Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.06.1995, Az.: VII 561/94

Voraussetzungen für die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben; Abziehbarkeit von sogenannten "gemischten" Aufwendungen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
20.06.1995
Aktenzeichen
VII 561/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17885
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:0620.VII561.94.0A

Fundstellen

  • Chefarzt 1999, 6
  • DB (Beilage) 1997, 5 (Kurzinformation)
  • EFG 1996, 644-645 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZauR 1998, 23

Verfahrensgegenstand

BA, Auslandsreise, private Mitveranlassung, Fachvortrag

Einkommensteuer 1989

In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 20. Juni 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Goldschmiedemeister
ehrenamtlicher Richter ... Polizeibeamter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für eine Reise nach S. als Betriebsausgaben anzuerkennen sind.

2

Die Kläger wurden als Eheleute im Streitjahr 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit als ... Arzt. In seiner Gewinnermittlung nach§ 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) machte der Kläger für 1989 Aufwendungen in Höhe von insgesamt 4.080,80 DM im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an dem Zweiten Wissenschaftlichen Kongress der Vereinigung der ... s. Ärzte in S. geltend. Dieser vom Deutsch-S. Verein e.V. zur Förderung der Wissenschaften veranstaltete Kongress fand in der Zeit zwischen dem 9. Oktober 1993 bis zum 12. Oktober 1993 statt. Der Kläger, der als Mitglied des Deutsch-S. Vereins zur Förderung der Wissenschaften auch Mitglied des Organisationskomitees war, hielt am 11. Oktober 1989 einen 30-minütigen Fachvortrag. Imübrigen übernahm er im Rahmen des Kongresses die Übersetzung wissenschaftlicher Vorträge vom Deutschen ins S., die Begleitung der deutschen Delegation und fungierte als Dolmetscher bei Gesprächen mit Kollegen der ... Ärztekammer S. und der medizinischen Fakultät der Universität S.

3

Wegen des Kongressablaufs wird auf die vom Klägervertreter als Anlage zum Schriftsatz vom 17. Oktober 1994 eingereichten Unterlagen Bezug genommen. Aus diesen ergibt sich, daß der Kläger u.a. nach dem Kongressprogramm am 9. und 10. Oktober 1989 bei Empfängen des s. Gesundheitsministers und des s. Verteidigungsministers als Dolmetscher tätig geworden ist. Ferner hat er am 11. Oktober und am 12. Oktober 1989 die deutsche Delegation bei einem Erfahrungsaustausch mit s. Kollegen sowie einer Veranstaltung mit Professoren der ... medizinischen Fakultät der Universität S. begleitet und auch dort als Dolmetscher fungiert. Die Anreise des Klägers zu dem Kongress erfolgte bereits am 7. Oktober 1989, die Rückreise am 15. Oktober 1989.

4

Die Tätigkeit als Dolmetscher sei, so trug der Kläger vor, ehrenamtlich und ohne Entgelt erfolgt. Zum Nachweis für seine Aufwendungen legte er eine Bestätigung der s. Ärztekammer vor, wonach er einen Betrag in Höhe von 2.951,50 DM für Hin- und Rückflug, Übernachtung mit Halbpension und Kongressgebühren (250 DM) an die ... Ärztekammer S. gezahlt hat. Im übrigen nahm er Bezug auf die Bescheinigung vom 28. Oktober 1989, aus der eine Nachzahlung für Sonderverpflegung, Getränke und Telefonate in Höhe von 1.129,30 DM zu entnehmen ist.

5

Das Finanzamt (FA) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1989 vom 22. April 1991 die geltend gemachten Betriebsausgaben zunächst antragsgemäß. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Jahre 1993 fand eine Außenprüfung statt. Im Anschluß daran vertrat das FA die Auffassung, daß die fraglichen Aufwendungen nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen seien.

6

Dagegen erhob der Kläger Einspruch. Er trug vor, seine Teilnahme an dem Kongress sei ausschließlich beruflich bedingt gewesen.

7

Das FA berücksichtigte im Einspruchsbescheid vom 8. August 1994 Betriebsausgaben im Zusammenhang mit der Teilnahme an dem Kongress in Höhe von 990 DM (Verpflegungsmehraufwendungen 4 Tageà 96 DM = 384 DM, Übernachtungskosten 4 Tage à 89 DM = 356 DM, Kongressgebühren 250 DM). Im übrigen wies es den Einspruch zurück. Es führte aus, nur während der Kongresstage sei für den Kläger die Verfolgung privater Interessen von untergeordneter Bedeutung gewesen, so daß für diese Tage eine ausschließliche berufliche Veranlassung anzunehmen sei.

8

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er trägt vor, er sei aufgrund des Linienverkehrs mit der Lufthansa dazu gezwungen gewesen, bereits am 7. Oktober 1989 anzureißen und erst am 15. Oktober 1989 abzureisen. Der Tagesablauf am 8., 13. und 14. Oktober 1989 habe sich auf informative Kontakte und Termine mit Berufskollegen bzw. auf die Besichtigung von ... firmen für ... medizinische Einrichtungen beschränkt.

9

Der Reise habe offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher (beruflicher) Anlaß zugrunde gelegen, da er einen Fachvortrag gehalten habe. Daß er neben der Teilnahme am Kongress und neben seinem Fachvortrag zusätzliche Aufgaben als Dolmetscher übernommen habe, stehe dem in voller Höhe begehrten Betriebsausgabenabzug nicht entgegen.

