Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 24.11.2015, Az.: L 7 AS 1519/15 B ER
Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen einen Sanktionsbescheid; Eingliederungsverwaltungsakt; Bestimmtheit einer Eingliederungsmaßnahme; Bestimmtheitsanforderungen zu Sperrzeiten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 24.11.2015
- Aktenzeichen
- L 7 AS 1519/15 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2015, 39545
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2015:1124.L7AS1519.15B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - 20.10.2015 - AZ: S 10 AS 3272/15
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG
- § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II
- § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB III
Redaktioneller Leitsatz
1. Der in § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II geregelte Tatbestand der Weigerung, eine in einem Eingliederungsverwaltungsakt festgelegte Pflicht zu erfüllen, setzt voraus, dass die zu erfüllende Pflicht von dem Grundsicherungsträger hinreichend konkret bestimmt worden ist.
2. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Eingliederungsmaßnahme gelten auch dann, wenn man § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II für einschlägig hält; es muss in beiden Fällen für den Leistungsberechtigten - nach seinem Empfängerhorizont - aus dem Eingliederungsverwaltungsakt bzw. aus dem Angebot der Behörde klar erkennbar und nachvollziehbar sein, was von ihm gefordert wird, d.h. die Maßnahme muss näher beschrieben werden.
3. Das Bundessozialgericht hat hierzu bereits ausgeführt, dass seine Rechtsprechung zu den Bestimmtheitsanforderungen zu den Sperrzeiten nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III - Sperrzeit wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme - grundsätzlich auf das neue Recht nach dem SGB II sinngemäß zu übertragen sei.
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 20. Oktober 2015 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29. Oktober 2015 gegen den Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015 (Az. S 10 AS 3272/15) angeordnet.
2. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die Absenkung der ihm gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 1. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2015.
Der 1992 geborene Antragsteller bezieht seit August 2010 SGB II-Leistungen vom Antragsgegner.
Durch Bescheid vom 9. Februar 2015 stellte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller für die Zeit 1. März 2015 bis 31. Mai 2015 eine Beschränkung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung fest, da der Antragsteller sich geweigert habe, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit als Helfer in der Ver- und Entsorgung bei der E. GmbH fortzuführen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Dem Antragsteller und seiner Partnerin wurden mit Bescheid vom 10. Juni 2015 SGB II-Leistungen für die Zeit 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015 in Höhe von monatlich jeweils 535,50 EUR vorläufig gewährt.
Mit Bescheid vom 17. Juni 2015 stellte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller für die Zeit 1. Juli 2015 bis 30. September 2015 einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II fest, weil der Antragsteller sich geweigert habe, eine zumutbare Arbeitsgelegenheit als Helfer für Holz-/Flechtwaren bei der E. GmbH aufzunehmen. Ein gleichlautender Bescheid war gegenüber der Partnerin des Antragstellers ergangen. Gegen diese Bescheide legten der Antragsteller und seine Partnerin Widerspruch ein und beantragten beim Sozialgericht (SG) Braunschweig den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Durch Beschluss vom 8. Juli 2015 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers und seiner Partnerin gegen die Sanktionsbescheide vom 17. Juni 2015 an und verwies zur Begründung darauf, dass der Antragsgegner unzutreffende Rechtsfolgenbelehrungen erteilt habe (Az. F.).
Nachdem zwischen den Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kam, erließ der Antragsgegner am 3. August 2015 einen Verwaltungsakt betreffend die Eingliederungsbemühungen. Der Antragsgegner verpflichtete sich darin u. a., die angemessenen Kosten des Antragstellers für die Teilnahme an der angebotenen Eingliederungsmaßnahme mit der Bezeichnung "G. - H." bei der I. -Schule zu übernehmen, soweit dies für die die berufliche Eingliederung notwendig sei. Der Antragsteller wurde verpflichtet, an der genannten Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Im Bescheid wurde zu der Maßnahme wie folgt ausgeführt:
"Die Maßnahme soll Ihre berufliche Eingliederung durch eine Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterstützen. Inhalt der Maßnahme: Integration den ersten Arbeitsmarkt; Zweck der Maßnahme ist: Unterstützung und Hilfestellung im Bewerbungsprozess; bei der I. -Schule in J. vom 10.08.15 bis 30.11.15."
