Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.06.1989, Az.: 7 A 108/86

Teilbetriebsgenehmigung; Kernkraftwerk; Brokdorf; Druckwasserreaktor

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.06.1989
Aktenzeichen
7 A 108/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12814
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0628.7A108.86.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 28.06.1989 - AZ: 7 OVG A 108/86
BVerwG - 23.05.1991 - AZ: BVerwG 7 C 34/90
BVerwG - 23.04.1992 - AZ: GrSen 1/91
BVerwG - 23.04.1992 - AZ: BVerwG Gr. Sen. 1.91
GmSOGB - 27.04.1993 - AZ: GmS-OGB 1/92
BVerwG - 04.10.1993 - AZ: BVerwG 7 C 35/93

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe eines gegen ihn festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte bzw. die Beigeladenen in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Zweite Teilbetriebsgenehmigung für das Kernkraftwerk Brokdorf, die der Beklagte den Beigeladenen mit Genehmigungsbescheid vom 3. Oktober 1986 erteilt hat. Bei der inzwischen in Betrieb befindlichen Anlage handelt es sich um einen Druckwasserreaktor mit einer thermischen Leistung von 3.765 MW, dessen Standort auf der rechten Elbseite bei Stromkilometer 682-683 in der Gemarkung Brokdorf der Gemeinde Brokdorf/Kreis Steinburg liegt.

2

Der Kläger ist Diplom-Meteorologe und als wissenschaftlicher Angestellter am Meteorologischen Institut der Universität Hamburg beschäftigt. Einen Schwerpunkt seiner Arbeiten bildet seit Jahren die Bewertung der Auswirkungen des Betriebs von Kernkraftwerken. Zu dieser Thematik hat er zahlreiche gutachtliche Stellungnahmen verfaßt. Daneben ist er in einschlägigen Verwaltungsgerichtsprozessen als Sachverständiger bzw. als Beistand aufgetreten, so unter anderem als Beistand von Drittklägern in einer im Oktober 1983 von dem Senat in der Sache 7 OVG A 15/80 durchgeführten Beweisaufnahme, die die Erste Teilgenehmigung vom 25. Oktober 1976 für das Kernkraftwerk Brokdorf betraf. In Hamburg besitzt der Kläger eine Eigentumswohnung. In Brokdorf hat er gemeinsam mit seiner Ehefrau im Jahre 1984 ein etwa 2 km vom Kraftwerk entfernt liegendes Hausgrundstück erworben. In Brokdorf hält er sich während der Woche zuweilen, an Wochenenden und in den Ferien durchweg auf. Im Garten seines Hausgrundstücks baut er für den Eigenverzehr Obst und Gemüse an. Er ernährt sich nach seinen Angaben auch sonst ganz überwiegend von im Nahbereich des Kraftwerksstandorts erzeugten Nahrungsmitteln. Er macht besonders geltend, mehrfach pro Woche (in der Regel sonntags, mittwochs und freitags) vom Landwirt Reimers aus Wewelsfleth Frischmilch von Kühen zu beziehen, die in ca. 1 km Entfernung vom Kraftwerk weiden; bezüglich einer der Kühe sei er "Anteilseigner".

3

Von den für die Anlage im gestuften Verfahren erteilten Genehmigungen hat der Kläger erstmals die streitgegenständliche Zweite Teilbetriebsgenehmigung mit der Klage angefochten. Dieser Genehmigung gingen voran

4

- die Erste Teilgenehmigung vom 25. Oktober 1976 (Genehmigung der Baustelleneinrichtung und der Gründung des Reaktorgebäudes)

5

- die Zweite Teilgenehmigung vom 19. Februar 1981 (Genehmigung für die Errichtung des Reaktorgebäudes, des Schaltanlagengebäudes, des Hilfsanlagengebäudes sowie der sicherheitstechnisch wichtigen Kanäle)

6

- die Dritte Teilgenehmigung vom 8. Januar 1982 (Genehmigung für die Errichtung fast aller weiteren Hochbauten der Anlage)

7

- die Vierte Teilgenehmigung vom 21. Dezember 1982 (Genehmigung aller maschinen- und elektrotechnischer Einrichtungen und der Errichtung restlicher Bauwerke)

8

- die Erste Teilbetriebsgenehmigung vom 30. Dezember 1985 (Feststellung der Eignung des gegenüber den Festlegungen der Vierten Teilgenehmigung modifizierten Reaktorerstkerns, Genehmigung des Umgangs mit Kernbrennstoffen sowie des Warmprobebetriebs mit beladenem, unterkritischen Kern) sowie

9

- Nachtragsgenehmigungen vom 30. März 1983, 9. November 1983, 30. August 1985 und 30. Dezember 1985 zu den Errichtungsgenehmigungen.

10

Im Verlauf des Genehmigungsverfahrens hörte der Beklagte die Öffentlichkeit zum Vorhaben dreimal an. In den ersten beiden Einwendungs- und Erörterungsverfahren im Jahre 1974 vor der Ersten Teilgenehmigung und im Jahre 1981 vor der Dritten Teilgenehmigung erhob der Kläger keine Einwendungen. Mit Datum vom 20. Mai 1985 machte der Beklagte das Vorhaben erneut bekannt, und zwar mit den Anträgen der Beigeladenen,

11

- anstelle der mit der Vierten Teilgenehmigung genehmigten Brennelemente den Einsatz von optimierten Brennelementen mit Anreicherungen von bis zu 4% Uran-235, mit abbrennbaren Absorbern sowie mit Uran-Plutonium-Mischoxid als Brennstoff

12

- die Einlagerung und Handhabung von Brennelementen und Neutronenquellen, den Warmprobetrieb mit beladenem, unterkritischen Reaktorkern, die nukleare Inbetriebnahme sowie den unbefristeten Leistungsbetrieb sowie

13

- den Umgang mit Tritium mit einer Aktivität bis zu 1 Curie für die Dichtheitsprüfung des Generators

14

zu genehmigen (vgl. u.a. Amtsblatt für Schleswig-Holstein vom 28. Mai 1985, S. 175). Der Antrag und die Antragsunterlagen - darunter der überarbeitete Sicherheitsbericht mit Fassung vom Mai 1985 - lagen vom 7. Juni bis einschließlich 9. August 1985 zur Einsichtnahme aus. Mit Schreiben vom 20. Juli 1985, beim Beklagten eingegangen am 8. August 1985 (Bl. 343 ff. d.A.), erhob der Kläger - aufgegliedert in 60 Punkten - detaillierte Einwände. Dieses Vorbringen war ebenso wie die Einwendungen zahlreicher anderer Personen Gegenstand eines Erörterungstermins des Beklagten vom 18. bis 20. September 1985.

15

Auf der Grundlage der Ergebnisse der dritten Öffentlichkeitsbeteiligung erteilte der Beklagte den Beigeladenen mit Genehmigungsbescheid vom 30. Dezember 1985, gegen den der Kläger - wie schon gesagt - Klage nicht erhoben hat, unter anderem zunächst die erwähnte Erste Teilbetriebsgenehmigung. Der Bescheid weist (auch) die im Offenlegungsverfahren erhobenen Einwendungen, soweit ihnen nicht in Genehmigungsmaßgaben Rechnung getragen worden ist, als unbegründet zurück (Entscheidungsgegenstand A VI, S. 16 des Bescheides). Diese Entscheidung wird auf den Seiten 116 bis 212 des Bescheides im einzelnen begründet. An den Genehmigungsbescheid vom 30. Dezember 1985 schloß sich der Genehmigungsbescheid vom 3. Oktober 1986 an, der neben einer Dritten Nachtragsgenehmigung zur Vierten Teilgenehmigung die vom Kläger angegriffene Zweite Teilbetriebsgenehmigung beinhaltet.

16

Die Zweite Teilbetriebsgenehmigung wurde - wie der Bescheid vom 3. Oktober 1986 im übrigen - für sofort vollziehbar erklärt. Sie umfaßt folgende Genehmigungsgegenstände:

17

- die Feststellung der Eignung der (dem Erstkern nachfolgenden) Folgekerne bestehend u.a. aus optimierten Brennelementen mit bis zu 4,0 Gewichtsprozenten Uran 235 sowie MOX-Elementen jeweils bis zu einem Reaktivitätsäquivalent eines mit 4,0 Gewichtsprozenten Uran 235 angereicherten Uranoxid Brennelementes (A I 1.1)

18

- die nukleare Inbetriebsetzung und den Probebetrieb der Anlage (A I 1.2)

19

- den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage auf Dauer (A I 1.3)

20

- den Umgang mit Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen (A I 1.4)

21

- die Beseitigung von Abfällen mit geringfügiger Aktivität (A I 1.5)

22

- die Rücknahme undicht gewordener Lagerbehälter mit bestrahlten Brennelementen (A I 1.6)

23

- die Abgabe radioaktiver Stoffe im bestimmungsgemäßen Betrieb mit der Luft und mit dem Wasser nach Maßgabe näher bestimmter Grenzwerte (A I 1.7).

24

Die Betriebsgenehmigung steht unter inhaltlichen Beschränkungen (A III.) und enthält zahlreiche Auflagen (A IV.). Für die weiteren Einzelheiten der Genehmigung sowie die Begründung wird auf den Inhalt des Genehmigungsbescheids vom 3. Oktober 1986 verwiesen. Der Genehmigungsbescheid lag in der Zeit vom 14. bis einschließlich 27. Oktober 1986 gemäß § 17 Abs. 2 AtVfV zur Einsicht aus.

25

Am 27. November 1986 hat der Kläger gegen ihn - beschränkt auf die Zweite Teilbetriebsgenehmigung - beim Oberverwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben (ursprüngliches Az.: 7 OVG A 129/86). Durch Beschluß vom 15. Januar 1987 hat der Senat die Klage mit der damals anhängigen Parallelklage der Ehefrau des Klägers 7 OVG A 108/86 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden. Das Verfahren der Ehefrau des Klägers hat der Senat nach Klagerücknahme durch Beschluß vom 20. Februar 1987 eingestellt.

26

Den im Mai 1987 gestellten Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, hat der Senat mit Beschluß vom 16. September 1988 - 7 OVG D 10/86 und 4/87 -, auf dessen Begründung verwiesen wird, abgelehnt.

27

Im Verfahren zur Hauptsache ist die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 12. und 13. Dezember 1988 erörtert worden; für die Ergebnisse des Erörterungstermins wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

28

Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im wesentlichen geltend: Er rege an, zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 AtG gemäß Art. 100 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen bzw. das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgericht über den Normenkontrollantrag 1 BvF 3/88 der Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion gemäß § 94 VwGO auszusetzen. Die Erwägungen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 AtG seien durch die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl widerlegt worden. Das Atomgesetz sei weiterhin deshalb mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil es viele wesentliche Fragen der Errichtung und des Betriebs kerntechnischer Anlagen inhaltlich und verfahrensrechtlich nicht oder nicht ausreichend konkret regele. Schließlich könne die Verwendung von Plutonium zur Energieerzeugung - der genehmigte Einsatz von MOX-Elementen sei Teil des Plutoniumkreislaufs - nicht mehr als verfassungsgemäß angesehen werden. - Selbst wenn man aber von der Verfassungsmäßigkeit des § 7 AtG ausgehe, verletze ihn - den Kläger - die Zweite Teilbetriebsgenehmigung in mehrfacher Hinsicht in seinen Rechten: Die Genehmigung des Einsatzes von MOX-Brennelementen verletze ihn u.a. in Rechten aus § 28 Abs. 3 StrlSchV. Bei einem Frischdampfleitungsbruch komme es zu einer kurzzeitigen Rekritikalität und dadurch zu erhöhten Belastungen der Brennelemente mit der Folge erhöhter Freisetzungen; wende man seine - des Klägers - Parameter bei der Belastungsberechnung an, würden die Störfallgrenzwerte für die Schilddrüse überschritten. - Die Genehmigung für den unbefristeten Leistungsbetrieb habe u.a. deshalb nicht erteilt werden dürfen, weil die Auslegung der Anlage keinen ausreichenden Schutz gegen menschliches Versagen gewährleiste. Das könne er - der Kläger - ungeachtet der Nichtanfechtung der früheren Teilgenehmigungen gegenüber der streitigen Betriebsgenehmigung rügen, weil der Beklagte im Rahmen dieser Genehmigung neu geprüft habe, ob die errichtete Anlage auch in bezug auf Störfälle die nach dem aktuellen Wissensstand erforderliche Schadensvorsorge gewährleiste (S. 74 f. des Bescheides). - Bezüglich der Genehmigung der Rücknahme undicht gewordener Brennelementlagerbehälter sei dem Beklagten ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit vorzuwerfen, weil er das Risiko eines relevanten Störfalles nicht in Erwägung gezogen und beurteilt habe. Denn bei hoher Defektrate der Brennstäbe könne es, wenn der Versuch fehlschlage, die Behälteratmosphäre auf Flaschen zu ziehen, zu unzulässigen Edelgasfreisetzungen kommen. - Infolge der genehmigten Abgabe radioaktiver Stoffe werde er - der Kläger - weiterhin unzulässigen Strahlenbelastungen besonders durch Ingestion ausgesetzt. Insofern sei zumindest schon anzuzweifeln, ob der Beklagte bei Genehmigungserteilung im Oktober 1986 die Beurteilung der Normalbetriebsauswirkungen noch an den Dosisgrenzwerten des § 45 StrlSchV habe ausrichten dürfen; schon damals sei nämlich in der Wissenschaft darauf hingewiesen worden, daß die schädliche Wirkung radioaktiver Strahlung auch bei den Grenzwertfestlegungen der Strahlenschutzverordnung systematisch unterschätzt worden sei. Selbst die Einhaltung dieser Grenzwerte sei aber ihm gegenüber nicht gewährleistet. So habe er bei Ausschöpfung der zugelassenen Jod-Abgaben mit einer Schilddrüsenbelastung von 3230 mrem/a zu rechnen. Die im Genehmigungsverfahren eingeholten Gutachten seien ebenso wie die "Allgemeine Berechnungsgrundlage" des Bundesministers des Innern in zahlreichen Annahmen nicht konservativ. Ebenfalls müsse berücksichtigt werden, daß er - der Kläger - große Mengen an Milch und Milchprodukten verzehre und zudem wegen der - wie zu vermuten sei - nur geringen Masse seiner Schilddrüse besonders strahlenempfindlich sei. Bei seiner Berechnung habe er außerdem nicht einmal die am Standort Brokdorf noch vorhandene Kontamination durch den Unfall Tschernobyl berücksichtigt, die richtigerweise in Rechnung gestellt werden müsse.

