Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.06.1995, Az.: V 262/93
Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug; Erbringung einer Leistung im Leistungsaustausch ; Duldung der Rechtsbeeinträchtigung des Pachtrechts
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 01.06.1995
- Aktenzeichen
- V 262/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 19586
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0601.V262.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs. 1 S. 2 UStG
- § 3 Abs. 9 UStG
- § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG
Verfahrensgegenstand
Einbringung der Milchquote in eine Gesellschaft, Gesellschafterbeitrag
Umsatzsteuer 1989
In dem Rechtsstreit
hat der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 1. Juni 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vizepräsidentin des Finanzgerichts ... als Vorsitzende
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 36.095 DM festgesetzt.
Tatbestand
An der Klägerin sind die Eheleute H. und I. D. beteiligt. Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 30. November 1989 gegründet. Sie nahm ihren Geschäftsbetrieb am 1. Dezember 1989 auf. Nach § 1 des Gesellschaftsvertrages brachte der Gesellschafter H. D. seinen landwirtschaftlichen Betrieb zur Größe von 34,28 ha in die Gesellschaft ein. Die Gesellschafterin I. D. brachte Flächen von 24,00 ha in die Gesellschaft ein. Nach § 3 des Vertrages war das Kapital des Gesellschafters H. D. aus der Schlußbilanz seines einzulegenden Einzelbetriebes abzuleiten. Dabei sollten die Gebäude zur Nutzung eingebracht werden, das tote und lebende Inventar Eigentum der Gesellschaft werden. Nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages übertrugen die Gesellschafter die bestehenden Milchquoten auf die Gesellschaft. Desgleichen übernahm die Gesellschaft das Feldinventar, die Vorräte und sonstige materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter, auch die im Betriebsvermögen nicht ausgewiesenen, aber zum Betrieb des Gesellschafters gehörenden Wirtschaftsgüter. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrages war der Gewinn der Gesellschaft nach steuerlichen Gesichtspunkten zu ermitteln. Vor Verteilung des Gewinns aus der Hauptbilanz waren die Aufwendungen für den Unterhalt der Gebäude einschließlich Abschreibungen zu berücksichtigen. Danach war der Gewinn oder Verlust auf die Gesellschafter im Verhältnis von 80 v.H. auf H. D. und 20 v.H. auf I. D. zu verteilen.
Der Einzelbetrieb des Gesellschafters H. D. der nach dem Gesellschaftsvertrag in die Gesellschaft eingebracht werden sollte, war von ihm durch Pachtvertrag vom 27. Januar 1984 von seinen Vater H. D. angepachtet worden. Nach diesem Pachtvertrag blieb das vom Pächter mit Pachtantritt übernommene und zum Hof gehörende lebende und tote Inventar Eigentum des Verpächters. Nach § 4 Abs. 2 dieses Pachtvertrages übergab der Verpächter dem Pächter die bei Pachtbeginn vorhandene und nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft ausgeführte Feldbestellung als eisern. Die Verpachtung endet nach diesem Vertrag am 30. Juni 1998.
Die Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten mit Schriftsatz vom 4. Januar 1990, daß sie ab Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit die Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG) versteuern wolle.
Der Gesellschafter H. D. erteilte der Klägerin mit Rechnungsdatum vom 31.11.1989 eine Rechnung betreffend die Übereignung des toten und lebenden Inventars aus dem Einzelbetrieb H. D. an die GbR laut Gesellschaftsvertrag gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Darin wies er für bauliche Anlagen, Maschinen und Geräte, Viehbestand. Vorräte und Milchquote Bemessungsgrundlagen zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer aus. Die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer betrug insgesamt hiernach 56.935,30 DM.
Die Klägerin machte in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1989 neben anderen Vorsteuerbeträgen den genannten Betrag als abziehbaren Vorsteuerbetrag geltend. Der Beklagte führte bezüglich des Voranmeldungszeitraums Dezember 1989 im Jahre 1990 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß die Bemessungsgrundlagen für die baulichen Anlagen, die Maschinen und Geräte und die Milchquote zu hoch ermittelt worden seien. Da der Gesellschafter H. D. den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters eisern gepachtet habe, könne er die betreffenden angepachteten Wirtschaftsgüter in die Gesellschaft nicht zu Eigentum einbringen. Er könne allenfalls seine Nutzungsrechte an den Wirtschaftsgütern auf die Gesellschaft übertragen. Da die Gesellschaft zunächst auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen sei, seien die Werte der Nutzungsrechte entsprechend dieser Zeitdauer nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu ermitteln. Entsprechend seiner Rechtsauffassung kam der Prüfer zum Ergebnis, daß aus dem Einbringungsvorgang des Gesellschafters H. D. lediglich ein Vorsteuerabzug in Höhe von 49.638,96 DM bestehe.
Der Gesellschafter H. D. korrigierte seine Rechnung vom 31.11.1989 entsprechend dem Ergebnis der Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch handschriftliche Korrekturen. Auf die zur Gerichtsakte gereichte Rechnungsablichtung wird insoweit Bezug genommen (Bl. 48 GA).
In ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr machte die Klägerin als abziehbare Vorsteuerbeträge u.a. den Betrag von 49.638,96 DM aus der korrigierten Rechnung des Gesellschafters H. D. vom 31.11.1989 geltend. Der Beklagte folgte zunächst der Steuererklärung. Er führte in 1992 eine Betriebsprüfung durch, die sich auch auf die Umsatzsteuer 1989 bezog. Der Prüfer vertrat die Auffassung, daß der Gesellschafter H. D. nur für diejenigen Wirtschaftsgüter Umsatzsteuer habe in Rechnung stellen dürfen, die in seinem Eigentum gestanden hätten. Dies seien nur die zugekauften und selbst erzeugten Vorräte gewesen. Bei einer eisernen Zupachtung des lebenden und toten Inventars gingen vom Pächter ersatzbeschaffte Wirtschaftsgüter sofort in das Eigentum des Verpächters über. Daher sei eine Lieferung dieser Gegenstände an die Klägerin nicht möglich gewesen. Umsatzsteuer falle insoweit nicht an. Infolgedessen entfalle bei der Klägerin der Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG. Auch die Milchquote könne nicht in die Gesellschaft eingebracht werden. Sie sei untrennbar mit dem Grundstück verbunden. Der Gesellschafter H. D. sei jedoch nicht Eigentümer des Grundstücks gewesen. Der Prüfer kürzte infolgedessen den Vorsteuerabzug aus dem Einbringungsvorgang um 36.095,62 DM.
Entsprechend dem Ergebnis der Außenprüfung erließ der Beklagte am 27. Mai 1992 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Steuerbescheid.
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründet die Klägerin im wesentlichen wie folgt:
Ihr stehe der Vorsteuerabzug aus dem Einbringungsvorgang in vollem Umfang zu. Zwar treffe es zu, daß der Gesellschafter H. D. den von ihm bewirtschafteten Betrieb von seinem Vater eisern gepachtet habe. Daher habe auch der Gesellschafter auf die Gesellschaft nicht das zivilrechtliche Eigentum am lebenden und toten Inventar übertragen können. Insofern sei jedoch der Gesellschaftsvertrag, der für die Klägerin geschlossen sei, dahingehend auszulegen, daß der Gesellschafter H. D. der Klägerin die Nutzung am toten und lebenden Inventar sowie an der Milchquote habe gewähren wollen. Diese Verpflichtung habe der Gesellschafter auch vollzogen. Er habe damit umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ausgeführt.
Soweit in der Rechnung, aus der im Ergebnis der Vorsteuerabzug hergeleitet werde, das Rechnungsdatum 31.11.1989 enthalten sei, liege ein Schreibfehler vor. Die Rechnung sei aber noch im Streitjahr, nämlich am 29. Dezember 1989 erstellt und der Klägerin übergeben worden. Hierfür werde notfalls Beweis angetreten.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1989 auf ./. 48.976,59 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung die Auffassung, der Gesellschafter H. D. habe die bisher in seinem Einzelbetrieb befindlichen Vermögensgegenstände nicht auf die Gesellschaft übertragen können, weil die Wirtschaftsgüter im bürgerlich-rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum des Verpächters gestanden hätten. Der Gesellschafter habe daher der Gesellschaft nicht die Verfügungsmacht an diesen Wirtschaftsgütern übertragen können. Die Zurverfügungstellung des eisernen Inventars an die Gesellschaft lediglich zur Nutzung sei eine Leistung, die durch die Beteiligung am Gewinn und Verlust abgegolten sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte. Wegen des Inhalts der angesprochenen Verträge im einzelnen wird Bezug genommen auf die zur Gerichtsakte genommenen Vertragsablichtungen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu. Gemäß § 15 Abs. 1 UStG kann ein Unternehmer die ihm von einem anderen Unternehmer in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Danach setzt der Vorsteuerabzug u.a. voraus, daß dem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer eine Leistung im Leistungsaustausch erbracht sein muß. Ein Leistungsaustausch liegt dann vor, wenn für eine erbrachte Leistung eine Gegenleistung, das Entgelt (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG) vereinbart ist. Im Streitfall ist jedoch nicht erkennbar, daß dem Einbringungsvorgang des Gesellschafters H. D. eine Gegenleistung erkennbar gegenübersteht.
Zwar hat der Gesellschafter H. D. der Klägerin aufgrund der Erfüllung der im Gesellschaftsvertrag übernommenen Verpflichtungen die Nutzung der baulichen Anlagen, der Maschinen, des Viehbestandes ermöglicht. Hierin ist nach dem wirtschaftlichen Leistungsinhalt die Duldung der Rechtsbeeinträchtigung des Pachtrechts zu sehen, welches dem Gesellschafter H. D. aufgrund des mit seinem Vater geschlossenen Pachtvertrages zustand. Umsatzsteuerlich liegt deshalb insoweit eine sonstige Leistung im Sinne von § 3 Abs. 9 UStG in Form einer Duldungsleistung vor (vgl. zur Bestellung eines Erbbaurechts als Duldungsleistung BFH-Urteil vom 20. April 1988 X R 4/80, BStBl II 1988, 744 m.w.N.).