Der Bescheid vom 3. August 2015 enthielt weiter den Hinweis, dass das Arbeitslosengeld II des Antragstellers bereits einmal aufgrund eines Pflichtverstoßes auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt worden sei und jeder weitere Pflichtverstoß daher den vollständigen Wegfall des zustehenden Arbeitslosengeldes II zur Folge haben werde.
Ebenfalls am 3. August 2015 übersandte der Antragsgegner dem Antragsteller ein Schreiben, welches ein "Angebot" der in dem zeitgleich ergangenen Bescheid genannten Eingliederungsmaßnahme beinhaltete. Als zeitlicher Umfang der Maßnahme wurden 36 netto Teilnahmetage an drei Tagen pro Woche mit jeweils drei Stunden genannt. Als Inhalt der Maßnahme wurde in diesem Schreiben "Integration in den ersten Arbeitsmarkt" angegeben. Weiter beinhaltete das Schreiben Daten wie Zeitraum, Ort und Träger der Maßnahme.
Am 3. August 2015 übersandte der Antragsgegner dem Antragsteller ferner eine Einladung zu einem Termin bei der I. -Schule am 10. August 2015. Er gab als Zweck der Einladung eine "Informationsveranstaltung der G." an. Wenn der Antragsteller ohne wichtigen Grund dieser Einladung nicht folge leiste, werde sein Arbeitslosengeld II um 10 Prozent des für ihn maßgebenden Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten gekürzt.
Gegen den Bescheid vom 3. August 2015 legte der Antragsteller Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2015 zurückwies. Dagegen erhob der Kläger am 24. September 2015 Klage beim SG (Az. K.), über die noch nicht entschieden worden ist.
Der Antragsteller nahm am 10. August 2015 die ihm angebotene Eingliederungsmaßnahme bei der I. -Schule nicht auf. Daraufhin hörte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 11. August 2015 zum möglichen Eintritt einer Sanktion an. Durch Bescheid vom 22. September 2015 stellte der Antragsgegner sodann für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 31. Dezember 2015 einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II fest. Der vorausgegangene Bewilligungsbescheid vom 10. Juni 2015 wurde insoweit ganz aufgehoben. Weiter entschied der Antragsgegner, dass Gutscheine oder geldwerte Leistungen nicht gewährt werden. Zur Begründung gab er an, der Antragsteller habe sich geweigert, die ihm am 3. August 2015 angebotene Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit aufzunehmen. Das Angebot sei unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit und persönlichen Verhältnisse des Antragstellers zumutbar gewesen. Er habe sich trotzt schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, die Maßnahme aufzunehmen. Da er wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei, falle für den Minderungszeitraum sein Arbeitslosengeld II vollständig weg.
Am 30. September 2015 stellte der Antragsteller beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dass seine SGB II-Leistungen auch ab Oktober 2015 fortlaufend bewilligt und ausgezahlt werden. Der Antragsgegner wertete diesen Antrag als Widerspruch gegen seinen Sanktionsbescheid vom 22. September 2015 und wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Dagegen hat der Antragsteller am 29. Oktober 2015 Klage beim SG erhoben (Az. L.)
Das SG hat den Antrag vom 30. September 2015 als Antrag auf Erlass der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 30. September 2015 gegen den Sanktionsbescheid vom 22. September 2015 ausgelegt und den Antrag mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das SG aus:
Das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiege nicht das Interesse der Allgemeinheit an einem sofortigen Vollzug. Der Antragsteller habe die ihm angebotene Eingliederungsmaßnahme nicht angetreten. Die Maßnahme sei zumutbar gewesen. Der Antragsteller sei ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen bei Nichtantritt belehrt worden. Der Antragsgegner habe sein Ermessen in Bezug auf die Verkürzung des Minderungszeitraums auf sechs Wochen ordnungsgemäß ausgeübt. Der Antragsteller habe keinen wichtigen Grund vorgetragen. Selbst wenn davon auszugehen sei, dass dem Antragsteller wegen des Vorstellungsgesprächs bei der Fa. ZAG am 10. August 2015 um 14 Uhr eine Teilnahme an der Maßnahme am selben Tag nicht möglich gewesen sei, stelle dieses Vorstellungsgespräch keinen wichtiger Grund für das Fernbleiben an den folgenden Tagen dar. Auch sein Vorbringen, die Maßnahme diene nicht dem Ziel, eine Anstellung zu finden und er wolle sich darauf konzentrieren, sei kein wichtiger Grund. Der Antragsteller sei bereits mit Bescheid vom 9. Februar 2015 sanktioniert worden, sodass die Leistungen vollständig entfielen.
