Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 27.10.2005, Az.: 2 A 145/05
Anmelden des Empfangsgerätes; Anzeige; Anzeige des Bereithaltens; Anzeigepflicht; Begründetheit; Beliehener; Bereithalten; Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten; Fernsehgebühr; GEZ; Grundgebühr; Rechtmäßigkeit des Rundfunkgebührenbescheides; Rundfunkempfangsgerät; Rundfunkgebühr; Rundfunkgebührenbeauftragter; Rundfunkgebührenbescheid; Rundfunkgebührenpflicht; Rundfunkteilnehmer; weitere Rundfunkempfangsgeräte; Widerrufsrecht; Wissenserklärung; zum Empfang bereithalten; Zweitgeräte; öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis; öffentliche Urkunde
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.10.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 145/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50823
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 2 RdFunkGebVtr
- § 3 Abs 1 RdFunkGebVtr
- § 4 Abs 1 RdFunkGebVtr
- § 415 Abs 1 ZPO
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem Rundfunkgebühren gegen sie festgesetzt worden sind.
Die am ... geborene Klägerin lebte bis zu dessen Tod am ... mit ihrem Ehemann F. B. zusammen im Hause G. weg in H. - I.. F. B. war als Rundfunkteilnehmer mit der Teilnehmernummer ... angemeldet. In dem Haus G. weg wohnen noch der Sohn J. der Klägerin (der seit etwa 10 Jahren bei den Beklagten als Rundfunkteilnehmer geführt wird) sowie der am ... geborene Sohn C., ihr Prozessbevollmächtigter. C. B. teile dem Beklagen am 05.03.2004 unter dem Betreff „Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, Teilnehmernummer: ...“ mit, sein Vater sei verstorben, und fügte eine Anmeldung für den Privathaushalt bei. Auf dieser Anmeldung, die auf einem Formular erfolgte, welches bei Banken und Sparkassen erhältlich ist, meldete C. B. für den Zeitraum ab 01.03.2004 ein Radio und einen Fernseher an, teilte mit, er sei nicht bereits bei der GEZ gemeldet, und gab die Rundfunkteilnehmernummer ... an.
Am 16.09.2004 suchte der Gebührenbeauftragte des NDR K. L. die Klägerin auf, unterhielt sich längere Zeit mit ihr und erfuhr dabei, dass im Hause G. weg auch die beiden Söhne der Klägerin wohnten, welche in ihren Zimmern seit längerem eigene Rundfunkgeräte bereithalten würden. Während dieses Gesprächs füllte die Klägerin einen Vordruck „Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten“ aus, mit dem ein Radio und ein Fernseher ab April 2004 angemeldet wurden. Für den Sohn C. der Klägerin, der bei dem Gespräch nicht zugegen war, ließ er eine sogenannte rechtsverbindliche Bestätigung zurück, die er am folgenden Tage abholen wollte. Am 17.09.2004 erschien er wieder bei der Klägerin, erfuhr von ihr jedoch, dass sich ihr Sohn schriftlich an den Beklagten wenden werde.
In einem Schreiben vom 18.09.2004 an die GEZ in 50656 Köln verwies C. B. auf seine mit Schreiben vom 15.03.2004 erfolgte Neuanmeldung der früher von seinem Vater bereitgehaltenen Geräte und teile ergänzend mit, zur Entlastung der Klägerin würden sämtliche behördliche Angelegenheiten durch ihn erledigt, ohne dass sie in jedem Falle Detailkenntnis habe, mithin sei die von ihr unterschriebene Anmeldung versehentlich erfolgt. Mit Bescheid vom 03.03.2005 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin rückständige Rundfunkgebühren für den Zeitraum 04.2004 bis 12.2004 in Höhe von 148,75 € fest, worin Rücklastschriftkosten vom 19.10.2004 in Höhe von 3,40 € enthalten sind.
