Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 12.11.2015, Az.: L 13 SB 122/12
Grad der Behinderung; Versorgungsmedizinische Grundsätze; Bemessung des GdB als tatrichterliche Aufgabe
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 12.11.2015
- Aktenzeichen
- L 13 SB 122/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 40216
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2015:1112.L13SB122.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - AZ: S 20 SB 151/09
Rechtsgrundlagen
- § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X
- § 69 SGB IX
- § 30 Abs. 1 BVG
- § 2 VersMedV
Redaktioneller Leitsatz
1. Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) erlassen worden, in denen u.a. die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) i.S. des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden sind.
2. Diese sind auch für die Feststellung des GdB maßgebend (vgl. Teil A Nr. 2a VMG). Die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) und die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen VMG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar.
3. Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe; dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der mittlerweile als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt ist, beantragt eine Höherstufung seines GdB sowie die Zuerkennung des Merkzeichens "G".
Der 1950 geborene Kläger stellte im Jahr 2002 erstmals einen Feststellungsantrag nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) wegen diverser internistischer Gesundheitsstörungen. Das Versorgungsamt der Beklagten holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Hausarztes Dr. I. ein, der seinerseits Facharztberichte beifügte. Anschließend befragte das Versorgungsamt seinen Ärztlichen Dienst; Dr. J. empfahl die Feststellung eines GdB von 40 wegen einer Nierenfunktionsstörung, wohingegen sich Herz- und Lungenbeschwerden mit jeweils einem Einzel-GdB von weniger als 10 nicht erhöhend auf die Feststellung auswirkten. Dementsprechend stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 2002 den GdB des Klägers mit 40 fest.
Am 23. Oktober 2008 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag und berief sich auf das Hinzutreten einer chronischen Polyarthritis; neben einer Höherstufung seines GdB beantragte er die Zuerkennung des Merkzeichens "G". Er fügte einen Bericht des Nuklearmediziners und Radiologen Dr. K. bei, der den Verdacht auf eine chronische Polyarthritis im Mai 2008 geäußert hatte. Ferner äußerte die Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Frau Dr. L. den Verdacht auf eine Polymyalgia rheumatica (PMR). Die Hausärztin Frau Dr. M., die den Kläger seit 2007 behandelte, teilte mit, seit 2000 leide der Kläger unter Vorhofflimmern, seit 2002 unter einer Niereninsuffizienz und ebenfalls seit 2002 unter zunehmenden Gelenk- und Wirbelsäulenschmerzen. Die Beklagte holte einen Befund von Frau Dr. L. ein, die berichtete, sie habe eine schmerzhafte Schwäche der Oberarmmuskulatur mit Belastungseinschränkung der oberen Extremitäten vorgefunden. Sie bestätigte ihre bereits bekannte Diagnose. Ergänzend wurden Röntgenbefunde des Thorax und der Wirbelsäule des Klägers, erstellt durch Dr. N., vorgelegt. Eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Halswirbelsäule (HWS) im August 2008 ergab degenerative Veränderungen, aber keinen Hinweis auf einen entzündlichen Prozess.
In einer gutachterlichen Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes nahm Frau Dr. O. als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung eine "Polymyalgia rheumatica" mit einem Einzel-GdB von 30 in die Empfehlung auf und empfahl die Feststellung eines GdB von 50 ab dem 23. Oktober 2008, wohingegen für die Vergabe des Merkzeichens "G" kein Anhalt bestehe, da überwiegend die Armmuskulatur und die Gelenke der oberen Extremitäten betroffen seien. Dementsprechend stellte die Beklagte mit Neufeststellungsbescheid vom 2. Februar 2009 den GdB des Klägers mit 50 ab dem 23. Oktober 2008 neu fest. Der Kläger legte Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2009 zurückwies.
