Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.10.2005, Az.: 3 A 177/04

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
12.10.2005
Aktenzeichen
3 A 177/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 43028
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2005:1012.3A177.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 17.10.2007 - AZ: 9 LA 377/05

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bezugspunkt für die Festlegung des Gemeindeanteils in der Fremdenverkehrsbeitragssatzung ist nicht ein "ungedeckter Aufwand", sondern der Gesamtaufwand.

  2. 2.

    Zum Begriff des Vorteilssatzes (Beitragsquote).

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zum Fremdenverkehrsbeitrag für die Jahr 1999, 2000 und 2001. In diesen Jahren betrieb er im Kurhaus der Beklagten, die für die Kernstadt als Kurort staatlich anerkannt ist, ein Restaurant und den Kurkeller als Tanzbar/Tanzcafé. Mit drei Bescheiden vom 03.09.2003 zog die Beklagte den Kläger für die Abrechnungsjahre 1999, 2000 und 2001 jeweils zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Restaurant in Höhe von 138,40 € heran. Der Beitragsberechnung legte die Beklagte 80 Sitzplätze zugrunde, die sie mit dem hierfür geltenden Beitragssatz von 1,73 € je Sitzplatz multiplizierte. Den vom Kläger am 16.09.2003 gegen alle drei Bescheide eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2004, zugestellt am 11.05.2004, zurück.

2

Am 10.06.2004 hat der Kläger Klage erhoben.

3

Er ist der Auffassung, die Beitragssatzung sei rechtswidrig, weil sich anhand von ihr nicht feststellen lasse, wie hoch der Eigenanteil der Beklagten sei, wie der Gesamtaufwand für den Aufgabenbereich festgesetzt und ermittelt werden solle. Nicht plausibel sei, dass der Gesamtaufwand und die prozentualen Anteile des Fremdenverkehrsbeitrags an seiner Deckung jährlich schwankten, die Beitragssätze jedoch konstant blieben. Der Eigenanteil der Beklagten sei der Satzung nicht zu entnehmen. Die Beitragssätze für Versorger und Gewerbetreibende beruhten auf falschen Maßstäben. Die Kalkulation enthalte keine Angaben zur Sollseite.

4

Der Kläger beantragt,

die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide der Beklagten vom 03.09.2003 (Restaurant L.) für die Jahre 1999 bis 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2004 aufzuheben,

5

sowie die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und führt aus, die Beitragssätze beruhten für alle drei Jahre auf einer gemeinsamen Kalkulation. Die jährlichen Eigenanteile der Beklagten am Fremdenverkehrsaufwand errechneten sich aus einem Umkehrschluss der Deckungssätze. Die Beitragsmaßstäbe für Versorger und Gewerbetreibende seien plausibel und praktikabel. Die kalkulierten Einnahmen von 35.200,00 DM ab dem 01.01.1999 entsprächen genau denjenigen von Satzung und Kalkulation für das Jahr 1997. Da die ab 1999 gültige Satzung rückwirkend erlassen worden sei, habe die Gesamtheit der Beitragspflichtigen nicht schlechter gestellt werden dürfen. Der Eigenanteil der Beklagten für das Jahr 2000 betrage rund 30 % des ungedeckten Aufwandes, womit das öffentliche Interesse hinreichend berücksichtigt worden sei.

8

Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten auf den Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist in Bezug auf die Beitragsveranlagung für das Jahr 2000 begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Die Fremdenverkehrsbeitragsbescheide der Beklagten vom 03.09.2003 (Restaurant L.) für die Jahre 1999 und 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2004 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

10

Der Fremdenverkehrsbeitragsbescheid der Beklagten vom 03.09.2003 (Restaurant L.) für das Jahr 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die angefochtene Veranlagung beruht auf § 9 NKAG i. V. m. der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten vom 07.11.2002 (FVBS) und damit nicht auf einer wirksamen Eingriffsermächtigung. Die in § 1 Abs. 2 Lit. b. FVBS geregelten Deckungssätze sind rechtswidrig, weil der aus ihnen abzuleitende Anteil der Gemeinde zu niedrig festgelegt worden ist. Dieser Fehler ist allerdings auf die Deckungssätze des Jahres 2000 begrenzt und wirkt sich deshalb auf die Regelungen für die Jahre 1999 und 2001 nicht aus, so dass die FVBS nur teilnichtig ist.