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Der Kläger beantragt,

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den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 3. Oktober 1986 aufzuheben, soweit dieser die Zweite Teilbetriebsgenehmigung beinhaltet, ausgenommen die erledigten Genehmigungen für die nukleare Inbetriebsetzung und den Probebetrieb.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert im wesentlichen: Er sei sich in der grundsätzlichen Zielrichtigung, die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung zu beenden, mit dem Kläger einig. Diese Frage liege aber außerhalb des Streitgegenstandes des vorliegenden Verfahrens. In diesem könne es ausschließlich darum gehen, ob die angefochtene Genehmigung unter Berücksichtigung des Standes von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt ihrer Erteilung den Kläger in seiner geschützten Rechtsstellung verletze. Das sei nicht der Fall. Mit den von ihm unter dem Aspekt von Stör- und Unfallrisiken vorgebrachten Rügen könne der Kläger weitgehend aus Gründen der Präklusion nicht mehr gehört werden. Besondere Bedeutung komme in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, daß er namentlich die Vierte Teilgenehmigung und die Erste Teilbetriebsgenehmigung habe unanfechtbar werden lassen. Mit der Vierten Teilgenehmigung sei über die zentralen Fragen der Anlagensicherheit entschieden worden. Bindungswirkung entfalte ebenso das bei Erteilung der Ersten Teilbetriebsgenehmigung angestellte vorläufige positive Gesamturteil; dieses beziehe sich etwa auf den genehmigten Einsatz von MOX-Elementen. - In Anbetracht des - nicht Drittschutz vermittelnden - Strahlenminimierungsgebots seien die Festlegungen der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung zu den höchstzulässigen Aktivitätsabgaben nach seiner - des Beklagten - heutigen Einschätzung überhöht. Eine Verletzung der - auch drittschützenden - Dosisgrenzwerte, die jedenfalls nach dem Stand der Wissenschaft im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung dem Schadensvorsorgegebot genügt hätten, könne der Kläger dagegen nicht mit Erfolg geltend machen. Bei der Berechnung der Strahlenexposition müsse zwangsläufig ein pauschaliertes Berechnungsverfahren angewendet werden, ganz besondere Lebens- und Konsumgewohnheiten im Einzelfall könnten nicht berücksichtigt werden. Der "Allgemeinen Berechnungsgrundlage" des Bundesministers des Innern komme insoweit normkonkretisierende Funktion zu. Gegen die Anwendung der darin enthaltenen Modelle und Parameter könne sich der Kläger auch aus Gründen der Präklusion nicht mehr wenden, weil dieses Berechnungsverfahren schon durch vorläufiges positives Gesamturteil in vorangegangenen Teilgenehmigungen mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren gebilligt worden sei. Die vom Kläger geltend gemachten Erhöhungsfaktoren seien im übrigen sachlich überwiegend nicht gerechtfertigt. Vertretbar erscheine bei neuer Beurteilung höchstens ein Gesamterhöhungsfaktor von 19,5, mit dem sich eine den Grenzwert des § 45 StrlSchV wahrende Schilddrüsenbelastung für Erwachsene durch Ingestion von ca. 34 mrem/a errechne.

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Die Beigeladenen beantragen übereinstimmend,

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die Klage abzuweisen und dem Kläger auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.

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Auch sie sind der Ansicht, daß der Kläger mit den von ihm vorgebrachten Rügen weitgehend präkludiert sei bzw. mit ihnen sonst aus Rechtsgründen nicht durchdringen könne. Davon abgesehen lasse sich aus dem gesamten prozessualen Vorbringen des Klägers nicht herleiten, daß die Annahmen und Bewertungen, die der Beklagte - gestützt auf die eingeholten Gutachten - der Erteilung der Genehmigung zugrunde gelegt habe, im Hinblick auf den damaligen Stand von Wissenschaft und Technik widerlegbar erschienen. Diese Einschätzungen entsprächen auch noch dem neuesten Erkenntnisstand. Hinsichtlich des vom Kläger besonders betonten Problems der Normalbetriebsauswirkungen ergebe sich dies vor allem aus der verkündeten Zweiten Verordnung zur Änderung der Strahlenschutzverordnung vom 18. Mai 1989 (BGBl. I S. 943) und dem Entwurf der Fortschreibung der "Allgemeinen Berechnungsgrundlage" mit Stand vom 1. Juli 1988. Angesichts dessen gingen die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Immissionsprognose eingeräumten Erhöhungsfaktoren ebenso wie seine jetzige Ansicht fehl, die Festlegungen der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung berücksichtigten nicht voll die aus dem Gebot der Strahlenminimierung abzuleitenden Anforderungen.

37

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung - in Abänderung der von ihm im Verfahren zuvor gestellten Anträge - zu verschiedenen seiner Behauptungen zu Protokoll Beweisanträge gestellt. Nach Anhörung der übrigen Beteiligten hat der Senat die Anträge abgelehnt. Für die Anträge, die Erwiderung der anderen Beteiligten und die Bescheidung der Anträge wird auf die Sitzungsniederschrift nebst Anlagen Bezug genommen.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Akten 7 OVG D 4/87 und 7 OVG D 10/86 (Hennings ./. Beklagten) einschließlich der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

39

Neben den vorstehend genannten Akten haben dem Senat als Gegenstand der mündlichen Verhandlung vorgelegen:

40

- die Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum Genehmigungsbescheid vom 3. Oktober 1986 (Aufstellung Bl. 10 ff., 23 ff. d.A.)

41

- Teil 3 (Systemerrichtung, 7 Bd.) und Teil 4 (1. Teilbetriebsgutachten, 1 Bd.) des Gutachtens der TÜV Arbeitsgemeinschaft Nord über die Sicherheit des Kernkraftwerkes Brokdorf

42

- Sicherheitsbericht Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor/thermische Leistung 3765 MW am Standort Brokdorf: Ausgabe April 1974 mit Ergänzungen vom 24. Juli 1974, 2 Bd.; Ausgabe Mai 1981, 3 Bd.; Ausgabe Mai 1985, 3 Bd.

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- die in der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 12./13. Dezember 1988 auf Seiten 6 f. aufgeführten gutachtlichen Stellungnahmen und Unterlagen aus Vorprozessen sowie

44

- Abdrucke der Ersten bis Vierten Teilgenehmigung, des Genehmigungsbescheids vom 30. Dezember 1985 sowie der Nachtragsgenehmigungen vom 30. März 1983, 9. November 1983 und 30. August 1985.

Entscheidungsgründe

45

Über die Streitsache hat das Oberverwaltungsgericht nach Art. 2 § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl. I S. 446) - EntlG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1985 (BGBl. I S. 1274), im ersten Rechtszug zu entscheiden.

46

A. Der Streitfall gibt keinen Anlaß, gemäß Art. 100 Abs. 1 GG - wie vom Kläger angeregt - eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des Atomgesetzes, insbesondere der Absätze 1 und 2 von § 7 AtG, einzuholen. Wie noch im einzelnen darzulegen sein wird, teilt der Senat die vom Kläger selbst vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht (Verfassungswidrigkeit des § 7 AtG im Hinblick darauf, daß menschlichem Versagen keine genügende Schadensvorsorge entgegengesetzt werden könne). Soweit sich der Kläger die Begründung des Normenkontrollantrags der Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion in der Sache 1 BvF 3/88 vor dem Bundesverfassungsgericht zu eigen macht, den die Landesregierung Schleswig-Holstein gemäß der vom Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 7. Februar 1989 an das Bundesverfassungsgericht inhaltlich unterstützt, stellen sich die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen (Zulässigkeit der im Atomgesetz zugelassenen Nutzung von Plutonium zu wirtschaftlichen Zwecken; Regelungsdefizite der atomrechtlichen Vorschriften im Blick auf das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes) im Anfechtungsstreit des Klägers um die Zweite Teilbetriebsgenehmigung - wovon auch der Beklagte ersichtlich ausgeht - in Anbetracht der zu beurteilenden Genehmigungsgegenstände und der Bindungswirkung der vom Kläger nicht angefochtenen vorangegangenen Genehmigungen in dieser allgemeinen Form nicht (mehr) (dazu noch näher unten).

47

Aus diesen Gründen kommt es zugleich nicht in Betracht, die Entscheidung des Rechtsstreits - wie vom Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 6. Juni 1989 angeregt - bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den besagten Normenkontrollantrag analog § 94 VwGO auszusetzen (vgl. dazu Nachw. bei Kopp, VwGO, 8. Aufl., RdNr. 4 a zu § 94).

48

B. Die Klage hat keinen Erfolg.

49

I. Gegen ihre Zulässigkeit bestehen auch im Blick auf die Klagebefugnis des Klägers (§ 42 Abs. 2 VwGO) keine durchgreifenden Bedenken.

50

Neben seinen Angriffen gegen die Gültigkeit der einschlägigen Rechtsgrundlagen macht der Kläger substantiiert geltend, die angefochtenen Entscheidungen der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung muteten ihm höhere Risiken zu, als er sie nach den Schutzbestimmungen des Atomrechts (insbesondere § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, §§ 45, 28 Abs. 3 StrlSchV) hinzunehmen habe. Unterstellt, die Entscheidungen seien aus den angeführten Gründen rechtswidrig, muß eine Verletzung eigener Rechte des Klägers als möglich angenommen werden. Denn er ist zum einen Eigentümer eines Wohngrundstücks in Brokdorf. Zum anderen ernährt er sich, obwohl er während der Woche überwiegend in Hamburg lebt, nach seinem Vortrag fast ausschließlich von Lebensmitteln, die der ihm bekannte Landwirt Reimers und er selbst in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kraftwerk erzeugen. In bezug auf Strahlenbelastungen durch Ingestion ist er mithin nach seinem Lebenszuschnitt den Einwirkungen der Anlage in vergleichbarer Weise ausgesetzt wie Personen, die ihren dauernden Aufenthalt in Brokdorf haben. Wegen seiner besonderen Bindungen an den Standort kann der Kläger auch nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, auf Nahrungsmittel anderer Herkunft auszuweichen. Inwieweit der Kläger durch Einwendungsausschluß gehindert ist, seine Rügen noch im Anfechtungsstreit um die Zweite Teilbetriebsgenehmigung vorzubringen, bedarf an dieser Stelle noch keiner Klärung. Es ist nicht Ziel der Sachurteilsvoraussetzung des § 42 Abs. 2 VwGO, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuscheiden und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die nicht ausgeschiedenen Klagegründe zu begrenzen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 30. April 1980 - BVerwG 7 C 91.79 -, et 1980, 505, 506).

51

II. Die Klage ist unbegründet. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Senat die Überzeugung gewonnen, daß die Zweite Teilbetriebsgenehmigung in ihren angefochtenen Teilen den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

52

Der Kläger ist mit seinen Einwänden bereits weitgehend wegen der Bindungswirkung der dem Genehmigungsbescheid vom 3. Oktober 1986 vorausgegangenen Teilgenehmigungen ausgeschlossen, die er nicht angefochten hat. Soweit er ungehindert durch einen Einwendungsausschluß die streitgegenständlichen Genehmigungen angreift, begründet sein Vorbringen nach dem Ergebnis der Erörterung der Streitpunkte mit den Verfahrensbeteiligten keine berechtigten - eine Beweiserhebung veranlassenden - Zweifel daran, daß der Beklagte auf der Grundlage der von ihm eingeholten Gutachten als Datenbasis in Ausübung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums, soweit es die rechtlich geschützte Sphäre des Klägers betrifft, von der Erfüllung der Anforderungen des § 7 Abs. 2 AtG ausgehen durfte. Aus dem prozessualen Vorbringen des Klägers läßt sich nicht herleiten, daß die Annahmen und Bewertungen des Beklagten im Hinblick auf den Stand von Wissenschaft und Technik im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985 - BVerwG 7 C 65.82 -, DVBl. 1986, 190, 193 - Wyhl) widerlegbar erschienen. Anhaltspunkte dafür, daß dem Beklagten Ermittlungs- und Bewertungsdefizite unterlaufen wären, die (auch) für die Rechtsstellung des Klägers Bedeutung haben, sind ebenfalls nicht hervorgetreten (vgl. grundlegend zu den vorstehenden Kontrollmaßstäben im Rahmen einer atomrechtlichen Drittanfechtungsklage BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 195, und vom 22. Oktober 1987 - BVerwG 7 C 4.85 -, DVBl. 1988, 148, 149 f.- Brokdorf; vgl. auch Beschluß vom 23. November 1988 - BVerwG 7 B 145 u. 146.88 -, DVBl. 1989, 526 - nur Ls.).

53

1. Die Angriffe des Klägers gegen die Feststellung der Eignung der Reaktorfolgekerne, bestehend u.a. aus höher angereicherten Uranoxid-Brennelementen und Uran-Plutonium-Mischoxid-Brennelementen - MOX-Brennelementen - (Genehmigungsgegenstand A I 1.1), gehen fehl.

54

a) Der Kläger wendet grundsätzlich ein, der Einsatz von MOX-Brennelementen sei wie die Nutzung von Plutonium zur Energieerzeugung allgemein mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Damit kann er indessen im Rahmen der Anfechtung der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung nicht gehört werden.

55

Der Genehmigungsbescheid vom 3. Oktober 1986 stellt die letzte Teilentscheidung in der Kette der für das Kernkraftwerk im gestuften Verfahren erteilten Teilgenehmigungen dar. Ihm können anfechtungsweise solche Einwendungen nicht mehr entgegengesetzt werden, denen die Bindungswirkung der vorhergehenden Teilgenehmigungen entgegensteht. Derartige Bindungswirkung entfalten Teilgenehmigungen nicht allein, soweit sie in ihrem gestattenden Teil die Inangriffnahme eines Ausschnitts des Vorhabens zulassen; in diesem Umfang haben sie eine der Vollgenehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG entsprechende Wirkung, die nur durch Erlaß nachträglicher Anordnungen oder durch Widerruf nach Maßgabe des § 17 AtG beseitigt werden kann; für deren Durchsetzung sind Drittbetroffene im Streitfall auf den Weg der Verpflichtungsklage verwiesen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1980 - BVerwG 7 C 84.78 -, DVBl. 1981, 405, 408 f. - Stade). Bindungswirkung entfalten Teilgenehmigungen darüber hinaus, soweit sie als materiell-rechtliche Genehmigungsvoraussetzung ein vorläufiges positives Gesamturteil zur Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs der gesamten Anlage gemäß § 18 Abs. 1 AtVfV (bzw. bezüglich der hier erteilten Ersten Teilgenehmigung vom 25. Oktober 1976 gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 der damals geltenden AtAnlV) beinhalten; dieses ist - korrespondierend mit einem entsprechenden Anfechtungsrecht, aber auch einer, soweit die Bindungswirkung reicht, entsprechenden Anfechtungslast - insoweit drittschützend, als es die Einhaltung vorhabensbezogener, auch Drittschutz vermittelnder Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen soll. Wegen seiner Vorläufigkeit, die durch die Vorläufigkeit der zu prüfenden Unterlagen, nicht aber durch eine mindere Intensität der Prüfung bedingt ist (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1982 - BVerwG 7 C 54.79 -, DVBl. 1982, 960, 962 - Krümmel), steht die Bindungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils unter zwei Einschränkungen:

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Sie entfällt, wenn die spätere Detailprüfung eines zu genehmigenden Anlageteils ergibt, daß dieser so, wie ursprünglich geplant, nicht ausgeführt werden kann, oder wegen einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage neue Anforderungen gestellt werden müssen (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 192 ff.). Unter diesen Voraussetzungen muß die Genehmigungsbehörde also die endgültige Zulassung - ohne daß es eines Widerrufs bereits erteilter Teilgenehmigungen bedarf - versagen, wenn der Anlageteil auch in modifizierter Form nicht genehmigungsfähig ist. Eine gleichwohl erteilte Zulassung kann ein Dritter, wenn und soweit eigene Rechte betroffen sind, unter Hinweis auf die Änderung der Sach- oder Rechtslage (insbesondere eine Fortentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik) bzw. mit dem Argument anfechten, die Genehmigungsbehörde habe aufgrund der Detailprüfung anhand der endgültigen Antragsunterlagen an ihrem früheren vorläufigen Urteil nicht festhalten dürfen. Weisen hingegen die endgültigen Antragsunterlagen gegenüber den dem vorläufigen positiven Gesamturteil zugrunde liegenden vorläufigen Unterlagen keine rechtserheblichen Unterschiede auf und sind auch keine neue Anforderungen im Hinblick auf eine Fortentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik geboten, bleibt es - auch im Verhältnis zu Drittbetroffenen - bei der Bindungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils. Von ihr kann sich die Behörde dann nur durch (Teil-)Widerruf der früheren Teilgenehmigung lösen. Ist diese Drittbetroffenen gegenüber unanfechtbar geworden, können auch sie eine endgültige Zulassung folglich nicht mehr mit Einwendungen bekämpfen, die Prüfungsgegenstand des vorläufigen positiven Gesamturteils waren oder hätten sein müssen. Bei solcher Fallgestaltung verbleibt Dritten wiederum lediglich der Weg einer auf § 17 AtG gestützten Verpflichtungsklage (vgl. hierzu auch OVG Münster, Urteil vom 31. Juli 1986 - 21 A 458/81 -, DVBl. 1987, 1024 f.).