Der Kläger hat am 25. Mai 2009 Klage erhoben. Er hat sich auf einen Entzündungsprozess im linken Hüftgelenk und daraus herrührende Beschwerden beim Gehen berufen. Das Sozialgericht (SG) Bremen hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Frau Dr. M. hat mitgeteilt, der Kläger sei seit August 2008 nicht mehr in ihrer Praxis gewesen. Der Nephrologe Dr. P. hat von einer stabilen Nierenfunktion und einer insoweit unveränderten Situation berichtet. Frau Dr. L. hat in ihrem Befundbericht Schmerzen in beiden Hüften, besonders links, als Beschwerdeschilderung des Klägers wiedergegeben und im Übrigen die bekannten Diagnosen wiederholt; der Kläger leide an einer Polymyalgia rheumatica, einer systemischen Autoimmunerkrankung der Muskulatur. An Frau Dr. M. hat sie berichtet, sie führe eine systemische Corticosteroidtherapie durch, unter der Therapie habe keine signifikante entzündliche Krankheitsaktivität beobachtet werden können. Die Schmerzsymptomatik im Bereich der linken Schulter sei in erster Linie auf degenerative Veränderungen zurückzuführen.
Die Beklagte hat ihren Ärztlichen Dienst befragt, der eine Abhilfe nicht empfohlen hat. Insbesondere seien die beklagten Beschwerden der Hüftgelenke, die von Frau Dr. L. ohne Angaben von Gründen, Ausmaß der Einschränkung oder Therapiemöglichkeiten mitgeteilt worden seien, als subjektive Beschwerden zu bewerten, während die anerkannten Gesundheitsstörungen angemessen, umfassend und ausreichend bewertet worden seien.
Das SG Bremen hat ein internistisches Sachverständigengutachten des Dr. Q. eingeholt, das dieser am 22. Juli 2010 unter Mitarbeit der Ärztin Dr. VR. erstattet und gestützt auf eine radiologische Zusatzuntersuchung (MRT der Lendenwirbelsäule [LWS] und der Hüftgelenke) hat. In der Anamnese hat er mitgeteilt, der Kläger sei verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder, er habe als Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Sozialrecht gearbeitet und sei seit Februar 2010 berentet. In der aktuellen gesundheitlichen Anamnese hat er ein Taubheitsgefühl der Finger, feinmotorische Störungen beim Schreiben, Rückenschmerzen, Morgensteifigkeit in Schultergürtel und Hüftgelenk, Schmerzhaftigkeit der Hüften beim Gehen über unebene Flächen (links größer als rechts) und vor allen Dingen Schmerzen in der LWS, der linken Leiste und im linken Arm angegeben. Er hat den Allgemein- und Ernährungszustand des Klägers als gut beschrieben, wegen der weiteren Feststellungen wird auf den Inhalt seines Gutachtens verwiesen; in der nuklearmedizinischen Zusatzuntersuchung hat sich kein Hinweis auf entzündliche Gelenkveränderungen gefunden, insbesondere nicht auf eine rheumatoide Arthritis. Die degenerativen Veränderungen haben sich im Wesentlichen altersgerecht dargestellt. Die Kreatinin- und Harnstoffwerte - mit Blick auf die Nierenfunktion - hätten sich bei der aktuellen Messung gegenüber 2002 leicht gebessert. Neu aufgetreten seien subjektive Beschwerden im Bereich der unteren Wirbelsäule und der Hüftgelenke. Auffindbar seien hier indes altersgemäße degenerative Veränderungen ohne Kompression der Nervenwurzeln, entzündliche Veränderungen seien nicht gefunden worden. Die bekannten gesundheitlichen Störungen seien stabil geblieben. Der Gesamt-GdB könne höchstens mit 50 bewertet werden.
In einer Stellungnahme hat sich der Kläger darauf berufen, er gehe davon aus, dass der Sachverhalt nicht annähernd aufgeklärt sei. Es sei zu heftigen Herzrhythmusstörungen, einer ausgeprägten Angina pectoris, einer erheblichen Schwächung des Immunsystems durch die ständige Einnahme von Cortison sowie zu weiteren Nebenwirkungen im Sinne von Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit, Anfälligkeit für Infekte, Gelenk- und Knochenschmerzen, Schwellungen, Kopfschmerz, Schwäche, Kraftlosigkeit und Unwohlsein gekommen.