Die Klägerin hat am 01.04.2005 Klage erhoben. Sie trägt vor: Sie habe bei dem Besuch des Herrn L. am 16.09.2004 die Neuanmeldung von Rundfunkempfangsgeräten versehentlich unterschrieben, denn sie sei aufgrund der Angaben des Herrn L. davon ausgegangen, dass ihr Sohn C. die Meldung an die GEZ vergessen habe; die im Hause G. weg befindlichen Rundfunkempfangsgeräte würden sich in den von den Familienmitgliedern gemeinsam benutzten Wohnräumen befinden; eigene zusätzliche Geräte halte sie nicht zum Empfang bereit, so dass sie nicht der Rundfunkgebührenpflicht unterliege; das bestehende Widerrufsrecht gegen derartige Abschlüsse sei fristgerecht mit Schreiben vom 18.09.2004 ausgeübt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 03.03.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor: Die Klägerin selbst habe nach dem Ableben ihres Ehemanns Rundfunkgeräte zum Empfang bereit gehalten; auf das Eigentum an den Geräten kommt es nicht an; die Anmeldung könne nicht wegen Irrtums angefochten werden, da es sich nicht um eine Willenserklärung handele; gleichwohl bestehe eine Bindung an die erklärte Anmeldung nach dem Grundsatz von Treue und Glaube (§ 242 BGB); sie sei - nach anderer Ansicht - jedenfalls ein Beweisanzeichen von so hohem Indizwert, dass sie nach der Lebenserfahrung einem Beweis nahe komme und regelmäßig ohne weiteres den Schluss bzw. die Vermutung zulasse, dass das angemeldete Rundfunkgerät tatsächlich zum Empfang bereit gehalten werde; ein Gegenbeweis könne regelmäßig nicht geführt werden, denn negative Tatsachen würden sich regelmäßig der Beweisbarkeit entziehen, selbst per Augenschein könne nicht festgestellt werden, dass zu einem früheren Zeitpunkt noch keine Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereit gehalten wurden.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben über die Umstände der Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten durch die Klägerin durch Vernehmung des Zeugen K. L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird - soweit es nicht bereits im Tatbestand dieses Urteils dargestellt worden ist - auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Das Gericht wollte ferner Beweis erheben über die Frage, welche und wie viele Rundfunkempfangsgeräte im Hause G. weg in H. - I. bereitgehalten werden, durch Vernehmung des Herrn C. B. als Zeugen. Der Zeuge hat sich jedoch auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Sohn der Klägerin berufen (§ 98 VwGO i.V.m. § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) und mithin nicht zur Sache ausgesagt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Rundfunkgebührenbescheid des Beklagten vom 03.03.2005 ist rechtmäßig.
Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 31.08.1991 (Nds. GVBl. Seite 311, 332) i.d.F. vom 06.07./07.08.2000 (Nds. GVBl. Seite 327, 330) - RGebStV - hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelung in § 5 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereit gehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr und für das Bereithalten jedes Fernsehgerätes jeweils zusätzlich eine Fernsehgebühr zu entrichten. Rundfunkteilnehmer ist gemäß § 1 Abs. 2 RGebStV, wer ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit hält, das heißt, wenn damit ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand Rundfunkdarbietungen, unabhängig von Art, Umfang und Anzahl der empfangbaren Programme, unverschlüsselt oder verschlüsselt, empfangen werden können. Beginn und Ende des Bereithaltens sind gemäß § 3 Abs. 1 RGebStV unverzüglich anzuzeigen. Die Rundfunkgebührenpflicht beginnt gemäß § 4 Abs. 1 RGebStV mit dem ersten Tag des Monats, in dem ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereit gehalten wird, sie endet gemäß Abs. 3 der Vorschrift mit Ablauf des Monats, in dem das Bereithalten endet, jedoch nicht vor Ende des Monats, in dem dies der Landesrundfunkanstalt angezeigt worden ist. Nach § 5 Abs. 1 RGebStV ist eine Rundfunkgebühr nicht zu entrichten für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereit gehalten werden, wobei für Rundfunkempfangsgeräte in mehreren Wohnungen für jede Wohnung eine Rundfunkgebühr zu entrichten ist, sowie als der allgemeinen Zweckbestimmung nach tragbare Rundfunkempfangsgeräte, die vorübergehend außerhalb der Wohnung oder vorübergehend außerhalb des Kraftfahrzeuges zum Empfang bereit gehalten werden. Nach Satz 2 dieser Bestimmung besteht eine Rundfunkgebührenpflicht auch nicht für weitere Rundfunkempfangsgeräte, die von Personen zum Empfang bereit gehalten werden, welche mit dem Rundfunkteilnehmer in häuslicher Gemeinschaft leben und deren Einkommen den einfachen Sozialhilferegelsatz nicht übersteigt.
Nach den genannten Vorschriften ist maßgeblich für die Rundfunkgebührenpflicht das Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten und nicht etwa die Anzeige des Bereithaltens. Die Anzeige ist keine Willens-, sondern eine Wissenserklärung, kann mithin auch nicht (nach § 119 oder § 123 BGB) angefochten werden. Zwischen dem Rundfunkteilnehmer und der Landesrundfunkanstalt besteht auch kein Vertragsverhältnis, sondern ein gesetzlich begründetes öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, so dass der Hinweis der Klägerin auf ein Widerrufsrecht fehl geht. Das Gericht folgt ferner nicht dem VG Mainz (Urteil vom 06.05.1999 - 7 K 2014/98 - NVWZ 2000, Seite 228) darin, dass es sich bei der Anzeige im Sinne von § 3 Abs. 1 RGebStV um eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1 ZPO handelt. Eine Urkunde ist nur dann eine öffentliche, wenn sie von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen; sie begründet, wenn sie über eine von der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet ist, vollen Beweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson bekundeten Vorgangs. Die genannte Norm ist hier schon deswegen nicht einschlägig, weil der Rundfunkgebührenbeauftragte gemäß § 9 der Satzung des Beklagten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkgebühren vom 17.12.1993 (Nds. MBl. Seite 1329) in der Fassung vom 06.12.1996 (Nds. MBl. Seite 1866) - NDR - Satzung - nur insoweit mit einem öffentlichen Amt beliehen ist, als er die Anzeige im Sinne von § 3 Abs. 1 RGebStV entgegennimmt. Er selbst kann über diesen Vorgang hinaus keine Erklärung im Sinne von § 415 Abs. 1 ZPO abgeben (ebenso OVG Münster, Beschluss vom 09.09.2004 - 19 A 2556/03 - NJW 2004, Seite 3505; VG Sigmaringen, Urteil vom 24.01.2005 - 4 K 934/04 -; NVwZ-RR 2005, Seite 634; Lampert, Der Rundfunkteilnehmer - kein Appendix zu seiner Wohnung, NVwZ 2000, Seite 640 [VG Mainz 06.05.1999 - 7 K 2014/98.MZ]). Die Anzeige hat lediglich eine gewisse Indizwirkung, weil im Regelfall davon ausgegangen werden kann, dass derjenige, der sie schriftlich abgibt, weiß, was er tut. Trägt er schlüssig vor, dass und worüber er sich bei der Abgabe der Erklärung geirrt hat und dass sie nicht dem wirklichen Sachverhalt entspricht, so hat das Gericht - notfalls durch Beweiserhebung - festzustellen, ob durch die Person, die die Anzeige abgegeben hat, in dem streitbefangenen Zeitraum tatsächlich Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereit gehalten hat, wobei auch der Frage nachzugehen ist, wie es zu der Anzeige gekommen ist.