Der Antragsteller hat am 29. Oktober 2015 Beschwerde gegen den Beschluss des SG eingelegt und verfolgt sein Begehren weiter. Er trägt zur Begründung vor: Er habe bereits mehrfach beim Antragsgegner vorgesprochen und mit dem zuständigen Sachbearbeiter über seine Arbeitssituation gesprochen. Er habe angeboten, auf dem freien Arbeitsmarkt Arbeit zu suchen, da er mit den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht einverstanden gewesen sei. Er fühle sich von der Berufsberaterin des Antragsgegners schikaniert. In jedem Schreiben des Antragsgegners sei eine Androhung von Sanktionen vorhanden. Er habe den Eindruck, dass gar nicht mehr geprüft werde, sondern gleich gegen ihn entschieden werde. Er habe zurzeit kein Einkommen und keine Barmittel.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 20. Oktober 2015 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 29. Oktober 2015 gegen den Bescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015 (Az. S 10 AS 3272/15) anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss und verweist im Wesentlichen auf dessen Gründe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 29. Oktober 2015 gegen den Sanktionsbescheid vom 22. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2015 (Az. S 10 AS 3272/15) ist anzuordnen.
1. Zutreffend hat das SG den Antrag des Antragstellers vom 30. September 2015 auf einstweiligen Rechtsschutz als einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgelegt. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid vom 22. September 2015 gem. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 Nr. 1 4. Var. SGB II keine aufschiebende Wirkung, so dass ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft ist.
2. Die Beschwerde ist begründet. Auf Antrag des Antragstellers ist die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid vom 22. September 2015 anzuordnen, da das Interesse des Antragstellers an der Aufschiebung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt.
a) Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage aufgrund von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen (vgl. dazu und zum Folgenden: Beschluss des Senats vom 30. Januar 2008 - L 7 AS 816/07 ER -, Rn. 16, juris). Dabei ist das private Interesse des Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes abzuwägen. Die abzuwägenden Interessen ergeben in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollzugsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Entscheidend ist also die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Danach ist eine Entscheidung zugunsten des Bescheidadressaten zu treffen, wenn die summarische Prüfung ergibt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides bestehen. Denn an der sofortigen Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein überwiegendes Vollzugsinteresse. Hingegen überwiegt bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt das Vollzugsinteresse, wenn dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist.
b) Bei Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegt das Interesse des Antragstellers an der sofortigen Vollziehung, weil die summarische Prüfung ergibt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Sanktionsbescheides vom 22. September 2015 bestehen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II dürften nicht vorliegen.
§ 31 Abs. 1 SGB II lautet: "Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis 1. sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 SGB II festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, 2. sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II oder ein nach § 16e SGB II gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern, 3. eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen."
Als Rechtsgrundlagen für die festgestellte Pflichtverletzung kommen hier § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II und § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II in Betracht. Wurde die Eingliederungsmaßnahme in der Eingliederungsvereinbarung bzw. in dem Eingliederungsverwaltungsakt nicht hinreichend konkret bestimmt oder erfolgte das Angebot außerhalb der Eingliederungsvereinbarung bzw. des Eingliederungsverwaltungsakts, soll ausschließlich § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II Anwendung finden (vgl. Knickrehm/Hahn in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., 2013, § 31 Rn. 49; Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, 58. Ergänzungslieferung, Juni 2015, § 31 Rn. 57). Anderenfalls wird die Regelung in § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II als spezielle Vorschrift angesehen. Da in § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II im Gegensatz zu § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II Eingliederungsmaßnahmen ausdrücklich genannt werden, erscheint es aber zweifelhaft, ob § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II in dieser Konstellation gegenüber § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II die speziellere Regelung darstellt. Der Senat kann vorliegend dahinstehen lassen, welcher Tatbestand vorrangig ist, da in beiden Fällen - wie die nachfolgenden Darlegungen zeigen - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides bestehen.