Das SG hat alsdann einen weiteren Befundbericht der Kardiologin Dr. S. eingeholt, die über eine Untersuchung am 6. September 2011 berichtet hat. Der Kläger habe über eine insgesamt gute Belastbarkeit im Alltag berichtet. Ausdauersportarten sowie Fahrradfahren von 10 bis 15 km seien ohne Beschwerden möglich. Bei Übungen wie Sprints oder Fußballspielen hätte er jetzt insgesamt fünf bis sechs Mal eine thorakale Enge verspürt. In Ruhe sei das bisher nicht aufgetreten. Sie schildert den Allgemeinzustand des Klägers als gut. Die kardiologische Praxis Siebels u. a. hat von einem Vorhofflimmern des Klägers berichtet. Hierzu hat sich der Ärztliche Dienst der Beklagten unter dem 16. Februar 2012 geäußert und darauf hingewiesen, aus dem Berichten sei eine wesentliche beziehungsweise messbare Behinderung seitens des Herzens nicht zu bestätigen. Die Herzleistung sei mit über 150 Watt befunden worden. Eine Bewegungseinschränkung, die eine Feststellung des Merkzeichens "G" erlauben würde, liege bei den erwähnten Belastungen des Antragstellers sicherlich nicht vor, eine behandlungsbedürftige Rhythmusstörung ergebe sich gleichfalls nicht.
Der Kläger hat hierzu geäußert, er habe weder Sprints getätigt noch Fußball gespielt, sondern lediglich vor längerer Zeit sich bereit erklärt, sich ins Tor zu stellen, der Versuch habe sofort wieder abgebrochen werden müssen. Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2012 hat der Kläger die Einholung weiterer ärztlicher Stellungnahmen beantragt und hat insbesondere die Qualifikation von Frau Dr. T. hinsichtlich der Beurteilung der rheumatischen Erkrankung in Frage gestellt, wozu Dr. Q. unter dem 29. Juni 2012 Stellung genommen und darauf hingewiesen hat, die Rheumatologie sei ein Teilgebiet der Inneren Medizin, und die genannte Ärztin verfüge über einen profunden Kenntnisstand auf dem Gebiet der rheumatischen Erkrankungen. Hierzu hat der Kläger nochmals darauf hingewiesen, es gebe auch Fachärzte für Rheumatologie.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. November 2012 hat das SG Bremen die Klage mit der Begründung abgewiesen, der festgestellte GdB sei zutreffend. Die Nierenfunktionsstörung des Klägers bedinge nach Ziffer 12.1.3 VMG einen GdB von 40 unter Zugrundelegung der gemessenen Kreatininwerte, die entzündlich-rheumatische Erkrankung des Klägers sei nach Nr. 14.2.1 VMG mit einem GdB von 20 zu bewerten, da sie allenfalls geringe Auswirkungen habe - entzündliche Gelenkveränderungen seien im Sachverständigengutachten Dr. Q. vom 9. Februar 2010 nicht feststellbar gewesen - und weitere Gesundheitsstörungen, welche für die Beurteilung des GdB relevant seien, könnten nicht festgestellt werden. Die Ermittlung des Gesamt-GdB mit 50 erscheine angemessen und die Voraussetzungen für die Vergabe des Merkzeichens "G" erfülle der Kläger nicht, denn wesentliche Einschränkungen am Gehapparat seien nicht ärztlich belegt.