57

Nach diesen Maßstäben kann der Kläger mit seinen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit der Verwendung von MOX-Brennelementen im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden. Diese hätte er gegenüber dem mit der Ersten Teilbetriebsgenehmigung vom 30. Dezember 1985 verbundenen vorläufigen positiven Gesamturteil geltend machen können und müssen. Diese ihm gegenüber unanfechtbar gewordene Beurteilung erstreckte sich auch auf den Plan der Beigeladenen, MOX-Brennelemente einzusetzen, und entfaltete in dieser Hinsicht, weil sich keine Änderung der Sach- oder Rechtslage ergeben hatte - dafür ist auch dem Vortrag des Klägers nichts zu entnehmen -, im Rahmen der Erteilung der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung Bindungswirkung.

58

Dem hält der Kläger im Ergebnis ohne Erfolg entgegen, aus der Ersten Teilbetriebsgenehmigung ergebe sich nicht mit der gebotenen Klarheit, daß sich das dort angestellte vorläufige positive Gesamturteil auf den Einsatz von MOX-Brennelementen erstreckt habe. Ihm ist einzuräumen, daß der Regelungsgehalt atomrechtlicher Genehmigungen - auch und gerade, um einen effektiven Rechtsschutz Dritter zu gewährleisten - eindeutig sein muß (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 9. September 1988 - BVerwG 7 C 3.86 -, DVBl. 1988, 1170, 1173 - Mülheim-Kärlich). Richtig ist ferner, daß die Begründungspassage der Ersten Teilbetriebsgenehmigung zum vorläufigen positiven Gesamturteil (S. 48 f. des Bescheides) mißverständlich gefaßt ist und die Problematik der MOX-Brennelemente in dem unter der Überschrift "Behandlung der Einwendungen" stehenden Teil C des Bescheides - dort allerdings vielerorts und unter den unterschiedlichsten Aspekten - abgehandelt wird (vgl. S. 125, 126, 129, 132 f., 135, 136, 139 ff., 161 ff. des Bescheides), übrigens auch unter dem Stichwort "unzulässiger Einstieg in die Plutoniumwirtschaft" (S. 126, 133 des Bescheides). Trotz dieser in den Äußerlichkeiten nicht eben klaren Fassung des Genehmigungsbescheids konnten jedoch nach dem Gesamtzusammenhang der Entscheidung für einen mit den Umständen des Falles vertrauten, verständigen Dritten wie dem Kläger keine ernstlichen Zweifel daran verbleiben, daß das mit der Ersten Teilbetriebsgenehmigung verbundene vorläufige positive Gesamturteil den Einsatz von MOX-Brennelementen umfaßte. Wie die Bekanntmachung des Beklagten vom 20. Mai 1985 (u.a. ABl. Schl.-H. S. 175) ausweist, war Gegenstand der im Jahre 1985 erfolgten dritten Anhörung der Öffentlichkeit zum Vorhaben (unter anderem) gerade der Antrag der Beigeladenen, anstelle der mit der Vierten Teilgenehmigung vom 21. Dezember 1982 genehmigten Brennelemente einen geänderten Reaktorkern, auch bestückt mit MOX-Brennelementen, zuzulassen. Über diesen Änderungsplan hatte der Beklagte in der ersten Teilgenehmigung nach der Offenlegung auch unter Berücksichtigung des Gegenvorbringens Dritter entweder definitiv oder durch vorläufiges Urteil zu befinden. Speziell zum in Rede stehenden Antrag hat der Kläger selbst in seinem Einwendungsschreiben vom 20. Juli 1985 (Nrn. 4, 7, 21 f., 24, 38, 43, 60) dezidierte Bedenken vorgebracht, die der Beklagten wie die übrigen Einwendungen zur MOX-Thematik unter Nr. A VI des Bescheides vom 30. Dezember 1985 förmlich als unbegründet zurückgewiesen hat. Hierzu heißt es in der Begründung unter anderem, die Möglichkeit des Einsatzes von MOX-Brennelementen sei bereits im Sicherheitsbericht Fassung Mai 1981 dargestellt und "folglich in die Bildung des vorläufigen positiven Gesamturteils aller danach erteilten Genehmigungen eingeschlossen" (S. 129 des Bescheides); Vorbehalte zur Genehmigungsfähigkeit sind nur im Hinblick darauf gemacht, ob MOX-Brennelemente - was noch zu prüfen sei - in dem bereits genehmigten Kompaktlager aufgenommen werden könnten (Seite 132 des Bescheides). All dies konnte von Dritten bei verständiger Würdigung nur dahin verstanden werden, daß sich das vorläufige positive Gesamturteil der Ersten Teilbetriebsgenehmigung auch auf die Verwendung von MOX-Brennelementen bezog. Seinen dahingehenden Regelungswillen hat der Beklagte im Erörterungstermin vom 12./13. Dezember 1988 ausdrücklich bestätigt. Dem hält der Kläger zu Unrecht entgegen, der Beklagte habe im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht, daß er sich im Verhältnis zu den Beigeladenen habe binden wollen. Dessen bedurfte es nicht. Denn die Bindungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils, deren Reichweite im Verhältnis zu den Genehmigungsempfängern und zu Drittbetroffenen das Bundesverwaltungsgericht erstmals im zitierten Wyhl-Urteil vom 19. Dezember 1985 geklärt hat, folgt unmittelbar aus dem Gesetz, ohne daß sich die Teilentscheidung hierzu verhalten muß. Ebensowenig ist im vorliegenden Zusammenhang der Streit zwischen den Beteiligten bedeutsam, ob sich der Beklagte - wie geschehen - aufgrund einer entsprechenden Begutachtung zum Kernkraftwerk Unterweser ein vorläufiges positives Urteil bilden durfte; diese Frage betrifft die Rechtmäßigkeit der Ersten Teilbetriebsgenehmigung, die der Kläger hat unanfechtbar werden lassen. Im vorliegenden Verfahren ist nur von Wichtigkeit, daß sich der Beklagte ein diesbezügliches Urteil gebildet hat.

59

Abgesehen vom Gesagten betreffen die verfassungsrechtlichen Einwände des Klägers außerdem Probleme, die über den Streitgegenstand des Verfahrens hinausgehen. Der Senat hat aus Anlaß des Falles nicht allgemein die Risiken des sog. Plutoniumkreislaufs zu bewerten, im besonderen nicht die Risiken der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente als Kernstück jenes Kreislaufs. Denn mit Einwänden, die auf die anlagenexterne Entsorgung von Reststoffen und Abfällen bezogen sind, kann der Kläger im Rahmen der Anfechtung der Genehmigung nach § 7 AtG nicht gehört werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1987, a.a.O., S. 150; Senatsbeschluß vom 30. Dezember 1982 - 7 OVG A 7 und 62/80 -, DVBl. 1983, 187 f.). In bezug auf den Einsatz von MOX-Elementen werden indessen in der Begründung des erwähnten Normenkontrollantrags 1 BvF 3/88, die der Kläger zum Gegenstand seines Vortrags macht, ausschließlich erhöhte Risiken bei einer späteren Wiederaufarbeitung infolge der Zunahme der Plutoniummenge und des Wachsens des Anteils der Actinide herausgestellt (S. 93 der Antragsbegründung). Im Kern geht es also gerade in diesem Punkt um die Verfassungsmäßigkeit des in § 9 a Abs. 1 AtG für den Regelfall normierten Gebots einer Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente und mithin um Probleme, die sich im vorliegenden Fall nicht stellen.

60

b) Der Kläger macht weiterhin geltend, die auch die Verwendung von MOX-Brennelementen umfassende Feststellung der Eignung der Folgekerne genüge - ebenfalls im Hinblick auf seine geschützten Rechtspositionen - nicht den Anforderungen zur gebotenen Schadensvorsorge nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG unter dem Gesichtspunkt des Störfalles "Frischdampfleitungsbruch". Unter diesem Aspekt sind jedoch gleichfalls seine Rechte nicht verletzt.

61

aa) Soweit der Kläger die Beherrschbarkeit dieses Reaktivitätsstörfalles in Zweifel zieht (S. 18 des Schriftsatzes vom 12. Januar 1989), steht seinem Vorbringen allerdings nicht entgegen, daß der Beklagte die Errichtung des Wasser-Dampf-Kreislaufes in Nr. A I 1.3 der Vierten Teilgenehmigung vom 21. Dezember 1982 genehmigt hat. Denn die Bindungswirkung jener Entscheidung erstreckt sich unter den hier zu betrachtenden Gesichtspunkten nur auf den mit der Vierten Teilgenehmigung unter Nr. A I 1.1 genehmigten Reaktorkern, der noch keine MOX-Brennelemente enthielt.

62

Die Einwände des Klägers zur Störfallbeherrschung stellen gerade auf die zugelassene Änderung des Reaktorkerns ab.

63

Bei der Bildung des vorläufigen positiven Gesamturteils der Ersten Teilbetriebsgenehmigung vom 30. Dezember 1985 hat der Beklagte diese Einwände jedoch bereits berücksichtigt und unter Hinweis auf die erwähnte TÜV-Begutachtung zum Kernkraftwerk Unterweser für unbegründet erachtet (vgl. S. 161 f. des Bescheides). Wegen der grundsätzlichen Bindungswirkung dieser Entscheidung kann der Kläger sonach nur noch geltend machen, daß der Beklagte entweder aufgrund einer Fortentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik nach Erteilung der Ersten Teilbetriebsgenehmigung, die der Kläger selbst nicht behauptet, oder aufgrund der Detailprüfung an dem vorläufigen Urteil zur Änderung des Reaktorkerns im Blick auf die Beherrschbarkeit des Störfalles Frischdampfleitungsbruch nicht habe festhalten dürfen. Auch für letzteres hat das Verfahren keinen Anhalt ergeben.

64

Den Nachweis der Beherrschung des Störfalls - auch und gerade unter dem vom Kläger herausgestellten Umstand der Rekritikalität - hat die Beigeladene zu 3) im Genehmigungsverfahren nach dem Konzept der "fiktiven Überkritikalität bei Nullast" geführt. Dieses Nachweisverfahren ist von den vom Beklagten gemäß § 20 AtG zugezogenen Gutachtern anhand der einschlägigen Forderungen u.a. der Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke und der RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren (vgl. dazu § 28 Abs. 3 Satz 4 StrlSchV) überprüft und für geeignet befunden worden (vgl. Sicherheitsgutachten - im folgenden: SG - Teil 3 Band 1, Kapitel 5.1.3, inbes. S. 5.1.3-9 f.; SG Teil 4, 1. Teilbetriebsgutachten, Kapitel 2.5.1.4, S. 2.5-20 f.; SG Teil 5.2, 2. Betriebsgutachten, S. 2.3-9 ff., insbes. S. 2.3-12). Es erlaubt nach den gutachtlichen Feststellungen (SG Teil 5.2, a.a.O.) unter Berücksichtigung aller wichtigen physikalischen Größen die Errechnung eines Überschußreaktivitätsgrenzwerts, bei dessen Einhaltung Filmsieden und Brennstoffzentralschmelzen sicher ausgeschlossen werden können. Das Nichtüberschreiten dieses Werts ist für jeden konkreten Folgekern nachzuweisen. Das hat der Beklagte den Beigeladenen entsprechend den Gutachtensbedingungen 2.3.-1 und 2.3.-2 im Betriebshandbuch, dessen Festlegungen nach der Allgemeinen Auflage 1.1 der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung einzuhalten bzw. zu befolgen sind, zur Auflage gemacht (dort Teilkapitel 2-1 Abschnitt/Seite 14/2 Nr. 8 sowie 14/3 Nr. 8; vgl. dazu auch die Genehmigungsunterlage 2.1 2) zur Zweiten Teilbetriebsgenehmigung: KBR-Nachweisstand (01/86) für sicherheitstechnische Parameter). Das bedeutet, daß der Nachweis auch zu führen ist, wenn - was der Kläger für bedenklich hält - der Anteil an spaltbarem Plutonium von 3,07 % (so eines der Berechnungsbeispiele der Beigeladenen zu 3), vgl. etwa die Tabelle 2-1 S. 2.3-14 des SG Teil 5.2) auf 3,7 % erhöht wird. Der Vortrag des Klägers enthält kein Argument, das die geschilderten Feststellungen und Bewertungen der Gutachter erschütterte oder wenigsten darauf hindeutete, diese seien nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Erteilung der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung widerlegbar. Angesichts dessen wird der Kläger nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, daß der Beklagte sich im Rahmen des ihm nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG zuzubilligenden Beurteilungsspielraums die gutachtlichen Annahmen und Bewertungen zu eigen gemacht und die Folgekerne, auch bestückt mit MOX-Brennelementen, im Blick auf die Beherrschbarkeit von Frischdampfleitungsbrüchen für genehmigungsfähig erachtet hat.

65

bb) In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Vortrag modifiziert und die Behauptung unter Beweis gestellt, daß es bei einem Frischdampfleitungsbruch, selbst wenn er beherrschbar sei, beim Einsatz von MOX-Brennelementen mit 3,7 % Pu(SUB)fiss(/SUB) - Gehalt zu Freisetzungen komme, die zu einer Überschreitung des sog. Störfallgrenzwerts des § 28 Abs. 3 Satz 2 StrlSchV für die Schilddrüse (15 rem) führten, wenn man seine - des Klägers - Parameter bei der Belastungsberechnung anwende. Dieses Vorbringen ist ebenfalls nicht geeignet, die der angefochtenen Genehmigung zugrunde liegenden gegenteiligen Annahmen und Bewertungen des Beklagten zu erschüttern, und gibt zu keiner weiteren Sachaufklärung Anlaß. Im einzelnen ist hierzu zu bemerken:

66

(a) Was die Störfallplanungsdosen selbst angeht, ist dem Kläger im rechtlichen Ausgangspunkt zuzustimmen, daß die in Rede stehenden Vorschriften der Sätze 1 und 2 von § 28 Abs. 3 StrlSchV - auch - drittschützende Wirkung haben. Das Bundesverwaltungsgegericht hat außerdem im erwähnten Wyhl-Urteil vom 19. Dezember 1985 (a.a.O., S. 196 f.) entschieden, daß die normierten Dosen der Höhe nach im Hinblick auf die bei der Auslegung atomarer Anlagen zu stellenden sicherheitstechnischen Anforderungen, die Störfälle gravierender Art wenig wahrscheinlich erscheinen lassen, nicht zu beanstanden sind (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 29. Dezember 1983 - 7 OVG A 7/80 -, DVBl. 1984, 887 f.). Dem hat der Kläger ursprünglich in seinen Schriftsätzen vom 24. November 1988 die unter Beweis gestellte Behauptung entgegengesetzt, bereits bei Erteilung der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung im Oktober 1986 habe es aufgrund einer Neubewertung der epidemiologischen Daten der strahlenexponierten Überlebenden der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprochen, daß die sowohl den Dosisgrenzwerten des § 45 StrlSchV als auch den Störfallplanungsdosen des § 28 Abs. 3 StrlSchV zugrunde liegenden Risikoabschätzungen das tatsächliche Risiko um einen Faktor 10 unterschätzten. In der mündlichen Verhandlung hat er jedoch an dieser Behauptung im Hinblick auf die verkündete Zweite Verordnung zur Änderung der Strahlenschutzverordnung vom 18. Mai 1989 (BGBl. I S. 943) nicht mehr festgehalten, die bei Beibehaltung der vorgenannten Grenzwerte aufgrund der neueren Dosisabschätzungen - der Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom 4. November 1988 (BAnz. Nr. 216 vom 19. November 1988) folgend - nur die Lebensarbeitszeitdosis für beruflich strahlenexponierte Personen begrenzt. Bei dieser Sachlage hat auch der Senat keinen Anlaß zu Zweifeln gesehen, daß sowohl die Grenzwerte des § 45 StrlSchV als auch die Störfallplanungsdosen des § 28 Abs. 3 StrlSchV nach dem hier maßgeblichen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung die für den Schutz Dritter erforderliche Vorsorge gegen Schäden im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG in auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise konkretisierten und - was zur Vermeidung von Mißverständnissen hinzugefügt sei - in Ermangelung eines gesicherten abweichenden neuen Wissensstandes, der im Ergebnis die bisherige Judikatur zur Verfassungsmäßigkeit der Grenzwerte (zu § 45 StrlSchV vgl. insoweit grundlegend das zitierte Stade-Urteil des BVerwG vom 22. Dezember 1980, a.a.O., S. 406 f.) berühren könnte, noch heute konkretisieren.

