigen Anwendung der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten nicht entgegen.

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Ohne Erfolg bringt der Kläger schließlich gegen die Rechtmäßigkeit der Duldungsverfügung vor, er habe einen Anspruch auf Befreiung von dem Anschlusszwang. Zwar lässt sich entgegen der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung die Frage der Rechtmäßigkeit des Anschlusszwanges von derjenigen der Duldungsverfügung nicht trennen. Denn wer sein Grundstück nicht anschließen muss, der hat auch nicht die Herstellung von Anschlusskanal und Revisionsschacht zu dulden. Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Befreiung von dem Anschlusszwang. Insoweit nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen wegen der Einzelheiten Bezug auf die Entscheidungsgründe ihres Urteils vom 30. Januar 2002 - 8 A 452/01 - .

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Nebenentscheidungen zur Vollstreckbarkeit fußen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

23

Eine Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist in Ermangelung von Zulassungsgründen nicht auszusprechen.