Gegen den ihm am 10. November 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. Dezember 2012 Berufung eingelegt. Er meint, das Gutachten sei nicht zu verwerten, da es nicht durch einen Facharzt für Rheumatologie erstellt worden sei. Auch seien seine sportlichen Betätigungen nicht zutreffend wiedergegeben worden, er habe keineswegs Fußball gespielt, und auch die Ausführungen zum Fahrradfahren müssten differenziert betrachtet werden. Wegen seiner weiteren Ausführungen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 18. Januar 2013 verwiesen, ferner auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 3. Juni 2013 in Bezug auf seine "sportlichen" Aktivitäten und deren Folgen sowie auf die von ihm angegebenen Grundlagen der Einschränkungen der Gehfähigkeit. Diese bezieht er auf Herzrhythmusstörungen, orthopädische Beschwerden, eine Schwellung des linken Fußes, Nieren- und Lungenbeschwerden, die Nebenwirkungen der von ihm eingenommenen Medikamente sowie auf seine rheumatische Erkrankung; die MRT des U. lasse die Beschwerden deutlich erkennen. In der mündlichen Verhandlung am 12. November 2015 hat er zudem darauf hingewiesen, er halte u. a. seine Nierenfunktionsstörung für zu gering bewertet, da diese als "Stadium III" von mehreren Ärzten klassifiziert worden sei, was nach einer seitens des VdK herausgegebenen Kommentierung von Wendler einen Teil-GdB von 50 bis 70 bedinge. Im Vordergrund seiner Beschwerden stehe diese Erkrankung indes derzeit nicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 7. November 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, einen GdB von mindestens 60 festzustellen sowie den Nachteilsausgleich "G" zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 7. November 2012 für zutreffend.
Der Berichterstatter des Senats hat mit Beweisanordnung vom 9. September 2013 den leitenden Oberarzt für internistische Rheumatologie Dr. V. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Gegen diese Gutachterauswahl hat sich der Kläger mit der Begründung gewandt, der Gutachter biete nicht die Gewähr für eine wertneutrale Begutachtung beziehungsweise für eine wissenschaftlich fundierte Bewertung. Auf Nachfrage hat er alsdann erläutert, der Sachverständige habe auf Anordnung des Sozialgerichts Bremen vom 17. März 2010 ein Gutachten vom 4. Mai 2010 vorgelegt, bezüglich dessen er - der Kläger - vielfältige Einwände hatte; wegen der Einzelheiten wird auf seinen Schriftsatz vom 5. Oktober 2013 verwiesen. Das Gutachten war in einem Rentenverfahren des Klägers - S 6 R 134/07 - erstellt worden, der Kläger hat es seinem Schriftsatz beigefügt. Dr. V. hat am 11. November 2013 gegenüber dem Senat Stellung genommen. Er hat in dieser Stellungnahme dargelegt, bei der gutachterlichen Untersuchung sei der Kläger von Seiten seiner Polymyalgie beschwerdefrei gewesen. Eine unter üblicher Therapie klinisch stumme Polymyalgia rheumatica bedinge keine Erwerbsminderung. Dr. V. hat abschließend um Entbindung vom Gutachterauftrag gebeten und als Gutachter Prof. Dr. W. in X. empfohlen. Dementsprechend hat der Senat den Beweisbeschluss am 16. Dezember 2013 geändert und hat nunmehr Prof. Dr. W. zum Gutachter ernannt. Der Kläger ist den Ausführungen des Dr. V. mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2013 entgegengetreten.
Unter dem 27. Dezember 2013 hat sich Prof. Dr. W. an den Senat gewandt und mitgeteilt, nach Durchsicht der Vorunterlagen und insbesondere in Kenntnis des Gutachtens des Dr. Q. vom 9. Februar 2010 gehe er davon aus, dass ein fachrheumatologisches Gutachten nicht geeignet sei, die Fragestellung zu beantworten. Die sogenannte Polymyalgia rheumatica werde in dem Vorgutachten nur nachrangig erwähnt. Sie sei außerdem eine Erkrankung, die ihrer Natur nach nicht zu einer Einschränkung der Gehfähigkeit führe, die für eine Zu- oder Aberkennung des Merkmals "G" relevant sei, sodass er davon ausgehe, dass eine fachrheumatologische Begutachtung keine neuen Aspekte ergeben werde. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit lasse sich eher auf fachorthopädischem oder nephrologischem Gebiet klären.