c) Der in § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II geregelte Tatbestand der Weigerung, eine in einem Eingliederungsverwaltungsakt festgelegte Pflicht zu erfüllen, setzt voraus, dass die zu erfüllende Pflicht von dem Grundsicherungsträger hinreichend konkret bestimmt worden ist. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Eingliederungsmaßnahme gelten auch dann, wenn man mit dem Antragsgegner § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II für einschlägig hält. Es muss in beiden Fällen für den Leistungsberechtigten - nach seinem Empfängerhorizont - aus dem Eingliederungsverwaltungsakt bzw. aus dem Angebot der Behörde klar erkennbar und nachvollziehbar sein, was von ihm gefordert wird, d. h. die Maßnahme muss näher beschrieben werden (vgl. Knickrehm/Hahn, a. a. O., § 31 Rn. 22 und Rn. 48). Das Bundessozialgericht (BSG) hat hierzu in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 (Az. B 4 AS 60/07 R, SozR 4-4200 § 16 Nr. 4) u. a. ausgeführt, dass seine Rechtsprechung zu den Bestimmtheitsanforderungen zu den Sperrzeiten nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) - Sperrzeit wegen Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme - grundsätzlich auf das neue Recht nach dem SGB II sinngemäß zu übertragen sei (vgl. Rn. 31-32 des Urteils). Weiter hat es zu der Rechtsprechung nach dem SGB III festgestellt, dass danach der Leistungsempfänger durch die Bundesagentur für Arbeit über Ausgestaltung und Ziel der Bildungsmaßnahme durch ein hinreichend bestimmtes Angebot zu unterrichten sei, damit er auf dieser Grundlage seine Entscheidung über die Teilnahme an der Maßnahme treffen könne (BSG, a. a. O., Rn. 32 a. E. m. w. N.). Hieraus folgt für den Senat, dass das BSG auch bezüglich der Eingliederungsmaßnahmen - und nicht nur hinsichtlich der Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 2 SGB II a. F., die Gegenstand des genannten Urteils des BSG waren - seine zum Sperrzeitrecht im SGB III entwickelte Rechtsprechung zur Bestimmtheit auf die Sanktionen nach dem SGB II übertragen will (vgl. Rn. 31 des Urteils des BSG). Dafür spricht auch die vom BSG gegebene Rechtfertigung für diese Rechtsprechung, nämlich dem Hilfebedürftigen aus Gründen des Rechtsschutzes eine Überprüfung der Einhaltung der formellen und inhaltlichen Anforderungen an eine zulässige Arbeitsgelegenheit zu ermöglichen (BSG, a. a. O., Rn. 33). Dieses Bedürfnis besteht gleichermaßen bei einer Eingliederungsmaßnahme, die ebenfalls für den Hilfebedürftigen zumutbar und zur Erreichung des Eingliederungsziels geeignet und erforderlich sein muss (vgl. Berlit in: Münder, SGB II, 5. Aufl., 2013, § 31 Rn. 55-57; Knickrehm/Hahn, a. a. O., § 31 Rn. 48).
Vorliegend ist der Antragsteller durch den Antragsgegner weder im Eingliederungsverwaltungsakt noch im Angebot über Ausgestaltung und Ziel der von ihm verlangten Bildungsmaßnahme hinreichend bestimmt aufgeklärt worden. Aus den Formulierungen im Eingliederungsverwaltungsakt ergibt sich nur, dass der Antragsteller mit dem Ziel der beruflichen Eingliederung vom Maßnahmeträger "Unterstützung und Hilfestellung im Bewerbungsprozess" erhalten sollte. In dem Maßnahmeangebot wird der Inhalt der vorgeschlagenen Maßnahme wie folgt bezeichnet: "Integration in den ersten Arbeitsmarkt". Es ist anhand dieser Angaben nicht erkennbar, wie diese Unterstützung und Hilfestellung im Einzelnen aussehen sollten, wie also die fragliche Eingliederungsmaßnahme konkret ausgestaltet war. Insbesondere kann nicht bestimmt werden, ob Gegenstand der Eingliederungsmaßnahme z. B. auch ein Computerkurs, eine Schulung zur Anfertigung von Bewerbungsunterlagen, ein Rhetorikkurs zur Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche oder nur die Hilfe bei der Suche nach geeigneten Arbeits- oder Ausbildungsstellen sein sollte. Insoweit hilft auch der Hinweis des Antragsgegners auf § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 45 SGB III nicht weiter. Allein in § 45 Abs. 1 S. 1 SGB III werden fünf unterschiedliche Formen von Eingliederungsmaßnahmen aufgezählt, denen die vom Antragsgegner angebotene Maßnahme mangels näherer Angaben nicht eindeutig zugeordnet werden kann.
Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, der Antragsteller habe mit dem Eingliederungsverwaltungsakt und seinem Angebot ein offizielles Faltblatt des Maßnahmeträgers erhalten und außerdem sei im Rahmen des Beratungsgespräches am 3. August 2015 versucht worden, ihm das Konzept des Trägers zu erläutern, kann das nicht zur Annahme der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit der angebotenen Maßnahme führen. Hinsichtlich des Beratungsgesprächs verweist der Antragsgegner selbst darauf, dass der Antragsteller das Beratungsgespräch abgebrochen habe und nicht bereit gewesen sei, sich das Konzept des Maßnahmeträgers anzuhören. Somit kann eine hinreichende mündliche Darlegung anlässlich des Beratungsgesprächs, selbst wenn man dies für die Erfüllung der Bestimmtheitsanforderungen genügen lässt, nicht erfolgt sein. Der Hinweis auf das übersandte Faltblatt des Maßnahmeträgers kann vorliegend den Antragsgegner ebenfalls nicht von der Pflicht entbinden, selbst in der Zuweisung den Inhalt der jeweiligen Maßnahme hinreichend zu bestimmen. Denn die in dem Faltblatt genannten Leistungen des Maßnahmeträgers umfassen sehr unterschiedliche Angebote (z. B. Beratung, Arbeitgeberkontakte, Stellenangebote, Unterstützung bei Bewerbungen), ohne dass daraus deutlich wird, was davon im Falle des Antragstellers zum Tragen kommen sollte. Es ist aber Aufgabe des Leistungsträgers, der Inhalt und Modalitäten der jeweiligen Eingliederungsmaßnahme im jeweiligen Angebot genau bezeichnen muss (vgl. BSG, a. a. O., Rn. 31) und dies nicht dem Träger zu überlassen (vgl. zu Arbeitsgelegenheiten: Knickrehm/Hahn, a. a. O., § 31 Rn. 34; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand XI/2011, § 31 Rn. 114).
d) Auch aus einem weiteren Grund bestehen Zweifel daran, ob der Antragsgegner ein formell wirksames Angebot zu einer Eingliederungsmaßnahme gemacht hat. Hierzu ist es erforderlich, dass vor Beginn der Maßnahme eine verbindliche Auskunft der Behörde erteilt wird, welche Leistungen im Einzelnen und in welcher Höhe während der Maßnahme gewährt werden bzw. welcher finanzielle Mehraufwand als Eigenleistungen vom Leistungsberechtigten aufzubringen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 17. Juni 2013, L 7 AS 332/13 B ER, Rn. 15, juris, dort unter Hinweis auf das Sperrzeitenrecht: BSG, SozR 3-4100 § 119 Nr. 14). Der Antragsgegner hat sich in dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 3. August 2015 verpflichtet, die angemessenen Kosten für die Teilnahme zu übernehmen, soweit dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. In dem Angebot vom 3. August 2015 wird hierzu ausgeführt, notwendige Kosten (z. B. Fahrkosten), die im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Maßnahme entstehen, könnten übernommen werden. Aus diesen Angaben kann der Antragsteller nicht zuverlässig entnehmen, ob und welche ihm während der Eingliederungsmaßnahme entstehenden Kosten vom Antragsgegner als angemessen und notwendig angesehen würden und in welcher Höhe diese übernommen werden sollten, insbesondere ob sich der Antragsgegner eine Ermessensentscheidung darüber vorbehält.
e) An der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides vom 22. September 2015 bestehen auch deshalb Zweifel, weil der Antragsgegner bei der Verpflichtung des Antragstellers zur Teilnahme an der Eingliederungsmaßnahme bei der I. -Schule entgegen der gesetzlichen Vorgabe in § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II kein Ermessen ausgeübt hat. Bei der Bewilligung von Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 45 SGB III handelt es sich, wie dem Wortlaut in § 16 Abs. 1 S. 2 SGB II ("kann erbringen") zu entnehmen ist, um eine Ermessensentscheidung (Eicher/Stölting in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 16 Rn. 64). Zur Ermessensentscheidung hätte hier die Prüfung gehört, inwieweit die konkrete Eingliederungsmaßnahme entsprechend dem Zweck der Vorschrift der Förderung der Eingliederung in Arbeit sinnvoll ist (vgl. § 39 Abs. 1 S. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -) und inwiefern die Zumutbarkeitskriterien in § 10 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II, die nach § 10 Abs. 3 SGB II auf Eingliederungsleistungen entsprechend anwendbar sind, beachtet worden sind (vgl. SG Landshut, Urteil v. 23. Oktober 2012, S 11 AS 178/11, Rn. 72, juris; Eicher/Stölting, a. a. O., § 16 Rn. 67). Dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 3. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2015 kann nicht entnommen werden, dass der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen erkannt und ausgeübt hat. Das ist vom Antragsgegner in seinem zweiten Schriftsatz vom 11. November 2015 auch eingestanden worden. Anlass zur Ermessensausübung hätte hier insbesondere deshalb bestanden, weil der Antragsgegner dem Antragsteller am 23. Juli 2015 und damit kurz vor Erlass des Eingliederungsverwaltungsakts einen Vermittlungsvorschlag für eine Stelle auf dem freien Arbeitsmarkt übersandt hatte. Zudem hätte sich der Antragsgegner mit dem Vortrag des Antragstellers auseinander setzen müssen, dass seine Bewerbungsunterlagen nach Aussage seiner Arbeitsvermittlerin gut geschrieben seien, er bereits mehrfach erfolglos Maßnahmen durchlaufen habe und eine erneute Maßnahme im Hinblick auf sein vorrangiges Ziel der Aufnahme einer Arbeit oder einer Ausbildung nicht geeignet sei. Es liegt somit hier ein Fall von Ermessensausfall vor.