67

(b) In der Sache selbst haben sich die Behauptungen des Klägers zu einer - durch die Veränderung des Reaktorkerns bedingten - Überschreitung des Schilddrüsengrenzwerts von 15 rem bei einem Frischdampfleitungsbruch nach dem Ergebnis der Erörterung der Sachproblematik mit den Verfahrensbeteiligten als nicht stichhaltig herausgestellt.

68

Dem Kläger ist - erstens - entgegenzuhalten, daß der Beklagte die schon im Offenlegungsverfahren vorgebrachte Einwendung, bei einem Reaktorkern, auch bestückt mit MOX-Brennelementen, sei verglichen mit einem reinen Urandioxid-Kern wegen der veränderten Inventarverhältnisse mit wesentlich höheren Störfallfreisetzungen zu rechnen, in die Bildung seines vorläufigen positiven Gesamturteils bei Erlaß der Ersten Teilbetriebsgenehmigung einbezogen und mit der Begründung zurückgewiesen hat, es komme zu keinen wesentlichen Veränderungen der Strahlenexpositionswerte (S. 161 f. des Bescheides).

69

Das Vorbringen des Klägers zeigt - zweitens -, hält man es - was die Beigeladenen mit guten Gründen bezweifeln - überhaupt für hinreichend substantiiert im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. Januar 1985 - 7 C 74.82 -, DVBl. 1985, 401 - Krümmel), keine Gesichtspunkte auf, die den Beklagten bei der Detailprüfung der Sachfrage auf der Stufe der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung im Blick auf die geschützte Rechtssphäre des Klägers zu einer Ablehnung der Genehmigung des geänderten Reaktorkerns hätten veranlassen können. Der Beklagte hat u.a. die Frage gutachtlich untersuchen lassen, ob und inwieweit Folgekerne mit Uran-Brennelementen mit höheren Anreicherungen und mit Mischoxid-Brennelementen mit einer Pu(SUB)fiss(/SUB)-Anreicherung von bis zu 3,7 % unter Berücksichtigung der Inventarverhältnisse in bezug auf störfallbedingte Umgebungsauswirkungen - unter Einbeziehung des Störfalles Frischdampfleitungsbruch - mit dem Referenzkern der Ersten Teilbetriebsgenehmigung vergleichbar sind. Die Gutachter haben die radiologische Ähnlichkeit der Kerne mit der bereits erwähnten Maßgabe bejaht, daß die sicherheitstechnische Unbedenklichkeit eines jeden Folgekerns nachzuweisen ist (vgl. SG Teil 5.2 S. 2.5-2 ff.).

70

Der Kläger hat nichts vorgetragen, was diese Einschätzung der Gutachter, der sich der Beklagte aufgrund eigener Einschätzung und Bewertung angeschlossen hat, in Zweifel ziehen könnte.

71

Trotz der gegenteiligen verbalen Einkleidung wendet sich der Kläger mit seinem unter Beweis gestellten Vortrag in Wahrheit auch nicht gegen spezielle Gefährdungen, die aus dem Einsatz von MOX-Brennelementen resultieren sollen. Das zeigt schon der Umstand, daß jede Substantiierung zu befürchteten, MOX-spezifischen Freisetzungsraten fehlt. Seine Angriffe betreffen hauptsächlich - ebenso wie seine Einwände zu den Auswirkungen des bestimmungsgemäßen Betriebs - die den vom Beklagten eingeholten Gutachten zugrunde liegenden Parameter zur Strahlenexpositionsberechnung, an deren Stelle - wie er meint - ungünstigere Rechenannahmen geboten seien. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, daß er mit diesen Einwänden - ungehindert durch einen Einwendungsausschluß - die Zweite Teilbetriebsgenehmigung noch anfechten kann, verhilft dieses Vorbringen seiner Klage nicht zum Erfolg.

72

Die TÜV Arbeitsgemeinschaft Nord hat die Auswirkungen von Frischdampfleitungsbrüchen eingehend im Sicherheitsgutachten Teil 3 Band 6 unter Darstellung der Annahmen zum Störfallablauf (S. 2.2-11 ff.) und der Annahmen zur Berechnung der Strahlenexposition (S. 2.3-1 ff.) analysiert; die dem Gutachten zugrunde liegenden Modelle und Parameter für die Expositionsberechnung wurden weitgehend übernommen aus der "Allgemeinen Berechnungsgrundlage für Strahlenexpositionen bei radioaktiven Ableitungen mit der Abluft oder in Oberflächengewässer (Richtlinie zu § 45 StrlSchV)" des Bundesministers des Innern vom 15. August 1979 - Allgemeine Berechnungsgrundlage - (GMBl. S. 369, jetzt geltend mit den Änderungen und Fortschreibungen in GMBl. 1980, 576; GMBl. 1982, 735; GMBl. 1985, 380). Die Berechnung ergab für den beim Frischdampfleitungsbruch im Vordergrund stehenden Ingestionspfad eine Schilddrüsenbelastung beim Kleinkind von knapp 10 rem und beim Erwachsenen von etwa 2 rem (S. 2.4-10 Tabelle 2.4-4).

73

Im Sicherheitsgutachten Teil 5.1 hat die Arbeitsgemeinschaft diese Berechnung im Blick auf die Folgekerne überprüft und dabei auch die vom Bundesminister des Innern mit Datum vom 18. Oktober 1983 erlassenen "Leitlinien zur Beurteilung der Auslegung von Kernkraftwerken mit Druckwasserreaktoren gegen Störfälle im Sinne des § 28 Abs. 3 StrlSchV - Störfall-Leitlinien" und die zugehörigen Störfallberechnungsgrundlagen (Beilage zum BAnz. Nr. 245 a vom 31. Dezember 1983) berücksichtigt. Die Nachberechnung ergab deutlich niedrigere Werte. Dem Gutachten zufolge liegen die Hauptgründe dafür in den kleineren Parameterwerten der Störfallberechnungsgrundlagen für die Aktivitätsfreisetzung sowie in der in Nr. 4.3.3.2 der Störfallberechnungsgrundlagen getroffene Annahme, daß 24 Stunden nach Störfalleintritt die Aufnahme von im 2 km Umkreis von der Anlage direkt kontaminierter Nahrungsmittel und direkt kontaminierten Futters eingestellt wird. Mit diesen Annahmen bestätigten die Gutachter der Größenordnung nach die von der Beigeladenen zu 3) erstellten Neuberechnungen zu den Störfallauswirkungen, die für den Frischdampfleitungsbruch eine Schilddrüsenbelastung von etwa 30 mrem beim Kleinkind ergaben (vgl. SG Teil 5.1 S. 6-18 ff.).

74

Wenn der Beklagte auf der Basis dieser Gutachten und in Ansehung der Festlegungen der Störfallberechnungsgrundlagen - wie geschehen - zu der Bewertung gekommen ist, beim Störfall Frischdampfleitungsbruch würden die Störfallplanungsdosen des § 28 Abs. 3 Satz 2 StrlSchV nicht überschritten, so ist dies nicht zu beanstanden.

75

Die Störfall-Leitlinien sind vom Bundesminister des Innern nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden, der Technischen Überwachungs-Vereine, der Gesellschaft für Reaktorsicherheit mbH, der Reaktor-Sicherheitskommission, der Strahlenschutzkommission, der Gewerkschaften, der Ersteller und Betreiber von Kernkraftwerken und der Umweltverbände auf der Grundlage der Ermächtigung des § 28 Abs. 3 Satz 4 StrlSchV erklärtermaßen (vgl. Teil 1 Nr. 1) mit dem Zweck erlassen worden, zusammen mit den Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke die gemäß § 28 Abs. 3 StrlSchV gegen Störfälle zu treffende Vorsorge zu konkretisieren.

76

Sie legen - wie der Bekanntmachungstext herausstellt - auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen fest, welche Störfälle für die sicherheitstechnische Auslegung von Druckwasserreaktoren bestimmend sind - und welche Nachweise - vor allem bezüglich der Einhaltung der Störfallplanungsdosen des § 28 Abs. 3 StrlSchV - vom Antragsteller zu erbringen sind. Damit ist den Störfall-Leitlinien - im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht zu der oben zitierten Allgemeinen Berechnungsgrundlage (Wyhl-Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 196), die das Bundesverfassungsgericht für das Atomrecht gebilligt hat (Beschluß vom 31. März 1988 - 1 BvR 520/83 -, DVBl. 1989, 94, 95) - normkonkretisierende Funktion mit der Folge beizulegen, daß sie im Unterschied zu bloß norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften auch für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich sind; das muß um so mehr gelten, als sich die Störfall-Leitlinien - anders als die Allgemeine Berechnungsgrundlage nach der Strahlenschutzverordnung in noch geltender Fassung - insoweit auf die normative Ermächtigung des § 28 Abs. 3 Satz 4 StrlSchV stützen können (vgl. dazu auch Gerhardt, DVBl. 1989, 125, 127). An dieser gesteigerten Bindungskraft haben auch die hier interessierenden Störfallberechnungsgrundlagen teil. Denn Teil 1 Nr. 4.2 der Störfall-Leitlinien macht ihre Anwendung bei der Berechnung der möglichen Störfallauswirkungen für den Regelfall zur Pflicht; andere Parameter und Rechenmodelle können (nur) verwendet werden, wenn die Auslegungsmerkmale des jeweiligen Kernkraftwerks oder die Eigenschaften des jeweiligen Standortes dies rechtfertigen.

77

Der Kläger meint zu Unrecht, bei der Beurteilung der Streitsache könnten die Festlegungen der in Rede stehenden Regelwerke schon deswegen keine Berücksichtigung finden, weil sowohl die Störfall-Leitlinien in Teil 1 Nr. 2.1 als auch die Störfallberechnungsgrundlagen in der Vorbemerkung ihren Anwendungsbereich auf Anlagen beschränkten, die ihre erste Teilgenehmigung nicht vor dem 1. Juli 1982 erhalten haben; die für die Anlage Brokdorf erteilte Erste Teilgenehmigung datiere dagegen schon aus dem Jahre 1976. Die Bestimmungen zum Anwendungsbereich sind - korrespondierend damit, daß § 28 Abs. 3 StrlSchV Anforderungen aufstellt, die bei der Planung von Kernkraftwerken zu erfüllen sind - lediglich in dem Sinne zu verstehen, daß die Anlagen benannt werden, deren Auslegung voll in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Störfall-Leitlinien zu erfolgen hat. Das schließt nicht aus, daß die Vorschriften auch für bereits errichtete oder weitgehend errichtete Anlagen Bedeutung haben, z.B. im Rahmen der Prüfung, ob im Hinblick auf eine Fortentwicklung des Standes von Wissenschaft und Technik nachträgliche Auflagen nach Maßgabe des § 17 AtG geboten sind. Ihre Bedeutung auch für ältere Anlagen bringen die Störfallberechnungsgrundlagen selbst im Vorwort dadurch zum Ausdruck, daß nur bezüglich ihrer "anlagentechnischen Festschreibungen" Druckwasserreaktoren, die erst im Jahre 1982 die erste Teilgenehmigung erhalten haben, als Referenzanlagen genannt werden; diese Einschränkung erfaßt nicht die vom Kläger in erster Linie angegriffenen Festlegungen der Nr. 4 zur Berechnung der potentiellen Strahlenexposition, für die die Besonderheiten der Auslegung der Anlagen irrelevant sind. Es kommt hinzu, daß die TÜV Arbeitsgemeinschaft Nord auch die Übertragbarkeit der sonstigen Annahmen und Parameter der Störfallberechnungsgrundlagen auf die Anlage Brokdorf geprüft und für den Störfall Frischdampfleitungsbruch bejaht hat (SG Teil 5.1 S. 6-4 ff.). Substantiierte Bedenken hiergegen hat der Kläger nicht vorgebracht; sie sind auch sonst nicht hervorgetreten.

78

Bei dieser Sachlage war vom Senat in Anbetracht der für die gerichtliche Nachprüfung atomrechtlicher Genehmigungen geltenden Maßstäbe nur zu prüfen, ob die Einwände des Klägers begründete, zu einer Beweisaufnahme veranlassende Zweifel daran rechtfertigen, daß die einschlägigen Festlegungen der Störfallberechnungsgrundlagen auf willkürfreien Ermittlungen beruhen und der Beklagte in Anwendung der Störfallberechnungsgrundlagen und bei Berücksichtigung der von ihm eingeholten Gutachten davon ausgehen durfte, die Auswirkungen eines Frischdampfleitungsbruchs hielten sich auch beim Einsatz von MOX-Brennelementen in den durch § 28 Abs. 3 Satz 2 StrlSchV gesetzten Grenzen (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 196, und vom 22. Oktober 1987, a.a.O., S. 150). Derartige Zweifel haben sich nicht ergeben.