Nach Stellungnahme der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 26. Februar 2014 den Beweisbeschluss vom 9. September 2013 aufgehoben.
Der Kläger hat anschließend einen Bericht des Kardiologen Dr. Y. vom 20. Oktober 2014 vorgelegt, ferner einen Bericht des ungarischen Arztes Dr. Z. über eine im September 2014 in AA. durchgeführte Behandlung des Klägers. Frau Dr. O. hat hierzu am 4. November 2014 dahingehend Stellung genommen, die neuen Unterlagen ergäben keine neuen medizinischen Gesichtspunkte für die Fragestellung der Höherbewertung des GdB und des Merkzeichens "G". Im Januar 2015 hat sich der Kläger erneut an den Senat gewandt und über einen Krankenhausaufenthalt vom 2. bis 11. Dezember 2014 berichtet, bezogen auf eine elektrophysiologische Behandlung des Vorhofflimmerns.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), aber nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 7. November 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2009 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Von einer solchen ist im Schwerbehindertenrecht bei einer Änderung im Gesundheitszustand des behinderten Menschen auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rn. 26 m. w. N.).
Nach § 69 Abs. 1 S. 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB in einem besonderen Verfahren fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Grundlage der Bewertung waren dabei bis zum 31. Dezember 2008 die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP). Dieses Bewertungssystem ist zum 1. Januar 2009 ohne wesentliche inhaltliche Änderungen abgelöst wurden durch die aufgrund des § 30 Abs. 17 (bzw. Abs. 16) BVG erlassene und zwischenzeitlich mehrfach geänderte Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I 2412). Die darin niedergelegten Maßstäbe waren nach § 69 Abs. 1 S. 5 SGB IX (in der bis zum 14. Januar 2015 gültigen Fassung) auf die Feststellung des GdB entsprechend anzuwenden. Seit dem 15. Januar 2015 existiert im Schwerbehindertenrecht eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung, in der die Grundsätze für die medizinische Bewertung des GdB und auch für die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen aufgestellt werden (§ 70 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 15. Januar 2015 gültigen Fassung). Hierzu sieht der zeitgleich in Kraft getretene § 159 Abs. 7 SGB IX als Übergangsregelung vor, dass bis zum Erlass einer solchen Verordnung die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten.
Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) erlassen worden, in denen u. a. die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) i. S. des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden sind. Diese sind auch für die Feststellung des GdB maßgebend (vgl. Teil A Nr. 2 a VMG). Die AHP und die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen VMG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. z. B. Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - juris Rn. 10 m. w. N.).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s. § 2 Abs. 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VMG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl. Teil A Nr. 3 c VMG) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in den VMG feste Grade angegeben sind (Teil A Nr. 3 b VMG). Hierbei führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 Buchst. d ee VMG; vgl. zum Vorstehenden auch BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rn. 29).
Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl. BSG a. a. O., Rn. 30). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Maßgeblich für die darauf aufbauende GdB-Feststellung ist aber nach § 2 Abs. 1, § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX, wie sich nicht nur vorübergehende Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Bei der rechtlichen Bewertung dieser Auswirkungen sind die Gerichte an die Vorschläge der von ihnen gehörten Sachverständigen nicht gebunden (BSG, Beschluss vom 20. April 2015 - B 9 SB 98/14 B - juris Rn. 6 m. w. N.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze sind der Gerichtsbescheid des SG und die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat vielmehr zu Recht die Feststellung eines (noch) höheren GdB abgelehnt.