10

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 1989 vom 25. August 1993 in der Form der Einspruchsentscheidung vom &. August 1994 die Einkommensteuer 1989 unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in Höhe von 3.091 DM herabzusetzen.

11

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Es hält an seiner bereits im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest, daß für die Reise eine erhebliche private Mitveranlassung vorgelegen habe. Die ehrenamtliche Dolmetschertätigkeit des Klägers habe keinen unmittelbaren Bezug zu seiner Berufstätigkeit als ... Arzt gehabt und könne daher keinen beruflichen Anlaß für die Reise begründen. Für den Kläger habe am 8., 13. und 14. Oktober 1989 in erheblichem Umfang die Möglichkeit zur Verfolgung privater Interessen bestanden. Die ungünstige Flugverbindung stelle keinen Grund dar, die Tage vor und nach dem Kongress bei der Beurteilung der privaten Mitveranlassung der Reise außer Betracht zu lassen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist nicht begründet.

14

über die vom FA als Betriebsausgaben anerkannten Aufwendungen in Höhe von 990 DM hinaus sind im Zusammenhang mit der Teilnahme an dem Kongress in S. keine weiteren Aufwendungen des Klägers als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

15

Die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben setzt voraus, daß sie durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die aus betrieblichen Gründen erwachsenen Kosten zugleich Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen darstellen. Diese sogenannten "gemischten" Aufwendungen sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abziehbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führen Auslandsreisen, die nach der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen, als auch dem Bereich der privaten Lebensführung angehören können, nur dann zu abziehbaren Betriebsausgaben, wenn die Reisen ausschließlich oder zumindest weitausüberwiegend im betrieblichen oder beruflichen Interesse unternommen werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlaß der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen ist. Andernfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf veranlaßter Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen läßt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Oktober 1990 IV R 72/89, BStBl. II 1991, 92, 93).

16

Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, hat die Rechtsprechung in erster Linie auf den Zweck der Reise abgestellt. Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher (beruflicher) Anlaß zugrunde liegt, sind in der Regel ausschließlich der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzuordnen, selbst wenn solche Reisen in mehr oder weniger großem Umfang auch zu privaten Unternehmungen genutzt werden. Als unmittelbaren betrieblichen (beruflichen) Anlaß hat der BFH u.a. das Halten eines Vortrags auf einem Fachkongress angesehen.

17

Im Streitfall hat der Kläger zwar auf dem ... medizinischen Kongress einen halbstündigen Fachvortrag gehalten. Gleichwohl liegt eine erhebliche private Mitveranlassung für die Durchführung der Auslandsreise darin, daß der Kläger als Mitglied des Deutsch/S. Vereins e.V. zur Forderung der Wissenschaften und als Mitglied des Organisationskomitees an dem Kongress teilgenommen hat. Insoweit war die Teilnahme an dem Kongress auch privat veranlaßt, was auch für die Tätigkeit des Klägers als Dolmetscher für die deutsche Delegation zutrifft. Die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG soll verhindern, daß Angehörige bestimmter Berufe Aufwendungen steuerlich absetzen können, die andere Steuerpflichtige aus versteuerten Einkünften decken müssen. Daher greift das in dieser Vorschrift enthaltene Aufteilungs- und Abzugsverbot immer dann ein, wenn die Aufwendungen jedenfalls auch in nicht unerheblichem Umfang der Lebensführung dienen, mag ihre berufliche Notwendigkeit auch außer Zweifel stehen. Im Streitfall versagt der "unmittelbare betriebliche Anlaß", nämlich das Halten eines 30-minütigen Fachvortrags, als Indiz für die untergeordnete Bedeutung der privaten Mitveranlassung der Reise, welche darin besteht, daß der Kläger als Mitglied des Deutsch/S. Vereins e.V. zur Förderung der Wissenschaften den Kongress mitorganisiert und dabei u.a. als Dolmetscher fungiert hat.

18

Damit sind die Grundsätze anzuwenden, die bei der Beurteilung von Informationsreisen herangezogen werden müssen. Nach der Rechtsprechung des BFH müssen in derartigen Fällen die Beurteilungsmerkmale, die jeweils für eine private oder betriebliche (berufliche) Veranlassung der Reise sprechen, gegeneinander abgewogen werden. Der Kläger hat auf die Frage, wie er die Tage vor bzw. nach dem Kongress verbracht habe, zwar vorgetragen, er habe informative Kontakte und Termine mit Berufskollegen wahrgenommen bzw. ... firmen für ... medizinische Einrichtungen besichtigt. Er hat darüber jedoch keinen Nachweis geführt, obwohl er dazu mit Verfügung des Berichterstatters vom 16. März 1995 aufgefordert worden ist.

19

Bei Abwägung der für und gegen eine private Mitveranlassung sprechenden Gesichtspunkte ist es deshalb davon auszugehen, daß die Reise in nicht unerheblichem Maße auch durch die Mitgliedschaft des Klägers in dem Deutsch-S. Verein zur Förderung der Wissenschaften und damit privat mitveranlaßt gewesen ist, über die vom FA anerkannten Aufwendungen in Höhe von 990 DM sind keine weiteren Werbungskosten zu berücksichtigen.

20

Die Klage ist mit der sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung ergebenden Kostenfolge abzuweisen.