79

Was die Störfallberechnungsgrundlagen anbetrifft, wendet sich der Kläger - aus seiner Sicht folgerichtig - im Ausgangspunkt gegen die für Strahlenexpositionen durch Ingestion unter Nr. 4.3.3.2 festlegte, auf das Berechnungsergebnis wesentlich durchschlagende Rechenannahme, daß 24 Stunden nach Störfalleintritt die Aufnahme von im Umkreis von 2 km vom Kraftwerk direkt kontaminierter Nahrungsmittel und direkt kontaminierten Futters eingestellt wird. Durch diese Annahme sieht er sich zu Unrecht in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit eingeengt. Die Festsetzung beruht erkennbar auf der willkürfreien Erwägung, daß im besonderen die Bevölkerung im unmittelbaren Umkreis von Kernkraftwerken bei Eintritt von Auslegungsstörfällen, um für sich und andere Personen die Auswirkungen so gering wie möglich zu halten, vernünftigerweise schon aus eigenem Entschluß oder kraft behördlicher Anordnung in bezug auf Eigenverzehr und Abgabe kontaminierter Nahrungsmittel sowie Viehhaltung die gebotenen Konsequenzen zu ziehen hat. Für Verbote und Beschränkungen im Verkehr mit Lebensmitteln, Futtermitteln und sonstigen Gegenständen bei nuklearen Ereignissen mit nicht unerheblichen radiologischen Auswirkungen stellt im übrigen nunmehr das Strahlenschutzvorsorgegesetz vom 19. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2610) nach Maßgabe noch zu erlassender Verordnungen eine ausdrückliche normative Regelung zur Verfügung. Aus den Anwendungsbereichen der Strahlenschutzverordnung einerseits und des Strahlenschutzvorsorgegesetzes andererseits ist abzuleiten, daß unter "nuklearen Ereignissen mit nicht unerheblichen radiologischen Auswirkungen" solche Ereignisse zu verstehen sind, die zu einer Überschreitung der Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchV führen können (vgl. Czajka, NVwZ 1987, 556, 557). Daß dazu - jedenfalls im Nahbereich atomarer Anlagen - auch Auslegungsstörfälle zu zählen sind, zeigt bereits der Blick auf § 28 Abs. 3 Sätze 1 und 2 StrlSchV. Wer sich in solchen Situationen den in Nr. 4.3.3.2 der Störfallberechnungsgrundlage definierten Annahmen zuwider verhält, setzt die wesentliche Ursache für zusätzliche Gefährdungen durch sein eigenes Verhalten. Im Hinblick auf Vermögensschäden, die ihm durch die Einschränkungen erwachsen, kann er den Kraftwerksbetrieber in Anspruch nehmen. § 28 Abs. 3 StrlSchV enthält des weiteren keinen Anhalt dafür, daß Maßnahmen, die die Auswirkungen von Störfällen begrenzen und aufgrund des Strahlenminimierungsgebots zu treffen sind, bei der Prognose zur Einhaltbarkeit der Störfallgrenzwerte außer acht zu lassen wären. Angesichts dessen hat sich der Bundesminister des Innern nach Ansicht des Senats nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht gesetzt, wenn er kraft Verweisung die streitige Berechnungsannahme für den Regelfall - von dem in bezug auf die zu beurteilende Problematik in Ermangelung einer Sondersituation hier auszugehen ist - als bei der Belastungsberechnung anzusetzenden Parameter vorgeschrieben hat. Damit hat er aus den dargelegten Gründen nicht die Grenzen des ihm als Vorschriftengeber nach § 28 Abs. 3 Satz 4 StrlSchV eingeräumten Regelungsspielraums verletzt; erst recht kann von keiner willkürbehafteten Regelung die Rede sein.

80

In welchen konkreten Punkten mit welchen Korrekturfaktoren der Kläger ansonsten die Störfallberechnungsgrundlagen bzw. die in ihrer Anwendung getroffene Einschätzung des Beklagten, die Werte des § 28 Abs. 3 Satz 2 StrlSchV würden nicht überschritten, angreifen will, geht aus seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag schon nicht mit der gebotenen Klarheit hervor. Seine Behauptung, bei Anwendung "seiner Parameter" seien Grenzwertüberschreitungen zu befürchten, ist nicht eindeutig. Damit wird zwar erkennbar Bezug genommen auf die - ebenfalls unter Beweis gestellten - Behauptungen, wie richtigerweise die Auswirkungen des bestimmungsgemäßen Betriebs vorausschauend berechnet werden müßten. Indes unterscheiden sich die Modelle und Parameter zur Berechnung der Auswirkungen des bestimmungsgemäßen Betriebs und zur Berechnung von Störfallauswirkungen in wesentlichen Randbedingungen. Beispielsweise differieren die vom Kläger im Zusammenhang mit dem Normalbetrieb problematisierten Ansätze zur Freisetzung von Jod in elementarer Form. Des weiteren stellen sich die von ihm in bezug auf den Normalbetrieb gesehenen Probleme zur Anwendung von Langzeitausbreitungsfaktoren bei der Betrachtung von Störfällen nicht, deren Auswirkungen mit Kurzzeitausbreitungsfaktoren zu errechnen sind und hier auch berechnet worden sind. Vor diesem Hintergrund gewinnt Bedeutung, daß die Einschätzung des Beklagten zur Auswirkung von Frischdampfleitungsbrüchen (30 mrem Schilddrüsenbelastung für das Kleinkind) - zumal für Erwachsene - um Größenordnungen den Planungswert des § 28 Abs. 3 Satz 2 StrlSchV unterschreitet. Da der Kläger - wie ausgeführt - die diese Einschätzung rechnerisch wesentlich beeinflussenden Annahmen zu den Aktivitätsfreisetzungsraten und zur Einstellung der Aufnahme direkt kontaminierter Nahrungs- und Futtermittel 24 Stunden nach Störfalleintritt nicht substantiiert in Zweifel gezogen hat bzw. aus Rechtsgründen ohne Erfolg angreift, ist auch seinem Gesamtvorbringen nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, daß der Beklagte - auch zu Lasten seiner geschützten Rechtssphäre - den Anforderungen des § 28 Abs. 3 Satz 2 StrlSchV nicht Rechnung getragen hätte. Eine Beweisaufnahme zur in Rede stehenden Problematik war unter diesen Umständen nicht veranlaßt.

81

c) Der Kläger wird entgegen seiner Rüge im Schriftsatz vom 19. September 1988 schließlich nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, daß der Beklagte mit der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung im Grundsatz eine Brennelement-Auslegungsgrenze von mehr als 70 µm für die umfangsgemittelte Oxidschichtdicke der Brennstabhüllrohre akzeptiert hat. Nach dem von ihm eingeholten Gutachten durfte der Beklagte zu der Einschätzung kommen, daß hiergegen keine sicherheitstechnischen Bedenken bestehen. Die Gutachter haben dies - auf der Grundlage entsprechender Nachweise der Beigeladenen zu 3) - plausibel mit den zu erwartenden nur relativ niedrigen Stableistungen bei hohen Abbränden begründet (SG Teil 5.2 S. 2.3-19 f.). Diese Beurteilung wird nicht durch die bloße Behauptung des Klägers erschüttert, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sei eine höhere Versagenswahrscheinlichkeit der Brennstäbe in Kauf genommen worden. Der Empfehlung der Gutachter folgend, hat der Beklagte weiterhin den Beigeladenen in Auflage 2.2 der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung aufgegeben, sechs Monate vor dem Beginn des Betriebszyklusses, bei dem auslegungsgemäß eine Oxidschichtdicke von 70 µm überschritten wird, einen Bericht über die dann vorliegenden Erfahrungen mit Brennelementen vorzulegen, deren Schichtdicke die genannte Grenze übersteigt. Dieser Bericht betrifft die in anderen Anlagen mit Brennstäben mit höherer Korrosionsschichtdecke gemachten Erfahrungen. Angesichts der gesetzten Vorlagefrist erscheint daher auch die Befürchtung des Klägers nicht stichhaltig, schon vor Auswertung dieses Berichts könne es aus den nämlichen Gründen in Brokdorf zu erhöhten Schäden an Brennstäben kommen.

82

2. Die Zweite Teilbetriebsgenehmigung verletzt den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten, soweit sie den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage auf Dauer genehmigt (Genehmigungsgegenstand A I 1.3). Der Kläger hält diese Entscheidung im wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil die Auslegung der Anlage keinen dem Gebot der Schadensvorsorge genügenden Schutz gegen menschliches Versagen gewährleiste. Soweit er unter diesem Aspekt - weitergehend - die Verfassungsmäßigkeit des § 7 AtG in Zweifel zieht, kann ihm nicht zugestimmt werden (a). Mit seinen gegen die Auslegung der Anlage gerichteten Einwänden ist er präkludiert (b). Die Festlegungen des Beklagten in der angefochtenen Genehmigung zur Bedienung der Anlage stützen sich auf eine ausreichende Datenbasis (c). Die weiteren Einwände des Klägers greifen gleichfalls nicht durch (d).

83

a) Der Kläger meint, spätestens die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl habe erwiesen, daß menschlichem Fehlverhalten mit der Folge der Kernschmelze nicht wirksam vorgebeugt werden könne; das Risiko eines Kernschmelzunfalls könne darum nicht mehr als zu vernachlässigendes Restrisiko qualifiziert werden; damit sei zugleich den Erwägungen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 AtG der Boden entzogen. Diese - und ähnliche - Argumente hat der Senat bereits mehrfach zurückgewiesen (vgl. Beschlüsse vom 4. Juni 1986 - 7 OVG D 1/86 - und vom 28. Oktober 1986 - 7 OVG D 8 u. 10/86 -, NVwZ 1987, 75, 76). Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 7 Abs. 1 und 2 AtG liegt die Auslegung zugrunde, daß die atomrechtliche Genehmigungsbehörde durch § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG normativ auf den Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge festgelegt ist. Eine Genehmigung darf u.a. nur erteilt werden, wenn ausgehend vom neuesten Stand von Wissenschaft und Technik Schadensvorsorge in dem Sinne getroffen ist, daß Gefahren und Risiken praktisch ausgeschlossen sind. Läßt sich die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gebotene Schadensvorsorge technisch nicht verwirklichen, so ist die Genehmigung zu versagen. Nur und ausschließlich "Ungewißheiten jenseits der Schwelle praktischer Vernunft" hat der Gesetzgeber der Allgemeinheit als sozial-adäquat hinzunehmendes Restrisiko auferlegt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, DVBl. 1979, 45, 50 f. - Kalkar - und vom 20. Dezember 1979 - 1 BvR 385/77 -, DVBl. 1980, 356, 358 - Mülheim-Kärlich). Daraus folgt, daß neuere grundlegende Erkenntnisse zu den Risiken der Kerntechnik lediglich die Frage der Genehmigungsfähigkeit von Anlagenauf werfen können, nicht jedoch die Gültigkeit der Genehmigungsvoraussetzungen in der vorgenannten Auslegung in Zweifel ziehen.

84

Wie der Senat schon in seinem im Aussetzungsverfahren ergangenen Beschluß vom 16. September 1988 - 7 OVG D 10/86 u. 4/87 - entschieden hat, erweist sich vor diesem Hintergrund gleichzeitig die Ansicht des Klägers als nicht haltbar, gegen Kernschmelzunfälle sei im Rahmen der Auslegung der Anlage dergestalt Vorsorge zu treffen, daß bei ihrem Eintritt die Störfallplanungswerte des § 28 Abs. 3 StrlSchV nicht überschritten werden könnten; die vom Beklagten mit den Beigeladenen lediglich getroffene Vereinbarung über die Bereitstellung einer Druckentlastungseinrichtung zur Verhinderung eines Containment-Versagens bei einer Kernschmelze genüge dem nicht. An dem dazu im Beschluß vom 16. September 1988 Gesagten hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.

85

b) In der Sache selbst kann der Kläger mit seinem Einwand, gegen menschliches Fehlverhalten sei die Anlage Brokdorf nicht entsprechend den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ausgelegt, im Anfechtungsverfahren gegen die Betriebsgenehmigung nicht mehr gehört werden. Mit diesem Einwand ist er gemäß § 7 b AtG präkludiert.

86

Welchen Schutz eine kerntechnische Anlage gegen menschliches Versagen aufweist, wird - wenn ihre Zulassung, wie hier, im Teilgenehmigungsverfahren erfolgt - vorrangig im Rahmen der Errichtungsgenehmigung(en) entschieden, die die Definitiventscheidungen zu den Einzelheiten der sicherheitstechnischen Auslegung trifft/treffen. Mit der Festschreibung der Einzelheiten der Systemauslegung fällt die Entscheidung darüber, welche im Hinblick auf das dynamische Verhalten des Reaktors und die einzuhaltenden Grenzwerte erforderlichen Maßnahmen automatisch (insbesondere durch das Reaktorschutzsystem) eingeleitet und gesteuert werden oder vom Bedienungspersonal - ggf. ab welchem Zeitpunkt - per Handsteuerung sicherzustellen sind, sowie auch darüber, welche Fehlbedienungen des Personals die Anlage aufgrund automatischer Schutzaktionen "verzeiht". Der Stufe der Betriebsgenehmigung bleibt die - auf die Einzelheiten der Systemauslegung abgestellte - komplementäre Festlegung vorbehalten, wie der Reaktor richtig zu bedienen ist, was regelmäßig in einem für den Anlagebetrieb für verbindlich erklärten Betriebshandbuch geschieht. Dieser sachlogisch vorgegebenen Abfolge der abschnittsweisen Prüfung und Entscheidung des Gesamtvorhabens tragen auch die jeweiligen Regelungsgegenstände der für die Anlage Brokdorf erteilten Teilgenehmigungen Rechnung.

87

Hinsichtlich der Systemauslegung kommt insoweit der Vierten Teilgenehmigung vom 21. Dezember 1982, die alle maschinen- und elektrotechnischen Einrichtungen des Kernkraftwerks einschließlich des Reaktorschutzsystems zum Gegenstand hat, in der Fassung der Nachtragsgenehmigungen vom 30. August 1985, 30. Dezember 1985 und - insofern hier nicht streitgegenständlich - vom 3. Oktober 1986 zentrale Bedeutung zu. Diese Entscheidungen sind sämtlich dem Antragsteller gegenüber unanfechtbar geworden. Infolgedessen kann er mit Einwendungen, die unter dem Aspekt menschliches Fehlverhalten thematisch die Systemauslegung betreffen, im Anfechtungsstreit um die streitgegenständliche Betriebsgenehmigung nach § 7 b AtG nicht mehr gehört werden. Derartige Einwendungen könnten von ihm allenfalls noch mit einer auf § 17 AtG gestützten Verpflichtungsklage geltend gemacht werden.

88

Hieran ändert es entgegen der Ansicht des Klägers nichts, daß in den Gründen der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung gesagt ist, auf der Stufe dieser Genehmigung sei u.a. geprüft worden, ob die errichtete Anlage bezüglich der Schadensvorsorge bei Störfällen dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspreche (S. 74 ff. des Bescheides vom 3. Oktober 1986). Diese - mißverständlich gefaßte - Begründungspassage besagt bei rechtem Verständnis, daß die Genehmigungsbehörde die Frage geprüft und verneint hat, ob im Hinblick auf zwischenzeitliche Fortentwicklungen des Standes von Wissenschaft und Technik nachträgliche Auflagen geboten waren. Mit der Genehmigung ist nicht etwa - wie der Kläger meint - aufgrund erneuter Sachprüfung durch (neu anfechtbaren) Zweitbescheid über die Errichtung der Anlage befunden worden. Dazu war der Beklagte nicht nur im Verhältnis zu den Beigeladenen nicht berechtigt; ausweislich des verfügenden Teils des Bescheides vom 3. Oktober 1986, in dem dieses eindeutig hätte Ausdruck finden müssen (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 3 AtVfV), hat er eine Entscheidung dieses Inhalts auch nicht getroffen.

