Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.05.1995, Az.: VII 636/94

Aufdeckung von stillen Reserven eines Sonderbetriebsvermögens als Voraussetzung für eine Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 Einkommensteuergesetz (EStG)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.05.1995
Aktenzeichen
VII 636/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17881
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:0516.VII636.94.0A

Verfahrensgegenstand

Keine Steuerbegünstigung des Aufgabegewinns eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft ohne Aufdeckung der stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens

ges. und einh. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1991 der ... J. KG

In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 16. Mai 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Konditormeister
ehrenamtliche Richterin ... Kauffrau
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob für die Aufgabe eines Mitunternehmeranteils die Vergünstigungen der §§ 16, 34 EStG gewährt werden können.

2

Die Klägerin ist Alleinerbin des am 2. August 1994 verstorbenen J.. Der Erblasser war Komplementär der J. KG. Weiterhin war er alleiniger geschäftsführender Gesellschafter der K. und J. GmbH in O. und Kommanditist der K. GmbH & Co. KG und alleiniger geschäftsführender Gesellschafter der K. & Co GmbH.

3

Zum 31. Dezember 1991 gab die ... J. KG ihren Betrieb auf. Zum Sonderbetriebsvermögen des Erblassers gehörte u.a. die Beteiligung an der K. und J. GmbH. Die Beteiligung an der K. und J. GmbH blieb auch nach der Betriebsaufgabe Betriebsvermögen des Erblassers. Sie wurde bei der K. GmbH & Co. KG berücksichtigt. Stille Reserven wurden von dem Erblasser insoweit nicht aufgedeckt, die Überführung in das Betriebsvermögen der K. GmbH & Co. KG erfolgte zu Buchwerten.

4

Mit Feststellungsbescheid vom 7. Dezember 1992 stellte der Beklagte den Gewinn aus der Veräußerung des Anlagevermögens der J. KG in Höhe von 110.084,10 DM, der auf den Komplementär entfiel, als laufenden Gewinn und nicht als begünstigten Veräußerungsgewinn im Sinne der §§ 16, 34 EStG fest, weil die im Sonderbetriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven nicht aufgedeckt worden seien. Eine rückwirkende Übertragung der Beteiligung in ein anderes Sonderbetriebsvermögen sei nicht möglich.

5

Der Erblasser legte Einspruch ein. Er wandte sich gegen die Versagung der Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 EStG und trug vor, daß ggf. eine Bilanzberichtigung in der Weise vorgenommen werden müßte, daß die Beteiligung nicht im Sonderbetriebsvermögen der ... J. KG, sondern im Sonderbetriebsvermögen der K. GmbH & Co. KG geführt wurde.

6

Mit Einspruchsbescheid vom 1. August 1994 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte führte im einzelnen aus, daß die Steuerbegünstigung gemäß §§ 16 Abs. 4, 34 EStG nicht gewährt werden könne, weil die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zeitgleich mit der Betriebsaufgabe der ... J. KG in ein anderes Betriebsvermögen überführt worden seien. Auch eine Bilanzänderung komme nicht in Betracht. Im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile an der K. und J. GmbH habe für den Erblasser ein Wahlrecht bestanden, die Beteiligung im Sonderbetriebsvermögen der ... J. KG oder der K. GmbH & Co. KG auszuweisen. Beide Gesellschaften hätten Geschäftsbeziehungen zur K. und J. GmbH unterhalten. Der Erblasser habe das Wahlrecht dahingehend ausgeübt, daß die Beteiligung in der Sonderbilanz der ... J. KG ausgewiesen worden sei. An dieses ausgeübte Wahlrecht sei der Erblasser gebunden gewesen. Eine nachträgliche Berichtigung der Bilanzansätze komme gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in Betracht, da die Steuerbilanzen der ... J. KG nicht unrichtig seien. Ebenso seien die Voraussetzungen für eine Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht gegeben, da tatsächliche Vorgänge wie der Ansatz einer Beteiligung im Betriebsvermögen einer Gesellschaft nichtüber eine Bilanzänderung rückgängig gemacht werden könnten. Die Zurechnung der Beteiligung an der K. und J. GmbH zum Sonderbetriebsvermögen des Erblassers als Komplementär an der ... J. KG könne nicht mit Wirkung für die Vergangenheit geändert werden. Wirtschaftsgüter, die zulässigerweise zum Betriebsvermögen gerechnet worden seien, blieben solange Betriebsvermögen, bis sie durch eine eindeutige Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen Privatvermögen würden. Diese Regelung sei auch analog auf die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen anzuwenden. Im vorliegenden Fall folge aus den Sonderbilanzen zur ... J. KG, daß die Beteiligung an der K. und J. GmbH zum Betriebsvermögen der ... J. KG gerechnet worden sei. Die Ausschüttungen seien in der Sonder-Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag erfaßt worden. Aus dieser Handhabung folge eindeutig, daß eine Entnahme aus dem Betriebsvermögen der ... J. KG und eine Zurechnung zum Betriebsvermögen der K. GmbH & Co. KG nicht gewollt gewesen sei.