Die oben beschriebene Indizwirkung entfällt im vorliegenden Fall nicht. Die Klägerin hat bei dem Besuch des Zeugen L. in ihrer Wohnung am 16.09.2004 in vollem Bewusstsein dessen was sie tat, die Rundfunkempfangsgeräte angemeldet, die bis zu dessen Tod von ihrem verstorbenen Ehemann zum Empfang bereit gehalten worden waren. Das folgt aus der glaubhaften, auch von der Klägerin nicht infrage gestellten Aussage des Zeugen L., der den Verlauf des Besuchs anschaulich exakt in der Weise geschildert hat, wie er es schon in einem Aktenvermerk vom 22.09.2004 getan hat - ohne sich den Vermerk vor seiner Vernehmung noch einmal angeschaut zu haben -. Es spricht nichts dafür, dass sich die Klägerin darüber geirrt haben könnte, dass sie nach dem Ableben ihres Ehemannes die in der früher von beiden gemeinsam bewohnten Wohnung vorhandenen Rundfunkgeräte nunmehr persönlich zum Empfang bereit hält. Es entspricht auch der Lebenserfahrung, dass zusammen lebende Eheleute Rundfunkgeräte gemeinsam zum Empfang bereit halten, da sie im Regelfall gemeinsam eine rechtlich verbindliche Benutzungsregelung und eine Programmauswahl treffen können (vgl. Hahn/Vesting, Beckscher Kommentar zum Rundfunkrecht, § 1 RGebStV RN 31). Verstirbt einer der Eheleute und bleibt der Überlebende Besitzer der Wohnung, so ist er fortan allein Rundfunkteilnehmer. Dass in der Wohnung der Klägerin etwas anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich, zumal sie dies nicht explizit vorträgt. Sie beruft sich lediglich darauf, ihr Sohn C. habe doch bereits die genannten Geräte zuvor auf seinen Namen angemeldet, worüber sie bei der Abgabe ihrer eigenen Anzeige nicht informiert gewesen sei. Da es aber - wie oben ausgeführt - nicht entscheidend darauf ankommt, dass bzw. wann einer Anzeige im Sinne von § 3 RGebStV erfolgt ist und wer sie abgegeben hat, sondern auf das tatsächliche Bereithalten, ist dieser Einwand rechtlich bedeutungslos. Aus der Anzeige von C. B. vom 05.03.2004 kann auch nicht geschlossen werden, dass er nunmehr in seiner Person die Rundfunkgeräte bereit hält, die früher auf seinen Vater angemeldet waren, denn eine derartige Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen hätte der Klägerin nicht verborgen bleiben können. Schließlich hat sie nach den überzeugenden Bekundungen des Zeugen L. diesem bei seinem Besuch am 16.09.2004 davon berichtet, dass ihre beiden Söhne in den von ihnen allein bewohnten Räumen bereits seit längerem Rundfunkempfangsgeräte bereit hielten, was darauf schließen lässt, dass sie sehr wohl zwischen den eigenen Geräten der Söhne und den in der Familienwohnung bereit gehaltenen Geräten unterscheiden konnte und unterschieden hat. Eine - weitere - Beweisaufnahme zu dieser Fragestellung erübrigt sich, zumal die Klägerin sie nicht einmal angeregt hat.
Die Gebührenforderung des Beklagten ist auch in der Höhe zutreffend. Rücklastschriftkosten kann der Beklagte gemäß § 5 Abs. 3 der NDR-Satzung verlangen.
Die Frage, ob C. B. tatsächlich eigene Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereithält bzw. in der Vergangenheit bereit gehalten hat, ohne seiner Anzeigepflicht nach § 3 Abs. 1 RGebStV nachzukommen, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Wird er aufgrund seiner Anzeige vom 05.03.2004 zu Unrecht zur Zahlung von Rundfunkgebühren herangezogen, so muss er sich persönlich dagegen zur Wehr setzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.