89

Angesichts des Ausgeführten verliert gleichermaßen das Problem, ob das Atomgesetz von Verfassungs wegen "nachzubessern" ist, weil es zahlreiche wesentliche Fragen der Errichtung und des Betriebs kerntechnischer Anlagen inhaltlich und verfahrensrechtlich nicht oder nicht ausreichend konkret regele, für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich an Gewicht. Im Schwerpunkt beziehen sich die im beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Normenkontrollverfahren 1 BvF 3/88 gestellten Forderungen nach höherer Regelungsdichte der atomrechtlichen Maßstäbe, was Kernkraftwerke angeht, auf die sicherheitstechnischen Anforderungen zur erforderlichen Vorsorge gegen Risiken durch Stör- und Unfälle hinsichtlich anlagenspezifischer Gefahren und Einwirkungen von außen. Bezüglich des Strahlenschutzes sind dagegen die wesentlichen Regelungen in der Strahlenschutzverordnung mit der Normierung der Strahlenschutzgrundsätze in § 28 StrlSchV und der Dosisgrenzwerte in § 45 in Verbindung mit den erwähnten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften getroffen. Da die wesentlichen sicherheitstechnischen Anforderungen in bezug auf die Anlage Brokdorf Regelungsgegenstand von nicht streitgegenständlichen Teilgenehmigungen sind, braucht aus Anlaß der vorliegenden Sache die bisherige Rechtsprechung, die verfassungsrechtliche Probleme wegen der geringen normativen Regelungsdichte im Bereich des Atomrechts nicht sieht, nicht grundlegend überdacht zu werden.

90

c) Welche Anforderungen hinsichtlich des richtigen Bedienens der Anlage nach dem Maßstab des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG zu stellen sind, hat der Beklagte im Genehmigungsverfahren gutachtlich prüfen lassen (vgl. dazu SG Teil 5.2 S. 3-3a ff.). Diese anhand der Maßstäbe der KTA-Regel 1201 "Anforderungen an das Betriebshandbuch" durchgeführte Prüfung hatte zum Ergebnis, daß die Festlegungen des Betriebshandbuchs alle für die Anlage relevanten Ereignisse und Ereignisabläufe in repräsentativer und abdeckender Weise erfassen und die endgültige Fixierung derzeitig noch nicht abschließend fertiggestellter, von ihrer inhaltlichen Ausgestaltung her aber bereits bekannter Teile keine sachlichen Schwierigkeiten biete (vgl. SG Teil 5.2 S. 3-21 ff.). Auf der Grundlage dieser Datenbasis durfte der Beklagte davon ausgehen, daß hinsichtlich des Bedienens der Anlage entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung der Schadensvorsorge genügende Festlegungen bestanden. Der Kläger selbst hat in dieser Hinsicht substantiierte Einwände nicht vorgebracht. Einen ursprünglich nach § 99 VwGO gestellten Antrag auf Vorlage weiterer, inhaltlich nur umschriebener Teile des Betriebshandbuchs hat er im Erörterungstermin vom 12./13. Dezember 1988 zurückgezogen.

91

d) Die weiteren, thematisch als Angriffe gegen die Genehmigung des unbefristeten Leistungsbetriebs aufzufassenden Einwände des Klägers führen ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage.

92

Gegenstandslos geworden ist seine Rüge, die in Auflage 3.1.16 der Genehmigung vorgeschriebene Anlageertüchtigung in bezug auf den Lastfall "Öffnen des Abblaseabsperrventils" habe nicht auf die Zeit des ersten Brennelementwechsels hinausgeschoben werden dürfen. Die Auflage ist zwischenzeitlich erfüllt. Die Auflagenerfüllung hat der Beklagte nach entsprechenden gutachtlichen Feststellungen den Beigeladenen mit Bescheid vom 25. Februar 1988 bestätigt (Bl. 351 ff. d.A.). Soweit der Kläger die entsprechende bloße Mitteilung des Beklagten (Schriftsatz vom 25. April 1988, Bl. 139 ff. VII OVG D 4/87) mit Schriftsatz vom 19. September 1988 in Zweifel gezogen hat, hat sich herausgestellt, daß er Gutachtensforderungen in bezug auf Spannungsüberschreitungen beim genannten Lastfall im Bereich der Rohrleitungen und der hier in Rede stehenden Unterstützungen miteinander verwechselt hat (vgl. dazu auch SG Teil 5.2 S. 5-37 ff. sowie S. 35 f. des Schriftsatzes der Beigeladenen zu 1) und 2) vom 4. November 1988).

Ergeben hat sich ferner, daß seine auf Auflagen 3.3.5 bis 3.3.7 bezogenen Rügen im Schriftsatz vom 19. September 1988 unberechtigt sind. Die dort im Anschluß an entsprechende Forderungen der Gutachter (SG Teil 5.2 S. 5-42 ff.) geforderten Verbesserungen bezüglich der mechanisierten Prüfeinrichtungen für die wiederkehrenden Prüfungen von Teilen der Druckführenden Umschließung rechtfertigen nicht den Schluß des Klägers, die Basisprüfung habe die zu fordernden Nachweise nicht erbracht. Das erwähnte Gutachten belegt das Gegenteil (S. 5-46; vgl. dazu auch Schriftsätze des Beklagten vom 24. November 1988, S. 18 f., der Beigeladenen zu 1) und 2) vom 4. November 1988, S. 36 f., und der Beigeladenen zu 3) vom 2. November 1988, S. 45 f.).

93

3. Durch die Genehmigung für die Rücknahme defekter Lagerbehälter mit bestrahlten Brennelementen aus dem Kernkraftwerk Brokdorf und die darauf bezogene Umgangsgenehmigung (Genehmigungsgegenstände A I 1.6 und A I 1.4.1 letzter Spiegelstrich der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung) sieht der Kläger seine Rechte in dreifacher Hinsicht als verletzt an. Darin kann ihm ebensowenig gefolgt werden.

94

a) Er rügt, aufgrund eines "common-mode-Fehlers" könnten sämtliche in Zwischenlager verbrachten abgebrannten Brennelemente defekt werden, dann reichten aber die Lagermöglichkeiten in Brokdorf nicht aus (Schriftsatz vom 19. September 1988). Dabei übersieht er bereits, daß nicht die Rücknahme defekter Brennelemente, sondern die Rücknahme defekter Lagertransportbehälter zum Zwecke der Wiederherstellung der Dichtheit genehmigt worden ist. Diese können zwar auch defekte Brennelemente enthalten, sie müssen es aber keineswegs. Im übrigen ist dem pauschalen Vorbringen des Klägers nicht die substantiierte Behauptung zu entnehmen, das von ihm angesprochene Risiko sei so hinreichend wahrscheinlich, daß der Beklagte auch im Blick auf seine - des Klägers - Rechtssphäre gehalten gewesen wäre, hiergegen Vorsorge zu treffen.

95

b) Im angeführten Schriftsatz wendet der Kläger weiterhin ein, Castor-Brennelement-Transportbehälter seien nur für Stürze bis zu einer Höhe von 9 m ausgelegt, sie müßten hingegen in der Schleuse des Kernkraftwerks bis zu 30 m hoch angehoben werden. Damit kann er nicht gehört werden. Die erforderliche Vorsorge hinsichtlich des Absturzes schwerer Lasten ist durch die Auslegung der Hebezeuge und der Lastanschlagmittel zu treffen. Diese sind mit der Vierten Teilgenehmigung und - speziell für Transportbehälter - mit der Zweiten und Dritten Nachtragsgenehmigung zur Vierten Teilgenehmigung, die sämtlich dem Kläger gegenüber unanfechtbar geworden sind, zugelassen worden (Genehmigungsgegenstände A I 1.7.9 des Bescheids vom 21. Dezember 1982, A I 1.2.13 des Bescheids vom 30. Dezember 1985 und A I 1.9 des Bescheids vom 3. Oktober 1985). Mit dem Hinweis, daß der erforderliche Schutz durch Auslegung der Hebezeuge zu treffen ist, hat im übrigen der Beklagte entsprechende - auch vom Kläger (Nr. 9 des zitierten Einwendungsschreibens) - bei der letzten Öffentlichkeitsanhörung vorgebrachte Einwände beschieden (Bescheid vom 30. Dezember 1985, S. 174, 186).

96

c) Der Kläger meint zum dritten, die Genehmigungsentscheidung des Beklagten sei aufgrund eines Ermittlungs- und Bewertungsdefizits zu beanstanden, weil der Beklagte das Risiko eines möglichen Störfalles nicht untersucht habe (Schriftsatz vom 12. Januar 1989, S. 17 f.). Das trifft gleichfalls nicht zu.

97

Der Kläger macht insoweit geltend: Unter der Annahme, daß sämtliche Brennstäbe eines mit 20 Brennelementen bestückten Lagerbehälters defekt seien, und der weiteren Annahme, daß der Versuch fehlschlage, die Behälteratmosphäre auf Flaschen aufzuziehen - was für solche Fälle geplant ist (vgl. dazu die von der Beigeladenen zu 1) mit Datum vom 15. April 1986 erstellte Genehmigungsunterlage 2.6: Rücknahme eines Transport- und Lagerbehälters aus dem Behälter-Zwischenlager Gorleben mit abgebrannten KBR-Brennelementen ..., S. 3) -, könne das gesamte Gasinventar in den Gasraum und von dort in die Umgebung freigesetzt werden; unter diesen Randbedingungen werde der zulässige Tagesgrenzwert für die Ableitung von Gasen überschritten. Der Beklagte habe dies nicht näher untersucht.

98

Dem ist entgegenzuhalten: Auch Ermittlungs- und Bewertungsdefizite können den Erfolg einer Drittanfechtungsklage nur begründen, soweit sie für die Rechte des Klägers von Bedeutung sind. Das ist dem Vorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.

99

Er hat - erstens - nicht substantiiert dargetan, daß der von ihm in den Raum gestellte Ereignisablauf - in der Kombination aller Annahmen - von seiner Wahrscheinlichkeit her nach dem Maßstab des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG zu berücksichtigen wäre. Zweitens kann sich der Kläger zwar für seine Behauptung zur freigesetzten Aktivitätsmenge auf die Bemerkung auf S. 3 der angegebenen Genehmigungsunterlage stützen, hohe Defektraten könnten "hypothetisch bis zu 100 % betragen", und bei entsprechender Umrechnung auf die Angabe zur Krypton 85-Freisetzung beim Brennelement-Handhabungsstörfall in Tabelle 10 des von ihm angezogenen Arbeitsberichts der Beigeladenen zu 3) (Arbeitsbericht vom 1. April 1985: "Analyse möglicher Strahlenexpositionen von Personen in der Kraftwerksumgebung für die Auslegungsstörfälle entsprechend § 28 Abs. 3 StrlSchV"). Das unterlegt indessen nur seine Behauptung, die von ihm angenommene Krypton 85-Freisetzung überschreite den für den bestimmungsgemäßen Betrieb zugelassenen Tagesgrenzwert. Hierbei ist jedoch - drittens - zu beachten, daß die Genehmigungsbehörde nicht jedes Störereignis zu betrachten und zu beurteilen hat. Es kann und muß das Bewenden damit haben, daß sie solche Störfälle beurteilt, die als repräsentatives Spektrum die Auswirkungen anderer Störfälle sicher mit abdecken. Hierzu haben die Beigeladenen zu 1) und 2) in ihrem Schriftsatz vom 2. Juni 1989 (S. 7 ff.) plausibel darauf verwiesen, daß die Auswirkungen des Brennelement-Handhabungsstörfalls wegen der Freisetzung auch kurzlebiger Nuklide mit höherem Dosisfaktor die Auswirkungen der vom Kläger behaupteten Krypton 85-Freisetzung abdecken, und das Ergebnis der Berechnung der Auswirkungen des Brennelement-Handhabungsstörfalls im nämlichen KWU-Arbeitsbericht zitiert (Tabelle 17 a: 0,21 mrem Ganzkörperbelastung für den Erwachsenen). Der Kläger ist dem - auch in der mündlichen Verhandlung - nicht weiter entgegengetreten.

100

Nach alldem hat der Senat ebensowenig den in Rede stehenden Behauptungen des Klägers einen zu weiterer Aufklärung veranlassenden Anhalt dafür entnehmen können, die Genehmigungsentscheidung des Beklagten sei in bezug auf das erörterte Szenario im Hinblick auf Ermittlung und/oder Bewertung defizitär.

101

4. Besonders nachdrücklich wendet der Kläger ein, die Festlegungen der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung zur Abgabe radioaktiver Stoffe im bestimmungsgemäßen Betrieb verletzten seine Rechte (Genehmigungsgegenstand A I 1.7, vor allem A I 1.7.1 betreffend die Aktivitätsabgaben mit der Luft). Auch damit kann er jedoch keinen Erfolg haben. Nach dem Ergebnis des Verfahrens durfte der Beklagte, soweit der Kläger - ungehindert durch Einwendungsausschluß - Rechte aus den einschlägigen Schutznormen der §§ 45 f. StrlSchV herleiten kann, die Genehmigung erteilen.

102

a) Als nicht stichhaltig hat sich seine Rüge herausgestellt, die Genehmigung zu den höchstzulässigen Fortluftabgaben sei - auch zu seinen Lasten - rechtswidrig, weil sie die Emission von Gasen und Aerosolen (abgesehen von Jod) nicht nuklidspezifisch begrenze (Schriftsatz vom 19. September 1988, S. 4). Zwar korrespondiert mit der Pflicht der Genehmigungsbehörde nach § 46 Abs. 2 StrlSchV, höchstzulässige Aktivitätsabgaben - ggf. auch nuklidspezifisch - festzulegen, wenn und soweit zu besorgen ist, daß die Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchVüberschritten werden, in den Grenzen ihrer durch § 45 StrlSchV geschützten Rechtsstellung für Drittbetroffene ein entsprechender Anspruch. Im Blick auf die so geschützte Rechtssphäre des Klägers durfte sich der Beklagte nach dem Stand von Wissenschaft und Technik jedoch darauf beschränken, nur für Jod eine nuklidspezifische Regelung zu treffen.

103

Welche Genehmigungsfestlegungen - auch in nuklidspezifischer Hinsicht - zur Gewährleistung der Einhaltung der Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchV (und der weitergehenden Anforderungen des nicht Drittschutz vermittelnden Strahlenminimierungsgebots) geboten waren, hat der Beklagte auf der Stufe der Betriebsgenehmigung im Detail gutachtlich prüfen lassen (SG Teil 5.1 Kapitel 3.1). Die Gutachter haben den Aktivitätsfluß - auf der Basis berechneter spezifischer Aktivitäten im Primär- und (bei Dampferzeuger-Heizrohrleckage) im Sekundärkreislauf (S. 3.1-3, 3.1-5) - im Hinblick auf Abgaben über den Kamin (Tabelle 3.1-4, S. 3.1-10 ff.) und das Maschinenhausdach (Tabelle 3.1-5, S. 3.1-14) detailliert analysiert und sämtliche Nuklide in ihre Berechnung eingestellt (S. 3.1-40 unten). Die Gutachter haben ferner die Veränderung der Aktivitätsinventare im Reaktorkern beim Einsatz von MOX-Elementen mit einem Pu(SUB)fiss(SUB)-Anteil von bis zu 3,7 % und Uranbrennelementen mit einer Anreicherung von bis zu 4 % Uran 235 beurteilt (S. 16-8) und haben festgestellt, daß diese keine Änderungen der Grenzwertfestlegungen notwendig machten (S. 16-9) und daß die Folgekerne insgesamt bei Beachtung u.a. der sicherheitstechnischen Rahmenbedingungen für die Auslegung und den Betrieb des Reaktorkerns radiologisch zulässig seien (S. 17-5). Was die hier in Rede stehende Problematik anbetrifft, haben sie empfohlen, nur für Jod eine Einzelnuklidfestsetzung zu treffen. Speziell für Tritium sei eine Fortluftbegrenzung nicht erforderlich, weil die Schwankungsbreite der Emission nach längerer Betriebsdauer relativ gering sei. Einzelnuklidbegrenzungen in der Gruppe der radioaktiven Aerosole seien wegen der installierten Rückhalteeinrichtungen nicht erforderlich. In bezug auf die nicht begrenzten Nuklide reichten Annahmen bei der Strahlenbelastungsberechnung aus. Es seien alle für die Erfassung erforderlichen Meßeinrichtungen installiert. Anhand der zu dokumentierenden Meßwerte könne die Übereinstimmung mit den Berechnungsannahmen nachvollzogen werden (S. 3.1-20).