Nicht nachvollziehbar ist der Hinweis des Antragsgegners, dass bezüglich des Ermessens ausschlaggebend sei, dass der Eingliederungsverwaltungsakt zum Zeitpunkt der Feststellung der angefochtenen Sanktion bereits bestandskräftig war. Der Sanktionsbescheid datiert auf den 22. September 2015. Gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 3. August 2015 legte der Antragsteller bereits unter dem 21. August 2015 Widerspruch ein und nach Erteilung des Widerspruchsbescheides am 24. September 2015 auch fristgemäß Klage (Az. S 10 AS 2964/15). Der Eingliederungsverwaltungsakt war somit bei Erlass des Sanktionsbescheides nicht in Bestandskraft erwachsen. Im Übrigen wäre auch bei einem bestandskräftigen Eingliederungsverwaltungsakt dessen Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II inzident zu prüfen (vgl. zur ähnlichen Problematik bei einer Meldeaufforderung mit anschließender Sanktion wegen Meldeversäumnis: BSG, Urteil v. 29. April 2015, B 14 AS 20/14 R, Rn. 26, juris; Knickrehm/Hahn, a. a. O., § 31 Rn. 21).
Dieser Ermessensfehler im Eingliederungsverwaltungsakt vom 3. August 2015 begründet auch dann Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides, wenn man vorliegend § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II statt § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II für einschlägig hält. Denn nicht gesetzmäßige bzw. unzumutbare Eingliederungsmaßnahmen, die gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II nicht durchgeführt werden dürfen, dürfen folgenlos abgebrochen bzw. nicht angetreten werden (vgl. Burkiczak in: BeckOK SozR, SGB II, Stand: 1.6.2015, § 31 Rn. 22).
f) Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides bestehen auch angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgenbelehrungen, die einerseits in der Einladung und andererseits in dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 3. August 2015 enthalten sind. Die Rechtfolgenbelehrung in der Einladung verweist auf eine drohende Minderung des Regelbedarfs um 10 %, während die Belehrung in dem Eingliederungsverwaltungsakt bzw. in dem Maßnahmeangebot auf einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II hinweist. Eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung erfordert, dass im Einzelfall konkret, richtig, vollständig und zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in verständlicher Form erklärt wird, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben (ständige Rspr. des BSG, vgl. BSG, Urteil v. 16. Dezember 2008, B 4 AS 60/07 R, Rn. 36, juris). Da die Einladung und das Maßnahmeangebot sehr verschiedene Rechtsfolgenbelehrungen enthalten, beide Schreiben am gleichen Tag zugesandt wurden und sich beide auf die Pflicht zur Teilnahme an der Eingliederungsmaßnahme am 10. August 2015 beziehen, bestehen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit und Verständlichkeit der für die Festsetzung einer Leistungsminderung erforderlichen Belehrung.
g) Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe einen wichtigen Grund für die Ablehnung der Teilnahme der vorgeschlagenen Eingliederungsmaßnahme, ist den Ausführungen im angefochtenen Beschluss zuzustimmen. Der Senat vermag ebenfalls keine Umstände zu erkennen, die einen wichtigen Grund i. S. d. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II darstellen würden. Aus den oben dargelegten Gründen bestehen aber dennoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Sanktionsbescheides.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang in der Hauptsache.
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).