Der Senat folgt zunächst hinsichtlich der der Nierenfunktionsstörung, welche die beim Kläger führende Erkrankung darstellt, der unter Heranziehung von Teil B Nr. 12.1.3 VMG erfolgten, ausführlichen und überzeugenden Begründung des Gerichtsbescheides des SG Bremen vom 7. November 2012, der er sich nach eigener Sachprüfung anschließt und die er daher nicht wiederholt (§ 153 Abs. 2 SGG). Insoweit besteht ein Einzel-GdB von 40. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 12. November 2015 darauf hingewiesen hat, er halte seine Nierenfunktionsstörung für zu gering bewertet, da diese als sich im "Stadium III" befindlich von mehreren Ärzten festgestellt worden sei, was nach einer seitens des VdK herausgegebenen Kommentierung einen Teil-GdB von nicht geringer als 50 bedingen könne, folgt der Senat dieser Beurteilung nicht. Der Kläger ist auch nach seinen eigenen Angaben durch die Nierenfunktionsstörung derzeit nicht so schwerwiegend beeinträchtigt, dass ein derart hoher GdB allein für diese Funktionsstörung im Vergleich mit anderen Funktionsstörungen, die einen GdB von 50 bedingen, angemessen wäre. Zudem ist das Ausmaß der Erkrankung "mittleren Grades", das einen GdB von 50 bis 70 bedingt, in Teil B Nr. 12.1.3 VMG umschrieben mit "Serumkreatininwerten andauernd zwischen 4 und 8 mg/dl erhöht, Allgemeinbefinden stärker beeinträchtigt, mäßige Einschränkung der Leistungsfähigkeit"; jedenfalls die beiden erstgenannten Kriterien sind beim Kläger, der durchgehend Kreatininwerte von ca. 2 mg/dl und teilweise auch darunter (Aussagen vom 16.4.2009 und 28.7.2009 beispielsweise) aufgewiesen hat, eindeutig nicht erfüllt. Die vom Kläger angeführte Kommentierung von Wendler benennt für das "Stadium III" ebenfalls Kreatininwerte in einem deutlich höheren Bereich, als der Kläger sie aufweist, nämlich ab 6 mg/dl, und spricht von einem "präterminalen" Stadium. Dergleichen liegt beim Kläger nach den ärztlichen Gutachten und Befundberichten nicht vor, sondern er weist vielmehr lediglich eine moderate Niereninsuffizienz auf. Die alleinige Benennung als "Stadium III" vermag aufgrund dieser eindeutigen medizinischen Feststellungen zur Überzeugung des Senats keinen höheren GdB als 40 zu begründen, zumal hinzukommt, dass verschiedene Klassifizierungen bekannt sind. So weicht die Klassifikation nach ICD-10 etwa von derjenigen ab, auf die der Kläger sich beruft; jedenfalls hiernach wäre eine Einstufung der Erkrankung des Klägers als eine solche im "Stadium III" entsprechend einer moderaten Niereninsuffizienz (vgl. Gutachten Dr. Q., S. 13) nicht unplausibel, was indes in keiner Weise deckungsgleich mit der Klassifizierung ist, auf die der Kläger sich beruft.
Der Senat tritt auch hinsichtlich der entzündlich-rheumatischen Erkrankung des Klägers den Ausführungen des SG Bremen vom 7. November 2012 bei, wonach diese unter Heranziehung von Teil B Nr. 18.2.1 VMG maximal mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sein dürfte, wobei der Senat allerdings berücksichtigt hat, dass die Polymyalgia rheumatica als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung mit einem Einzel-GdB von 30 in dem Neufeststellungsbescheid der Beklagten vom 2. Februar 2009 aufgenommen worden ist, sodass der Senat mithin bei der weiteren Betrachtung zu Gunstendes Klägers diesen Einzelwert zugrunde legt. Ein höherer Wert für diese Funktionsstörung lässt sich auch bei Heranziehung der durchgeführten Therapie nicht begründen, da eine Dosierung mit 4 mg Cortison keineswegs eine besonders aggressive Therapie, sondern eine moderate Dosierung darstellt. Bei alledem ist das Hinzutreten einer chronischen Polyarthritis zum Erkrankungsbild des Klägers mit erheblichen Funktionseinschränkungen und Beschwerden, welche einen höheren GdB-Wert rechtfertigen könnten, nicht mit