104

Nuklidspezifische Grenzwertfestlegungen nur für Jod sieht außerdem die Empfehlung des Bundesministers des Innern vom 8. August 1984 über den Regelungsinhalt von Bescheiden bezüglich der Ableitung radioaktiver Stoffe aus Kernkraftwerken mit Leichtwasserreaktor (GMBl. 1984, S. 327) vor.

105

Was der Kläger vorbringt, ist nicht geeignet, daran Zweifel aufkommen zu lassen, daß der Beklagte auf der Basis der angeführten Beurteilungen im Hinblick auf die Rechtssphäre des Klägers auf nuklidspezifische Regelungen zur Abgabe von Aerosolen und Gasen verzichten durfte: Bereits im Offenlegungsverfahren hat der Kläger - dort bezogen auf die Angaben im ausgelegten Sicherheitsbericht - eingewendet, der Gehalt an Transuranen und Spaltprodukten der MOX-Brennelemente lasse sich nicht exakt abschätzen, die Angaben zum Aktivitätsflußschema träfen daher nicht zu (Nrn. 3, 38 seines Einwendungsschreibens). Diesen Einwand hat der Beklagte in sein vorläufiges Urteil bei Erlaß des Bescheids vom 30. Dezember 1985 einbezogen und mit der Einschätzung zurückgewiesen, die Änderungen des Aktivitätsflußschemas seien nur geringfügig (S. 166 des Bescheids). Die im Schriftsatz des Klägers vom 19. September 1988 vorgebrachte Befürchtung, beim Einsatz von MOX-Brennelementen könnten "gänzlich unterschiedliche Nuklidverhältnisse mit anderer biologischer Wirkung" auftreten, deswegen müsse die Emission von Alpha-Strahlern und Tritium nuklidspezifisch geregelt werden, beinhaltet ihrem Kern nach gegenüber seiner Einwendung nichts Neues und tut auch wegen ihrer Pauschalität nicht dar, weshalb der Beklagte im Hinblick auf den Stand von Wissenschaft und Technik bei der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung von seiner früheren Beurteilung hätte abrücken müssen. Welche Veränderungen sich in bezug auf Alpha-Strahler und Tritium im Reaktorkern ergeben, war einer der Gegenstände der erwähnten gutachtlichen Beurteilung, wie die Einzelnuklidgegenüberstellung auf Seite 16-8 des 2. Teilbetriebsgutachtens zeigt. Gleichwohl haben die Gutachter - wie dargelegt - die vom Kläger geforderten Festlegungen nicht für geboten erachtet, was sie über ihre allgemeinen Erwägungen hinaus für Tritium-Abgaben besonders begründet haben. Diese gutachliche Empfehlung wird angesichts ihrer Grundlagen nicht durch bloße Behauptung des Gegenteils erschüttert; mehr hat der Senat aber dem Gegenvorbringen des Klägers in dieser Hinsicht nicht entnehmen können. Der Beklagte hat zudem als Genehmigungsbehörde seine der gutachtlichen Betrachtung entsprechende Einschätzung und Bewertung im gerichtlichen Verfahren mit dem Argument untermauert, daß auch die Auswertungen der Emissionen beim bisherigen Betrieb (freilich mit dem MOX-Brennelemente noch nicht enthaltenden Erstkern) keine Hinweise ergeben hätten, die für eine Begrenzung von Einzelnukliden für die Abgabe radioaktiver Aerosole und Gase sprechen würden (Schriftsatz vom 24. November 1988, S. 9 ff.). In diesem Zusammenhang hat er die vom Kläger geäußerte weitere Besorgnis, die Angaben des 2. Teilbetriebsgutachtens zum Aktivitätsflußschema stellten auf den stationären Vollastbetrieb ab (S. 3.1-8) und berücksichtigten daher - zumal bei Hochabbrand der Brennelemente - nicht besondere Fahrweisen des Reaktors wie Lastfolge- und Streckbetrieb, mit der plausiblen Einschätzung zurückgewiesen, die von ihm unter sicherheitstechnischen und radiologischen Gesichtspunkten festgelegten Bedingungen für die Auslegung und den Betrieb des Reaktorkerns stellten Sonderfahrweisen des Reaktors mit in Rechnung.

106

Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Kläger seine nur stichwortartig vorgebrachten Bedenken nicht näher substantiiert. Seine ohne Begründung im Schriftsatz vom 19. September 1988 aufgestellte Behauptung, sekundärseitig würden die Emissionen über das Maschinenhausdach und die Frischdampfarmaturenstation nicht bilanziert - die wohl besagen soll, die von den Gutachtern geforderte Kontrollmöglichkeit bezüglich der Emission nicht begrenzter Nuklide sei nicht gegeben -, ist ausweislich der vom Beklagten im Schriftsatz vom 24. November 1988 (S. 11) angeführten Festlegungen im Betriebshandbuch nicht zutreffend.

107

Bei dieser Sachlage sind beim Senat keine Zweifel daran verblieben, daß der Beklagte - mit Blick auf die geschützte Rechtssphäre des Klägers - auf nuklidspezifische Regelungen im Rahmen der Festlegung der höchstzulässigen Aktivitätsabgaben für Aerosole und Gase verzichten durfte.

108

b) Ohne Erfolg rügt der Kläger des weiteren, bei Ausschöpfung der in der angefochtenen Genehmigung unter A I 1.7.1 zugelassenen Fortluftabgaben sei nicht gewährleistet, daß er keiner die Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchVüberschreitenden Strahlenexposition ausgesetzt sei.

109

aa) Ihm kann nicht in seiner Ansicht zugestimmt werden, die Genehmigung zu den höchstzulässigen Aktivitätsabgaben sei schon unter dem Aspekt allgemein zu beanstanden, daß der Beklagte die am Standort Brokdorf noch vorhandene radioaktive Vorbelastung durch den Reaktorunfall in Tschernobyl im April 1986 nicht ermittelt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt habe. Die hierzu vom Beklagten im Genehmigungsbescheid (S. 110) vertretene Auffassung, Strahlenexpositionen durch Stör- und Unfälle bei atomaren Anlagen seien nicht als Vorbelastung im Rahmen des § 45 Satz 3 StrlSchV anzurechnen, entspricht der Rechtsprechung des Senats und stützt sich auch ausdrücklich darauf (Senatsbeschlüsse vom 23. September 1986 - 7 OVG D 7/86 -, UPR 1987, 153, 154, und vom 28. Oktober 1986 - 7 OVG D 8 und 10/86 -, NVwZ 1987, 75 f.).

110

An dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (vgl. etwa Wagner, DÖV 1987, 524, 530), hält der Senat auch in Kenntnis der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts Regensburg (Urteil vom 8. August 1988 - RN 5 K 86 1159 -) fest.

111

bb) Auch im übrigen durfte der Beklagte im Blick auf die durch § 45 StrlSchV geschützte Rechtsstellung des Klägers die angegriffenen Festsetzungen treffen. Die Einwände des Klägers hiergegen sind unbegründet.

112

Die Behauptung einer Dosisgrenzwertüberschreitung ist von Drittklägern im Anfechtungsprozeß zu substantiieren (BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1980, a.a.O., S. 407). Diesen Anforderungen genügt selbst in Anbetracht des sehr umfänglichen Vorbringens des Klägers, das zahlreiche Randverweise auf andere Belastungspfade enthält, lediglich seine - insofern im Hinblick auf die Substantiierungsdichte aber auch nicht in Zweifel zu ziehende - Behauptung, über den Weide-Kuh-Milch-Pfad habe er eine Belastung seiner Schilddrüse mit weit mehr als 90 mrem/a zu vergegenwärtigen; dieses Risiko habe er nach Maßgabe des § 45 Satz 1 StrlSchV nicht hinzunehmen.

113

Der Berechnung der Gutachter im Genehmigungsverfahren, die Schilddrüsenbelastung für Erwachsene belaufe sich angesichts der Grenzwertfestlegungen für Jod 131-Fortluftabgaben auf dem in Rede stehenden Ingestionsbelastungspfad auf 1,7 mrem/a (SG Teil 5.1 S. 3.1-42 Tabelle 3.1-13), setzt der Kläger eigene Rechnungen entgegen, die zuletzt für Erwachsene eine Schilddrüsenbelastung von 3.230 mrem/a zum Ergebnis hatten (Schriftsatz vom 12. Januar 1989, S. 14); zuvor war er in seiner mehr als 50 Seiten umfassenden Berechnung vom 13. September 1988 zu einem Ergebnis von 64,8 mrem/a gelangt. Dieses Vorbringen führt, ohne daß hierzu eine Beweisaufnahme veranlaßt war, nicht zum Erfolg der Klage.

114

Die Einschätzung des Beklagten zur Einhaltung der Dosisgrenzwerte beruht auf einer Strahlenexpositionsberechnung auf der Basis der Rechenmodelle und Datensätze der bereits zitierten Allgemeinen Berechnungsgrundlage, der Richtlinie des Bundesministers des Innern zu § 45 StrlSchV; das Berechnungsverfahren dieser Richtlinie hatte er seiner Beurteilung (schon) aufgrund der Bindungswirkung seines vorläufigen positiven Gesamturteils in vorangegangenen Teilgenehmigungen zugrunde zu legen; das muß gleichermaßen der Kläger mit der Folge gegen sich gelten lassen, daß er mit seinen gegen die Allgemeine Berechnungsgrundlage gerichteten Angriffen nicht mehr gehört werden kann - dazu (a) -. Der Kläger kann nur noch einwenden, der Beklagte habe bei Berücksichtigung jenes Berechnungsverfahrens - auch mit Blick auf seine geschützte Rechtsstellung - die streitigen Abgaben von Jod 131 nicht gestatten dürfen; dafür gibt sein Vorbringen nichts Genügendes her - dazu (b) -.

115

(a) Zum notwendigen Inhalt des im Teilgenehmigungsverfahren auf jeder Verfahrensstufe - zunehmend verfestigt - von der Genehmigungsbehörde anzustellenden vorläufigen positiven Gesamturteils über die Errichtung und den Betrieb der gesamten Anlage gehört die Beurteilung, ob das Vorhaben wegen seiner mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb verbundenen radioaktiven Emissionen an dem vorgesehenen Standort genehmigungsfähig sein wird, d.h. ob für das Vorhaben im Einklang mit den Bestimmungen des § 45 StrlSchV eine auch die Ableitung radioaktiver Stoffe umfassende Betriebsgenehmigung erteilt werden kann. Da Grenzwerte nur aussagekräftig sind in Verbindung mit dem ihnen zugeordneten Berechnungs- und Ermittlungsverfahren, mit dessen Hilfe ihre Einhaltung bzw. Einhaltbarkeit zu prüfen ist, steht das vorläufige positive Gesamturteil, im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen des § 45 StrlSchV ständen der Genehmigung des gesamten Vorhabens keine unüberwindlichen Hindernisse im Wege, mit den ihm zugrunde liegenden Rechenmodellen und Parameteransätzen ebenfalls in untrennbarem Zusammenhang. In eben dieser Verklammerung entfaltet das diesbezügliche Urteil - auch im Verhältnis zu Drittbetroffenen - in den aus seiner Vorläufigkeit folgenden Grenzen für spätere Teilgenehmigungsentscheidungen Bindungswirkung.

116

Der Beklagte hat sein vorläufiges positives Gesamturteil zur Einhaltbarkeit der Grenzwerte bei entsprechender Festlegung der höchstzulässigen Aktivitätsabgaben schon in der Vierten Teilgenehmigung vom 21. Dezember 1982 (Bd. 2 S. 74 ff., 76) und - wegen der Notwendigkeit, die im erneuten Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren vorgebrachten Einwände zu bescheiden, verfestigt - in der Ersten Teilbetriebsgenehmigung vom 30. Dezember 1985 (S. 161 ff.) auf die Parameter und Modelle der Allgemeinen Berechnungsgrundlage, die konservative Annahmen enthielten (S. 165), gestützt und sich auf dieses Berechnungsverfahren festgelegt.

117

In diesem Zusammenhang ist auch herauszustellen, daß der Kläger in seinem Einwendungsschreiben vom 20. Juli 1985 eine ganze Reihe seiner im Klageverfahren dargelegten Bedenken und Einschätzungen schon im Offenlegungsverfahren vorgebracht hat:

118

- Bedenken zum Gauß-Modell, Nr. 13

119

- Bedenken gegen die Annahmen zur Ablagerungsgeschwindigkeit für Jod und Aerosole, Nr. 16

120

- Bedenken gegen die Verwendung der Daten eines mittleren meteorologischen Jahres, Nr. 17

121

- Bedenken gegen die Ausbreitungsfaktoren, Nr. 31

122

- Forderung, Kurzzeitausbreitungsfaktoren nicht nach der Allgemeinen Berechnungsgrundlage zu berechnen, Nr. 32

123

- Forderung nach ortsspezifischer Bestimmung der Transferfaktoren Weide-Schafsmilch unter Hinweis auf seine Heidschnucken, Nr. 49

124

- Hinweis auf Milchverzehr und eigene Kuh, die im Bereich des maximalen Aufpunkts grase, was u.a. verläßliche Angaben über Jod-Emissionen über das Maschinenhausdach erforderlich mache, Nr. 50

125

- Forderung nach spezifischer Bestimmung der Transferfaktoren in seinem Hausgarten wegen des Eigenanbaus von Gemüse und des hohen Kleieanteils und auf seiner Wildkräuterwiese wegen Honigerzeugung, Nr. 56.

126

Alle diese Einwände hat der Beklagte als unbegründet zurückgewiesen und in bezug auf die Forderung des Klägers, Individualdosen zu errechnen, betont, die Modelle für die Berechnung der Strahlenexposition würden für eine fiktive Person einer kritischen Bevölkerungsgruppe gelten; die Anwendung dieser Modelle stelle sicher, daß tatsächliche Individualdosen unter den berechneten Dosen für die fiktive Person lägen (S. 167 der Ersten Teilbetriebsgenehmigung). Dem Kläger war auch sonst bekannt - u.a. aufgrund seiner Teilnahme als Beistand an der Beweisaufnahme im Verfahren 7 OVG A 15/80 vor dem Senat am 19./20. Oktober 1983 (vgl. dazu S. 306 ff. des Wortprotokolls) -, daß der Beklagte seine Auffassung, welche Annahmen einer konservativen Expositionsberechnung zugrunde gelegt werden müßten, nicht teilte. Er hatte deshalb allen Anlaß, soweit er seine Rechte durch die Einschätzung des Beklagten gefährdet sah, spätestens nach förmlicher Zurückweisung seiner Einwendungen gegen das mit der Ersten Teilbetriebsgenehmigung verbundene vorläufige positive Gesamturteil Klage zu erheben. Da er die Erste Teilbetriebsgenehmigung gleichwohl hat bestandskräftig werden lassen, muß er sich die Bindungswirkung dieses Urteils entgegenhalten lassen.