11

Für das Jahr 2000 bestimmt § 1 Abs. 2 Lit. b. FBVS, dass der Gesamtaufwand (zu diesem Anknüpfungspunkt für den Gemeindeanteil vgl. bereits VG Göttingen, Urteil vom 11.09.2000 - 3 A 3357/98 -) der Beklagten für die Fremdenverkehrseinrichtungen - welcher nach der vorgelegten Kostenaufstellung in Höhe von 1.596.406,87 DM entstanden ist - zu 2,2049 % durch Fremdenverkehrsbeiträge, zu 58,1759 % durch Kurbeiträge und zu 38,6574 durch sonstige Entgelte zu decken ist. Aus der Addition der Anteilssätze dieser drei Finanzierungsquellen im Sinne des § 9 Abs. 5 Satz 2 NKAG ergibt sich, dass der Gesamtaufwand zu 99,0382 % refinanziert wird und daher als Eigenanteil der Gemeinde lediglich 0,9618 % verbleiben, was einem Betrag von 15.354,24 DM entspricht. Der Eigenanteil der Beklagten am Gesamtaufwand der Fremdenverkehrseinrichtungen muss nicht ausdrücklich in der FVBS beziffert werden. Nach § 9 Abs. 5 Satz 2 NKAG muss durch Satzung lediglich bestimmt werden, zu welchen Teilen der Gesamtaufwand aus den einzelnen Abgabearten gedeckt werden soll; außer Zweifel steht, dass es sich beim Eigenanteil der Gemeinde nicht um eine Gebühr, eine Steuer, einen Beitrag oder eine Abgabe sui generis handelt. Aus der Differenz zwischen 100 % des zu deckenden Gesamtaufwandes und den addierten Deckungsgraden der einzelnen Abgabearten - im vorliegenden Fall Fremdenverkehrsbeiträge, Kurbeiträge und sonstige Entgelte - ergibt sich zwangsläufig als ungedeckter Rest des Gesamtaufwandes der jährliche Eigenanteil der Gemeinde, welcher in seiner Höhe nicht konstant sein muss, sondern ermessensgerecht auch eingesetzt werden darf, um beispielsweise Kostenschwankungen auszugleichen. Die Festlegung der Höhe liegt zwar im Ermessen des Rates, er hat sich aber insbesondere am Charakter und Umfang des Fremdenverkehrsanteils im Erhebungsgebiet zu orientieren. Nach diesem Grundsatz ist der Gemeindeanteil in ermessensfehlerhafter Weise bei weitem zu niedrig bemessen worden. Hätte die Beklagte richtigerweise einen nennenswerten Prozentsatz des Gesamtaufwandes als Eigenanteil ausgewiesen, so hätte sie im Jahr 2000 überhaupt keine Fremdenverkehrsbeiträge mehr erheben dürfen.

