Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.01.2002, Az.: 4 B 13/02

Anordnungsanspruch; Anordnungsgrund; Diabetes mellitus; einstweilige Anordnung; Ernährungskosten; Krankenkostzulage; Mehrbedarf; Mehrkosten; Reduktionsdiät; Winterfeuerung; Übergewicht

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
30.01.2002
Aktenzeichen
4 B 13/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41605
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet werden soll, dem Antragsteller höhere Sozialhilfeleistungen für die Winterfeuerung und dessen Diabetesdiät zu gewähren, ist nicht begründet.

2

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da nach Wesen und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Regelung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Erbringung von Geldleistungen - wie sie im vorliegenden Fall von dem Antragsteller begehrt wird - im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch (Anordnungsanspruch) und weiterhin glaubhaft macht, er befinde sich wegen fehlender anderer Geldmittel in einer existentiellen Notlage und sei deswegen - mit gerichtlicher Hilfe - auf die sofortige Befriedigung seines Anspruchs dringend angewiesen (Anordnungsgrund).

3

Der Antragsteller hat, soweit er eine höhere Winterfeuerungsbeihilfe und die allgemeine Überprüfung der Sozialhilfeberechnung begehrt, den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der Regelung, nicht glaubhaft gemacht. Ihm ist zuzumuten, wegen des geltend gemachten Anspruchs ein reguläres Hauptsacheverfahren zu betreiben. Dieses ist auch durch Einlegung entsprechender Widersprüche in Gang gebracht worden. Insbesondere zur Winterfeuerungsbeihilfe ist anzumerken, dass der Antragsteller das Heizöl, um dessen Kosten er sich aktuell mit dem Antragsgegner streitet, bereits im Herbst 2001 erhalten hat. Da der Antragsteller jetzt mithin in der Lage ist, seine Wohnung ausreichend zu heizen, befindet er sich zur Zeit nicht in einer existentiellen Notlage, die nur durch Übernahme der restlichen Kosten der Heizöllieferung behoben werden könnte.

4

Soweit der Antragsteller wegen seines Diabetes mellitus Typ I einen Mehrbedarf in Höhe von 100,-- DM pro Monat begehrt, hat er den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Anordnungsanspruch, die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die materielle Berechtigung seines Begehrens, nicht glaubhaft gemacht.

5

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung steht dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 23 Abs. 4 BSHG nicht zu.

6

Nach § 23 Abs. 4 BSHG ist für Kranke, Genesende, Behinderte oder von einer Krankheit oder Behinderung Bedrohte, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Der Antragsteller ist laut ärztlichem Attest seiner Hausärztin Frau Dr. S. an Diabetes mellitus Typ I erkrankt und seine Ernährungskosten sind deshalb grundsätzlich wegen der von ihm einzuhaltenden Diabetes-Diät höher als vom Regelsatz berücksichtigt. Allerdings ist der Antragsteller mit einer Größe von 1,78 m und einem Gewicht von 92 kg deutlich übergewichtig. Daher kann seinem Anspruch nach § 23 Abs. 4 BSHG auf Bewilligung eines Mehrbedarfs § 2 BSHG entgegengehalten werden. Nach dieser Vorschrift erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann. Der Antragsteller kann sich bis zum Erreichen seines Normalgewichts selbst helfen, indem er eine Reduktionsdiät durchführt und dadurch Ernährungskosten einspart, die er für seine weiterhin notwendige Diabetes-Diät wieder einsetzen kann. Die Kosten dieser Reduktionsdiät liegen nach den Erkenntnissen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge -DV- (Heft 48, Kleinere Schriften des DV, Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe, 2. Auflage, 1997, S. 36, 55, 62) aufgrund verschiedener ernährungsmedizinischer Gutachten (Bundesgesundheitsamt Prof. Dr. R. Großklaus S. 67, 78; Prof. Dr. Reinhold Kluthe "Zur Gewährung von Krankenkostzulagen aus ernährungsmedizinischer Sicht" S. 127, 136) im Rahmen dessen, was der Antragsteller mit dem Regelsatz an finanziellen Mitteln für Ernährung erhält, sodass ihm während der Reduktionsdiät keine Mehrkosten entstehen. Die Ausführungen in diesen Empfehlungen des DV zu übergewichtigen Typ II b Diabetikern, zu denen der Antragsteller nicht zählt, können auf übergewichtige Typ I Diabetiker - wie dem Antragsteller - übertragen werden, weil beide sich nach den gleichen Ernährungsgrundsätzen richten müssen und bei beiden Typen bei Normalgewicht der gleiche Mehrbedarf zu gewähren ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller zitierten Urteil des VG Göttingen vom 11.10.2000 (AZ: 2 A 2307/99), weil bei der Entscheidung über den Mehrbedarf des dortigen Klägers, der ebenfalls an Diabetes mellitus Typ I litt, eine Übergewichtigkeit nicht zu berücksichtigen war. Dem Antragsteller kann auch zugemutet werden, dass er die ihm aufgrund seiner Übergewichtigkeit gegebene Selbsthilfemöglichkeit in Anspruch nimmt, da sie lediglich von seinem Willen abhängig und seiner Gesundheit außerdem förderlich ist

7

Die Fehlerhaftigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 09. November 2001, der weder eine ausdrückliche Entscheidung über die Gewährung des von dem Antragsteller beantragten Mehrbedarfs noch eine hierauf gerichtete Begründung enthält, führt zu keiner anderen Beurteilung, weil sie das Vorliegen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die Gewährung der begehrten Leistung nicht zu ersetzten vermag.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt die Kammer auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug.

9

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.