7

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin trägt vor, daß der Erblasser gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG seine Anteile an der ... J. KG aufgegeben und damit die Voraussetzung zur Anwendung des Freibetrages und des ermäßigten Steuersatzes gemäß 16 Abs. 4, 34 EStG erfüllt habe. Die Forderung, daß auch die in der Sonderbilanz geführte Beteiligung veräußert oderübertragen werden müßte, um die Steuervergünstigung zu erhalten, sei nicht durch § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gedeckt, denn die Beteiligung an der K. und J. GmbH habe nicht zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen der ... J. KG gehört. Dem Steuerpflichtigen stehe daher die sinngemäße Anwendung des Mitunternehmererlasses bzw.§ 24 Umwandlungssteuergesetz zu. Der Steuerpflichtige habe im Zeitpunkt der Aufgabe seiner Gesellschaftsanteile die in der Sonderbilanz geführte Beteiligung in die Sonderbilanz einer anderen Beteiligungüberführt und damit die geforderte "Steuerverstrickung" sichergestellt.

8

Im übrigen weise sie darauf hin, daß anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1987 die Beteiligung an der K. und J. GmbH in eine Sonderbilanz der ... J. eingestellt worden sei. Die Festlegung, bei welcher Firma die Ergänzungsbilanz zu führen sei, sei willkürlich erfolgt. Sollte sich herausstellen, daß die Verfahrensweise damals falsch gewesen sei, so sei eine Bilanzberichtigung dergestalt vorzunehmen, daß es sich hierbei nicht um eine Sonderbilanz im klassischen Sinne, sondern um eine ähnliche Behandlung gehandelt habe. Genauso, wie der Steuerpflichtige im Rahmen von Betriebsprüfungen Wahlrechte (z.B. bei Absetzungen) bis zur Bestandskraft der Bescheide vornehmen könne, so müsse auch im vorliegenden Fall dem Steuerpflichtigen das Recht zugestanden werden, auch heute noch zu entscheiden, ob das Sondervermögen in dieser Steuerbilanz oder in einer anderen zu führen sei.

9

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß es sich bei dem Betriebsaufgabegewinn des Erblassers von 110.084 DM um einen steuerbegünstigten Aufgabegewinn gemäß §§ 16, 34 EStG handele; im Falle des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte hält im wesentlichen an dem Vorbringen des Vorverfahrens fest.

12

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

13

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten VII 398/93, VII 554/94 und VII 636/94 und die Steuerakten der ... J. KG (Steuernummer ...). Die Ergänzungsbilanz des Erblassers zum 31. Dezember 1992 und die Steuerakten der K. GmbH & Co. KG (Steuernummer).

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist nicht begründet.

15

Zu Recht hat der Beklagte den Aufgabegewinn des Erblassers nicht als steuerbegünstigt gemäß § 16, 34 EStG angesehen, denn insoweit sind die Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 18. Mai 1994 I R 109/93, BFHE Bd. 175, 249) besteht der Mitunternehmeranteil an einer Personengesellschaft aus dem Anteil der Personengesellschaft und dem Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers. Die Tarifbegünstigung nach §§ 16, 34 EStG setzt danach voraus, daß auch die stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens aufgedeckt werden (vgl. Urteile des BFH vom 19. März 1991 VIII R 76/87, BStBl II 1991, 635 und vom 21. Juni 1994 VIII R 5/92, BStBl II 1994, 856, 859 rechte Spalte). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt, denn der Erblasser hat die stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens nicht aufgedeckt, sondern die Beteiligung an der K. und J. GmbH zum Buchwert in das Betriebsvermögen der K. GmbH & Co. KG überführt.

16

Eine Bilanzänderung kam nicht in Betracht. Es kann dahinstehen, ob der Erblasser 1984 die Beteiligung an der K. und J. GmbH im Sonderbetriebsvermögen der K. GmbH & Co. KG hätte führen können. Tatsächlich hat er sein Wahlrecht in der Weise ausgeübt, daß diese Beteiligung im Sonderbetriebsvermögen der ... J. KG geführt worden ist. An diese Ausübung des Wahlrechts ist die Klägerin gebunden. Die Voraussetzungen für eine Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 EStG sind nicht gegeben.

17

Wegen der Begründung im übrigen wird Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in dem Einspruchsbescheid vom 1. August 1994 (§ 105 Abs. 5 FGO).

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Rechtssache nach Auffassung des Senats keine grundsätzliche Bedeutung hat.