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Die Pflicht der Gemeinde, den Gesamtaufwand um einen Anteil für das öffentliche Interesse an den fremdenverkehrsbedingten Aufwendungen zu mindern, folgt aus zwei Aspekten. Zum einen haben nicht nur die Beitragspflichtigen einen Vorteil vom Fremdenverkehr, sondern auch alle anderen Einwohner und die Gemeinde selbst, weil der Fremdenverkehr die Wirtschaftskraft der Gemeinde insgesamt stärkt und ihre eigenen Einnahmen, z.B. in den Bereichen der Gewerbe- und Grundsteuer, hebt. Zu anderen sind die Fremdenverkehrseinrichtungen auch den Einheimischen zugänglich; soweit die von ihren gezahlten Benutzungsentgelte die entsprechenden Kosten nicht decken, muss auch das zu Lasten des öffentlichen Anteils gehen (vgl. Driehaus-Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: 03/05, § 11 Rn 75; Hatopp-Rosenzweig, NKAG, Stand: 06/04, § 9 Rn 31f). Es kommt vorliegend nicht darauf an, ob bereits ein Eigenanteil von 20 % zu gering ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.1990 - 9 K 4/89 -), weil diese Grenze im vorliegenden Fall bei weitem nicht erreicht wird. Die Auffassung der Beklagten, der Prozentsatz des Öffentlichkeitsanteils sei nicht vom Gesamtaufwand, sondern vom ungedeckten Aufwand zu berechnen, verkennt, dass es einen ungedeckten Aufwand nur geben kann, wenn der Rat mit der Kalkulation eine bewusste Unterdeckung des Fremdenverkehrsaufwandes beschließt. Dieser wäre ohnehin aus allgemeinen Deckungsmitteln zusätzlich zum Gemeindeanteil von der Beklagten in gleicher Weise zu tragen wie eine nach dem Ende der Kalkulationsperiode eingetretene ungewollte Unterdeckung, die nach dem Willen des Rates gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 3, 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG nicht innerhalb der nächsten drei Jahre ausgeglichen werden soll. Ansonsten wird der Gesamtaufwand durch Kommunalabgaben, sonstige Entgelte und den Öffentlichkeitsanteil zu 100 % gedeckt, so dass im Regelfall der Anknüpfungspunkt des "ungedeckten Aufwandes" für die Festlegung des Gemeindeanteils gar nicht existiert.

13

Vorliegend bezieht sich die Argumentation der Beklagten genau genommen auch nicht auf den "ungedeckten Aufwand", sondern auf einen rechnerischen Teil des Gesamtaufwandes, der vor der Festlegung des durch Fremdenverkehrsbeiträge zu deckenden Anteils noch verblieben ist und dergestalt aufgeteilt werden sollte, dass die Beitragspflichtigen 35.200,00 DM zu tragen hatten. Dieser Ansatz verdeutlicht, dass die Beklagte als Basis der Kalkulation offenkundig nicht die Feststellung des die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrages rechtfertigenden Aufwandes nahm, sondern dass vielmehr das Bestreben vorherrschte, eine wirksame Rechtsgrundlage für die Erzielung eines bestimmten Beitragsaufkommens zu schaffen. Dabei war offenbar gleichgültig, ob die durch den Fremdenverkehrsbeitrag im Jahr 2000 zu deckenden Aufwendungen der Fremdenverkehrseinrichtungen tatsächlich einen Betrag von mehr als 35. 200 DM ausmachten; es wurde wohl auch stillschweigend davon ausgegangen, dass die Beklagte schon in früheren Jahren Aufwendungen für den Fremdenverkehr getätigt hatte, die das nach der alten Satzung erreichte bzw. nunmehr angestrebte Beitragsaufkommen überstiegen, und dass Aufwendungen in einer solchen Höhe auch künftig zu tätigen sein würden. Damit ist die Vorgehensweise der Beklagten im Lichte des § 9 Abs. 1 Satz 1 NKAG sehr bedenklich. Nach dieser Vorschrift sind die Gemeinden nämlich nur berechtigt, Beiträge "zur Deckung ihres Aufwandes" zu erheben. Das setzt für die Festlegung der Beitragssätze zwangsläufig eine kalkulatorische Ermittlung des voraussichtlich anfallenden, deckungsfähigen Aufwandes - und seine Heranziehung als Anknüpfungspunkt für die Verteilung des Deckungsanteile - voraus. Denn bei dem Fremdenverkehrsbeitrag handelt es sich schon dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 NKAG nach nicht um eine der allgemeinen Haushaltsdeckung dienende Steuer, sondern um eine Abgabe eigener Art, die an eine Gegenleistung der beitragserhebenden Gemeinde geknüpft und deshalb dem bundesrechtlich verankerten Äquivalenzprinzip unterworfen ist. Dieses Prinzip verlangt, dass Leistung (der Beitrag) und Gegenleistung der Gemeinde (die betriebenen Fremdenverkehrseinrichtungen) in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Ob das der Fall ist, lässt sich ohne wertmäßige Bezifferung der Gegenleistung der Gemeinde aber gar nicht ermitteln. Davon geht auch das Gesetz selbst aus, wenn es in § 9 Abs. 1 Satz 3 NKAG "für die Aufwandsermittlung" eine entsprechende Anwendung von § 5 Abs. 2 Sätze 2 und 3 NKAG vorschreibt. Im Ergebnis kommt es auf diese Problematik jedoch nicht an, weil die Beitragserhebung für das Jahr 2000 aus den vorstehend genannten Gründen ohnehin rechtswidrig ist und für die Jahre 1999 und 2001 die am Einnahmebetrag orientierte Festlegung des aus dem Fremdenverkehrsbeitrag zu erzielenden Kostendeckungsgrades die Rechte des Klägers nicht verletzen; denn in diesen beiden Jahren ist ein zu deckender Aufwand der Beklagten vorhanden, der zweifelsfrei bei Gemeindeanteilssätzen von 54,0293 % bzw. 27,0243 % deutlich über 35.200,00 DM liegt.