Soweit der Gesellschafter H. D. der Klägerin die Milchreferenzmenge übertragen hat, liegt hierin eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG in Gestalt einer Rechtsübertragung. Gemäß Art. 7 Nr. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988 wird die Milchreferenzmenge im Falle des Verkaufs, der Verpachtung oder der Vererbung des gesamten Betriebes voll auf den den Betrieb übernehmenden Erzeuger übertragen. Das gilt auch für die Einbringung eines landwirtschaftlichen Betriebes im Rahmen einer Gesellschaftsgründung, weil Art. 7 Nr. 1 und Nr. 2 der Verordnung Nr. 1546/88 gemäß Art. 7 Nr. 3 dieser Verordnung auf andere Übertragungsfälle entsprechend anwendbar sind. Der darin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Betriebsakzessorietät führt dazu, daß die Übertragung des landwirtschaftlichen Betriebes auf die Klägerin auch die Übertragung der Milchquote umfaßt (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 1994 V R 39/92, BStBl II 1994, 538, 541).
Den Leistungen des Gesellschafters H. D. steht jedoch keine Gegenleistung gegenüber. Ein entgeltlicher Leistungsaustausch zwischen einer Gesellschaft und ihren Gesellschaftern setzt die Vereinbarung und Leistung eines Sonderentgelts voraus (vgl. Urteil des BFH vom 17. März 1994 V R 39/92, a.a.O.). Im Gesellschaftsvertrag vom 30. November 1989 sind keine Vereinbarungen über Entgelte für die Einbringung des landwirtschaftlichen Betriebes des Gesellschafters H. D. getroffen worden. Tatsächlich ist auch kein Sonderentgelt durch die Klägerin erbracht worden. Insbesondere hat sie ihrem Gesellschafter H. D. keine Gesellschaftsrechte als Sonderentgelt übertragen. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung über die Einräumung bestimmter Gesellschaftsrechte liegt nicht vor. Die allgemeine Beteiligung am Gewinn und Verlust stellt kein Sonderentgelt dar.
Aus der bilanziellen Darstellung des Einbringungsvorgangs kann nicht geschlossen werden, daß im Streitfall zwischen der Klägerin und ihrem Gesellschafter H. D. Leistungsbeziehungen bestanden hätten, die auf den Austausch der Gesellschafterleistungen gegen Entgelt gerichtet wären. Zwar sind für die Wirtschaftsgüter bauliche Anlagen, Maschinen und Geräte und Viehbestand in der Eröffnungsbilanz der Klägerin zum 1. Dezember 1989 Bilanzwerte eingestellt worden. Infolgedessen ergab sich auch eine betragsmäßige Auswirkung auf das Kapitalkonto des Gesellschafters H. D. Diese bilanzielle Darstellung hat ihre alleinige Ursache in der ertragsteuerlich gewollten Fortführung der Buchwerte des Einzelbetriebs H. D. (vgl. zur ertragsteuerlichen Behandlung der Einbringung eines aus einem Betriebsvermögen des Gesellschafters stammenden Wirtschaftsguts in eine Personengesellschaft das Urteil des BFH vom 15. Juni 1976 I R 17/74, BStBl II 1976, 748 m.w.N.). Darüber hinaus stimmen die Bilanzansätze in keiner Weise mit den in der Rechnung vom 31.11.1989 angegebenen Entgeltbeträgen überein. Daß zwischen Gesellschafter und Gesellschaft kein Sonderentgelt angestrebt wurde, verdeutlicht in diesem Zusammenhang auch, daß hinsichtlich der auf die Klägerin übertragenden Milchreferenzmenge keine bilanzielle Darstellung erfolgte.
Soweit hinsichtlich der Einräumung der Nutzungsbefugnis an den baulichen Anlagen, den Maschinen und Geräten und des Viehbestandes die sonstige Leistung ihrer Art nach als Duldungsleistung zu qualifizieren ist, kam der Vorsteuerabzug für die Klägerin auch deshalb nicht in Betracht, weil insoweit die Leistung noch nicht ausgeführt war. Damit fehlte es an einer der Voraussetzungen, an die § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG den Vorsteuerabzug knüpft. Danach kann der Vorsteuerabzug nur berücksichtigt werden, wenn die Leistung tatsächlich ausgeführt worden ist. Eine vor Ausführung der Leistung erteilte Rechnung berechtigt den Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug nur dann, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Da weder im Streitjahr ein Entgelt gezahlt wurde, noch die Duldungsleistung des Gesellschafters H. D. ausgeführt worden war, scheitert der mit der Klage begehrte Vorsteuerabzug auch aus diesem Grunde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung ergeht gemäß § 13 Abs. 2 und § 25 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Der Streitwert wird auf 36.095 DM festgesetzt.