belastbaren ärztlichen Feststellungen belegt. Der Nuklearmediziner und Radiologe Dr. K. hat im Mai 2008 zunächst lediglich einen entsprechenden Verdacht geäußert, alsdann auch Frau Dr. L., während die Hausärztin Frau Dr. M. von zunehmenden Gelenk- und Wirbelsäulenschmerzen berichtete. Eine MRT der HWS im August 2008 ergab jedenfalls keinen Hinweis auf einen entzündlichen Prozess, der sich auch in der Folgezeit niemals verifizieren ließ. In jedem Fall kommt es aber auf die - durch belastbare ärztliche Feststellungen belegten - funktionellen Auswirkungen an, wobei für die Einstufung nicht erheblich ist, ob ein nach Teil B Nr. 18.2.1 VMG zu beurteilender entzündlicher Prozess, an dessen zentraler Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits auch Prof. Dr. W. in seiner Stellungnahme vom 27. Dezember 2013 Zweifel geäußert hat, oder ein nach Teil B Nr. 18.4 VMG zu beurteilendes Somatisierungssyndrom vorliegt. Auch soweit Frau Dr. L. das Vorliegen einer Polymyalgia rheumatica, einer systemischen Autoimmunerkrankung der Muskulatur, annimmt, so hat sie doch ausgeführt, unter der systemischen Corticosteroidtherapie habe keine signifikante entzündliche Krankheitsaktivität beobachtet werden können. Auch der Sachverständige Dr. Q. hat im Gutachten vom 22. Juli 2010 keinen Hinweis auf entzündliche Gelenkveränderungen gefunden und zudem ausgeführt, die vorliegenden degenerativen Veränderungen stellten sich im Wesentlichen altersgerecht dar und die Kreatinin- und Harnstoffwerte - mit Blick auf die Nierenfunktion - hätten sich bei der aktuellen Messung gegenüber 2002 leicht gebessert. Soweit er annimmt, der Gesamt-GdB des Klägers könne höchstens mit 50 bewertet werden, ist dies in Anbetracht der fehlenden Feststellung in belastbarer Weise vorliegender Funktionsstörungen des Klägers ebenso überzeugend wie das gesamte Gutachten des Dr. Q ...
Die dagegen vorgebrachten Einwände des Klägers haben den Senat hingegen nicht überzeugt. Seine Schilderungen bleiben auf der Ebene subjektiver Beschwerden, die sich durch ärztliche Untersuchungen nicht verifizieren lassen. Die vom Kläger in Zweifel gezogene ärztliche Qualifikation der Frau Dr. T., die Dr. Q. bei der Anfertigung des Gutachtens geholfen hat, steht gemäß der Stellungnahme des Dr. Q. vom 29. Juni 2012 zur Überzeugung des Senats außer Frage.
Hinsichtlich der vom Kläger vorgebrachten heftigen Herzrhythmusstörungen mit ausgeprägter Angina pectoris, wobei die Darstellung der untersuchenden Kardiologin Dr. S. zwischenzeitlich deutlich andere Schlussfolgerungen nahegelegt hat, auch wenn der Kläger diesen wiederum entgegen getreten ist, liegt nunmehr ein Bericht des Dr. AB. vom Klinikum AC. vom 11. Dezember 2014 vor, der das Vorhofflimmern bestätigt. Indes handelt es sich weiterhin um ein bislang nicht austherapiertes Behandlungsleiden und der weitere Verlauf bleibt abzuwarten. Zur Begründung einer höheren Bewertung der Herzbeschwerden als mit einem Teil-GdB von 10 unter Heranziehung von Teil B Nr. 9.1.1, 9.1.6 VMG sind bislang keine belastbaren ärztlichen Feststellungen getroffen. Die entsprechende versorgungsärztliche Beurteilung (Stellungnahme der Frau Dr. O. vom 4. November 2014) ist insoweit schlüssig. Die von Dr. AB. geschilderten Erkrankungsbilder, insbesondere das Vorhofflimmern des Klägers, waren zudem auch bereits bei Abfassung des Gutachtens Dr. Q. vom 9. Februar 2010 bekannt und führen nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen im Alltagsleben des Klägers, auch wenn es zu einer Zunahme der Häufigkeit und Dauer der Episoden gekommen sein mag. Der Senat hat sich insoweit nicht veranlasst gesehen, erneut ein internistisches Sachverständigengutachten einzuholen, zumal es sich - wie bereits ausgeführt - derzeit noch um ein nicht austherapiertes Behandlungsleiden handelt.