14

Die Anfechtung der Beitragserhebungen für die Jahre 1999 und 2001 hat dagegen keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide beruhen auf § 9 NKAG i. V. m. den rechtsgültigen Teilen der FVBS und damit auf einer wirksamen Eingriffsermächtigung. Nach ständiger Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts fällt die Kalkulation des Beitragssatzes in die Kompetenz des Rates (vgl. Urteil vom 14.03.1989 - 9 L 64/89 -, NST-N 1989, 252; Urteil v. 13.11.1990 - 9 L 156/89 -, dng 1991, 61, 64). Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung über die Festlegung der Beitragssätze setzt dabei voraus, dass dem Rat vor der Beschlussfassung über die Beitragssatzung eine ordnungsgemäße Kalkulation vorgelegt wird, aus der die normierten Beitragssätze nachvollziehbar abgeleitet werden können. Diesen Anforderungen wird die dem Gericht von der Beklagten vorgelegte Kalkulation, auf deren Grundlage der Rat der Beklagten die Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 07.11.2002 beschlossen hat, für die Jahre 1999 und 2001 gerecht.

15

Der vom Kläger zunächst zu Recht geäußerten Kritik, die Kalkulation leide an einem grundlegenden Mangel, weil es an einer Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes fehle, ist durch die Vorlage der Aufwandsseite und des Ratsbeschlusses mit Schriftsatz vom 05.09.2005 sowie durch die mit Schriftsatz vom 07.10.2005 eingereichten Unterlagen der Boden entzogen worden. Wenn auch in der Kalkulation (S. 10) lediglich ein Betrag "Fremdenverkehrskosten, die über den Fremdenverkehrsbeitrag zu decken sind" mit 35. 200 DM angegeben wird, hat die Beklagte jedoch unabhängig davon aufgrund der Ende 2002 vorliegenden Betriebsergebnisse den Gesamtaufwand und den beitragsfähigen Aufwand für die Jahre 1999 (1.379.845,23 DM/780.720,55 DM) und 2001 (1.637.156,61 DM/ 477.634,28 DM) zusammengestellt und dem Rat mit der Einnahmekalkulation zur Beschlussfassung vorgelegt. Zwar ist der Kalkulation der Einnahmenseite nicht zu entnehmen, dass sie für einen Dreijahreszeitraum von 1999 bis 2001 gelten sollte. Sie ist nicht nur ausdrücklich als "Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 1999 - Kalkulation mit Berechnungen" bezeichnet und wiederholt den Passus "Kalkulation der Fremdenverkehrsbeiträge für 1999" auf nahezu jeder Seite, sondern gibt auch im gesamten Zahlenwerk keinen Hinweis darauf, dass es für mehr als ein Jahr aufgestellt werden sollte. Diese Unklarheit in Bezug auf den Kalkulationszeitraum wird jedoch durch den Ratsbeschluss vom 07.11.2002 beseitigt; hierin wird unmissverständlich klargestellt, dass die Kalkulation auch der Einnahmenseite für den Dreijahreszeitraum 1999 bis 2001 gelten sollte. Ausnahmsweise war es vorliegend nicht erforderlich, die Einnahmenseite mit den Zahlen aller drei Jahre zu kalkulieren. Denn aufgrund des Verbots der rückwirkenden Schlechterstellung der Gesamtheit der Beitragspflichtigen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG) reduzierte die Beklagte den in den Jahren 1999 bis 2001 zu erzielenden jährlichen Einnahmenbetrag auf gleichbleibend 35.2000,00 DM, wie sie in der letzten vorhergehenden Kalkulation für 1997 ermittelt worden waren, so dass sich auch die für 1999 kalkulierten Beitragssätze im Jahr 2001 nicht ändern mussten; das Gericht hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass in den Jahren 2000 und 2001 im Beitragsgebiet der Beklagten eine signifikante Erhöhung der Anzahl der Beitragspflichtigen oder der Beitragsmaßstabseinheiten eingetreten wäre, die bei einer Ende 2002 durchgeführten Kalkulation zwingend zu berücksichtigen gewesen wäre, weil sie unter dem Strich zu einer Überschreitung der "Kappungsgrenze" von 35.200,00 DM geführt hätte.