127

Der Kläger selbst behauptet nicht, in bezug auf die in Rede stehende Problematik habe sich zugunsten seiner Auffassung der wissenschaftliche Erkenntnisstand im Jahre 1986 bis zur Erteilung der angefochtenen Zweiten Teilbetriebsgenehmigung geändert. Davon kann aus heutiger Sicht in Anbetracht des Entwurfs der Fortschreibung der Allgemeinen Berechnungsgrundlage mit Stand vom 1. Juli 1988 und der verkündeten Zweiten Verordnung zur Änderung der Strahlenschutzverordnung, die nunmehr in § 45 Abs. 2 vorsieht, daß der Ermittlung der Strahlenexposition die Allgemeine Berechnungsgrundlage zugrunde zu legen ist, erst recht nicht die Rede sein. Bei unverändertem Erkenntnisstand war der Beklagte aber daran gehindert, im Rahmen seiner Detailprüfung auf der Stufe der Zweiten Teilbetriebsgenehmigung die Frage der Grundlagen für die zu erstellende Prognose zur Strahlenexposition neu aufzuwerfen und - ohne Widerruf - abweichend von seinem vorläufigen Urteil zu beantworten.

128

Hiervon ausgehend kann der Kläger mit seinen Einwänden gegen die Rechenmodelle und Ansätze der Allgemeinen Berechnungsgrundlage nicht mehr gehört werden. Seine in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptungen, die er in der mündlichen Verhandlung teilweise unter Beweis gestellt hat, gehen daher ins Leere und geben darum - wie der Senat in seinem zu den gestellten Beweisanträgen in der mündlichen Verhandlung verkündeten ersten Beschluß unter Nr. 1 a) der Gründe entschieden hat - zu keiner Sachaufklärung Veranlassung.

129

Unabhängig vom Vorstehenden ist daneben eine Beweisaufnahme zu denjenigen Behauptungen des Klägers, die speziell auf die aufgrund individueller Besonderheiten angeblich für ihn persönlich zu besorgende Strahlenexposition bezogen sind, auch aus anderem Grunde nicht veranlaßt. Das hat der Senat ebenfalls a.a.O. bereits entschieden: § 45 Abs. 2 der verkündeten Zweiten Änderungsverordnung zur Strahlenschutzverordnung stellt nunmehr ausdrücklich klar - was schon der geltenden Rechtslage entspricht -, daß die Berechnung zur Strahlenexposition für eine Referenzperson unter Berücksichtigung der ungünstigsten Einwirkungsstellen und der in Betracht zu ziehenden Expositionspfade und Annahmen zu erfolgen hat. Das hat der Beklagte der gegenteiligen Sicht des Klägers, der eine Würdigung seiner individuellen Situation verlangt, zu Recht schon in der angeführten Begründungspassage der Ersten Teilbetriebsgenehmigung entgegengehalten. Der Nachweis, daß die Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchV nicht überschritten werden, muß notwendigerweise aufgrund eines pauschalierten Berechnungsverfahrens geführt werden, das nicht gesondert jede am Standort wohnende Person in ihrer vollen Individualität ins Auge fassen und alle individuellen - im übrigen schwer nachprüfbaren - Besonderheiten berücksichtigen kann. Dessen bedarf es auch nicht, wenn und solange das pauschalierte, auf fiktive Referenzpersonen kritischer Bevölkerungsgruppen abstellende Berechnungsverfahren dazu führt, daß seine Ergebnisse die tatsächlich zu erwartenden Individualdosen - abgesehen von extremen Lebens- und Konsumgewohnheiten von Einzelpersonen - hinreichend sicher abdecken. Anders als der Kläger meint, ist dafür nicht zu verlangen, daß bei jedem Rechenparameter eines Expositionspfades ungünstigste Werte eingesetzt werden. Zu kurz - weil den Gesamtzusammenhang vernachlässigend - ist beispielsweise seine Argumentation, der im Berechnungsverfahren zugrunde gelegte Dosisfaktor für die Schilddrüse stelle den Schutz von Personen nicht sicher, deren Schilddrüsengewicht geringer sei als nach der Berechnungsannahme oder die sonstige Schilddrüsenanomalien aufwiesen. Ob und inwieweit die Expositionsberechnung auch solchen Besonderheiten Rechnung trägt, kann nur in der Gesamtschau aller Rechenannahmen zum jeweiligen Expositionspfad beurteilt werden. Wenn aber - wie dargelegt - der Nachweis der Einhaltung der Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchV in einem pauschalierten Verfahren zu führen ist, so beeinflußt dies zugleich den Inhalt möglicher Abwehransprüche Dritter aufgrund von § 45 StrlSchV. Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 15. Mai 1985 - 7 OVG B 29/83 - (DVBl. 1986, 199, 200) in Auseinandersetzung mit dem Stade-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 1980 näher dargelegt, daß ein Drittkläger, der am Standort des Kernkraftwerks seinen Wohn-, Arbeits- oder Aufenthaltsort hat, ein Abwehrrecht - anders als ein entfernt wohnender Dritter - damit begründen kann, daß die Grenzwerte nach Maßgabe des pauschalierten Berechnungsverfahrens nicht hinreichend sicher eingehalten werden können, soweit dies für ihn bedeutsam ist. Auf diesen Vortrag bzw. darauf, die Grundlagen jenes Berechnungsverfahrens zu erschüttern, ist er gleichzeitig aber auch beschränkt. Sollte den beiläufigen Bemerkungen des Bundesverwaltungsgerichts im Wyhl-Urteil vom 19. Dezember 1985 (a.a.O., S. 196) zur Bedeutung der fehlenden Nierenfunktion eines Klägers bzw. im Mülheim-Kärlich-Urteil vom 9. September 1988 (a.a.O., S. 1174 r.Sp. unten) eine andere Auffassung zu entnehmen sein, könnte der Senat dem aus den zuvor genannten Gründen nicht folgen. Gegen die Anwendung der Rechenparameter und Modelle der Allgemeinen Berechnungsgrundlage kann der Kläger hier - wie ausgeführt - aus Rechtsgründen nichts mehr erinnern.

130

(b) Auf der Grundlage der Rechenmodelle und Annahmen der Allgemeinen Berechnungsgrundlage und des von ihm eingeholten Gutachtens durfte der Beklagte im Blick auf § 45 Satz 1 StrlSchV - soweit es die Rechtsstellung des Klägers betrifft - die angefochtenen Grenzwertfestlegungen zur Abgabe von Jod 131 treffen.

131

(aa) Nicht stichhaltig ist die Ansicht des Klägers, bei der Berechnung der Strahlenexposition müsse von einer um 30 % gegenüber den Genehmigungswerten erhöhten Emission ausgegangen werden, weil Jod-Monitore diese Meßungenauigkeiten aufwiesen und die höchstzulässigen Abgabemengen somit "unbemerkt" um 30 % überschritten werden könnten; das gelte um so mehr wegen der Meßungenauigkeit des Kaminabluftvolumens.

132

Der Beklagte hat diesem auf Nr. 6.1 Abs. 1 der KTA Regel 1503.1 Fassung 2/79 zur Auslegung von Jod-Monitoren gestützten Einwand entgegengehalten, die Meßtoleranzen würden bei der Festlegung der Abgabewerte berücksichtigt, sie wirkten sich im Ergebnis außerdem belastungsneutral aus, weil die angezeigten Werte sowohl zu hoch als zu niedrig sein könnten. Es ist nicht erkennbar, daß er mit dieser Einschätzung den ihm als Genehmigungsbehörde zustehenden Beurteilungsspielraum verletzt haben könnte. Die Festlegungen der KTA-Regel kennzeichnen den Stand der Technik im Hinblick auf die nach § 46 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchV gebotene Messung und Überwachung der Ableitung gasförmiger und aerosolgebundener radioaktiver Stoffe. Jod-Monitoren haben außerdem nur die Aufgabe, die Tendenz der Fortluftabgaben zu überwachen. Der Nachweis, daß die genehmigten Emissionswerte eingehalten werden, erfolgt durch Laborauswertung von Sammelproben. Schließlich hat der Kläger nicht einmal andeutungsweise substantiiert, es bestehe eine nach praktischer Vernunft in Betracht zu ziehende Wahrscheinlichkeit, daß - wie unterstellt - bei allen von ihm betrachteten 50 Einzelemissionen während der Weidezeit der Genehmigungsgrenzwert tatsächlich um 30 % überschritten wird.

133

Ein Risiko "versteckter" Emissionen sieht der Kläger außerdem darin, daß in Auflage 6.2 der angefochtenen Genehmigung (nur) eine wöchentliche gammaspektrometrische Auswertung repräsentativer Proben aus der Dampferzeuger-Abschlämmung vorgeschrieben ist (Schriftsatz vom 19. September 1988, S. 7). Die Stellungnahmen der übrigen Verfahrensbeteiligten hierzu haben ergeben, daß die Überwachung des Sekundärkreises auf Radioaktivität in mehrfacher Weise erfolgt, darunter auch kontinuierlich (Schriftsatz des Beklagten vom 24. November 1988, S. 20; Schriftsatz der Beigeladenen zu 3) vom 2. November 1988, S. 41). Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte nach dem Stand der Wissenschaft unter diesen Gesichtspunkten bei der Berechnung der Strahlenexposition Aufschläge bei den Emissionsannahmen hätte machen müssen.

134

(bb) In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger gerügt, der Beklagte habe die Emission von Jod 131-Abgaben nach den Festlegungen der Allgemeinen Berechnungsgrundlage mit Kurzzeitausbreitungsfaktoren berechnen lassen müssen, weil die höchstzulässige Tagesabgabe nicht auf ein 1/200stel, sondern auf ein 1/100stel der Jahresemissionsmenge festgelegt worden sei (vgl. dazu 4.4 a) Nr. 1 der ABG). Auch dazu war der Beklagte indessen nicht gehalten.

135

Die Relevanz der formalen Abweichung des Grenzwertsystems von den Verhältniszahlen der Allgemeinen Berechnungsgrundlage hat der Beklagte gutachtlich prüfen lassen. Die Gutachter haben nach einer statistischen Analyse vorgeschlagen, wegen der Abweichung die Emission mit einem um den Faktor 3 gegenüber dem mittleren Langzeitausbreitungsfaktor erhöhten Quasi-Langzeitausbreitungsfaktor zu berechnen, was zu einer 95-Perzentil-Abdeckung der Verhältnisse während der Weidezeit führe (SG Teil 5.1 S. 3.1-37 f. sowie Tabelle 3.1-11 S. 3.1-39). Diese Beurteilung durfte sich der Beklagte nach dem Stand der Wissenschaft im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung in Ausübung seines Beurteilungsspielraums zu eigen machen. Die Allgemeine Berechnungsgrundlage erhebt selbst keinen absoluten Geltungsanspruch; Abweichungen sind im einzelnen zu begründen (vgl. den letzten Absatz der Vorbemerkung). Dies hat die TÜV Arbeitsgemeinschaft in angeführten Urteil in ausreichender Weise getan. Für seine Betrachtungsweise kann sich der Beklagte außerdem auf die Empfehlung im letzten Absatz des Hinweises im Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 8. August 1984 (GMBl. 1984, S. 327) stützen. Danach kann die zuständige Behörde bei der Festsetzung der maximal zulässigen Aktivitätsabgaben von den Empfehlungen der Allgemeinen Berechnungsgrundlage abweichen, soweit es zur Erreichung der Schutzziele des § 28 StrlSchV erforderlich ist. In der Sache war ein solcher Fall hier gegeben. Denn der Beklagte hätte gegen das Strahlenminimierungsgebot verstoßen, wenn er - obwohl nicht betriebsnotwendig - den Beigeladenen eine doppelte Jahresemissionsmenge zugebilligt hätte, nur um dem Formalismus der Allgemeinen Berechnungsgrundlage Rechnung zu tragen. Unter diesem Gesichtspunkt hat es der Senat in Anbetracht einer vergleichbaren Aktivitätsabgaberegelung für zulässig gehalten, die Strahlenbelastung unter der fiktiven Annahme einer doppelten Jahresabgabemenge zu errechnen (Beschluß vom 15. Mai 1985 - 7 OVG B 29/83 -, insoweit n.v.). Die Einschätzung des Beklagten im vorliegenden Fall ist konservativer, weil sie statt eines Erhöhungsfaktors 2 einen Erhöhungsfaktor 3 beinhaltet. Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte sonst nach dem Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung die in Rede stehende Einschätzung im Hinblick auf die Schutznorm des § 45 StrlSchV nicht hätte treffen dürfen, sind auch aufgrund der Erörterung der Problematik mit den Beteiligten nicht hervorgetreten.

136

Nach dem Gesagten kann dem Beklagten zugleich entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht kein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit vorgeworfen werden; der Beklagte hat sich - was er im Verhältnis zum Kläger durfte - dafür entschieden, die Auswirkungen der Jod 131-Emission in Anwendung eines Quasi-Langzeitausbreitungsfaktors zu berechnen; endgültige Feststellungen und Bewertungen, in welcher Höhe nach den örtlichen Verhältnissen ein Kurzzeitausbreitungsfaktor anzusetzen wäre, brauchte er daher nicht zu treffen.

137

Vor diesem Hintergrund konnte die Behauptung des Klägers als wahr unterstellt werden, anstelle des im Gutachten verwendeten Werts von 1,1 × 10(SUP)-7(/SUP) für den Langzeitausbreitungsfaktor als Basis für die Berechnung des Quasi-Langzeitausbreitungsfaktors sei nach den Standortverhältnissen ein Wert von 1,7 × 10(SUP)-7(/SUP) anzusetzen. Denn angesichts des Gutachtensergebnisses (Schilddrüsenbelastung für Erwachsene über den Ingestionsbelastungspfad 1,7 mrem/a) läßt sich aus dem reklamierten Erhöhungsfaktor die Behauptung einer Dosisgrenzwertüberschreitung nicht herleiten.

138

Der Fall nötigte ferner zu keiner Entscheidung der Frage, ob und inwiefern es von Bedeutung sein kann, daß die Genehmigungsbehörde ihre bei Genehmigungserteilung getroffene Einschätzung im gerichtlichen Verfahren ändert. Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, nach heutiger Einschätzung halte er in bezug auf die Belastungsberechnung einen - aus verschiedenen Faktoren multiplikativ ermittelten - Gesamterhöhungsfaktor von 19,5 für vertretbar. Für den vorliegenden Fall genügt hierzu die Bemerkung, daß der Erhöhungsfaktor 19,5 rechnerisch unrichtig ist. In ihm ist ein Faktor von 5 für die 99-Perzentilabdeckung bezüglich der Bildung des Quasi-Langzeitausbreitungsfaktors enthalten. In die Rechnung hätte dieser Erhöhungsfaktor nur mit 1,6 eingestellt werden dürfen, da in die Berechnung des Gutachtens selbst insoweit bereits ein Erhöhungsfaktor von 3 eingeflossen ist.

139

Aus alledem ergibt sich, daß die Genehmigungsfestsetzungen zur Abgabe von Jod 131 mit der Fortluft den Kläger ebenfalls nicht in seinen Rechten verletzen.

140

5. Die zahlreichen sonstigen, nur stichwortartig vorgebrachten Einwände - vor allem in seiner Ausarbeitung vom 13. September 1988 - können der angefochtenen Zweiten Teilbetriebsgenehmigung überwiegend schon thematisch nicht zugeordnet werden. Mindestens zeigen sie aber nicht mit gebotener Substantiierung die Möglichkeit auf, daß die Genehmigung Rechte des Klägers verletzt.

141

Hiernach ist die Klage mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Befugnis, eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, beruhen auf §§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

142

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

143

Schwermer

144

Dr. Berkenbusch

145

Kalz

146

Heidelmann

147

Heeren