Auch aus den weiteren aktuellen medizinischen Unterlagen aus dem Jahr 2014, insbesondere aus den Berichten des Dr. Y. vom 20. Oktober 2014 und des Dr. Z., ergeben sich keine anderen Erkenntnisse.
Das SG hat die Klage auch hinsichtlich des begehrten Nachteilsausgleichs "G" rechtsfehlerfrei abgewiesen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 (seit 1. Januar 2013, bisher § 3 Abs. 2) der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) ist auf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "G" einzutragen, wenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 146 Abs. 1 SGB IX oder entsprechender Vorschriften ist.
Nach § 146 Abs. 1 S. 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Zur näheren Ausführung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe bestimmte früher Nr. 31 AHP 2008 und bestimmt nunmehr Teil D Nr. 1 b S. 3 VMG, dass als ortsübliche Wegstrecke etwa ein Fußweg von 2 km anzusehen ist, der in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird. Diese Festlegung, die in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung zu den AHP erfolgt ist (vgl. BSG, Urt. v. 10. Dezember 1987 - 9 a RVs 11/87 in: BSGE 62, 273 [BSG 10.12.1987 - 9a RVs 11/87]), versucht auch im Weiteren all diese Faktoren herauszufiltern, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Damit tragen diese Regelungen dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen eines Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaiger Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie sonstige Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die persönliche Motivation, gehören. Sie beschreiben dabei Regelfälle, bei denen nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei den dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (vgl. Senat, Urteil vom 25. April 2012 - L 13 SB 7/11 - sowie Urteil vom 29. August 2012 - L 13 SB 6/12 -). Die genannten Voraussetzungen sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen; anderenfalls kommt es nach näherer Maßgabe des Teil D Nr. 1 d VMG darauf an, ob die bestehenden Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, wie etwa bei einer Versteifung des Hüftgelenks.
Keine der in Teil D Nr. 1 VMG aufgeführten Fallgruppen ist beim Kläger gegeben. Der Kläger gehört nicht zum Kreis der hilflosen oder gehörlosen behinderten Menschen, welche stets einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung hätten (vgl. Teil D Nr. 1 a VMG). Auch leidet er weder unter den in den VMG unter Abschnitt D, Ziffer 1 d) bis f) enthaltenen Regelbeispielen genannten orthopädischen oder internistischen Funktionseinschränkungen noch unter den dort genannten hirnorganischen Anfällen bzw. Störungen der Orientierungsfähigkeit infolge psychischer Erkrankung. Insbesondere führen auch die vom Kläger geltend gemachten Herzbeschwerden nicht zum Vorliegen einer unter Teil D, Ziffer 1 d VMG genannten Fallgruppe, denn das hierfür erforderliche Ausmaß einer Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 gemäß der Einteilung in Teil B Nr. 9.1.1 VMG wird beim Kläger nicht erreicht.
Zwar handelt sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung des anspruchsberechtigten Personenkreises, sondern lediglich um Regelbeispiele ("Regelfälle", so BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1, juris Rn. 12), die für andere behinderte Menschen als Vergleichsmaßstab dienen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2008 - L 11 SB 193/08, juris Rn. 29). Indes liegen aufgrund der medizinischen Erkenntnisse, die bislang im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren gewonnen worden sind, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, der Kläger wäre infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit gehindert, ortsübliche Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen (vgl. Teil D Nr. 1 b VMG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.