16

Durch die mit Schriftsatz vom 05.09.2005 vorgelegten Unterlagen wird zudem plausibel, dass sich die Deckungsgrade durch die Fremdenverkehrsbeiträge des § 1 Abs. 2 FVBS von Jahr zu Jahr ändern, obwohl die Einnahmen konstant bleiben sollten. Denn aus den Kostenaufstellungen ergibt sich, dass die Gesamtkosten der Fremdenverkehrseinrichtungen von Jahr zu Jahr stiegen, weshalb die zu erzielenden 35.200,00 DM einen sinkenden Anteil hiervon ausmachten und damit zwangsläufig auch einen sinkenden Deckungsgrad durch die Fremdenverkehrsbeiträge verursachten. Allerdings wird durch die nunmehr vollständig vorliegenden Unterlagen auch eine Fehlerhaftigkeit des von der Beklagten für die Kalkulation gewählten Ansatzpunktes evident, weil die Beklagte nach ihrem früheren Satzungsrecht im Gegensatz zu ihrer nunmehr geltenden Satzung neben dem Aufwand ihrer Fremdenverkehrseinrichtungen auch 75 % der Aufwendungen für die Fremdenverkehrswerbung gedeckt hat. Dem nach der früheren Satzung erzielten Beitragsaufkommen standen also mit hoher Wahrscheinlichkeit weitergehende, jedenfalls aber sich anders zusammensetzende beitragsfähige Aufwendungen als Gegenleistung gegenüber, so dass für die Beitragskalkulation nicht einfach auf die früheren Verhältnisse hätte abgestellt werden dürfen. Außerdem ist es in hohem Maße bedenklich, wenn die Beklagte zur Bemessung der beitragsfähigen (unmittelbaren und mittelbaren) besonderen wirtschaftlichen Vorteile in der Kalkulation abstellt auf die prognostizierten erzielbaren Primär- bzw. Sekundärumsätze, die den Beitragspflichtigen aus dem Fremdenverkehr insgesamt zufließen. Dabei lässt die Beklagte außer Acht, dass nach ihren eigenen satzungsrechtlichen Vorgaben in § 3 Abs. 1 FVBS nur derjenige Anteil an den aus dem Fremdenverkehr insgesamt gezogenen Vorteilen beitragsfähig ist, der den Beitragspflichtigen durch den Aufwand der Gemeinde nach § 1 Abs. 1 geboten wird, und dass danach lediglich die von der Beklagten getätigten Aufwendungen für die Fremdenverkehrseinrichtungen durch Fremdenverkehrsbeiträge gedeckt werden sollen. Beitragsfähig ist nach den eigenen satzungsrechtlichen Vorgaben der Beklagten deshalb nur derjenige Anteil an den besonderen wirtschaftlichen Vorteilen, der auf den von der Beklagten betriebenen Fremdenverkehrseinrichtungen, nicht aber auf dem Effekt der Fremdenverkehrswerbung, beruht. Diese selbst auferlegte Beschränkung löst in Ansehung des Entgeltcharakters des Fremdenverkehrsbeitrages (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.1990 - 9 K 11/89 - NVwZ-RR 1992, 40, 42) grundsätzlich die Verpflichtung aus, bei der Ausgestaltung der einzelnen Beitragssätze zusätzlich einen Bemessungsfaktor einzubeziehen, mit dem aus den gesamten fremdenverkehrsbedingten wirtschaftlichen Vorteilen die beitragsfähigen Vorteile herausgelöst werden. Zur Bestimmung dieses Faktors steht der Beklagten angesichts des Umstandes, dass jene beitragsfähigen Anteile an den Gesamtvorteilen nicht messbar sind, und deshalb auf einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zurück gegriffen werden muss, ein weiter Einschätzungsspielraum unter Typisierungsgesichtspunkten zu. Dabei kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bestimmte Branchen bzw. Branchenteile bei typisierender Betrachtungsweise deutlich mehr von der Fremdenverkehrswerbung und weniger von den Fremdenverkehrseinrichtungen profitieren als andere. So dürfte z.B. die Fremdenverkehrswerbung der Gemeinde auf den erzielbaren Umsatz bzw. Gewinn eines privaten Zimmervermieters einen größeren Einfluss haben als auf denjenigen einer Kurklinik, die mit einem Kostenträger Verträge über die Zuweisung von Patienten geschlossen hat und über diese Zuweisungen einen Großteil ihres Umsatzes erzielt.

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Dürfte die Fremdenverkehrswerbung der Beklagten beim Abschluss dieser Zuweisungsvereinbarungen eher eine untergeordnete Rolle spielen, sind dem gegenüber die privaten Zimmervermieter schon aus Kostengesichtspunkten typischerweise nicht willens bzw. in der Lage, eigene Werbemaßnahmen durchzuführen, um potentielle Gäste auf sich aufmerksam zu machen. Bei den Fremdenverkehrseinrichtungen dürfte dieses Verhältnis eher umgekehrt sein.

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Diese Kalkulationsfehler führen allerdings ausnahmsweise nicht zur Unwirksamkeit der kalkulierten Beitragssätze, weil sie sich im Ergebnis nicht zum Nachteil des Klägers auswirken. Aus der vorhergehenden Kalkulation der Fremdenverkehrsbeiträge für das Jahr 1997 geht hervor, dass ein jährliches Gesamtbeitragsaufkommen von 35.200,00 DM erzielt werden sollte. Die aus dem Schlechterstellungsverbot bei rückwirkender Satzungsänderung folgende "Kappungsgrenze" lag für die Jahre 1999 bis 2001 mithin bei diesem Betrag (entspricht 17.997,50 €). Die Kostenanteile der Fremdenverkehrswerbung machten seinerzeit nur einen geringfügigen Bruchteil der Gesamtkosten aus, die Einrichtungskosten überwogen bei weitem. Auch zusammen mit der Nichtberücksichtung der unterschiedlichen Vorteile von Fremdenverkehrseinrichtungen und -werbung für verschiedene Branchen ist nicht zu erkennen, dass die Differenz zwischen den tatsächlichen Festsetzungen (1999: 33.196,03 DM; 2001: 33.082,94 DM) und der Kappungsgrenze dergestalt verbraucht wäre, dass der für den Kläger geltende Beitragssatz geringer als 1,73 Euro je Sitzplatz hätte ausfallen müssen, zumal Restaurationsbetriebe in einem Kurhaus aller Lebenserfahrung nach im Wesentlichen von der Existenz dieser Einrichtung, weniger aber von der Fremdenverkehrswerbung profitieren.

19

Unklar ist, was die Beklagte mit dem Vorteilssatz von 1,3491 % in § 4 Abs. 1 Satz 2 FVBS ausdrücken will. Wie sie im Schriftsatz vom 25.08.2005 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Kammer richtig ausführt, ist der Vorteilssatz die Quote, mit der die angenommenen besonderen wirtschaftlichen Vorteile der Beitragspflichtigen aus ihrer Geschäftstätigkeit im beitragsrelevanten Gemeindegebiet auf den von der Beklagten getätigten beitragsfähigen Aufwand zurückzuführen sind. In § 4 Abs. 1 Satz 3 FVBS definiert sie dagegen das, was sie als Vorteilssatz bezeichnet, als einen Teil des - durch die Fremdenverkehrsbeiträge zu deckenden - Aufwandes an den besonderen wirtschaftlichen Vorteilen der Beitragspflichtigen. Da von den Vorteilen der Beitragspflichtigen kein Aufwand entsteht, ist die Begriffsbestimmung der Beklagten völlig unverständlich; klar ist nur, dass es sich danach nicht um eine Quote i.S.d. Vorteilssatzes handeln kann, womit nicht hinreichend bestimmbar ist, was die festgesetzten 1,3491 % bedeuten sollen. § 4 Abs. 1 Satz 2 FVBS ist daher nichtig; hieraus folgt jedoch keine Gesamtnichtigkeit der FVBS der Beklagten, weil die Festlegung eines Vorteilssatzes kein notwendiger Bestandteil einer Abgabensatzung ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG), sondern nur eine im Rahmen der Kalkulation der Beitragssätze benötigte Konstante, und deshalb die FVBS auch ohne ihren § 4 Abs. 1 Satz 2 aufrecht erhalten werden kann.

20

Bei der Festlegung der Maßstäbe für die Beitragssätze der einzelnen Branchen steht der Gemeinde ein weites Ermessen zu, da ein Wirklichkeitsmaßstab schlechterdings nicht zu erkennen ist und es lediglich um die Binnenverteilung innerhalb der Beitragspflichtigen derselben Branche im Verhältnis zueinander handelt. Denn die auf die einzelnen Branchen entfallenden Anteile des Gesamt-Beitragsaufkommens werden anhand der Vorteilssätze vorab ermittelt, so dass der Kläger durch eine - nach seiner Auffassung ungerechte - Binnenverteilung in den für ihn fremden Branchen der Versorger, bestimmter Gewerbebetriebe und Freiberufler in keiner Weise rechtlich betroffen wird.

21

Der seitens des Klägers vorgebrachte Zivilrechtsstreit zwischen ihm und der Beklagten wegen eines behaupteten Anspruchs auf Erstattung von Fremdenverkehrsbeiträgen ist für die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung ohne Belang. Denn gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 NKAG in Verbindung mit § 226 Abs. 3 AO kann gegenüber Beitragsforderungen nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten (Gegen-)Forderungen aufgerechnet werden (vgl. VG Göttingen, Urteile vom 29.09.1998 - 3 A 3114/96 - und vom 18.11.2004 - 3 A 17/03 -); keine dieser Voraussetzungen ist bisher erfüllt.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig, da der Kläger der rechtskundigen Unterstützung bedurfte, um seine Rechte und Ansichten gegenüber der staatlichen Verwaltung ausreichend zu vertreten.